Heute wurde ich gebeten, über die Rolle der Ethik auf dem Pfad der Sozialarbeit zu sprechen und das ist natürlich ein sehr wichtiges Thema, wenn wir einen der verschiedenen Berufe, um anderen zu helfen, ausüben wollen. Ob es nun tatsächlich um Sozialarbeit oder um die Bereiche der Bildung oder des Gesundheitswesens geht, die Ethik ist ein sehr wichtiger Aspekt. Wenn wir anderen helfen wollen, sollten wir es natürlich vermeiden, Schaden anzurichten und versuchen, unser Bestes zu geben, indem wir andere unterstützen so gut wir können, auch wenn wir vielleicht nicht die besten Methoden kennen. Denn jeder Mensch, dem wir zu helfen versuchen, ist natürlich ein Individuum und was für eine Person angemessen zu sein scheint, mag vielleicht für eine andere nicht unbedingt ratsam sein. Wenn wir also in irgendeinem sozialen, helfenden Beruf arbeiten, erfordert das ein großes Maß an Wissen und Sensibilität gegenüber anderen und Ethik ist die Grundlage von allem.
Ethische Selbstdisziplin
Im Buddhismus geht es beim Thema Ethik um ethische Selbstdisziplin. Um ein System der Ethik tatsächlich in die Praxis umsetzen zu können, ist natürlich Disziplin notwendig. Diese beiden sind also eng miteinander verbunden. Und bei dieser Disziplin geht es nicht darum, wie ein Polizist oder eine Polizistin, Disziplin oder Gesetze bei anderen durchzusetzen, sondern wir wenden diese Disziplin vielmehr bei uns selbst an und das erfordert natürlich, dass wir Faulheit, Gleichgültigkeit und all jene Dinge überwinden, die uns daran hindern, diszipliniert zu sein. Das bedeutet: auch wenn wir die ethischen Prinzipien, denen wir folgen sollten, kennen und auch motiviert sind, ihnen zu folgen, ist es trotzdem wichtig, alle Schwierigkeiten zu überwinden, die wir bei der Umsetzung in die Praxis haben könnten. Dieser Teil der Ethik ist also ein sehr umfangreiches Thema und es gibt sehr viele verschiedene Aspekte, in denen es wichtig ist, dass wir uns üben, um es effektiv in die Praxis umsetzen zu können.
Der Buddhismus unterscheidet drei Arten der ethischen Selbstdisziplin. Da gibt es zuerst die Disziplin, schädliches Verhalten zu unterlassen. Schädliches Verhalten ist nicht auf körperliche Handlungen begrenzt, sondern schließt auch unsere Rede – die Art und Weise, wie wir mit anderen kommunizieren – sowie auch unsere Geisteshaltung, unsere Denkweise, mit ein. Wir könnten einfach nur routinemäßig jemandem helfen, aber in unserem Geist alle möglichen schlechten Gedanken über ihn hegen. Dies zu unterlassen erfordert ebenfalls ethische Disziplin.
Die zweite Art der Disziplin besteht darin, sich in konstruktivem Verhalten zu üben und dies richtet sich in erster Linie darauf, was wir selbst unternehmen, um unsere Fähigkeiten zu schulen, anderen helfen zu können. Das bedeutet zu lernen, uns weiterzubilden und all die verschiedenen Dinge zu tun, die notwendig sind, um in unserem Beruf qualifiziert zu sein. Das heißt, dass wir in Bezug auf unsere Karriere auf dem neuesten Stand sind und uns nicht nur darauf verlassen, was wir vielleicht vor vielen Jahren gelernt haben. Und das erfordert tatsächlich ein hohes Maß an Disziplin, sich immer weiter zu bilden und die neuen Methoden zu erlernen, die sich in unserer Branche entwickeln. Das ist in der Tat nicht so einfach, denn wenn wir den ganzen Tag arbeiten und anderen helfen, ist das ganz schön anstrengend und wenn wir auf dem neuesten Stand bleiben wollen, ist das eine Arbeit, die wir nach Feierabend tun müssen.
Die dritte Art der ethischen Selbstdisziplin ist die Disziplin, sich tatsächlich darin zu üben, anderen zu helfen.
Es geht also um das Unterlassen von schädlichem Verhalten, das Üben in konstruktivem, sich selbst weiterbildendem Verhalten und darum, tatsächliche anderen zu helfen. Das sind die drei Bereiche der ethischen Selbstdisziplin, die im Buddhismus betont werden und ich glaube, dass dies in allen Bereichen des sozialen Dienstes sehr relevant ist. Lassen Sie uns diese drei Bereiche etwas eingehender betrachten.
Schädliches Verhalten unterlassen und sich in konstruktivem Verhalten üben
Schädliches Verhalten unterlassen. Was ist schädliches Verhalten? Schädliches Verhalten wird in den buddhistischen Lehren beschrieben als eine Handlungsweise – sei es mit unserem Körper, unserer Rede oder unserer Denkweise – die durch eine störende Emotion oder eine störende Geisteshaltung motiviert wird. Wie es sich auf andere auswirkt, können wir nicht wirklich mit Sicherheit sagen, denn manchmal mag sogar etwas, was wir mit einer guten Motivation tun, anderen schaden – weil wir beispielsweise einen Fehler machen; oder wir versuchen jemandem zu helfen, aber unser Rat wird nicht wirklich angenommen; usw.
Unter dem Einfluss von Ärger handeln
Was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass es schädlich ist, wenn wir eine schädliche oder gestörte Motivation haben. Wir könnten beispielsweise unter dem Einfluss von Ärger handeln. Wir ärgern uns zum Beispiel darüber, wie sich jemand verhält oder mit seinem Leben umgeht und bei dem Versuch, ihm als Sozialarbeiter zu helfen, schreien wir ihn an: „Handele nicht auf diese Weise! Nimm keine Drogen!” oder was immer es sein mag. Aber hinter der Art, wie wir mit Ihnen umgehen steckt Ärger. Das hindert uns nicht nur daran, klar darüber nachzudenken, was dem anderen bestmöglich helfen könnte, sondern andere Menschen sind auch sensibel, sie können unseren Ärger spüren und reagieren in der Regel schlecht darauf, wenn wir wütend auf sie sind. Es ist nicht so einfach, denn soziale Arbeit erfordert sehr viel Geduld. Wir versuchen, anderen zu helfen, wir geben ihnen gute Ratschläge usw. und sie nehmen sie nicht an. Und dann sind wir natürlich frustriert, weil wir keine Geduld haben und wenn wir unsere Geduld verlieren, werden wir sehr leicht wütend auf die anderen und beschimpfen sie und schreien sie an. Oder wenn wir im Gesundheitswesen tätig sind, sagen wir: „Warum nehmen Sie Ihre Medizin nicht? Was ist mit Ihnen los?” Das ist es, was ich meine. Man kann ganz leicht die Fassung verlieren.
Mitgefühl für andere entwickeln
In solchen Situationen ist es wirklich wichtig, Mitgefühl zu entwickeln – zu verstehen, dass diese arme Person verwirrt ist, verstehen, dass sie sich in einem solch schwierigem Zustand befindet, dass sie nicht einmal einen guten Rat annehmen kann. Wir können andere Menschen nicht dazu zwingen, unseren Rat anzunehmen. Tatsächlich können wir einzig und allein an uns arbeiten, eine geschicktere Methode zu finden und zu sehen, wie wir diese Person davon überzeugen können, ihre Gewohnheiten zu ändern. Wenn wir aber von Wut, Frustration und Ungeduld überwältigt werden, wird uns das tatsächlich daran hindern, klar darüber nachzudenken, wie man die Kommunikation mit dieser Person verbessern könnte.
Unter dem Einfluss von Anhaftung handeln
Die zweite Form der störenden Emotionen sind Anhaftung und Verlangen. Schließlich sind wir alle Menschen. Wir haben Wünsche und Begierden. Wir fühlen uns zu bestimmten Menschen hingezogen. Zu einigen der Menschen, denen wir als unseren Klienten helfen wollen, könnten wir eine sexuelle Anziehung haben, oder wir könnten eine mütterliche oder väterliche Art der Anziehung zu einem kleinen Kind haben: „Oh wie süß, wie lieb,” usw. In beiden Fällen könnte uns das daran hindern, konsequent mit diesen Personen umzugehen, was manchmal notwendig ist, wenn wir ihnen helfen wollen. Oder weil wir uns zu einer Person so hingezogen fühlen machen wir sie bewusst oder unbewusst von uns abhängig, damit wir mehr Zeit mit ihr verbringen können. Das müssen wir vermeiden. Natürlich ist das nicht so einfach, weil wir, wie gesagt, Menschen sind und manchmal einfach unsere Fassung verlieren oder bestimmte Menschen attraktiv finden.
Gleichmut entwickeln
In der buddhistischen Übung wird der Schwerpunkt immer auf das Entwickeln von Gleichmut gelegt und das bedeutet Folgendes: Sich nicht unter dem Einfluss von Anziehung oder Ablehnung gegenüber jenen zu befinden, denen wir helfen wollen, oder Menschen zu ignorieren, die Hilfe benötigen (das ist die dritte Variante), sondern eine offene, ausgewogene Geisteshaltung gegenüber allen zu haben. Das bedeutet, eine offene und ausgewogene Geisteshaltung gegenüber jenen zu haben, denen man leicht helfen kann und jenen, bei denen es schwieriger ist, gegenüber jenen, mit denen man gerne zusammen ist und gegenüber jenen, mit denen der Umgang schwer fällt. Die Methode, mit der wir diese Haltung entwickeln können, besteht darin zu verstehen, dass wir alle gleich sind: Jeder will glücklich sein, niemand will unglücklich sein, genau wie ich auch. Jeder möchte Aufmerksamkeit bekommen, jeder möchte, dass man sich um ihn kümmert, so wie auch ich. Niemand will ignoriert werden.
Tatsächlich ist mir gerade eingefallen, dass es einige Menschen gibt, die einfach nur allein gelassen werden möchten. Sie wollen unsere Hilfe nicht. Das sind die Schwierigsten. Und das ist eine große Herausforderung, sich nicht abgelehnt zu fühlen und es nicht persönlich zu nehmen. Ich denke vor allem an alte Menschen in Pflegeheimen, die nicht sehr kooperativ in Bezug auf die Einnahme ihrer Medikamente oder verschiedener anderer Dinge sind, die sie tun müssen. Aber selbst wenn sie unsere Hilfe ablehnen und allein gelassen werden wollen, ist es trotzdem wichtig, dass wir diese ausgeglichene Geisteshaltung ihnen gegenüber haben und sie nicht einfach ignorieren.
Noch kraftvoller als nur zu denken: „Jeder will glücklich sein, niemand will unglücklich sein”, ist es, jeden wie ein Familienmitglied oder engsten Freund betrachten. Diese Person im Pflegeheim könnte meine Mutter oder mein Vater sein und ich würde sie nicht ignorieren oder schlecht behandeln wollen. Wir könnten auch denken: „Eines Tages werde ich selbst im Pflegeheim sein und ich würde nicht wollen, dass mich jemand ignoriert oder schlecht behandelt.” Oder wenn wir mit Kindern zu tun haben: „Das könnte mein Kind sein.” Oder wenn es um jemanden in unserem Alter geht: „Das könnte mein Bruder, meine Schwester oder mein Freund sein.” Das wird uns helfen, eine ausgeglichenere, offenere Geisteshaltung zu entwickeln und zu verstehen, dass alle gleichermaßen wichtig sind.
Unter dem Einfluss von Naivität handeln
Eine andere störende Geisteshaltung ist die Naivität. Naivität bedeutet, dass wir zum Beispiel zu beschäftigt sind, um über jemanden, mit dem wir arbeiten, wirklich alle Einzelheiten in Erfahrung zu bringen und deshalb, wegen unserer Unwissenheit und unserer Naivität in Bezug auf seine Situation, mit ihm nicht wirklich gut umgehen. Denken Sie daran, dass jeder ein Individuum ist und dass jeder seine eigene Geschichte, seinen eigenen Hintergrund hat. Und wenn wir im Laufe des Tages mit so vielen Klienten zu tun haben, dass uns wirklich die Zeit fehlt, jedem von ihnen Aufmerksamkeit entgegen zu bringen, ist es wirklich nicht so leicht. Aber egal, wie unsere Arbeitssituation auch sein mag, egal, wie viel Zeit wir mit jedem Einzelnen verbringen können, es ist wichtig zu versuchen, so viel wie möglich über diese Person herauszufinden. Je mehr wir über jemanden erfahren, desto besser werden wir ihm oder ihr helfen können. Wenn wir uns aber nicht kümmern, wenn wir zu müde oder zu faul sind, dann ist unsere Fähigkeit anderen zu helfen wirklich sehr begrenzt. Das bedeutet, dass folgendes nötig ist: dass wir während unserer Arbeit nicht ständig über uns und unsere persönlichen Probleme nachdenken, sondern uns wirklich um die andere Person kümmern. Dazu gehört, dass ich möglichst eine Denkweise unterlasse, die meine Arbeit ineffektiv machen würde, eine Denkweise, die auf eine Art destruktiv, schädlich für meine Arbeit wäre. Wenn ich nur darüber nachdenke: „Oh, ich habe zu Hause ein Problem mit diesem und jenem”, kann ich meinem Klienten keine Aufmerksamkeit schenken.
Handeln, wenn man übermäßig emotional und überwältigt ist
Es gibt viele Geisteshaltungen und emotionale Zustände, durch die unsere Arbeit an Effektivität verliert. Abgesehen von diesen störenden Emotionen, die ich eben erwähnt habe, gibt es auch Situationen, in denen manche Menschen übermäßig emotional sind. Wenn wir übermäßig emotional sind und einfach von starken Gefühlen überwältigt werden, zum Beispiel, wenn wir mit Menschen zu tun haben, die bei einem Unfall verletzt wurden und dann selbst anfangen zu weinen usw., werden wir dieser Person unmöglich helfen können. Hier ist es wichtig, dass wir eine sehr sorgfältige Balance zwischen zwei Extremen haben sollten. Das eine Extrem besteht darin, gefühlskalt zu sein und nichts zu empfinden. Und das andere Extrem ist die übermäßig emotionale Reaktion auf Dinge, so dass wir unserer Arbeit nicht mehr nachgehen können.
Um nicht in das Extrem zu verfallen, gefühlskalt zu sein und nichts zu empfinden, sollten wir uns daran erinnern, dass jeder Mensch auf menschlichen Kontakt freundlich reagiert. Sie wollen nicht wie von einer Maschine behandelt werden. Ein Lächeln, oder lediglich das Halten der Hand, wenn jemand zum Beispiel in einem Krankenhausbett liegt – diese Dinge geben eine menschliche, warme Note, die sehr wichtig ist, wenn wir anderen helfen wollen.
Wenn wir auf der anderen Seite übermäßig emotional sind, sollten wir erkennen, dass es bei diesem Gefühl eigentlich nur darum geht, dass wir um uns selbst besorgt sind: „Oh, ich halte das nicht aus. Das ist zu viel. Das ist so schrecklich.” Im Grunde denken wir nur an uns. Wir denken nicht wirklich an den anderen. Wir denken darüber nach, wie wir uns deswegen fühlen. Wenn unser Kind verletzt wird und wir hysterisch reagieren und nur weinen, können wir dem Kind nicht helfen und das Kind wird dadurch eher verängstigt. Wir müssen ruhig bleiben, um unser Kind beruhigen zu können und wir müssen klar darüber nachdenken, was zu tun ist, um ihm zu helfen (wenn es sich zum Beispiel geschnitten hat und stark blutet).
All diese Punkte, die ich hier erwähne, passen in die Kategorie der ethischen Selbstdisziplin zur Ausübung konstruktiven Verhaltens. Mit anderen Worten müssen wir uns in diesen Methoden üben, die uns dabei helfen werden, in keines dieser Extreme zu verfallen, über die wir gerade gesprochen haben. Konstruktives Verhalten bedeutet nicht nur, dass wir uns weiterbilden, sondern auch, dass wir an uns selbst arbeiten, um auch die emotionalen Fähigkeiten entwickeln zu können, damit wir anderen auf effektive und ausgeglichene Weise helfen können. Und der Buddhismus bietet eine Vielzahl von Methoden, die uns in diesem Gebiet hilfreich sein können.
Anderen helfen
Faulheit überwinden
Um uns in der dritten Form der ethischen Selbstdisziplin zu üben, tatsächlich anderen zu helfen, ist es natürlich wichtig, Faulheit zu überwinden. Faulheit hat viele Aspekte. Ein Aspekt besteht darin, sich durch andere Dinge ablenken zu lassen. Zum Beispiel mögen wir denken: „Im Fernsehen läuft gerade meine Lieblingssendung und weil ich sie wirklich mag, würde ich sie mir lieber ansehen, als aufzustehen und dir zu helfen”. Oder wir lassen uns durch sehr triviale Dinge ablenken, was eine Form der Faulheit ist: „Ich würde lieber ein bisschen länger im Bett liegen bleiben, als aufzustehen und zur Arbeit gehen.” Dabei handelt es sich um Faulheit, nicht wahr?
Eine andere Form der Faulheit besteht darin, Dinge auf später zu verschieben, anstatt sie gleich zu tun. Sie kennen es wahrscheinlich, wenn man irgendeine Arbeit macht und diese Arbeit sich anhäuft. Es kommt immer mehr dazu und es hört einfach nicht auf. Wenn wir uns nicht gleich um die Dinge kümmern – ob E-Mails am Computer, oder die Arbeit auf dem Schreibtisch – häufen sie sich einfach immer mehr und mehr an und dann ist es fast wie ein Tsunami, der uns mit Arbeit überschwemmt und wir fühlen uns überwältigt, weil es einfach so viel zu tun gibt. Wenn wir einen arbeitsreichen und anspruchsvollen Beruf ausüben wollen, können wir die Dinge nicht auf morgen verschieben. Wir müssen uns jeden Tag um die Dinge kümmern.
Das erfordert natürlich so genannte enthusiastische Ausdauer. Ausdauer – das heißt, dass wir einfach weitermachen, auch wenn wir müde sind; wir müssen die Arbeit beenden. Aber es gibt einen bestimmten Punkt, an dem wir uns wirklich ausruhen müssen, weil wir mit unserer Arbeit oder mit anderen nicht mehr effektiv umgehen können; wir sind einfach zu müde. Damit wir in der Lage sind, unsere Anstrengungen über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten, besteht einer der wichtigen Grundsätze darin zu wissen, wann wir eine Pause einlegen müssen und sich diese Pause zu gönnen, ohne sich schuldig zu fühlen. Aber das bedeutet natürlich nicht, in das Extrem zu verfallen, uns selbst wie ein Baby zu behandeln und sich zu viele Pausen zu gönnen. Das ist eine Form der Faulheit: nur deshalb eine Pause einzulegen, weil es angenehmer ist, als zu arbeiten.
Wenn wir eine Pause einlegen, sollten wir uns selbst auch gut genug kennen und wissen, was uns dabei hilft, zu entspannen und unsere Energie wieder aufzubauen. Für einige mag es bedeuten, einfach ein Nickerchen zu machen oder schlafen zu gehen. Für andere mag es reichen, nach draußen zu gehen, etwas frische Luft zu holen oder ein wenig spazieren zu gehen. Oder andere sehen sich vielleicht einen Film an oder schauen fern. Wieder andere kochen vielleicht etwas. Es gibt so viele Dinge, die wir entspannend finden mögen – lesen oder was immer es sein mag, es ist egal. Es geht darum, uns selbst zu kennen und zu wissen, wann wir eine Pause einlegen müssen und wie wir uns entspannen können und auch darum, diszipliniert zu sein, wieder aufzustehen und zurück an die Arbeit zu gehen, wenn wir uns genügend ausgeruht haben.
Was uns auch davon abhalten kann, wieder zurück an die Arbeit zu gehen, ist dies: „Ich habe einfach keine Lust.” Hier müssen wir an unserer Motivation arbeiten. Wir versuchen, anderen zu helfen. Was wir tun, ist hilfreich für andere. Wenn wir Hilfe bräuchten, würde es uns nicht gefallen, wenn die Person auf die wir angewiesen wären, zu beschäftigt oder zu müde wäre, oder wenn sie zuerst die Fernsehsendung bis zu Ende sehen wollte, bevor sie uns helfen würde. So wie es uns nicht gefallen würde, wenn andere auf diese Weise handeln, auf deren Hilfen wir angewiesen sind, fühlen sich andere ähnlich, wenn sie auf uns angewiesen sind. Dies ist eine sehr wichtige buddhistische Methode, welche darin besteht, sich in die Situation des anderen zu versetzen und zu sehen, wie es uns gefallen würde, wenn uns jemand auf diese Art und Weise behandeln würde, wie wir ihn behandeln.
Wir haben uns mit zwei Formen der Faulheit beschäftigt: jene, bei der wir uns einfach von trivialen Dingen ablenken lassen und die Form der Faulheit, bei der wir Dinge auf später verschieben. Die dritte Form der Faulheit ist das Gefühl der Unzulänglichkeit: „Ich bin einfach nicht gut genug. Ich kann das nicht tun. Das ist zu viel.” Das ist ein großes Hindernis. Es mag tatsächlich so sein, dass wir nicht wissen, was wir tun können, um jemanden zu helfen. So etwas passiert. In der Tat kann es ziemlich oft passieren, wenn wir beispielsweise in sozialem Dienst tätig sind. Wenn wir aber meinen: „Ich bin zu nichts zu gebrauchen. Ich bin nicht gut” und wenn wir uns dann psychologisch und emotional „geißeln“, wird das keineswegs weiterhelfen, denn hier handelt es sich tatsächlich um eine Form der Faulheit. Wir sind in dem Sinne faul, dass wir uns nicht einmal mehr anstrengen; wir ziehen einfach die Schlussfolgerung: „Ich bin nicht gut genug.”
Wir sind keine Buddhas, zumindest noch nicht, und natürlich wissen wir nicht, was das Beste für andere ist. Wir machen Fehler. Wir sind Menschen. Aber der entscheidende Punkt ist, es weiter zu versuchen und nicht aus Faulheit aufzugeben. Und wenn möglich sollten wir andere fragen, wie wir helfen können, falls uns selbst nichts Effektives einfällt. Obwohl wir Verantwortung übernehmen müssen, um anderen zu helfen, um die wir uns kümmern, ist es auch wichtig, das Extrem zu meiden, bei dem wir denken: „Ich bin der Heilige Erlöser und ich werde alle retten.” Denn dadurch verfallen wir leicht einem unbewussten Drang, alle anderen von uns abhängig und dankbar dafür machen zu wollen, dass wir sie gerettet haben und dann werden wir eifersüchtig und neidisch, wenn ein anderer ihnen hilft und wenn wir nicht diejenigen waren, die das getan haben. Aber wenn unsere Motivation wirklich darin besteht, dass die andere Person einen Nutzen zieht und Hilfe bekommt, dann ist es egal, wer ihnen hilft. Wichtig ist allein, dass sie ihr Problem überwinden. Und wenn wir feststellen, dass wir wirklich nicht in der Lage sind – ich meine, dass wir objektiv nicht in der Lage sind – dieser Person helfen zu können, ist es sehr wichtig, nicht stolz zu sein und uns nicht durch unseren Stolz daran hindern lassen, sie an jemand anderen weiter zu empfehlen, von dem wir denken, dass er ihnen besser helfen kann als wir.
Das Bekräftigen unserer Motivation ist also eine sehr wichtige Methode, die im Buddhismus immer wieder betont wird. Hier besteht unsere Motivation, irgendeine Form der sozialen Arbeit zu leisten, darin, dass der anderen Person mit ihrem Problem geholfen wird, dass sie von ihrem Problem, was auch immer es sein mag, befreit wird. Und es bedeutet nicht, dass ich unbedingt derjenige sein muss, der es tut, obwohl wir, wie gesagt, Verantwortung übernehmen: „Ich werde versuchen, so gut wie möglich zu helfen.”
Eine sich kümmernde Geisteshaltung entwickeln
Ethik hängt sehr stark davon ab, eine so genannte sich kümmernde Geisteshaltung (teilnahmsvolle Geisteshaltung, engl.: caring attitude) zu haben: „Ich kümmere mich um die Wirkung meines Verhaltens auf andere.” Es ist nicht so, dass ich nur eine Arbeit verrichte und ein Gehalt bekomme und mich nicht wirklich um die anderen kümmere oder darum, ob das, was ich tue hilfreich ist oder nicht. Und wir müssen auch die Wirkung unseres Verhaltens auf uns selbst bedenken. Diese sich kümmernde Geisteshaltung basiert darauf, das Gesetz von Ursache und Wirkung tatsächlich zu verstehen und es ernst zu nehmen. Wir handeln in einer gewissen Weise, mit einer gewissen Motivation – sie wird eine bestimmte Wirkung haben und wir sind vollkommen davon überzeugt, dass sie eine Wirkung hat. Das bedeutet es, es ernst zu nehmen und sich zu kümmern. Was wir tun, hat tatsächlich eine Wirkung auf andere und es hat auch eine Wirkung auf mich.
Wenn wir uns also in dieser Form der ethischen Disziplin, anderen zu helfen, üben, in dieser dritten Form der ethischen Disziplin, dann ist es sehr wichtig, diese sich kümmernde Geisteshaltung zu haben. Aber die sich kümmernde Geisteshaltung ist auch die Grundlage der Ausübung konstruktiven Verhaltens, dieser Form der ethischen Disziplin. Zum Beispiel: „Es ist mir wichtig, effektiv in meiner Arbeit zu sein und ich werde daher diszipliniert sein und meine Ausbildung und mein Training weiterführen.” Und um diese sich kümmernde Geisteshaltung geht es auch bei der ethischen Disziplin, schädliches Verhalten zu vermeiden: „Weil mir die Wirkung meines Verhaltens auf andere und mich selbst wichtig ist, möchte ich niemandem schaden.” Genauer gesagt: „Ich möchte niemandem unter dem Einfluss von Ärger, Anhaftung, Naivität, Eifersucht usw. schaden.” oder Stolz: „Obwohl ich nicht weiß, wie ich helfen kann, tue ich so, als würde ich es wissen.”
Um diese sich kümmerndeGeisteshaltung zu haben, ist es wichtig, ein grundlegendes Gespür für Werte, für ethische Werte, und einen gewissen Respekt gegenüber den guten Qualitäten und denjenigen, die diese guten Qualitäten besitzen, zu haben. Mit anderen Worten sehen wir jene als Vorbild, die sich auf unserem Gebiet, anderen zu helfen, auszeichnen – ob wir nun an Mutter Theresa oder jemand anderen denken – und wir bewundern und respektieren solch eine Person und sehen sie als unser leuchtendes Beispiel. Es ist sehr wichtig, ein gewisses Leitbild zu haben, jemanden, der uns auf unserem Gebiet Inspiration geben kann, zu dem wir aufschauen können und der ein leuchtendes Beispiel für uns ist. Es spielt keine Rolle, ob wir diese Person tatsächlich kennen gelernt haben oder nicht. Aber wir sehen diese Person als Vorbild, weil wir ein Gefühl für Werte haben. Die Art und Weise, wie sie ihr Leben gelebt haben, ist wertvoll und davor habe ich Respekt. Und darüber hinaus erkennen wir, dass uns all die grundlegenden Voraussetzungen zur Verfügung stehen, auch so zu werden. Dies ist es, was in den buddhistischen Lehren mit Faktoren der Buddhanatur gemeint ist. „ Ich habe einen Körper. Ich habe die Fähigkeit zu kommunizieren. Ich habe ein Herz und Gefühle. Ich habe einen Intellekt: Ich kann Dinge verstehen und sie begreifen. Ich habe Fähigkeiten. Ich bin in der Lage etwas zu lernen.” All diese Qualitäten haben wir also in uns. Sie sind unsere Arbeitsgrundlage. Und so erkennen wir, dass wir tatsächlich wie diese inspirierenden Vorbilder werden können. Und so haben wir Respekt für uns selbst, haben ein Gefühl von Selbstwürde und auf diese Weise können wir uns tatsächlich um die Wirkung unserer Handlungsweise kümmern und uns in ethischer Selbstdisziplin üben. Es geht darum, das Gefühl zu haben: „Natürlich kann ich immer etwas verbessern. Natürlich kann ich helfen.” Und wir sehen es als etwas Positives.
Das sind also – basierend auf den buddhistischen Lehren – einige meiner Gedanken über die Rolle der Ethik auf dem Pfad der sozialen Arbeit. Wenn sie diesen Fachbereich in Ihrem Studium eingeschlagen haben, ist das eine wunderbare Gelegenheit, wirklich etwas Positives zu tun und einen großen Beitrag mit dem eigenen Leben zu leisten. Diese Art von Tätigkeit macht das Leben wirklich sinnvoll und wertvoll, weil wir tatsächlich anderen von Nutzen sind. Ich lebe in Berlin, in Deutschland, und dort habe ich ein paar Schüler, die sich auf diesem Gebiet engagieren. Einer meiner Schüler arbeitet in einem Haus, einer Einrichtung für Menschen, die im hohen Grad geistig behindert sind – mit dieser Art von Kindern mit dem Down-Syndrom – und er kümmert sich um diese Kinder und hilft ihnen in ihrem Leben. Eine andere Schülerin ist eine Krankenschwester, die sich um ältere Menschen mit Behinderungen kümmert. Und das sind wunderbare Berufe. Sie erfordern natürlich viel Geduld und ein hohes Maß an Disziplin, aber es lohnt sich. Und sie erfordern natürlich ein starkes Gefühl für Ethik. Ich bewundere es also sehr, wenn sie diese Richtung in ihrem Leben eingeschlagen haben.
Fragen
Gibt es irgendwelche buddhistische Methoden, die uns dabei helfen können, mit solchen destruktiven Geisteshaltungen wie Misstrauen umzugehen?
Misstrauen geht in die Richtung von Paranoia, wenn man immer denkt: „Die Menschen sind gegen mich. Ich frage mich wirklich, was ihre Absichten sind” usw. Hier gibt es zwei Aspekte. Bei dem einen geht es um die Unsicherheit, die dazu führt, dass wir immer Angst davor haben, jemand könnte gegen mich sein oder jemand könnte mir wehtun. Das basiert auf Unsicherheit. Und der andere Aspekt ist Hypersensibilität (Überempfindlichkeit), wenn man überreagiert.
Wenn wir Unsicherheit überwinden wollen, gibt es viele Ebenen, auf denen wir damit umgehen können. Eine Möglichkeit wäre, einfach generell Vertrauen in die eigene Fähigkeit zu haben, mit allem umgehen zu können, was im Leben passiert. Ich finde das Beispiel Buddha Shakyamunis sehr hilfreich. „Nicht jeder mochte Buddha, was erwarte ich also für mich? Erwarte ich, dass mich jeder mögen wird?” Das ist völlig unrealistisch. Es ist unmöglich es allen recht zu machen. Buddha hat es nicht geschafft, also sollte ich nicht erwarten, dass ich es allen recht machen kann und dass alle mich mögen werden. Ich versuche mein Bestes – ich habe eine gute Absicht – und ob sie es mögen, oder ob sie es nicht mögen ist ihr Problem. Ich finde, dass das sehr hilfreich ist. Und natürlich ist es so: je mehr wir üben, desto mehr Erfahrung sammeln wir mit dem Alter und so fühlen wir uns im Allgemeinen etwas sicherer. Wenn man ein junger Mensch, ein Teenager ist, dann ist es ganz normal unsicher zu sein, besonders wenn man anerkannt und von den Menschen geliebt werden möchte usw.
Es ist wichtig, unsere guten Eigenschaften zu bestärken. Das bedeutet nicht, die Unzulänglichkeiten, die wir haben mögen, zu leugnen oder zu ignorieren, aber wenn wir diese Unzulänglichkeiten zu sehr betonen, werden wir dadurch wirklich sehr unsicher werden. Aber bei niemanden ist es so, dass er nur Fehler hat; wir alle haben einige gute Eigenschaften und es ist wichtig, uns immer an sie zu erinnern. Es bedeutet nicht, stolz darauf zu sein und arrogant zu sein, aber es bedeutet, etwas Selbstvertrauen haben.
Wenn wir überempfindlich sind, überreagieren und uns über dieses oder jenes aufregen, dann ist es wiederum wichtig zu denken: „Das wird niemandem weiterhelfen.” Es beeinträchtigt unsere Fähigkeit, mit dem Leben umgehen zu können und jeder um uns herum wird sich sehr unangenehm fühlen. Je mehr wir in jeder Situation, die wir haben, an andere denken, desto rücksichtsvoller und ruhiger werden wir in Bezug darauf sein, wie wir emotional auf bestimmte Dinge reagieren. Hier wird häufig das Beispiel einer Mutter gebraucht. Eine Mutter kann sich über etwas sehr aufregen, aber wenn die Kinder versorgt werden müssen – wenn man das Essen für sie zubereiten muss – überwindet man die Aufregung und tut das, was getan werden muss, um ihnen zu helfen.