Die dritte vorbereitende Übung besteht darin, sich einen geeigneten Meditationssitz vorzubereiten, darauf die achtfache Haltung einzunehmen und mit einer positiven Geisteshaltung eine sichere Richtung einzuschlagen bzw. Zuflucht zu nehmen und unsere Bodhichitta-Motivation zu bestärken.
Geeignete Meditationsunterlage
Die Texte sagen, es sei am besten, insofern möglich, den Meditationssitz auf einem leicht erhöhten Podest zu platzieren, sodass man von unten eine gute Belüftung hat. Die meisten Tibeter in Indien zum Beispiel meditieren auf ihrem Bett; da gibt es eine solche Belüftung nicht. Sie haben oft nicht mal einen separaten Meditationsraum oder etwas in der Art. Eigentlich sollte man aus glückverheißenden Gründen Kusha-Gras und andere Dinge unter dem Podest platzieren, aber das wäre für die meisten von uns wohl nicht besonders gut umsetzbar.
Wenn wir im Schneidersitz sitzen, empfiehlt es sich, ein Sitzkissen zu verwenden, das hinten im Bereich des unteren Rückens etwas erhöht ist, um die Spannung in den Beinen zu entlasten, damit diese nicht so schnell einschlafen. Ich finde es immer erstaunlich, dass viele Tibeter, wie auch Seine Heiligkeit der Dalai Lama, im Schneidersitz so ganz ohne Kissen, das den unteren Rücken etwas anhebt, sitzen können, ohne dass deren Beine einschlafen. Für mich zum Beispiel wäre das unmöglich.
Einmal hatte ich in diesem Zusammenhang einen ziemlich peinlichen Zwischenfall. Ich wurde gebeten, in einer Audienz mit Seiner Heiligkeit zu übersetzen. Da ich währenddessen einfach so flach auf dem Boden sitzen musste, sind meine beiden Beine vollkommen eingeschlafen. Sobald eine Audienz zu Ende ist, steht man normalerweise direkt auf und verlässt zügig den Raum. Als ich dann versuchte aufzustehen, bin ich fast gestürzt und musste mich zentimeterweise aus dem Raum bewegen. Seine Heiligkeit konnte sich vor Lachen kaum halten. Es war wirklich ein Wunder, dass ich nicht ganz gestürzt bin und mich vollkommen blamiert habe.
Wir können also stattdessen mit leicht erhöhtem Rücken sitzen, denn das hilft, damit unsere Beine nicht einschlafen.
Ich sehe es hier gerade nicht, aber in vielen Dharma-Zentren gibt es diese Zen-Zafus, die sehr hart und ziemlich dick sind. Diese sind allerdings nicht für die Haltung im Schneidersitz gedacht, die wir praktizieren, sondern für die japanische Sitzhaltung, bei der man auf den Knien sitzt und die Beine unter einem nach hinten zeigen. Das Zafu ermöglicht dabei dann eine leicht erhöhte Sitzposition. Versucht man, darauf im Schneidersitz zu sitzen, ist der Winkel so ungünstig, dass man fast nach vorne fällt. Für uns ist es daher wichtig, ein Kissen zu wählen, das eine angemessene Dicke, Höhe und Härte hat. Optimal ist ein Kissen, das das Einschlafen der Beine verhindert. Die dafür passenden Maße sind jedoch für jeden ein wenig anders.
Niederwerfungen
Bevor man sich dann zur Meditation hinsetzt, macht man seine Niederwerfungen. Geshe Ngawang Dhargye betonte immer, wie hilfreich ist, morgens nach dem Aufstehen direkt drei Niederwerfungen vor einer Darstellung des Buddha zu machen, anstatt sich im Halbschlaf zuerst zur Kaffeekanne zu schleppen. Es ist ebenfalls sehr gut, dies als letztes vor dem Schlafengehen zu tun. Achtet dabei aber darauf, dies nicht einfach nur automatisch und im Halbschlaf zu machen. Es geht darum, dies als Gelegenheit zu sehen, die Absicht für den Tag festzulegen, wenn man es früh morgens tut. Seine Heiligkeit sagt, dass dies das erste ist, was er tut, sobald er morgens die Augen öffnet: sein erster Gedanke ist, die Absicht für den Tag zu setzen.
Es ist nicht hilfreich, mit dem Gedanken aufzuwachen: „Oh nein, der Wecker! Ich muss aufstehen und mich dem Tag stellen.“ Das ist nicht, was wir anstreben wollen. Vielmehr geht es darum, beim Schlafengehen zu denken: „Ich kann es kaum erwarten aufzuwachen, um mit meiner Praxis oder was etwas anderem, das ich zum Nutzen anderer tue, weiterzumachen.“ Optimal wäre, sich dann beim Aufstehen zu freuen, dass die Nacht vorbei ist und man aufstehen kann. Ich spreche hier nicht von jemandem, der an Schlaflosigkeit leidet und deshalb nicht schlafen kann. Man sollte einfach versuchen, heitere Gedanken zu kultivieren wie: „Endlich ist die Nacht vorbei und muss ich keine Zeit mehr verschwenden!“ So geht es mir manchmal mit meiner Website. Ich liebe es, daran zu arbeiten und empfinde es als wirklich nutzbringende Arbeit, sodass ich es kaum erwarten kann, morgens aufzuwachen, um weiter daran zu arbeiten. So etwas ist wirklich eine Praxis der freudigen Ausdauer. Es ist sehr wichtig, sich an dem, was man tut, zu erfreuen, da man den positiven Nutzen für andere darin sieht, man dann Freude an dieser Tatsache hat, sich positiv darüber fühlt und es einfach gerne tut.
Wenn wir nun ein geeignetes Kissen zum Meditieren haben, machen wir unsere Niederwerfungen, bevor wir uns hinsetzen – und das vor jeder Meditationssitzung. Das ist eine gute Angewohnheit.
Die kurze Niederwerfung
Es gibt verschiedene Arten von Niederwerfungen. Die sogenannte kurze Niederwerfung besteht darin, dass wir unsere Handflächen mit nach innen geklappten Daumen, was geschickte Mittel und Weisheit symbolisiert, aneinanderhalten. Mit dieser Handhaltung berührt man dann vier Stellen am Körper. Es gibt wohlgemerkt – wie eigentlich bei allem im Buddhismus – verschiedene Varianten dafür, aber so wie ich es erklärt habe, findet man es in den Texten des Lam-rim. Man berührt mit dieser Handhaltung also vier Stellen:
1. Der Scheitel des Kopfes. Dies tut man mit dem Wunsch, später wie ein Buddha die kronenartige Erweiterung (tib. gtsug-tor, Skt. uṣṇīṣa) am Kopf zu entwickeln. Dies ist eines der körperlichen Merkmale eines Buddhas; eine Art Ausstülpung am oberen Ende des Kopfes. Ich erinnere mich, als ich einmal einen tibetischen Lama getroffen habe, der dieses Merkmal tatsächlich besaß. Das war wirklich erstaunlich, und ich glaube nicht, dass das ein Tumor oder etwas in der Art war. Wie dem auch sei, man kultiviert also den Wunsch, dieses Merkmal eines Buddhas zu entwickeln.
2. Als nächstes berührt man seine Stirn, um das sogenannte schatzgleich-gelockte Haar (tib. mdzod-spu, Skt. urṇākeśa) zu entwickeln. Zwischen den Augenbrauen eines Buddha wächst eine kleine, gewellte Haarlocke. Angeblich ist sie wie ein unendlich langes Maßband: Wenn man versucht, sie herausziehen, wird das Haar unendlich lang und schnalzt dann wieder zurück.
Ihr mögt diese Dinge vielleicht komisch finden, aber in den Lehren wird ausführlich über die verschiedenen körperlichen Merkmale eines Buddha berichtet und auf welche Ursachen diese hindeuten. Dadurch, dass man seinem spirituellen Lehrer immer Respekt zollt und ihn auf dem Scheitelpunkt seines Kopfes visualisiert, entwickelt man diese Ausstülpung auf dem Kopf, auf der der Guru sitzt, und das Haar zwischen den Augenbrauen ist so ähnlich wie das Weisheitsauge oder das dritte Auge – nicht jedoch so etwas wie dieser Unsinn von Lobsang Rampa. Es markiert das obere Ende des Zentralkanals, wo man im Kalachakra zuerst die sogenannte leere Form visualisiert.
3. Dann berühren wir unsere Kehle, um die Qualitäten der Rede eines Buddhas zu entwickeln.
4. Als letztes dann das Herz, um die Qualitäten des Geistes eines Buddhas zu entwickeln.
Anschließend lässt man sich dann nieder und berührt den Boden an sieben Stellen: mit beiden Händen, Knien, Füßen und mit der Stirn. Man sagt, dass man den Boden unbedingt auch mit der Stirn berühren sollte.
Darüber hinaus ist es wichtig, so heißt es, schnell wieder aufzustehen, da man vermeiden möchte, die Angewohnheit zu entwickeln, sich auf dem Boden aufzuhalten – ein Bild, das normalerweise mit niederen Wiedergeburten assoziiert ist. Steht also zügig wieder auf.
Auch ist es wichtig, gerade zu stehen. Dabei höre ich meine Mutter sagen: „Rücken gerade, sonst bekommst du einen Buckel!“ – und bucklig wollen wir ja ganz bestimmt nicht werden. Gerade zu stehen ist überdies in gewisser Weise auch ein Ausdruck des Respekts. Wir bemühen uns, gerade zu stehen als Ausdruck unseres Wunsches, Befreiung bzw. Erleuchtung zu erlangen.
Nach dem dritten Mal berührt man diese Stellen dann erneut.
Die sieben Stellen am Körper und die sieben Juwelen der Aryas
Man berührt den Boden wie bereits erklärt mit den sieben Stellen des Körpers, und das repräsentiert… Nun ja, es gibt im Buddhismus viele siebenteilige Dinge, die es repräsentieren könnte. Man hört sehr oft zum Beispiel von den sieben Juwelen der Aryas. Diese sind sehr kostbare Eigenschaften, die die Aryas – also jene, die eine nicht-begriffliche Wahrnehmung der vier edlen Wahrheiten erlangt haben – als besonders wertvoll ansehen. Diese Eigenschaften schmücken sie wie ein Juwel. Das ist in der Tat eine sehr interessante Liste, wenn man bedenkt, was das Kostbarste wäre, das man haben könnte:
1. Glaube an Tatsachen – manchmal wird dies auch mit „Vertrauen“ übersetzt, aber wenn man sich die Definition des Begriffes ansieht, bedeutet es eher, eine bestimmte Tatsache anzuerkennen und diese dann als wahr anzusehen. Denkt mal darüber nach, denn an Hirngespinste wie den Weihnachtsmann oder Osterhasen sollten wir doch besser nicht glauben. Genauso wenig geht es darum, zu glauben, dass der Aktienmarkt steigen wird oder dass es morgen vielleicht regnen wird. Es geht darum, die Realität zu akzeptieren: „Das ist Realität, eine Tatsache – und ich akzeptiere sie. Ich glaube mit großer Überzeugung daran, dass die Realität der Wahrheit entspricht.“ Wir sprechen hier wohlgemerkt von der Realität, wie sie wirklich ist, und nicht von irgendeiner seltsamen Vorstellung davon.
Das ist tatsächlich nicht ganz so einfach, wenn man sich überlegt, was die Dinge sind, die wir mit diesem Glauben an Tatsachen betrachten sollten. Dazu gehören beispielsweise Ursache und Wirkung, d.h. die Gesetzmäßigkeiten von verhaltensbedingter Ursache und Wirkung: Verhält man sich destruktiv, so führt dies zu eigenem Unglücklichsein. Das ist wirklich nicht so einfach; es geht nämlich nicht nur darum, es sich mit dem Zitieren der Aussagen des Gurus oder der Schriften leichtzumachen, sondern einen überzeugten Glauben zu entwickeln, dass eine bestimmte Tatsache wirklich wahr ist. Was die Aryas betrifft, so haben diese eine nicht-begriffliche Erkenntnis der vier edlen Wahrheiten, sowie von Ursache und Wirkung erlangt: Sie nehmen diese Wahrheiten nicht als allgemeine Kategorie und dann als etwas, das diese repräsentiert, wahr, denn das würde in die Kategorie der begrifflichen Gedanken fallen. Sie sehen wirklich auf nicht-begriffliche Weise, dass die Gesetzmäßigkeiten von Ursache und Wirkung der Realität entsprechen. Dies ist die gesamte Struktur der vier edlen Wahrheiten.
2. Ethische Disziplin – wenn man eine solche vollkommene Überzeugung und den Glauben besitzt, dass eine Tatsache – beispielsweise verhaltensbedingte Ursache und Wirkung – wahr ist, entwickelt man auf ganz natürliche Weise auch ethische Selbstdisziplin. Man hält sich zurück, negativ, destruktiv und unter dem Einfluss störender Emotionen oder Naivität zu handeln.
3. Großzügigkeit – mit anderen zu teilen, was wir gelernt haben, was wir besitzen usw.
4. Zuhören – dies bezieht sich darauf, zu studieren und eine breite Bildung zu haben, um die Lehren wirklich verstehen zu können.
5. In Betracht zu ziehen, wie unsere Handlungen auf andere wirken – wenn wir uns, mit anderen Worten, wirklich negativ verhalten, würde das das ein schlechtes Licht auf unseren Lehrer, den Buddhismus und auf jede Gruppe, der wir angehören – wie beispielsweise unsere Familie etc. – werfen. Dieses und das nächste Juwel sind die Grundlagen für ethisches Verhalten.
Wenn man denkt: „wenn ich mich so verhalte, bringe ich Schande über meine Familie“, mag das vielleicht eine sehr asiatische Denkweise sein, jedoch denke ich, dass dies auch für uns relevant ist. Wir tragen zur Verschlechterung des Rufes des Buddhismus bei, wenn wir uns betrinken, uns in Bars rüpelhaft verhalten oder Ähnliches, und die Leute wissen, dass wir Buddhisten sind.
6. Moralische Selbstwürde – d.h. die Einstellung, Respekt sich selbst gegenüber zu haben, sodass man sich nicht destruktiv verhält. In Berlin habe ich meine Schüler einmal etwas provozierend gefragt, als wir über dieses Thema gesprochen haben, warum sie sich nicht destruktiv verhalten. Ich habe gefragt: „Warum betrügt ihr nicht? Warum lügt und stehlt ihr nicht?“ Viele haben geantwortet, dass es sich einfach nicht richtig anfühle. Wir sprechen hier nicht von irgendwelchen Gesetzen, die man nicht übertreten möchte, ob das nun ein religiöses oder bürgerliches Gesetz ist; vielmehr geht es um den mentalen Aspekt der Selbstwürde, sich selbst so sehr zu respektieren, dass man nicht destruktiv handeln wird, da es sich einfach nicht richtig anfühlt. Auch sollte man sich nicht aus Angst oder so etwas vom Handeln zurückzuhalten und denken: „Ich würde mich schuldig fühlen. Ich will kein schlechter Mensch sein; ich will gut sein.“ Insgesamt ist also eine gesunde Haltung des Respekts sich selbst gegenüber – oder der Selbstwürde, wie wir im Deutschen sagen würden – sehr wichtig.
Diese Art von Selbstwürde, denke ich, ist eines der Hauptmerkmale, das den buddhistischen Ansatz charakterisiert. All dies geht von der ganzen Diskussion über die Buddha-Natur aus. Das Selbstbild mit dem Motto „Ich bin ein Sünder, ich bin furchtbar” ist nicht, was wir kultivieren möchten; vielmehr sollten wir Respekt uns selbst gegenüber entwickeln und gegenüber unseren Fähigkeiten – dieses Gefühl von Selbstwürde ist es, was wir anstreben sollten. Und was unsere Unzulänglichkeiten betrifft, so schauen wir darauf mit Mitgefühl und mit dem Wunsch, diese zu überwinden, da sie auf Verwirrung beruhen und nicht darauf, dass wir schlecht sind oder irgendwelchen Gesetzen nicht folgen.
7. Unterscheidendes Gewahrsein – wie Seine Heiligkeit immer sagt, sollten wir diese wunderbare menschliche Intelligenz, die uns zu eigen ist, nutzen, um zwischen dem zu unterscheiden, was hilfreich und was schädlich ist: zwischen Realität und Fantasie. Das ist etwas, das man wirklich aktiv kultivieren muss. Wir sind ja schließlich keine Kleinkinder, die jemanden brauchen, der ihnen sagt, was gut und was schlecht ist. Es geht darum, diese Fähigkeit in uns selbst zu entwickeln und zu fördern, denn wir verfügen über diese Intelligenz, Dinge zu unterscheiden.
Niederwerfung in voller Körperlänge
Dann gibt es da noch die Niederwerfung in voller Körperlänge. Man macht genau dasselbe wie bei der kurzen Niederwerfung; sobald man sich jedoch am Boden befindet und ihn mit den vorhin beschrieben sieben Punkten berührt hat, streckt man noch die Arme nebeneinander über dem Kopf mit den Handflächen nach unten aus. Wenn man eine große Anzahl, zum Beispiel 100.000, Niederwerfungen macht, tut man das in der Regel auf diese Weise. Einige Leute legen dabei noch die Handflächen mit den Daumen nach innen aneinander, berühren ihren Scheitel und legen dann die Hände wieder auf den Boden. In den Schriften heißt es, und so sagt es auch Seine Heiligkeit, dass dies völlig unnötig ist, und es besser sei, einfach wieder zügig aufzustehen. Obwohl es eigentlich unnötig ist, gibt es trotzdem einige Leute, die das tun.
In einigen Sutras heißt es, dass die Zahl der Atome oder Partikel auf dem Boden, mit denen unser Körper bei der Niederwerfung in Berührung kommt, multipliziert mit einer unglaublich hohen Zahl die Menge an Verdienst oder positiver Kraft entspricht, die man auf dadurch aufbaut. Man könnte dann vielleicht denken, dass eine große Person mehr positive Kraft aufbaut, aber ich glaube nicht, dass dies der Punkt ist, um den es hier geht.
Die unvorstellbar große Menge an positiver Kraft, die wir durch unsere Niederwerfungen aufbauen, wird sehr oft metaphorisch mit der Anzahl der Sandkörner am Gangesufer verglichen – ein Bild, das eine unglaublich große Menge verdeutlichen soll. In den Texten wird jedoch immer eine präzise Zahl genannt, was man sich nicht immer so gut vorstellen kann, muss ich sagen. Für jeden Buddha gibt es eine bestimmte Zahl, mit der das Verdienst multipliziert wird, wenn man vor ihnen Niederwerfungen macht. Das ist wirklich nicht so einfach nachzuvollziehen.
Man sollte sich nicht „auf die Jagd“ nach mehr Punkten in der Verdienstwertung begeben und diese Einstellung haben: „Hm, Niederwerfungen vor den 35 Buddhas des Eingestehens zu machen, ist kein guter Deal; da bekommt man weniger Verdienst. Ich nehme lieber einen, bei dem ich mehr für mein Geld bekomme. Dann muss ich nicht so viele Niederwerfungen machen, um mehr Punkte zu bekommen.“ Deshalb mag ich das Wort Verdienst nicht, da es den Eindruck erweckt, Punkte sammeln zu müssen. Auf solche Weise nach einem guten Geschäft zu suchen, ist sicher nicht die Absicht dieser Praxis.
Ich denke, es ist sehr hilfreich, solche Dinge zu analysieren und nicht einfach fraglos hinzunehmen, was in den Texten steht. Buddha sagte schließlich, man solle alles in Frage stellen. Die buddhistische Methode besteht darin, eine bestimmte Hypothese aufzustellen und diese dann auf potenzielle Einwände zu überprüfen; so ist es auch in den Texten beschrieben. „Manche Leute sagen …” heißt es da oft am Anfang und dann wird eine Hypothese aufgestellt, gefolgt von „Aber wenn du das annimmst, folgt diese und jene absurde Schlussfolgerung.“ So analysiert man hier: Jemand stellt eine Hypothese auf und fordert eine andere Person dazu auf herauszufinden, ob es in der Denkweise des anderen eine Inkonsistenz gibt oder man einen Einwand dagegen formulieren kann.
In vielen Mahayana-Sutras wird zum Beispiel gesagt, dass jede Pore im Körper eines Buddhas einen Buddha enthält. Genauso gibt es da unendlich viele Weltsysteme, und in den Poren der Buddhas in diesen Weltsystemen gibt es dann noch mehr dieser Systeme und so weiter. Man hat also dieses Bild einer unglaublich großen Anzahl, das unseren Geist enorm erweitern kann, wenn wir ihn im Sinne des Mahayana entwickeln wollen. Eigentlich ist das gar nicht so merkwürdig, wenn man mal darüber nachdenkt. Habt ihr euch jemals ernsthaft über die Größe des Universums Gedanken gemacht oder über die winzig klein erscheinenden, weit entfernten Sterne, die wir zum Teil ohne ein hochauflösendes Teleskop nicht einmal sehen können? Da draußen gibt es ganze Galaxien mit Billionen von Sternen und Planeten. Der Umfang unseres Universums ist einfach unvorstellbar groß; und einem ähnlichen Bild begegnen wir dann in den alten buddhistischen Texten: In jeder Pore des Körpers eines Buddhas befindet sich ein ganzes Universum. Das ist ein sehr eindrucksvolles Bild, das wir da im Buddhismus haben. Ich bin mir jedoch nicht ganz sicher, welche Relevanz diesbezüglich die Anzahl der Staubpartikel hat, mit denen wir bei unseren Niederwerfungen in Kontakt kommen.
Ich könnte mir vorstellen, dass – wenn man mal ganz praktisch denkt – es eines der Hindernisse für die Niederwerfungen sein könnte, besonders wenn man diese an einem Ort wie Bodhgaya macht, wo riesige Zeremonien abgehalten werden und der Boden sehr schmutzig und schlammig ist. Dann könnte man zum Beispiel denken: „Oh, hier will ich auf keinen Fall Niederwerfungen machen. Da mache ich mich nur ganz dreckig.“ Wenn man stattdessen jedoch die Einstellung hat, dass den Boden zu berühren etwas sehr Positives ist und man durch den Schmutz, mit dem man in Berührung kommt, positive Kraft aufbaut, kann uns das dabei helfen, unsere anfängliche Abneigung zu überwinden, falls wir Angst davor haben, unsere Kleider und Hände bei den Niederwerfungen schmutzig zu machen und dann im Anschluss so schnell wie möglich unsere Hände und Kleider waschen wollen. Meine Herangehensweise mag vielleicht erstmal ein wenig trivial erscheinen, aber ich verstehe das Ganze auf sehr praktische Art und Weise, ohne irgendwelchen Hokuspokus.
Denkt doch einfach mal an die ganzen Pilger in Tibet, die Tausende von Kilometern zurücklegen und sich dabei nach jedem Schritt niederwerfen und wie schmutzig sie werden. Hätten sie eine ähnliche Abneigung gegen Schmutz, würden sie das offensichtlich niemals tun können. Es verändert unsere Einstellung dramatisch, wenn wir uns sagen: „Wow, ich baue so viel positive Kraft auf wie all diese Schmutzteilchen!“ So denke ich jedenfalls darüber.
Niederwerfung mit Hand-Mudras
Dann gibt es noch die Niederwerfung in Kombination mit Hand-Mudras:
- Man berührt mit aneinander gelegten Handflächen und nach innen gerichteten Daumen das Herz.
- Oder man hält nur die rechte Hand mit nach innen gerichtetem Daumen und den ausgestreckten Fingern nach oben zeigend vor der Brust und senkt den Kopf, sodass die rechte Hand auf Nasenhöhe ist.
- Die dritte Variante ist, es mit nur einem ausgestreckten Finger zu machen, was allerdings normalerweise nicht praktiziert wird.
Wenn wir in einer Situation sind, in der es nicht angemessen wäre, eine volle Niederwerfung auf dem Boden zu machen – zum Beispiel in einem Nachtzug oder Flugzeug, aber auch wenn wir krank sind und die volle Niederwerfung nicht ausführen können –, nutzen wir eine Handgeste, die man selbst machen kann, wenn man im Bett liegt. Es gibt immer einen Weg bzw. die passende Variante und das ist sehr hilfreich.
Es ist wichtig, flexibel zu sein und von der für die jeweilige Situation angemessenen Variante Gebrauch zu machen. Man kann gar nicht genug betonen, wie wichtig es ist, nicht unflexibel und starr mit seiner Praxis umzugehen und im Gegenteil darauf zu achten, flexibel und entspannt zu bleiben. Man muss sich nur mal die Tibeter anschauen und wie entspannt sie bezüglich ihrer Praxis sind. Sie machen sie richtig, sind dabei flexibel und passen alles an die jeweiligen Umstände an.
Lasst mich an dieser Stelle ein wunderbares Beispiel anführen; wie so oft auch hier in Bezug auf Tsenshap Serkong Rinpoche. Ich habe neun Jahre mit ihm verbracht und hatte während dieser Zeit eigentlich täglich Kontakt mit ihm. Wenn man eine Ermächtigung zur Vajrayogini-Praxis erhält – dasselbe gilt zum Teil auch für Chakrasamvara – verspricht man, zweimal im Monat (am 10. und 25. Tag des tibetischen Monats) ein Opferritual, das sogennante Tsog (tib. tshogs), durchzuführen. Einmal hat ein Westler Rinpoche gefragt, was geschieht, wenn wir keinen tibetischen Kalender zur Verfügung haben und nicht wissen, wann der 10. und der 25. Tag gemäß des Mondzyklus ist. Rinpoche antwortete: „Haben eure westlichen Monate denn keinen 10. und 25. Tag?“ Offensichtlich ist Flexibilität also angebracht. Es ist nicht so, dass wir in die Hölle kommen, wenn wir es nicht genau an diesen Tagen machen. Mein Lehrer war immer äußerst flexibel. Wie ich schon sagte, benutzte er manchmal sogar eine Milchflasche als Ersatz für diese kunstvollen Vasen mit Juwelen, um Initiationen zu geben. Ich glaube, deshalb liebten ihn alle so sehr – weil er so bodenständig war. Sein Gesicht war übrigens Vorbild für Yoda in Star Wars, nur um euch einen Eindruck davon zu vermitteln, wie er aussah.
Niederwerfung auf Ebene des Körpers, der Rede und des Geistes
Wie dem auch sei, wenn wir Niederwerfungen machen, sollten wir dies auf körperlicher, verbaler und geistiger Ebene tun.
Körperliche Niederwerfung
Die körperliche Niederwerfung ist nicht nur das, was ich bereits erklärt habe, sondern besteht darüber hinaus auch darin, den Drei Juwelen Respekt entgegenzubringen, indem man einen buddhistischen Text oder eine Statue mit dem Scheitel berührt. Ihr werdet feststellen, dass Tibeter das ständig tun. Manchmal ist es auch ein Lama, der den Scheitel ihres Kopfes mit einem Text berührt.
Zum Beispiel war ich 1971 anwesend, als Seine Heiligkeit die Übertragung der „Vier kombinierten Kommentare zum Guhyasamaja“ (tib. gSang-’dus ’brel-ba bzhi-sbrags) gegeben hat. Alle waren völlig erstaunt, wie tiefgründig seine Erklärungen waren, wenn man sein damaliges Alter bedenkt. Es waren schätzungsweise fünf- oder achttausend Mönche anwesend. Seine Heiligkeit saß dabei im Schneidersitz auf einem Thron, der ziemlich hoch war, und beugte sich am Ende in einer unheimlich unbequemen Position nach vorn und hielt dabei den nicht gerade leichten Text, um mit diesem jede einzelne Person der gesamten Menge am Kopf zu berühren, und das ohne eine Pause zu machen. Das war wirklich unglaublich. Die Qualitäten Seiner Heiligkeit des Dalai Lama sind nicht nur verbaler und geistiger Natur, sondern auch auf körperlicher Ebene ist er wirklich außerordentlich.
Serkong Rinpoche erzählte oft von seinen Reisen mit Seiner Heiligkeit im Auto in Indien, wenn sie zum Beispiel in langen, zum Teil zwölf- oder dreizehnstündige Fahrten, durch die gewundenen Straßen des Himalayas zu den verschiedenen Siedlungen reisten. Am Ende stieg Seine Heiligkeit immer ganz frisch und voller Energie aus dem Auto aus, während Serkong Rinpoche nach solch aufreibenden Fahrten kaum laufen konnte.
Die körperliche Niederwerfung, sprich, Respekt zu zeigen und Bücher und Statuen mit dem Scheitel zu berühren – diese Dinge sollte man nicht zur Schau stellen. Wenn ihr also mit eurer Familie oder euren Eltern seid, die so etwas seltsam finden würden, haltet euch besser zurück und macht so etwas nicht vor ihnen. Darum geht es ja bei diesem Aspekt der Ethik: darauf zu achten, wie unsere Handlungen auf andere wirken. Wir wollen den Leuten um uns herum – vor allem unseren Eltern – ja schließlich keinen merkwürdigen Eindruck vom Buddhismus vermitteln; dass es irgendein Kult oder so etwas ist, auf den unsere Kinder total abfahren. Haltet deswegen besser den Ball flach, wie man sagen würde.
Im Zusammenhang mit den Lehren über Tantra fällt sehr oft das Wort „geheim“. In vielen Fällen, denke ich, ist jedoch „privat” ein viel besseres Wort, denn es geht darum, dass Tantra im Privaten praktiziert werden sollte, ohne es zur Schau zu stellen. Andere Leute, die daran nicht interessiert oder nicht Teil der eingeweihten Gruppe sind, würden sonst sehr seltsame Vorstellungen davon entwickeln. Daher wird auch empfohlen, Gemälde oder Fotos von nackten männlichen oder weiblichen Gottheiten, die völlig entblößt in Pose stehen oder in Vereinigung dargestellt sind, nicht in Räumen aufzustellen, in denen Gäste oder Kinder sie sehen könnten, die dann vielleicht denken: „Wow, das ist aber wirklich seltsame Pornografie.“ Oder, wenn sie ein Thangkagemälde wie das von Yamantaka mit seinen Hörnern, dem Büffelkopf und den Flammen sehen, könnten sie meinen, wir wären Teufelsanbeter. Hängt solche Dinge also nicht einfach so offen an euren Wänden auf, damit andere Leute, die in eure Wohnung kommen, keine seltsamen Ideen bekommen.
Tibetische Thangkas sind in der Regel mit einem Stofftuch ausgestattet, mit dem man sie problemlos bedecken kann, wenn man nicht gerade damit im Privaten praktiziert. Wenn ihr Thangkas aufhängen möchtet, wählt solche mit Darstellungen des Buddha oder von anderen friedlichen Figuren wie Avalokiteshvara, Manjushri oder Tara. Diese sollte man dann übrigens auch nicht im Badezimmer – also in der Nähe der Toilette – aufhängen. Das wird als ziemlich respektlos angesehen.
Verbale Niederwerfung
Die verbale Niederwerfung wird in den Texten folgendermaßen beschrieben: Man visualisiert, dass man viele Köpfe besitzt, die wiederum viele Münder haben, und all diese Münder richten Lobpreisungen an die Drei Juwelen.
Ich gebe zu, dass ich dieses Konzept der Lobpreisung immer ein bisschen merkwürdig fand. Dieses „Oh Buddha, du bist so großartig, so fantastisch“, und so weiter. Solche Dinge findet man übrigens auch in anderen Religionen. Man sollte sich vor Augen halten, worum es hierbei geht, denke ich, denn ganz so ist es nun doch nicht. Bei den acht weltlichen Dharmas, diese acht vergänglichen Dinge, gibt es Lob und Tadel, denen man versucht, mit Gleichmut zu begegnen, d.h. mit einer Haltung, die beides gleichmütig annimmt. Buddha braucht unser Lob nicht und wird sicherlich nicht sagen: „Oh, ich bin so froh, dass du mich lobst. Wie großartig ich doch bin!“ Wir richten diese Lobpreisungen nicht zu seinem Nutzen, sondern zu unserem eigenen Nutzen an ihn. Der Punkt ist, sich an seine positiven Qualitäten zu erinnern und wirklich großen Respekt, enorme Wertschätzung und Bewunderung dafür zu entwickeln, was wir selbst auch erreichen möchten. Darum geht es bei der Lobpreisung.
Geistige Niederwerfung
In Bezug auf den Geist versuchen wir, an die guten Qualitäten von Buddha, Dharma und Sangha zu denken. All diese Münder und Gesichter zu visualisieren ist lediglich dafür da, uns zu helfen, ein Gefühl der Wertschätzung jener Qualitäten zu verstärken und uns an diese zu erinnern. Deshalb visualisieren wir auch, dass wir mit diesen Mündern Lobpreisungen aussprechen. In gewisser Weise erfreut man sich dadurch auch an diesen wunderbaren Qualitäten.
Die Sitzhaltung: die achtfache Haltung des Vairochana
Nun zur Sitzhaltung. Hierbei richtet man sich nach der achtfachen Haltung des Vairochana, welche Kamalashila im zweiten und dritten Band seines Dreiteilers „Stufen der Meditation“ behandelt.
1. Beine – man sitzt mit gekreuzten Beinen in der Vajra-Haltung. Im Yoga der Hindu-Traditionen nennt man diese Haltung Lotussitz; im Buddhismus nennt man sie Vajra-Haltung. Die Beine ruhen dabei mit den Fußsohlen nach oben zeigend auf den Oberschenkeln, was die Form eines Vajras nachbildet.
Für die meisten von uns ist es nicht so leicht, in diese Position zu kommen, und es wäre sicher hilfreich, bereits von früh auf etwas mehr Flexibilität zu trainieren. Der einzige Punkt, an dem diese Haltung wirklich benötigt wird, sind die verschiedenen Praktiken der Vollendungsstufe, wo man mit den Energien im Körper arbeitet. Dafür ist die Vajra-Haltung eine notwendige Voraussetzung. Ansonsten kann genauso auch im sogenannten halben Lotus mit nur einem Bein auf dem Oberschenkel sitzen.
Es ist ziemlich amüsant, sich einmal die Lamas anzuschauen, die extrem viel Zeit in dieser Haltung verbracht haben. Während wir manchmal nicht einmal in der Lage sind, auch nur ein Bein auf dem Oberschenkel ruhen zu lassen und dann einfach im normalen Schneidersitz sitzen, haben manche Lamas die meiste Zeit ihres Lebens in der Vajra-Haltung gesessen, sodass ihre Füße in gewisser Weise deformiert sind: Wenn sie mit beiden Füßen auf dem Boden stehen, zeigen diese nach außen. Japaner zum Beispiel kann man auch daran erkennen, dass ihre Füße durch ihre Sitzposition, in der sie ihre Beine mit nach innen gerichteten Füßen unter sich nehmen, nach innen zeigen, wenn sie stehen.
All das stellt in gewisser Weise ein Problem für unsere Körperhaltung und dafür, wie wir gehen, dar. Auch für mich – denn meine Füße zeigen in der Tat auch so nach außen – ist es sehr schwierig und unbequem meine Füße in eine gerade Position zu bringen. Diese Dinge können tatsächlich zu körperlichen Problemen im Alter führen. Besonders mit den Knien haben viele Leute Schwierigkeiten. Die Tibeter lassen sich dadurch nicht davon abbringen, so zu sitzen, wie auch Seine Heiligkeit, der ebenfalls Knieprobleme hat. So haben auch im Westen ältere, erfahrene Meditierende und spirituelle Lehrer, die viel in dieser Haltung gesessen haben, das Problem, im Alter nicht mehr lange mit überkreuzten Beinen sitzen zu können. Das wird dann zum Problem, wenn man zum Beispiel an Unterweisungen in Indien teilnehmen möchte. Auch wenn die Tibeter es überhaupt nicht betonen, halte ich es für sehr wichtig, unsere Sitzpraxis mit körperlicher Betätigung auszugleichen.
Abgesehen von dieser Haltung mit überkreuzten Beinen gibt es auch andere Haltungen, wie die der Japaner. Denn sie sitzen nicht so, sondern mit den Beinen unter sich nach hinten gerichtet. Ein anderes Beispiel wären die Thailänder, die ihre Beine beim Sitzen auf der Seite haben. Es gibt viele verschiedene Sitzhaltungen.
2. Hände – diese hält man auf dem Schoß und legt dabei die rechte Hand in die linke, wobei sich die Daumenspitzen berühren. Manche halten ihre Hände über dem Schoß hoch, aber das führt in der Regel zu angespannten Schultern und wird nach einer Weile wehtun. Deshalb ist es besser, die Hände auf dem Schoß abzulegen.
3. Rücken – eure Wirbelsäule sollte gerade sein. Wenn ihr im vollen Lotus sitzt, geschieht das eigentlich fast automatisch. Sitzt man dagegen einfach flach auf dem Boden, ist es meiner Meinung nach viel schwieriger den Rücken gerade zu halten.
4. Zähne, Lippen und Zunge – man sollte versuchen zu vermeiden, die Zähne zusammenzubeißen, als hätte man gerade vier Espressos getrunken. Dasselbe gilt für die Lippen, die entspannt und nicht zusammengepresst sein sollten. Die Zunge sollte den oberen Gaumenbereich hinter den Zähnen berühren, wo er eine leichte Wölbung hat. Das hat den Zweck, den Speichelfluss zu minimieren; ansonsten sitzt man da und sabbert – und das ist nicht sehr schön. Dann muss man nämlich die ganze Zeit schlucken und wird dadurch abgelenkt. Hält man die Zunge an der Stelle hinter Zähnen, wird die Speichelmenge auf ein Minimum reduziert, sodass man möglichst wenig schlucken muss.
5. Kopf – man beugt ihn leicht nach vorn, weder ganz nach unten noch ganz nach hinten. Wenn man den Kopf zu weit nach unten beugt, wird einem irgendwann schwindlig.
6. Augen – es wird immer empfohlen, die Augen halb geöffnet zu haben und in Richtung der Nase zu schauen. Manche Leute denken, es gehe darum, schielend auf die Nasenspitze zu schauen, aber das bedeutet es sicher nicht. Man sollte stattdessen lediglich in die Richtung der Nase schauen, also mit dem Blick leicht gesenkt auf den Boden gerichtet.
Es gibt viele Gründe, nicht mit geschlossenen Augen zu meditieren. Grundsätzlich geschieht es mit geschlossenen Augen viel schneller, dass wir müde werden und einschlafen, auch wenn es vielleicht helfen mag, äußere Ablenkungen auszublenden.
Seine Heiligkeit weist immer darauf hin, dass man mit geschlossenen Augen einer gewissen inneren Ablenkung ausgesetzt ist. Das ist eigentlich ziemlich interessant, wenn man mal beobachtet – man muss dafür allerdings sehr aufmerksam sein –, wie diese kleinen, funkelnden Lichtblitze auftauchen, wenn unsere Augen zu sind. Das ist hier mit innerer Ablenkung gemeint, was man vermeiden kann, wenn man während der Meditation die Augen nicht schließt, besonders während man versucht, sich zu konzentrieren.
Ein allgemeiner Punkt, den ich gerne noch hervorheben möchte, ist Folgendes: Wenn wir unsere Augen schließen müssen, um zur Ruhe kommen zu können und einen positiven Geisteszustand zu erzeugen, kann das eine große Blockade dafür werden, das Geübte im alltäglichen Leben anzuwenden; sprich, wenn man sich angewöhnt, die Augen schließen zu müssen, um sich zu beruhigen oder Mitgefühl für jemanden empfinden zu können. Das würde im wirklichen Leben nicht funktionieren. Auch wenn ich das noch nie in einem Text gelesen habe, muss ich sagen, dass es für mich ziemlich viel Sinn ergibt.
7. Schultern – lasst eure Schultern entspannt hängen und zieht sie nicht hoch wie in Alarmbereitschaft. Das ist auch im Alltag sehr wichtig: Wenn wir angespannt oder gestresst sind, neigen wir dazu, die Schultern hochzuziehen, was zu allerlei Verspannungen im Nackenbereich führt. Wenn ihr könnt, versucht eure Schultern bewusst während des Tages oder in Gesprächen mit anderen Leuten unten zu lassen.
Dasselbe gilt für unseren Gesichtsausdruck. Manche Menschen legen immer eine steinerne Miene auf, ohne jeglichen Ausdruck, was sehr befremdlich sein kann, wenn man mit solchen Personen ein Gespräch führt. Andere wiederum runzeln ständig ihre Stirn und haben eine Menge Spannung in Stirn, Augen und Mund. Es wäre besser zu versuchen, die Gesichtsmuskeln etwas zu entspannen. Je entspannter unsere Muskeln sind, desto entspannter wird auch unser Geist sein. Deshalb sollte man auch die Schultern nicht so hochziehen. Wenn man zu solch einem harten Gesichtsausdruck tendiert, bedeutet das natürlich nicht, jetzt zum Imitator wie im Zirkus zu werden und alle möglichen künstlichen Gesichtsausdrücke machen zu müssen. Versucht einfach, mit eurem Gesichtsausdruck etwas menschlicher zu sein.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wenn ich eine Computermaus benutze und mein Arm dabei so nach oben zeigt – vor allem wenn mein Stuhl niedrig ist und der Schreibtisch hoch –, verursacht das unglaubliche Spannungen in meinen Schultern und im Nacken. Die beste Lösung, die ich dafür gefunden habe, ist, den Stuhl höher zu stellen, sodass der Arm etwas tiefer liegt, wenn ich die Maus benutze.
8. Atmung – man sollte nicht hyperventilieren, sondern einfach ganz normal durch die Nase atmen – nicht zu schnell und nicht zu langsam.
Danach macht man eine der vielen möglichen Atemübungen, in denen man die Aufmerksamkeit auf die Atmung richtet, wie zum Beispiel:
- Wenn man sich etwas matt fühlt, richtet man seine Aufmerksamkeit auf einen leicht erhöhten Punkt, nämlich auf den Atemfluss in der Nase.
- Ist man dagegen gestresst, fokussiert man sich auf das Heben und Senken des Bauches auf Höhe des Bauchnabels.
Es gibt viele Möglichkeiten, mit der Konzentration auf die Atmung zu arbeiten. Man kann zum Beispiel auch die Atemzüge zählen, wobei man allerdings bedenken sollte, dass es sich dabei nicht um eine Übung im Zählen handelt. Üblicherweise zählt man nur bis elf, sieben oder einundzwanzig – das spielt eigentlich keine Rolle – und fängt dann wieder von vorne an.
Dann gibt es da noch die Atemübung in neun Runden, begleitet von einer sehr komplexen Visualisierung. Wenn Seine Heiligkeit diese vor einer großen Menge erklärt, lässt er dabei die Visualisierung ganz weg. Worauf deutet das hin? Wenn man einen zu großen Wert auf die Visualisierung legt, verfehlt das den Sinn der Sache. Man wird nur nervös und verärgert, wenn man sich denkt: „Oh, ich bekomme die Visualisierung einfach nicht genau so hin, wie sie gehört. Wo müssen diese Kanäle nochmal genau sein?”
Bei all diesen tantrischen Visualisierungen des Todesprozesses, beginnend mit der Visualisierung einer Gottheit usw., sagt Seine Heiligkeit immer, dass man sich über all diese Details keine Gedanken machen sollte, sobald der eigene Tod naht und man nicht gerade ein sehr fortgeschrittener Praktizierender ist. Man wird sonst lediglich ängstlich oder verärgert, wenn man nicht dazu in der Lage ist, die Visualisierung richtig durchzuführen. Dann denkt man sich: „Wie macht man diese Visualisierung nun nochmal? Soll es wirklich so aussehen? Und nun der nächste Schritt.” Mit solchen Gedanken stirbt man in einem sehr unruhigen Geisteszustand. Laut Seiner Heiligkeit ist es viel besser, sich auf Bodhichitta zu konzentrieren, sobald der Todesprozess eintritt: „Möge ich weiterhin dem Pfad folgen. Möge ich weiterhin dazu in der Lage sein, anderen zu helfen und spirituellen Lehrern nahe sein.“ Macht euch keine Sorgen. Macht nicht so viel Aufhebens um die Visualisierungen, denn sie sind schwierig. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie völlig unwichtig sind – es bedeutet lediglich, dass sie nicht der Hauptschwerpunkt sind.
Diese Atemübung in neun Runden, wie Seine Heiligkeit sie erklärt, beginnt man, indem man seine Hände die Beine entlang bewegt, sie dann zur Faust ballt und dann mit einem Ruck in Achselhöhle schlägt. Dann hält man mit dem Zeigefinger ein Nasenloch zu und atmet langsam ein und durch das andere wieder aus. Dabei wechselt man die Hände nicht ab, sondern macht dies dreimal so; andernfalls wäre das sehr ablenkend. Erst danach wiederholt man dasselbe auf der anderen Seite. Im Anschluss legt man die Hände zur Faust geballt in den Schoß und atmet durch beide Nasenlöcher ein und aus. Das ist bereits genug. Die komplizierte Visualisierung braucht man nicht zu machen, um den Geist in einen offenen, neutralen Zustand zu bringen – denn das ist der zentrale Punkt, um den es hier geht – um darauf aufbauend dann einen positiven Geisteszustand erzeugen zu können.