Unser Leben integrieren: Inspiration & Fokus auf unsere Mütter

Inspiration finden 

Wir haben uns den Kontext angesehen, aus dem diese Lehren über das Integrieren unseres Lebens stammen, und es gibt noch ein paar weitere Punkte, die ich hinzufügen möchte, bevor ihr Fragen dazu stellen könnt. Es geht um den Begriff „Inspiration“ und da haben wir das Sanskrit-Wort adhishtana und den tibetischen Begriff chin-gyi-lab (byin-gyi rlabs). Im Sanskrit bezieht sich das Wort im Wesentlichen auf etwas, das uns auf eine höhere Ebene erhebt und uns die Kraft und Stütze gibt, uns selbst weiterzuentwickeln. Das tibetische Wort lab bezieht sich auf eine Welle und bei chin-gyi geht es um Potenzial, mit der Andeutung, uns zu erhellen, so, wie Lichtwellen das Potenzial einer Pflanze zum Wachsen aktivieren. Dies können wir von den Begriffen des Wortes „Inspiration“ im Tibetischen und im Sanskrit ableiten.

Nun, was kann uns erheben? Was kann uns erhellen, sowie Kraft und Nahrung spenden? In der buddhistischen Beschreibung geht es dabei um zwei Richtungen: nach oben und nach unten. Es gibt eine Quelle, die mehr Eigenschaften hat als wir, und zu der wir aufschauen, und es gibt jene, denen wir helfen können. Es ist jedoch nicht so, dass sie niedriger sind und wir auf sie herabsehen. Wir betrachten die Buddhas und die Qualitäten von Buddha, Dharma und Sangha im Sinne unserer Zuflucht, der sicheren Ausrichtung, und werden durch sie inspiriert. Es gibt viele Praktiken, die wir haben, in denen wir Wellen der Inspiration visualisieren, die von Buddha und dem Zufluchtsbaum ausgehen und zu uns kommen. Dies tun wir auch mit Buddha-Gestalten, wie Avalokiteshvara, Tara und so weiter. Weil es für uns jedoch wirklich schwer ist, einen Bezug zu den Qualitäten des Buddhas zu bekommen, sehen wir sie uns alle in einem spirituellen Lehrer an, in jemandem, den wir kennen, zu dem wir einen persönlichen Kontakt und mit dem wir persönliche Erfahrungen haben, denn es ist viel einfacher, eine Verbindung zu so einer Person einzugehen. Die Rolle des spirituellen Lehrers wird immer als ein Kanal beschrieben, durch den wir Inspiration von Buddha, Dharma und Sangha erhalten. Man kann es mit einem Vergrößerungsglas vergleichen, welches die Strahlen der Sonne zu einer Pflanze am Boden leitet.

In ähnlicher Weise können wir Inspiration von allen begrenzten Wesen empfangen. Wenn wir diesen Begriff „fühlende Wesen“ hören, geht es dabei im Grunde um „begrenzte Wesen“. Ein Buddha ist kein fühlendes Wesen. Die Begrenzung eines Wesens bezieht sich nicht auf eine Behinderung, sondern darauf, dass Körper, Rede und Geist wegen diverser Probleme, wie Wut, Anhaftung und ähnliches, nicht in der Lage sind, in ihrer vollsten Kapazität zu funktionieren. Ein spiritueller Lehrer oder jemand, der mit anderen Menschen arbeitet, zieht viel Inspiration oder Kraft aus dem Zusammensein mit anderen, die seine oder ihre Hilfe benötigen und kann sich somit dadurch erheben. Es gibt ihm Auftrieb, um über das hinauszugehen, was er normalerweise tun würde, wenn er nur in seinem Zimmer sitzt. Für mich ist es zum Beispiel viel produktiver, etwas Live vor einem Publikum erklären zu können, als es allein vor dem Computer zu tun, denn die Wesen um mich herum geben mir Kraft und Inspiration.

Glaube im tibetischen Buddhismus 

Wir haben über den Glauben an eine Tatsache gesprochen, was normalerweise mit „faith“ (Glauben) übersetzt wird. Es gibt den Glauben an eine Tatsache auf der Grundlage der Vernunft; einen besonnenen Glauben, der unseren Geist von allen störenden Emotionen in Bezug auf das Objekt klärt; und den Glauben an eine Tatsache mit einem Streben in diese Richtung. Es geht hier nicht um den überzeugten Glauben; das ist nicht der Begriff, den ich hier benutze. Der „überzeugte Glaube“ ist ein anderer tibetischer Begriff, der dem Glauben an Tatsachen eine bestimmte Gewissheit verleiht. Das ist ein separater Geistesfaktor. Ist vom spirituellen Lehrer die Rede, benutzen wir im Tibetischen das Wort möpa (mos-pa). Fügen wir dem Glauben an die Tatsache, dass der Lehrer über diese Qualitäten verfügt, und wir diesbezüglich keine störenden Emotionen wie Eifersucht hegen und anstreben, auch so zu werden, eine Gewissheit hinzu, geht es um diesen anderen Begriff: möpa, anstatt depa (dad-pa), überzeugter Glaube.

Es handelt sich hierbei um den gleichen Unterschied, wie zwischen dem auseinanderhaltenden und dem unterscheidenden Gewahrsein. Wir halten hell und dunkel auseinander, oder das, was hilfreich und das, was schädlich ist. Fügen wir dem jedoch eine Gewissheit hinzu, haben wir das, was man als unterscheidendes Gewahrsein (engl.: discriminating awareness) bezeichnet. Normalerweise werden diese Begriffe mit „Erkennen“ und „Weisheit“ übersetzt, aber dann ist der Unterschied zwischen den beiden nicht so ersichtlich, bei dem es um die Ebene der Gewissheit darüber geht.

In der buddhistischen Analyse gibt es eine ganz präzise Unterscheidung zwischen geistigen und emotionalen Zuständen und daher müssen wir vorsichtig sein, dies hier nicht zu verwirren. Die geistige Dimension der Gewissheit, in der wir entweder unschlüssig oder uns vollkommen gewiss über etwas sind, wird einen Einfluss auf die Emotion haben, die wir empfinden. Daher macht man hier diese Unterscheidung.

Mir geht es bei der Inspiration darum, dass wir wirklich diesen Glauben an eine Tatsache haben wollen. All die Dinge, die dazu geführt haben, dass die Buddhas oder der spirituelle Lehrer diese Qualitäten haben, sind klar und gründen auf Vernunft. Und was unsere Beziehung zu dem spirituellen Lehrer betrifft, ist unser Geist klar und unsere Emotionen sind befreit von störenden Emotionen, was ihn betrifft. Wir haben keine Anhaftung, sind nicht wütend, eifersüchtig und so weiter. Und wir streben danach, wie der spirituelle Lehrer zu werden und die gleichen Qualitäten auch in uns zu entwickeln.

Was die Inspiration von allen begrenzten Wesen betrifft, so gibt es jene, denen wir versuchen zu helfen und da kommen wir natürlich zum Thema Mitgefühl. Für gewöhnlich ist unser Mitgefühl mit Anhaftung vermischt. Unser Kind braucht beispielsweise unsere Hilfe und sogar wenn wir müde sind, haben wir die Kraft, unserem Kind behilflich zu sein. Sind wir jedoch voller Sorgen und sehr angehaftet, mag es viele störende Emotionen geben, die damit vermischt sind. Wir sind unsicher und haben Angst, vielleicht das Falsche zu tun. Denken wir dann wirklich an die guten Eigenschaften des Kindes? Eigentlich nicht.

Wir können nicht leugnen, dass wir nur aus diesem gewöhnlichen Mitgefühl, anderen, wie unserem Kind, zu helfen, das unsere Hilfe benötigt, viel Kraft ziehen. Aber darum geht es in den buddhistischen Lehren an sich nicht, wenn davon die Rede ist, Inspiration von begrenzten Wesen zu empfangen. Vielmehr geht es darum, sich die Basis vor Augen zu führen: alle wollen glücklich sein, niemand will unglücklich sein, und jeder ist in der Lage, glücklich und nicht unglücklich zu sein. Darüber sind wir uns völlig im Klaren und glauben ohne Zweifel, dass dies eine Tatsache ist. Es ist ein Tatsache, wir glauben daran, sind uns dessen sicher und haben keine störenden Emotionen gegenüber diesen begrenzten Wesen. Und natürlich streben wir danach, ihnen zu helfen, ihre Probleme zu beseitigen.

Sind wir also durch eine Gruppe anderer, denen wir helfen können, inspiriert, ist daran nichts Störendes. Es handelt sich um einen völlig klaren, unaufgewühlten Geisteszustand. Es baut uns auf, der Geist ist ganz klar, die Emotionen ruhig und stark; wir sind also nicht unausgeglichen oder ähnliches. Umgangssprachlich würden wir sagen, dass es einfach fließt.

Gefühle des Glücklich- und Unglücklichseins 

Was Gefühle, also Gefühle des Glücklich- und Unglücklichseins, betrifft, so gibt es zwei Arten: aufwühlende und nicht-aufwühlende Gefühle. Sprechen wir über eine ideale Form der Inspiration, geht es um eine nicht-aufwühlende Form des Glücklichseins, also um nichts Dramatisches, wie wir es auf eine samsarische Weise erfahren würden. Es geht vielmehr um ein stilleres Glück, das viele von uns nicht einmal als Glück betrachten würden. Hier öffnen wir nun eine Tür zu einer großen Diskussion darüber, was es bedeutet glücklich zu sein, welche verschiedenen Formen des Glücks es gibt und sogar was es bedeutet, sich einfach nur gut zu fühlen. Aber wir werden hier nicht weiter darüber reden.

Warum gehe ich auf all das ein? Nun, wenn wir Inspiration von all diesen positiven Dingen erfahren wollen, die wir von anderen in unserem Leben bekommen haben und uns auf die guten Eigenschaften dieser verschiedenen Quellen, Menschen, Kulturen usw. richten, sollten wir keine störende Emotionen diesbezüglich haben. Das ist nicht so einfach. Damit es wirklich funktioniert, müssen wir eingestehen, dass diese oder jene Person uns vielleicht verletzt oder unrecht behandelt hat, aber sollten nicht wütend oder verärgert deswegen sein. Oder wenn diese oder jene Person freundlich uns gegenüber war, hängen wir nicht an ihr und gieren nach immer mehr; und wir sind auch nicht eifersüchtig oder arrogant.

Fragen 

Gibt es irgendwelche Fragen dazu?

Wenn wir versuchen, Mitgefühl mit begrenzten Wesen zu haben, denken wir an Menschen, gegenüber denen wir viele störende Emotionen haben. Sollten wir an dem Punkt mit der Praxis aufhören, wenn wir dies erkennen, weil wir uns nicht unmittelbar von diesen Emotionen lösen können, oder sollten wir die Praxis fortführen, auch wenn uns diese störenden Emotionen im Wege stehen?

Wie Tsongkhapa erklärt hat, ist es, um eine bestimmte positive Geisteshaltung zu schaffen, notwendig, sich darüber bewusst zu sein, worauf sie basiert und was ihr vorangehen muss, um sie hervorzurufen. Betrachten wir die verschiedenen Meditationen, die darauf abzielen, eine Bodhichitta-Ausrichtung zu entwickeln, so ist das Mitgefühl einer der Schritte, aber ganz sicher nicht der erste. Wir könnten bis ganz zum Anfang des Lam-rim zurückgehen, um herauszufinden, was die Grundlage ist. Die unmittelbare Grundlage ist jedoch der Gleichmut. Wir betrachten diese Person folgendermaßen: „Ich bin zwar aufgewühlt, weil sie mich gut oder schlecht behandelt hat, was dann zu Anhaftung oder Ablehnung führt, bin mir aber bewusst, dass es auch viele andere Situationen gibt, in denen mir jemand, an dem ich so hänge, den größten Schmerz zufügen kann, wenn er mich ignoriert. Jemand, den ich nicht mag, könnte hingegen mein engster Freund werden, wenn er sich ändert.“ Auf diese Weise entwickeln wir einen Zustand des Gleichmuts. Die Basis des Entwickelns von Liebe und Mitgefühl ist also diese Art von Gleichmut, der den Geist zumindest vorübergehend von Anhaftung, Ablehnung und Gleichgültigkeit befreit.

Verallgemeinert kann man sagen, dass wir einen ruhigen Geist brauchen, wie in dem Programm „Ausgewogene Sensibilität entwickeln“ beschrieben wird. Ein ruhiger Geist ist nicht nur frei von Anhaftung, Ablehnung und Gleichgültigkeit, sondern auch von Dumpfheit und Flatterhaftigkeit, durch die unser Geist zu allen möglichen komischen Gedanken abschweift, entweder in Bezug auf die Person oder etwas anderes. Um richtiges Mitgefühl zu entwickeln, darf der Geist nicht über alle möglichen anderen Dinge nachdenken, besonders nicht über die hässlichen Dinge, welche die Person mir angetan hat, oder die schönen Dinge, die ich von ihr haben möchte und wegen denen ich an ihr hänge. Wie Seine Heiligkeit der Dalai Lama stets sagt, gilt es einen Unterschied zwischen der Person und dem, was sie getan hat, zu machen, wenn wir Mitgefühl entwickeln wollen. Es mag wirklich furchtbar sein, was sie getan hat, aber wenn wir Mitgefühl entwickeln wollen, tun wir es auf dieser Basis: „Sie ist ein menschliches Wesen, sie ist ein begrenztes Wesen. Sie will, genau wie ich, glücklich und nicht unglücklich sein.“ Auch wenn wir viele störende Emotionen gegenüber jemandem haben, können wir unsere Aufmerksamkeit auf den Menschen als Person lenken und dann Mitgefühl entwickeln, wenn wir erkennen, dass unsere Emotionen sich darauf richten, was diese Person getan hat und nicht auf die Person selbst.

Stimmt es, dass es bei der Praxis des „Dharma-light“ nicht darum geht, vollständiges Glück zu erlangen, wir jedoch mit dem „echten Dharma“ tatsächlich auf vollständiges Glück hinarbeiten? Stimmt das so oder nicht?

Das ist richtig. Mit „Dharma-light“ streben wir keine Erleuchtung in diesem Leben an. Wir denken nur an dieses Leben, und noch nicht an zukünftige Leben, an die Wiedergeburt, die Befreiung von der Wiedergeburt oder ähnliches. Wir konzentrieren uns lediglich darauf zu versuchen, dieses Leben zu verbessern und in diesem Leben glücklicher zu sein. Und wir verstehen vielleicht nicht einmal das wahre Leiden der Veränderung, oder, dass die Art von Glück, die wir in diesem Leben haben, immer frustrierend sein wird. Vielleicht verstehen wir es auch und sagen: „Nun gut, aber ich will mehr davon haben.“

Soweit ich es bis jetzt verstanden habe, bin ich für mein Glück selbst verantwortlich und gemäß den Unterweisungen, die Sie gerade gegeben haben, hängt mein Glück durch den Einfluss all der anderen Menschen und geistigen Kontinua auch von der Interaktion mit ihnen ab. Ist das richtig oder nicht?

Das ist richtig. Hier müssen wir darauf achten, was unter dem Wort „verantwortlich“ zu verstehen ist. Ich kann von anderen Menschen nicht erwarten, dass sie mich glücklich machen. Ich muss selbst daran arbeiten, Glück in meine Erfahrung zu bringen. Es ist jedoch nicht so, dass ich getrennt von allen anderen existiere. Ich muss also den Einfluss, den andere auf mich haben und der mich glücklich macht, anerkennen und ihn auf eine Weise schätzen, die frei ist von störenden Emotionen, wie Anhaftung und dergleichen.

Die grundlegende Natur des Geistes ist, vom Standpunkt vieler großer Meister, voller Glück und Glückseligkeit. Da es verschiedene flüchtige Makel gibt, die dieses grundlegende Glück verschleiern, haben wir den natürlichen Antrieb glücklich zu sein. Anders ausgedrückt wollen wir in diesem natürlichen Zustand des Glücks sein und das Gefühl des Unglücklichseins durch die flüchtigen Makel loswerden. Wenn es um die Natur des Geistes geht, glücklich oder glückselig zu sein, hat das sehr viel mit dieser Natur zu tun, glücklich und nicht unglücklich sein zu wollen. Was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass die tiefste, letztendliche Quelle des Glücks im Innern liegen muss. Wir können unser Glück nicht von anderen abhängig machen. Der Austausch mit anderen kann uns jedoch inspirieren, diese Eigenschaften in uns zu entwickeln, und kann eine Voraussetzung dafür sein, Glück zu bewirken. Aber die letztendlich Quelle des Glücks muss sich im Innern befinden.

Ich denke an die Analogie der Entropie. Wir ordnen unsere Erfahrung in ziemlich eng gefasste begriffliche Rahmenstrukturen und abhängig davon tauchen alle möglichen störenden Emotionen auf. Die Natur des Geistes hingegen ist jedoch, all das zu entspannen. Das ist es, was wir im Meditationsvorgang versuchen: all diese Rahmenstrukturen zu zerlegen und in die Richtung einer Entropie zu gehen. Meine Analogie – und vielleicht gehe ich damit auch etwas zu weit – besteht darin, dass die natürliche Tendenz, wenn wir loslassen, wie eine Entropie sein wird: wir kommen zur Ruhe und gehen in diesen ungeordneteren Zustand. „Ungeordnet“ klingt wie etwas Negatives, aber in gewisser Weise ist es eine entspannte Sache, in der das natürliche Glück des Geistes zu scheinen beginnt. Darum geht es in der Analogie, die ich versuche zu erklären.

Wenn ich sage, wir organisieren Dinge in „begriffliche Rahmenstrukturen“, meine ich damit: „Du hast mir dies angetan und daher bist du furchtbar“, und dies in eine Projektion zu verfestigen. Wir organisieren es in geistige Konstrukte, halten an ihnen fest und werden deswegen wütend. Dann erleben wir die andere Person im Sinne dieses sehr geordneten begrifflich konstruierten Bezugssystems. Die Rede ist hier nicht nur von allgemeinen, mit Worten benannten Kategorien, sondern von etwas, das wir in unserem Geist verfestigt haben. All das erfordert ein hohes Maß an Energie, die sich als alle möglichen störenden Emotionen manifestieren. Würden wir uns entspannen und zulassen, dies durch die natürliche Tendenz des Geistes im Sinne der Entropie zu dekonstruieren, kämen wir zum natürlichen Zustand. In der Kagyü-Mahamudra-Meditation ist es beispielsweise genau das, was dort getan wird. Dort wird es so beschrieben, dass sich dieses enge begriffliche Bezugssystem natürlich und ganz automatisch selbst auflöst. Das ist sehr beschreibend für die Entropie.

Dieses sehr geordnete begriffliche Bezugssystem umfasst nicht nur „die andere Person“ als den Kriminellen oder das Monster, sondern auch „mich“ als das Opfer. Führen wir uns, als Teil unserer Übung, die Mängel der anderen Person oder den Schaden, der uns von der anderen Person zugefügt wurde, vor Augen, ist schon etwas Training in diesen Methoden vonnöten, um in der Lage zu sein, an dem sehr geordneten begrifflichen Bezugssystem dieser Person nicht so sehr festzuhalten und sie nicht als den Täter und uns als das Opfer zu identifizieren. Sehen wir uns als das Opfer, ist es nicht so leicht zu denken, man würde einen Nutzen von der anderen Person bekommen. Wir sind nur das Opfer und haben ausschließlich Schädigung erfahren. Dieser ganze Vorgang ist also wirklich nichts für Anfänger.

Um diese Praxis ausführen zu können, müssen wir in der Lage sein loszulassen. Der erste Schritt besteht also, wie in diesem ganzen Programm des Entwickelns ausgewogener Sensibilität, darin, den Geist zu beruhigen und loszulassen. Tatsächlich brauchen wir beide Seiten der Vorbereitung einer jeden Übung, die wir zum Entwickeln ausgewogener Sensibilität ausführen, also den ruhigen Geist und die fürsorgliche Geisteshaltung. Wir beruhigen unseren Geist, indem wir die einfache Methode des Loslassens dieser störenden Gedanken mit dem Öffnen unserer geschlossenen Faust ausführen. Darüber hinaus brauchen wir jedoch auch die fürsorgliche Geisteshaltung: „Ich kümmere mich darum, was mit mir geschieht“, was auf Folgendem basiert: „Ich möchte glücklich und nicht unglücklich sein. Das ist mir ein Anliegen und ich nehme es ernst. Daher werde ich versuchen etwas zu tun und erkenne, dass es mich nur unglücklicher machen wird, wenn ich mich weiter auf die negativen Dinge konzentriere, die ich durch andere erfahren habe, und deswegen lamentiere. Da mir mein Glück am Herzen liegt, werde ich daher versuchen, mich auf die positiven Dinge, die mir durch andere widerfahren sind, zu konzentrieren.

Übung 

Zur Ruhe kommen und eine fürsorgliche Geisteshaltung entwickeln

Versuchen wir die Übung auszuführen. Zunächst sollten wir uns beruhigen und den Geist zur Ruhe kommen lassen. Die einfachste Methode besteht darin, unsere diversen störenden Gedanken und Gefühle loszulassen. Mit dem Ausatmen stellen wir uns vor, dass sie ausströmen, was sehr bildlich ist. Wir können unseren Geist wie eine fest geschlossene Faust betrachten, die wir einfach öffnen und somit loslassen. Während wir ausatmen, lösen wir uns von dem Griff dieser Gedanken und störenden Emotionen und müssen uns das nicht nur im Geist vorstellen, sondern können es tatsächlich mit der Faust tun, wenn es hilfreich ist. Wir beginnen mit einer geschlossenen Faust und öffnen sie dann langsam. Am nützlichsten ist das wahrscheinlich in realen Situationen, in denen wir nicht loslassen und dies auch erkennen. Diese einfache Methode könnte uns helfen, einen wirklich negativen Gedanken loszulassen.

Es ist natürlich recht künstlich, solch eine Meditation anzuleiten, denn jeder von uns braucht unterschiedlich viel Zeit, um zur Ruhe zu kommen. Nehmt euch also so viel Zeit, wie ihr braucht. Die Augen kann man offen oder geschlossen halten. Es wird jedoch immer empfohlen, sie halb zu öffnen und den Blick zum Boden zu richten. Der eigentliche Grund dafür ist, dass dies zum Beruhigen und Entwickeln einer positiven Geisteshaltung wichtig ist. Wenn wir unsere Augen jedes Mal schließen müssen, um dies im täglichen Leben zu tun, wenn wir mit normalen Menschen zusammen sind, sieht das recht merkwürdig aus.

Gut, kommen wir zum nächsten Schritt. Mit einer fürsorglichen Geisteshaltung erinnern wir uns an Folgendes: 

  • Ich bin ein Mensch, wie alle anderen.  
  • Ich möchte, wie alle anderen auch, glücklich und nicht unglücklich sein.  
  • Und es ist möglich, glücklich und nicht unglücklich zu sein.   
  • Ich kümmere mich um mich selbst und achte auf meine Gefühle, sowie darauf, wie es mir geht. 

Fokus auf unsere Mutter

Nun wenden wir uns unserer Familie zu und beginnen mit der Mutter. 

  • Wir denken an unsere Mutter.  

Wir versuchen, sie uns bildlich vorzustellen. Dies ist keine Visualisierungsübung und daher sollten wir uns keine Sorgen machen, ob wir sie klar sehen oder nicht. 

  • Wir erkennen, dass sie ein Mensch ist, wie alle anderen, und glücklich sein will. Sie will nicht unglücklich sein und gibt ihr Bestes, dies zu erreichen. 
  • Sie hat natürlich auch Fehler, wie alle anderen Menschen, und wir versuchen uns, an sie zu erinnern.  

Es ist nicht notwendig, tiefgründig zu analysieren, wo die Gründe für all diese Fehler liegen. Wir sollten uns aber bewusst darüber sein, dass es Gründe dafür gibt. Wir erkennen, welche Fehler sie vielleicht hat, und es spielt keine große Rolle, ob sie bereits gestorben ist oder noch lebt. 

  • Es macht keinen Sinn, mich über ihre Fehler zu beschweren und ich werde mich nicht weiter mit ihnen beschäftigen. Ich werde meine Mutter auch nicht nur im Lichte dieser Fehler sehen. 

Es geht nicht darum, ihr zu vergeben oder nicht. Wir sind einfach nur objektiv in Bezug darauf.

  • Dann wenden wir uns ihren starken, guten und positiven Seiten zu. Wir versuchen, ihre guten Eigenschaften zu identifizieren und glauben fest daran, dass es sie wirklich gibt. Wir projizieren sie nicht nur, sondern erkennen deren Wirklichkeit, ob sie nun großartig oder eher klein sind. 

Kommen Gedanken über ihre Fehler und Unzulänglichkeiten hoch, während wir versuchen, uns auf ihre guten Eigenschaften zu richten und an sie zu denken, lassen wir sie los. Wir lassen sie, mit einem allgemeinen emotionalen Gefühl der Güte gegenüber ihr, los. 

  • Gut, sie mag diese Fehler haben, aber im Moment richte ich mich nicht auf sie. Stattdessen haben wir ein tiefes Gefühl dafür, dass sie diese guten Eigenschaften hat und sind fest davon überzeugt. Wir können sie hier auch ein wenig bewundern. 
  • Dann denken wir darüber nach, welchen Nutzen andere, und insbesondere wir selbst, durch diese guten Eigenschaften hatten, und ob sie uns hilfreich waren oder einen Einfluss auf uns hatten. 

Wir bemerken vielleicht im Laufe dieses Vorgangs, dass wir uns an immer mehr gute Eigenschaften erinnern, die uns vorher in der Meditation vielleicht gar nicht aufgefallen sind. Diese Dinge tauchen auf, je mehr wir über sie in diesem positiven Licht denken.

  • Die Emotion, die wir hier entwickeln, ist eine tiefe Wertschätzung und großer Respekt gegenüber den Vorzügen, die wir und auch andere durch diese guten Eigenschaften hatten. Wir schätzen sie nicht einfach nur, weil sie diese Qualitäten hat und uns dadurch von Nutzen war, sondern haben auch eine große Wertschätzung gegenüber den Qualitäten, die wir in uns durch ihren Einfluss und den Einfluss dieser Eigenschaften entwickelt haben. 
  • Schließlich entwickeln wir den starken Wunsch, diese Qualitäten immer mehr in uns selbst zur Geltung bringen zu können, die irgendwie durch ihren Einfluss entstanden sind. 
  • Dann kommen wir zur Ruhe und lassen die Erfahrung einwirken. Allmählich kehren wir zurück zu unserem gewöhnlichen, nicht-meditativen Zustand. 
  • Wir denken: möge aller positiver Einfluss, der daraus entstanden ist, sich immer weiter vertiefen und mögen sich diese positiven Eigenschaften tatsächlich weiter entwickeln, damit wir sie zum Nutzen aller einsetzen können. 
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