Einleitung
Morgen ist der buddhistische Feiertag, der im Tibetischen als „Lhabab Dütschen“ oder im Deutschen als „Herabstieg aus dem Himmel der Dreiunddreißig“ bekannt ist. Die beste Weise, diesen besonderen Tag zu feiern, ist, eine buddhistische Belehrung über die vier edlen Wahrheiten zu geben, über die erste Unterweisung, die Buddha nach seinem Erlangen der Erleuchtung gab. Vor allem möchte ich jedoch etwas mehr darüber reden, worüber Seine Heiligkeit der Dalai Lama stets mit großer Sorgfalt, Liebe und Mitgefühl spricht – über den Pfad, den wir mit einer Bodhichitta-Motivation folgen sollten, um nicht nur unsere eigene Situation zu verbessern, sondern auch die gegenwärtige Situation der gesamten Welt. Das würde ich gern hinsichtlich der drei stufenweisen Ebenen des Lam-rim erläutern, und etwas dazu sagen, wie die in ihnen dargelegten Methoden uns helfen, die Hindernisse zu überwinden, die uns davon abhalten beides zu verbessern.
Wie Seine Heiligkeit sagt, ist der Bodhichitta-Geist ausgesprochen wichtig. Auch wenn wir Bodhichitta nicht auf starke und manifestierte Weise in uns haben, sollten wir daran denken, dass in allen von uns zumindest das Potenzial dafür vorhanden ist. Wenn wir morgens aufwachen, sollten wir versuchen, sogleich an Bodhichitta zu denken. Mitgefühl ist, besonders in Bezug auf die Darstellung in Madhyamaka-Texten, unerlässlich zu Beginn, in der Mitte und am Ende des Pfades. Jeden Morgen sollten wir uns daher über die Wichtigkeit des Mitgefühls bewusst werden. Das hilft uns, den Tag mit der richtigen Einstellung zu beginnen.
Erklärung zu Lhabab Dütschen und Gedanken, die man an diesem besonderen Tag entwickeln sollte
Ich werde nicht ausführlich auf die Geschichte dieses Feiertages eingehen, aber im Wesentlichen wird das Ereignis zelebriert, an dem Buddha zur Erde zurückkehrte, nachdem er sich in das himmlische Reich der dreiunddreißig Götter begeben hatte, um seiner Mutter, die dort wiedergeboren wurde, Belehrungen zu geben, sowie den besonderen Wesen, die an diesem Ort wohnen. Doch den Menschen auf der Erde fehlte der Buddha und so wurde Maudgalyayana, der einer der wichtigsten Schüler Buddhas war, als Vertreter gesandt, um den Buddha zu bitten, wieder zur Erde zurückzukehren und weiter den Dharma zu lehren. In gewisser Weise regt uns dieses besondere Festival dazu an, darüber nachzudenken, wie sehr wir den Buddha und seine Lehren vermissen würden, wenn es sie nicht mehr gäbe.
Eine andere Weise über Lhabab Dütschen nachzudenken, besteht darin sich zu fragen, warum der Buddha überhaupt in den Himmel der Dreiunddreißig aufgestiegen ist. Er tat es nicht, weil er unter Stress stand und Urlaub brauchte! Die Geschichte hinter diesem Festival ist, dass der Buddha sich an die Güte seiner Mutter erinnert und dann Aktivitäten entfaltet, die in den ersten drei Punkte der siebenteiligen Anweisung über Ursache und Wirkung zum Entwickeln von Bodhichitta enthalten sind. Diese drei Punkte sind folgende:
- zu erkennen, dass alle Wesen unsere Mütter gewesen sind;
- sich an die Güte unserer Mütter zu erinnern; und
- sich zu wünschen, ihre Güte zu erwidern.
Der Buddha veranschaulichte diese drei Punkte durch das, was er tat. Wenn der Buddha auf diese Weise handelte, sollten wir ebenfalls unser Möglichstes geben, um unseren Gurus und Eltern Wertschätzung und Dankbarkeit für ihre Güte zu zeigen. Auch wenn es in der buddhistischen Tradition keinen „Tag des Lehrers“ gibt, könnte man dieses Festival als eine Mischung aus dem Tag des Buddhas, dem Tag des Lehrers und dem Muttertag betrachten.
Der Buddha begab sich also in den Himmel der Dreiunddreißig und leitete seine Mutter durch eine Kombination der Sutra-Lehren über die vier edlen Wahrheiten und der Tantra-Lehren der Göttin des weißen Schirms, Sitatapatra, an, den Pfad des Sehens zu erlangen und von samsarischer Wiedergeburt und all den damit verbundenen Leiden frei zu werden. Für den Buddha gab es keine bessere Weise, die Güte seiner Mutter zu erwidern. Wir können erkennen, welchen Rat Buddha uns damit gibt.
Die anfängliche Ebene: Wiedergeburt in den niederen Bereichen vermeiden und eine Wiedergeburt in den höheren Bereichen erlangen
An diesen zwei Tagen, an denen ich die Möglichkeit haben werde, mit euch zu reden, möchte ich mich auf die drei aufeinanderfolgenden Stufen des Lam-rim konzentrieren, sowie darauf, was uns tatsächlich davon abhält, diese Stufen zu erreichen. Auch wenn viele von uns hier sehr erfahren sind, was den Dharma betrifft, können wir dann, wenn wir wirklich ehrlich mit uns sind, sagen, wir hätten die höchste Ebene erreicht? Wie ist es mit der mittleren Ebene, oder der noch kleineren, der anfänglichen Ebene? Jede dieser Ebenen ist nicht leicht zu entwickeln. Ich möchte also einen Blick darauf werfen, was uns davon abhält die Übungen kultivieren zu können, die mit Personen der drei Ebenen in Verbindung gebracht werden.
Die anfängliche Ebene ist die so genannte „kleine Ebene“. Wir sollten uns jedoch nicht von diesem Namen täuschen lassen und die kleinere Ebene als etwas betrachten, was nicht so wichtig ist und was wir einfach beiseite schieben können, um weiterzugehen. Diese Ebene ist als die anfängliche Ebene äußerst wichtig; sie ist die Grundlage, auf der die anderen Ebenen aufbauen.
Denken wir einmal an die besonderen Qualitäten, die wir in Bezug auf die kleinere Ebene entwickeln müssen: Reden wir beispielsweise von der größeren, fortgeschrittenen Ebene, sagen wir, dass es hier in erster Linie darum geht, Bodhichitta zu entwickeln. Was die Praktizierenden der mittleren Ebene betrifft, so entwickeln sie Entsagung. Aber was ist dann mit der kleineren Ebene? Geht es hier lediglich darum, Angst vor den Leiden der niederen Bereiche zu haben? Nein, bestimmt nicht.
Die Faszination der Erscheinungen dieses Lebens überwinden
Um die Ebenen des Pfades bis hin zur vollen Erleuchtung durchzugehen, ist es natürlich notwendig, Entsagung und Bodhichitta der zwei höheren Ebenen zu haben. Aber wir brauchen auch eine gute Grundlage der Praktiken, die mit der kleineren Ebene verbunden sind. Von besonderer Bedeutung ist das Überwinden unserer Faszination für die Erscheinungen dieses Lebens. Das ist eines der Dinge, die wir loswerden müssen. Sind wir nicht dazu in der Lage, werden wir nie wirklich zu der Ebene gelangen, an der wir an die Vorbereitung für zukünftige Leben denken können. Es gilt also herauszufinden, wie wir mit unserer Faszination für die Erscheinungen dieses Lebens und unsere Anhaftung an sie umgehen können.
Was wir benötigen, ist eine Methode, mit der wir uns damit auseinandersetzen können. Die großen Kadampa Lamas sagen immer, dass einer der wesentlichen Punkte, auf die man sich bei der Meditation und Kontemplation ausrichten sollte, die Unbeständigkeit ist. Wenn wir beginnen, Ursache und Wirkung sowie Unbeständigkeit zu verstehen, erkennen wir, dass unsere Praxis nicht nur diesem Leben dient. Darüber hinaus müssen wir eine Möglichkeit finden, unsere Anhaftung an die Wunder des Samsara in allen zukünftigen Leben und im Allgemeinen loszulassen. Dennoch gilt es, auf dieser bestimmten Ebene unsere Anhaftungen an die Erscheinungen dieses Lebens zu überwinden. Es gibt Menschen, die eine lange Zeit praktizieren und in jungen Jahren mit der Praxis und dem Studium beginnen, und jene, die in die Berge gehen und sich ernsthafter Praxis widmen. Aber ehrlich gesagt ist es doch so, dass alle anderen Praktiken sehr schwierig sein werden, wenn wir das Loslassen der Erscheinungen dieses Lebens nicht zu unserer Hauptpraxis gemacht haben.
Unbeständigkeit und Tod
Das Verständnis der Unbeständigkeit fällt in den Rahmen der anfänglichen Ebene, aber wenn wir die Richtlinien für die Kontemplation der Unbeständigkeit betrachten, gibt es trotz allem viele Ebenen. Der erste Schritt besteht darin, zu verstehen, dass der Tod garantiert zu uns allen kommt und der zweite, dass der Zeitpunkt des Todes ungewiss ist. Je Tsongkhapa sagt, dass von diesen beiden der zweite Schritt wichtiger ist.
Sind diese zwei Punkte jedoch für sich eine vollständige Dharma-Praxis? Ich glaube nicht. Tatsächlich habe ich viele Freunde, Buddhisten und Nichtbuddhisten, die diese Punkte verstehen und dann meinen, wir sollten daher lieber so viel wie möglich genießen. Wir benötigen also noch mehr, als nur diese zwei Punkte. Aus diesem Grund ist der dritte Aspekt unserer Meditation über Tod und Unbeständigkeit unverzichtbar. Dieser dritte Aspekt besteht darin, sich zu erinnern, dass uns zum Zeitpunkt des Todes nur unsere Dharma-Praxis helfen wird.
Das ist ein wirklich wichtiger Punkt. Im Tod können uns unsere Freunde, Familie und Besitztümer nicht helfen. Nur unsere Dharma-Praxis wird uns dann nützlich sein. Wenn wir über die kleinere Ebene reden, sowie darüber, das Greifen und die Anhaftung an dieses Leben aufzugeben, kann es schwierig sein sich vorzustellen, wie wir, wenn wir das tun, unsere täglichen Aktivitäten, unsere Arbeit, unsere Beziehungen mit Menschen usw. fortführen können. Natürlich ist es recht schwierig, sogleich diese greifende Anhaftung gegenüber dem, was wir für die Wunder unseres Lebens halten, loszuwerden, und es wird nicht wirklich geschehen, bis wir zur mittleren Ebene gelangen. Es ist jedoch trotzdem möglich, unsere Anhaftung an die Erscheinungen dieses Lebens zu reduzieren oder zu verringern. Das gehört zur kleineren Ebene.
Die Leiden der niederen Wiedergeburtszustände
In Je Tsongkhapas „Umfassenden Darstellung der aufeinanderfolgenden Stufen des Pfades zur Erleuchtung“ spricht er im Abschnitt, der sich auf die kleinere Ebene bezieht, ausführlich über die Leiden der niederen Bereiche. Was dort gesagt wird, ist nicht immer leicht zu akzeptieren. Er redet auch darüber, die Meditation über Tod und Unbeständigkeit als Mittel zu benutzen, unsere Anhaftung an dieses Leben zu verringern. Er bietet uns Methoden, um eine Wiedergeburt in den niederen Bereichen zu vermeiden und einige Formen der höheren Wiedergeburt zu erlangen.
In der Beschreibung der Leiden der niederen Bereiche erwähnt er die Höllenwesen, die Hunger- oder Klammergeister, sowie die Tiere. Die Menschen sagen, dass es sich dabei, außer bei den Tieren, um Dinge handelt, die wir nicht sehen können. Doch mein Lehrer meinte oft, dass es in diesen Leiden gewisse Elemente gibt, die wir sogar in der menschlichen Erfahrung erleben können, auch wenn es natürlich schwierig ist, die tatsächlichen Bereiche selbst direkt zu sehen. So ist es zum Beispiel möglich, dass jemand eine schwere Krankheit bekommt, bei der er immer nur einen Tropfen Wasser aufnehmen kann und völlig austrocknet. Solche Dinge werden mit den niederen Bereichen verbunden und obwohl diese Erfahrungen im menschlichen Bereich nicht genau die gleichen sind, könnten sie ein Ebenbild dieser Erfahrungen in den niederen Bereichen sein.
Es gibt karmische Potenziale aus ganz spezifischen karmischen Ursachen, die uns, wenn sie aktiviert werden, in eine Wiedergeburt in diesen bedauernswerten Bereichen werfen. Und wenn sie es tun, müssen wir als Klammergeist oder Höllenwesen Tausende von Jahren gefangen in einer furchtbaren Situation zubringen. Wenn ich über ähnliche Erfahrungen rede, die wir in unserem menschlichen Leben betrachten können, geht es dabei nicht um die ausgeprägten Ursachen, die uns in diese Bereiche werfen, sondern mehr um die Gefühle oder Empfindungen, die damit verbunden sind, an solchen Orten festzustecken. Trotzdem handelt es sich dabei um etwas, das wir schätzen können, wenn wir wirklich darüber nachdenken. Aber beginnen wir tatsächlich daran zu glauben, dass die Leiden dieser niederen Bereiche wirklich existieren, ist die Vorstellung grauenhaft, dort als ein Huhn, Fisch oder Insekt wiedergeboren zu werden. Seht nur, wie sie sich gegenseitig töten und auffressen, und wie sie von uns Menschen ausgebeutet werden. Sie haben keinerlei menschliche Rechte, noch irgendwelche anderen, nicht einmal Rechte von Höllenwesen!
Die Gesetze karmischer Ursache und Wirkung
Es stellt sich die Frage, ob uns dies in der Zukunft passieren könnte. Wäre es so schwer, das zu glauben? Was diese Darstellung für uns beleuchtet, ist die Notwendigkeit, die Gesetze karmischer Ursache und Wirkung zu verstehen, sowie das Thema vergangener und zukünftiger Leben. Dharmakirtis „Kommentar zur Gültigen Wahrnehmung, Pramanavarttika“, liefert uns die Begründung dafür, wie das Bewusstsein dieses Lebens in einem vergangenen Leben, in einem Leben davor und immer wieder seit anfangsloser Zeit in Erscheinung trat. Für einige von euch mag all das etwas neu sein und vielleicht findet ihr es schwierig, dies zu akzeptieren. Betrachtet ihr jedoch das zweite Kapitel des „Pramanavarttika“, werdet ihr die logische Begründung für die Existenz von vergangenen und zukünftigen Leben erkennen. Sind diese Themen neu für euch, solltet ihr euch mit ihnen befassen. Studiert ihr diese Dinge schon viele Jahre, verfügt ihr wahrscheinlich schon über einen starken und zuversichtlichen Glauben an die tatsächliche Existenz dieser Dinge.
Worüber sollten wir in Bezug auf das Leiden der niederen Bereiche nachdenken? Am besten ist es, über die Ursachen nachzudenken, dort wiedergeboren zu werden – was wir normalerweise nicht tun. Wir nehmen keinen Abstand von schädlichen Arten des Handelns, Sprechens und Denkens. Und was am wichtigsten ist: wir sollten darüber nachdenken, was wir tun müssen, um die Möglichkeit des Erfahrens von Leiden durch die Gesetze karmischer Ursache und Wirkung zu verhindern.
Über die Methoden zu kontemplieren, nicht weiter unter der Kontrolle karmischer Ursache und Wirkung zu stehen, ist normalerweise mit der mittleren Ebene verbunden, auf der wir darüber nachdenken, eine Wiedergeburt in einem der sechs samsarischen Existenzbereiche zu verhindern. Wir sollten diesen Punkt jedoch auch in unsere Dharma-Praxis auf der kleineren Ebene bringen, auf der wir uns die Gesetze karmischer Ursache und Wirkung ansehen, um herauszufinden, wie wir es vermeiden können, in den niederen Bereichen geboren zu werden. Grundsätzlich müssen wir damit aufhören, die schädlichen Handlungen zu begehen, die dazu führen, in den niederen Bereichen geboren zu werden. Im zweiten Kapitel von „Eintritt in den Mittleren Weg“ sagt Chandrakirti, dass es zum Gewährleisten einer Wiedergeburt in einem der höheren Zustände keine höhere Praxis gibt, als die der ethischen Selbstdisziplin – der Selbstdisziplin des Unterlassens von schädlichem Verhalten.
Die anfängliche Ebene: Drei Faktoren der Kontemplation
Es gibt drei Faktoren, über die wir in Bezug auf die kleinere Ebene kontemplieren sollten.
- Der erste Faktor ist, über die Leiden der niederen Bereiche zu kontemplieren. Wenn wir noch nicht die Vorstellung von Höllenbereichen oder Bereichen von Klammergeistern akzeptieren können, ist es möglich, einfach nur über die furchtbaren Leiden der Tierbereichen nachzudenken.
- Der zweite Faktor, über den wir kontemplieren können, ist die Ursache all der Leiden in den niederen Bereichen. Hier geht es im Wesentlichen darum, wie wir uns völlig unbewusst in Bezug auf karmische Ursache und Wirkung sind, und somit meinen, wir könnten auf schädliche Weise denken, sprechen und handeln, weil wir uns nicht bewusst über die langfristigen Resultate solchen Verhaltens sind, das wir selbst in der Zukunft erfahren werden.
- Der dritte Faktor zum Kontemplieren ist das Gewahrsein, das es zu entwickeln gilt, um all dem entgegenzuwirken. In diesem Fall ist es notwendig, das unterscheidende Gewahrsein karmischer Ursache und Wirkung zu entwickeln und dann ethische Selbstdisziplin zu praktizieren.
Die Kombination dieser Drei ist das, worauf wir uns auf der anfänglichen, kleineren Ebene konzentrieren sollten.
Viele von uns haben vielleicht für eine lange Zeit studiert und haben wahrscheinlich eine Art von Vertrauen und Glauben an werfendes Karma – den karmischen Impuls, der uns in zukünftige Leben „wirft“. Denken wir einmal an das Beispiel des Lügens, daran, eine große Lüge zu verbreiten. Damit unsere Handlung des Lügens die vollständigen Konsequenzen in unserer Erfahrung hervorbringt, müssen zahlreiche Bedingungen vorhanden sein. Nur dann wird unser Lügen als vollständig gelten. Das trifft auf alle karmischen Handlungen zu, sowohl auf destruktive als auch auf konstruktive. Das Lügen muss es also bestimmte Anforderungen erfüllen, um ein „vollständiges Paket des Lügens“ zu sein. Aber auch, wenn manche Bedingungen nicht vollständig erfüllt werden, heißt das nicht, dass unser Lügen keine negativen Resultate haben wird.
Das reifende Resultat dieses „vollständigen Paketes des Lügens“ wird die Wiedergeburt in den niederen Bereichen sein. Wir denken jedoch: „Na gut, das trifft vielleicht für die großen Lügen zu. Ich erzähle manchmal ein paar kleine, so genannte weiße Lügen.“ Wahrscheinlich denken wir nicht, dass wir dafür wirklich in die niederen Bereiche gehen werden. Wir haben unsere Zweifel und glauben nicht, dafür wirklich in die niederen Bereiche zu kommen.
Aber was wissen wir schon? Was das Verständnis der äußerst subtilen Verbindungen zwischen karmischen Handlungen und deren Resultate betrifft, so verfügt nur der Buddha über ein vollständiges Verständnis über diese subtilen karmischen Ursachen und Wirkungen. Haben wir wirklich das Gefühl, die „weißen Lügen“ wären völlig in Ordnung, ist dies ein Zeichen, dass wir im Grunde keinen überzeugten Glauben und kein Vertrauen in die Gesetze von karmischer Ursache und Wirkung oder in die negativen Konsequenzen haben, die solche Handlungen hervorrufen können, wie in den niederen Bereichen wiedergeboren zu werden. Wir meinen, es wäre vermutlich in Ordnung, weiße Lügen zu erzählen. Um jedoch einen starken und überzeugten Glauben an die subtilen karmischen kausalen Verbindungen zu bekommen, reicht es nicht, einfach dazusitzen und zu sagen: „ich glaube“ und es forcieren zu wollen. So funktioniert das nicht.
Vertrauen in die Lehren Buddhas erlangen
Um ein korrektes Verständnis und überzeugtes Vertrauen in Buddhas subtilste Lehren, wie die subtile Funktionsweise karmischer Ursache und Wirkung, zu entwickeln, ist es wiederum hilfreich, einen Blick auf Dharmakirtis „Pramanavarttika“ zu werfen, in dem er einige überaus hilfreiche Empfehlungen gibt. Nehmen wir einmal an, wir sprechen über die Qualitäten des Buddha. Stellt euch vor, jemand würde uns sagen, dass der Buddha mit seiner erhöhten außersinnlichen Wahrnehmung über weite Entfernungen sehen kann oder dass er, wenn er den Ozean sieht, alle dort lebenden Wesen erkennen kann und wir daran glauben sollten. Vielleicht fragen wir uns: „Warum sollte ich an so etwas glauben?“ Dharmakirti sagt tatsächlich, dass dies keine gute Weise ist, vertrauensvollen Glauben an den Buddha und seine Lehren zu entwickeln.
Laut ihm ist es am besten zu sagen, dass der Buddha jemand ist, der die Stufen des Pfades dargelegt und erklärt hat, dass jeder ihnen folgen kann, um Befreiung und den vollkommen allwissenden Zustand der vollen Buddhaschaft zu erlangen. Er sagte dies beruhend auf seiner eigenen persönlichen Erfahrung, da er selbst erfolgreich diese Pfade beschritten hatte, aber warnte die Menschen, dies nicht nur aus blinden Glauben an ihn anzunehmen, sondern es zu testen, als würde man Gold kaufen. Wenn wir die Methoden, wie sie in diesen Ebenen umschrieben werden, mit Logik und Vernunft prüfen und analysieren, und die anfänglichen Ebenen in die Praxis umsetzen und selbst erfahren, dass sie auf gültige Weise zu den genannten Zielen führen, können wir daraus schließen, dass die anderen Ebenen ebenso gültig sind.
Wenn der Buddha, der großes Mitgefühl für alle Wesen, Allwissenheit und die mächtigen Fähigkeiten hat, allen zu helfen, in der Lage ist, diese Dinge zu erlangen, weil er dieses große Mitgefühl für uns hat, warum sollte er dann versuchen, uns zu verwirren oder anzulügen? Alles, was der Buddha lehrte, war, uns die Befreiung von Leiden und Verwirrung nahezulegen, und daher versuchte er bestimmt nicht, uns zu täuschen. Aus diesem Grund können wir implizit und mit überzeugtem Glauben darauf vertrauen, dass das, was der Buddha über die subtilen Verbindungen zwischen karmischer Ursache und Wirkung sagte, ebenfalls wahr sein muss, auch wenn dies jenseits unseres momentanen Verständnisses liegt. Warum sollte uns der Buddha diesbezüglich anlügen?
Auf diese Weise entwickelte Dharmakirti vertrauensvollen Glauben an den Buddha. Dharmakirti war ein großer Meister in Nalanda und ohne die Nalanda-Tradition hätten die Lehren wahrscheinlich nicht bis heute überlebt. Daher sagt Seine Heiligkeit der Dalai Lama, dass wir große Dankbarkeit gegenüber der Nalanda-Tradition empfinden sollten, da sie diese beachtliche Möglichkeit bewahrt hat, sich mit den buddhistischen Lehren auseinanderzusetzen.
Überzeugter und blinder Glaube
Ich habe hier den Begriff „Glaube“ benutzt und weiß, dass dies für einige Westler ein ziemlich heikles Thema sein kann. Lasst mich also etwas über den Unterschied zwischen vertrauensvollem oder stabilem und blinden Glauben sagen. Wenn wir dieses Vertrauen haben, dass der Buddha, wie oben erwähnt, uns nicht auf irgendeine Weise reinlegen will, haben wir stabilen, zuversichtlichen Glauben. Blinder Glaube entsteht hingegen, wenn wir nahezu unmittelbar an etwas glauben, ohne es wirklich tiefgehend zu überprüfen. Diese Art von Glaube ist ziemlich wackelig und es kann ganz leicht zu verwirrten Vorstellungen kommen. Es können Gefühle in uns entstehen und wir folgen ihnen fast unmittelbar, ohne sie zu überprüfen.
Es liegt in unserer Verantwortung, uns gewahr darüber zu sein, ob die Dinge, die wir denken, tatsächlich Gültigkeit haben oder nicht. Was Dinge, wie karmische Ursache und Wirkung betrifft, so sollten wir Dinge, wie den Pfad zur Befreiung, zur vollen Erleuchtung, untersuchen und eingehend prüfen. Auch können wir uns die Argumentationen ansehen, welche die Vorstellung von karmischer Ursache und Wirkung stützen. Es gibt eine logische Weise, Dinge sorgfältig zu prüfen, anstatt einfach nur eine plötzliche Eingabe zu haben, wie es bei uns oft der Fall ist. Wir sollten es tun, damit wir uns auf stabilere Weise mit dem Pfad befassen.
Hier ist ein Beispiel: Nehmen wir einmal an, wir bekommen Kopfschmerzen und müssen ein Medikament dagegen finden. Genau genommen haben nicht alle Medikamente die gleiche Wirkung für jeden. Vielleicht probieren wir verschiedene Arten von Schmerztabletten und testen sie, um herauszufinden, ob sie wirken. Wenn wir dann eine Sorte finden, die eine gute Wirkung für uns hat, werden wir immer diese Sorte kaufen. Und das beendet nicht nur unsere Kopfschmerzen. Wir beginnen, diesem Hersteller zu vertrauen und wenn wir ein anderes Problem, wie Magenschmerzen oder Übelkeit, haben, werden wir ebenfalls dessen Medikamente kaufen.
Ganz automatisch entwickeln wir „Glauben“ an die Produkte dieses Herstellers, weil sie wirken und uns helfen. Genauso verhält es sich, wenn wir Glauben an die Lehren Buddhas entwickeln, daran, dass er uns den rechten Weg zur Befreiung gezeigt hat und wie wir unsere Probleme und die Ursache all unserer Probleme – unseren unwissenden Geist – überwinden können. Dann glauben und vertrauen wir nämlich ganz automatisch auch den anderen Lehren Buddhas, die vielleicht nicht so leicht zu verstehen sind. Wenn wir schon am Anfang unseres Weges erkannt haben, dass die von ihm gelehrten Methoden funktionieren und uns helfen, so manche Probleme im Leben zu lösen, werden wir später, wenn wir beginnen, über diese subtilen karmischen Resultate zu reden, ganz natürlich Glauben und Vertrauen in den Buddha haben.
Debatte über den Platz des Glaubens auf den hinduistischen und buddhistischen Pfaden
Es gibt Menschen, die einwenden, dass der Unterschied zwischen dem Buddhismus und dem Hinduismus darin besteht, dass der Pfad des Buddhismus auf Logik und Vernunft beruht, während der hinduistische Pfad Shivas auf Glauben gründet. Auf dem buddhistischen Pfad gibt es klar definierte logische Stufen und ein Ende, welches nach vielen Leben erreicht wird. Auf dem hinduistischen Pfad Shivas gibt es hingegen keine solchen Stufen und kein Ende. Er beruht rein auf Glauben.
Dort benutzt man die Analogie, von einer hohen Klippe in eine Grube zu stürzen. Manche modernen Hindu-Lehrer sagen also, der Buddhismus wäre, als würde man in eine Grube fallen, die einen Boden hat, auf dem man, wenn man ihn erreicht, wie eine Wassermelone zerschmettert wird. Denkt man also über das Ende nach, ist das ziemlich beängstigend. Auf dem Hindu-Pfad Shivas gibt es hingegen kein Ende und es ist, als würde man in eine bodenlose Grube fallen. Für sie ist dieses ewige Fallen der Pfad, auf dem es keine Furcht gibt.
Sie sagen auch, dass Shiva 114 Pfade lehrte und der Pfad des Gewahrsein auf der Grundlage von Logik und Vernunft, den Buddha lehrte, nur einer von ihnen sei. In diesem Sinne sei der Buddhismus also begrenzt, und beruhend darauf behaupten sie, sich auf Logik und Vernunft zu stützen sei eine Fallgrube, worüber ich gern mit ihnen debattieren würde. Abgesehen von dem Missverständnis, der Endpunkt des Buddhismus sei die völlige Auslöschung und somit etwas, wovor man sich fürchten müsse, würde ich argumentieren, dass der buddhistische Pfad der Vernunft nicht nur ein Teil des Pfades des Glaubens ist, sondern dass er den Glauben umfasst, jedoch keinen blinden Glauben, sondern Glauben auf der Grundlage der Vernunft.
Die Wichtigkeit stabilen Glaubens auf der Grundlage von Logik und Vernunft
Wenn wir an etwas einfach blind glauben, geschieht Folgendes: wir sind ganz aufgeregt, wenn wir Sutra- oder Tantra-Lehren erhalten und wollen gleich ganz tief in sie einsteigen. Oft vermischen wir das dann mit unseren eigenen Begierden und Wünschen, und sagen gleich: „Oh, das ist mein Guru!“ Nach ein paar Monaten handelt der Guru dann vielleicht auf eine ungewöhnliche Weise, die wir nicht erwartet haben. Wir beginnen, seine Mängel zu erkennen, werden frustriert und wenden uns von ihm ab. Hätten wir unsere Beziehung zum Dharma darauf gestützt, ihn als Pfad zur Befreiung zu sehen, anstatt nur vorschnell und voller Begeisterung einem Guru zu folgen, würde ein viel beständigerer Glauben daraus resultieren, wie dies auch von Dharmakirti gesagt wird.
Der Glaube, den wir in den Buddha haben, und der darauf folgende Glaube, den wir in seine Lehren über karmische Ursache und Wirkung haben, gründen auf einen Prozess, der mit einem sicheren Verständnis der vier edlen Wahrheiten beginnt. Erkennen wir die Gültigkeit der vier edlen Wahrheiten und des in ihnen umschriebenen Pfades der Befreiung, verstehen wir, dass der Lehrer, der Buddha, ebenso fehlerfrei und gültig ist. Gehen wir also davon aus, dass die Feinheiten aller Details karmischer Ursache und Wirkung etwas ist, was nur ein Buddha verstehen kann, entwickeln wir den Glauben, dass das, was der Buddha dazu gesagt hat, korrekt ist. Unser Glaube gründet jedoch auf Vernunft und daher glauben und vertrauen wir dem Buddha. In diesem Sinne umfasst der Pfad der Logik und Vernunft den Pfad des Glaubens, nicht andersherum.
Abschließende Bemerkungen
Hier habe ich versucht, etwas über die niedrige Ebene zu sagen und als nächstes werde ich auf die mittlere und die höchste Ebene eingehen. Wie bereits gesagt, geht es beim Lhabab Dütschen im Wesentlichen darum, einen Blick auf die Taten Buddhas zu werfen, sowie darauf, warum er bis zum Himmel der Dreiunddreißig gegangen ist. Das Wichtigste, was wir daraus lernen sollten, ist, dass er, obwohl er der Buddha ist, die Güte seiner Mutter erwidern wollte und somit dorthin ging, um Lehren zu geben. Er kaufte ihr keine teuren Dinge. Das ist das echte „Thanksgiving“, nicht der Truthahn auf dem Tisch!