In buddhistischen Lehren wird Entsagung besonders hervorgehoben. Sie ist eine der drei grundlegenden Aspekte des Pfades, wie ihn Tsongkhapa beschreibt. Diese drei sind vollkommen unerlässlich für sowohl Sutra- als auch Tantra-Praktizierende: Entsagung, Bodhicitta und das korrekte Verständnis der Leerheit (Leere). Offensichtlich handelt es sich also um etwas, was wir verstehen und versuchen müssen zu kultivieren. Tsongkhapa äußert sich in seinem Text: „Die drei Hauptaspekte des Pfades“ (tib. Lam-gtso rnam-gsum) dazu folgendermaßen:
Wenn aufgrund dessen, dass du dich auf diese Weise damit vertraut gemacht hast, keinen Augenblick lang mehr Sehnsucht nach dem Gepränge wiederholten Samsaras entsteht und Tag und Nacht reges Interesse an der Befreiung aufkommt, dann erst hast du Entsagung entwickelt.
Mit der Entsagung zielen wir nicht auf Erleuchtung ab; wir streben die Befreiung von Samsara an und das sind zwei sehr verschiedene Dinge. Befreiung heißt, die unkontrollierbar sich wiederholende Wiedergeburt zu überwinden, so dass wir uns nicht länger unter dem Einfluss störender Emotionen und Karma befinden; und in diesem Sinne auch nicht mehr leiden. Jedoch wissen wir dann immer noch nicht wie wir allen am besten helfen können. Wir mögen frei vom Greifen nach wahrhaft begründeter Existenz sein, aber da wir uns nicht bewusst darüber und verwirrt sind, verursacht dieses Greifen störende Emotionen. Diese störenden Gefühle auszuleben, bringt Karma hervor, welches wiederum zu unserer unkontrollierbar sich wiederholenden Wiedergeburt bzw. Samsara führt. Und obwohl wir mit der Befreiung frei von diesem Greifen nach wahrhaft begründeter Existenz sind, wird unser Geist trotzdem Erscheinungen wahrhafter Existenz fabrizieren. Das bedeutet, dass uns alles erscheint, als würde es eingekapselt und für sich existieren. Deshalb ist es sehr schwer Ursache und Wirkung vollständig zu verstehen. In anderen Worten: Was sind die Gründe für die Probleme eines jeden in Samsara? Welche Wirkung wird es haben, was wir ihnen lehren? Und es geht nicht nur um die Wirkung, die es auf sie hat, sondern auch auf jede, mit denen sie infolgedessen interagieren. Zunächst ist es wichtig, damit aufzuhören an diese Erscheinungen zu glauben, was mit der Befreiung einhergeht, und erst dann werden wir langsam dazu in der Lage sein, unseren Geist dazu zu bringen, keine falschen Erscheinungen mehr zu erschaffen. Wie dem auch sei, hier geht es nicht um die Erleuchtung und es sollte uns klar sein, dass wir in Bezug auf die Entsagung von Befreiung reden.
Die Begriffe für „Entsagung“ in den traditionellen buddhistischen Sprachen
Es ist immer hilfreich sich buddhistische Begriffe in ihren traditionellen Sprachen anzusehen. Der Sanskrit-Begriff für „Entsagung“ ist „niḥsaraṇa“. Er besteht aus dem Präfix „nis“, was heraus- oder weg- bedeutet und dem Verbalnomen „saraṇa“, was soviel wie „sich bewegen“ oder „schnell bewegen“ heißt. Es ist also ein Geisteszustand, der von etwas weg oder aus etwas heraus möchte und das sehr schnell. Das, woraus wir uns schnellstmöglich befreien möchten, ist Samsara: die unkontrollierbar sich wiederholende Wiedergeburt.
Aber es ist nicht der Fall, dass wir in Samsara geboren sind. Samsara ist kein Ort. Wir sollten hier sehr vorsichtig sein und nicht denken, dass wir in Samsara wiedergeboren werden, denn Samsara ist eine Situation. Eigentlich bezieht sich der Begriff auf eine unkontrollierbar sich wiederholende Wiedergeburt und das ist der Begriff, den wir hier immer benutzen. Samsara heißt, sich kontinuierlich weiter zu drehen und das bezieht sich insbesondere auf die Wiedergeburt. Wir haben keine Kontrolle darüber und es geht einfach immer weiter. Wir befinden uns unter dem Einfluss störender Emotionen und dem Karma, das durch diese Emotionen und das Ausleben der Emotion erzeugt wird. Der Sanskrit Begriff bedeutet, dass wir uns aus dieser Situation so schnell wie möglich befreien wollen.
Wenn wir im Wörterbuch nachschlagen, sehen wir, dass das Präfix „niḥ“ oder „nis“ auch „gewiss“ oder „definitiv“ bedeuten kann. Die Tibeter übersetzten hier genau diese Bedeutung mit dem Wort „ngey“ (nges), was wahrscheinlich nicht der ursprünglichen Konnotation im Sanskrit entspricht. Jedenfalls haben sich die Tibeter für diese mögliche Bedeutung entschlossen. Das Wort „saraṇa“, was „sich bewegen“ heißt, haben die Tibeter mit dem Wort „jung“ (byung) übersetzt und es bedeutet: werden, manifestieren, etwas geschehen lassen. Es ist daher ein Geisteszustand, der Gewissheit manifestiert. Das gibt dem Sanskrit-Wort also eine größere Dimension und daher übersetze ich es mit „Entschlossenheit“ oder „Gewissheit“. Worauf bezieht sich diese Entschlossenheit? Sie bezieht sich darauf, sich aus Samsara zu befreien und frei zu sein.
In der chinesischen Version sehen wir, dass es dafür zwei verschiedene Übersetzungen gibt. Die eine ist „li“ (离) und heißt „verlassen“ – sie bezieht sich also, ähnlich wie im Sanskrit, auf einen Geisteszustand, mit dem man Samsara verlässt. Die zweite gebräuchliche Übersetzung ist „shi chuxian“ (实出现), was soviel heißt wie: „das Echte manifestieren.“ Das ist interessant, denn wenn wir einmal darüber nachdenken, geht es hier um „die eigentliche Sache“, sich also wirklich befreien zu wollen.
Wenn wir betrachten, wie der Begriff in den verschiedenen Kulturen übersetzt und verstanden wurde, bekommen wir ein etwas größeres Bild davon, worum es eigentlich geht. Um welches Objekt handelt es sich, von dem wir uns definitiv lösen wollen und müssen? Es ist im Grunde das Leiden und insbesondere die unkontrollierbar sich wiederholende Wiedergeburt. Das ist eine Art des Leidens, nicht wahr? Es handelt sich um die erste edle Wahrheit – das wahre Leiden – und eigentlich um deren tiefste Bedeutung. Außerdem wollen wir frei von den Ursachen sein – das ist die zweite edle Wahrheit – und das heißt, an nichts zu hängen, was mit unkontrollierbar sich wiederholender Wiedergeburt zu tun hat. Da dieser Begriff „unkontrollierbar sich wiederholende Wiedergeburt“ recht lang ist, werde ich ihn hier einfach etwas abkürzen und von „Wiedergeburt“ sprechen. Wir sollten es also nicht einfach nur als Samsara, sondern auch als Wiedergeburt betrachten, denn sonst könnten wir eine falsche Vorstellung davon haben. Es geht nicht darum wegzurennen, sich zu verstecken und in diesem Sinne vor der Welt zu flüchten. Stattdessen konfrontieren wir uns mit der Wiedergeburt und analysieren ihre Ursachen, um sie auf eine vernünftige Weise zu überwinden.
Warum sollte man Samsara hinter sich lassen?
Dann stellt sich die Frage: Warum wollen wir uns davon lösen und es hinter uns lassen? Bei der Entsagung geht es schließlich um eine Motivation und damit haben wir im Buddhismus ein Ziel, was wir erreichen wollen; in diesem Fall sich von der Wiedergeburt zu befreien. Der zweite Aspekt ist eine Art von Emotion, die uns dazu bringt, dieses Ziel zu erreichen. Es geht um eine Emotion, einen Geisteszustand und die Frage, warum wir es erreichen wollen.
Nun müssen wir in sehr praktischen Begriffen darüber reden, was das wirklich heißt. Man kann die ganze Theorie erklären und alles auflisten, aber was bedeutet es in Bezug auf unsere persönliche Entwicklung im alltäglichen Leben? Das ist hier der wichtige Punkt.
Wir versuchen uns auf dem Pfad des „Lam-rim“ stufenweise zu entwickeln und wir sollten nicht denken, das wäre so einfach. Sehr oft überspringen wir die Anfangs- und Zwischenstufen und wollen direkt zur höchsten Ebene. So nehmen wir vielleicht eine fortgeschrittene Haltung an und sagen: „Ich strebe die Erleuchtung zum Wohle aller Wesen an.“ Das sind sehr schöne Worte, aber in Bezug auf das, was wir in unserem Herzen fühlen, bedeuten sie nicht wirklich etwas, weil wir keine klare Vorstellung davon haben, was Erleuchtung eigentlich ist. Es ist einfach jenseits der Fähigkeit der meisten von uns, an wirklich jedes einzelne Wesen im Universum zu denken; das ist eine sehr fortgeschrittene und weite Sichtweise. Diese Worte sind zwar schön, aber nicht wirklich ehrlich, oder ist es tatsächlich das, was wir empfinden?
Die Motivation der Entsagung auf der anfänglichen Stufe
Lasst uns mit der anfänglichen Stufe beginnen, die bereits ausgesprochen schwierig ist. Wir sollten das nicht trivialisieren, denn sie ist schon recht fortgeschritten. Für gewöhnlich befinden sich die meisten von uns bestenfalls auf Stufe Null, bevor wir mit der anfänglichen Stufe beginnen und das heißt, dass wir dieses Leben durch unsere Dharmapraxis verbessern und unser Leiden damit ein wenig mindern wollen. Das ist vollkommen in Ordnung, solange wir uns darüber klar sind, dass es Stufe Null ist, es noch mehr Stufen gibt und wir in der Lage sein wollen, den Rest der Stufen zu durchlaufen. Selbst daran zu denken, etwas später im Leben zu verbessern, d.h. nicht nur sofortige Verbesserungen anzustreben, ist schon eine Leistung.
Bei der anfänglichen Stufe geht es jedoch um die Wiedergeburt. Deshalb müssen wir natürlich verstehen was Wiedergeburt im Buddhismus eigentlich heißt. Es ist wichtig, die buddhistischen Lehren zum Thema Wiedergeburt verstehen, also die gesamte Lehre des anfangslosen Geistes und was der Geist im Buddhismus bedeutet. Außerdem gilt es Karma zu verstehen, wie unser Verhalten zukünftige Leben beeinflusst. Wir müssen überzeugt sein, dass es tatsächlich wahr ist. Aufgrund dessen versuchen wir etwas zu tun, sodass wir sicher sein können, in der Zukunft ebenfalls eine kostbare menschliche Wiedergeburt zu haben. Und wir unternehmen wirklich etwas. Diese Ebene zu erreichen und diesen Gedanken zu haben ist eine enorme Leistung, die wir nicht herabsetzen sollten.
Diese anfängliche Stufe ist jedoch nicht unser Thema hier. Wir müssen uns die mittlere Stufe ansehen und hier können wir nicht immer garantieren, stets eine kostbare menschliche Wiedergeburt zu haben. Die Rede ist hier nicht nur von einer menschlichen Wiedergeburt, sondern von einer kostbaren menschlichen Wiedergeburt.
Die anfängliche Stufe zielt vor allem auf eine der drei Arten des Leidens, dem sogenannten „Leid des Leidens“ (tib. sdug-sngal-gyi sdug-bsngal) ab, was im Grunde das Leid des Unglückseins ist. Wir können uns unglücklich mit den unterschiedlichsten Objekten fühlen, nicht nur mit Schmerz als einer körperlichen Empfindung. Hier geht es nicht nur um körperliche Empfindungen, sondern um Geisteszustände; dem Unglücklichsein. Aber auf der anfänglichen Stufe denken wir an furchtbare Situationen und an das Unglück, das uns widerfahren könnte; das wollen wir vermeiden. Eine kostbare menschliche Wiedergeburt ist sicherlich besser als eine Wiedergeburt als ein Höllenwesen, ein Geist oder ein Tier.
Die Motivation der Entsagung auf der mittleren Stufe
Hier ist nun das Problem. Es besteht darin, dass wir uns nun auf das sogenannte „Leiden der Veränderung“ (tib. ‘gyur-ba’i sdug-bsngal) konzentrieren müssen. Das Leiden der Veränderung ist unser gewöhnliches Glück. Es dauert nicht an und ist nicht befriedigend. Je mehr wir von diesem haben, umso schlimmer wird es. Vielleicht sollte ich das genauer erklären. Ein klassisches Beispiel: Wenn unser Lieblingsessen wahres Glück wäre, dann müssten wir umso glücklicher sein, je mehr wir davon auf einmal essen. Aber ab einem gewissen Moment verwandelt sich dieses Glück, je mehr wir essen, in Leiden. Deshalb nennen wir es das Leiden der Veränderung. Selbst mit einer kostbaren menschlichen Wiedergeburt wird nicht alles voller Glück sein. Es wird auch viel Unglück geben.
Das Hauptziel der mittleren Stufe ist jedoch nicht nur die Überwindung des Leidens der Veränderung, sondern auch die des „allumfassenden Leidens“ (tib. khyab-par ‘du-byed-kyi sdug-bsngal), was die unkontrollierbar sich wiederholende Wiedergeburt ist, weil die Wiedergeburt sich unter dem Einfluss von Karma und störenden Emotionen unkontrollierbar wiederholt und die Grundlage für die ersten beiden Arten des Leidens ist. Mit dieser Art von Körper und Geist ist eine Grundlage geschaffen, um das Leiden des Unglücklichseins und das Leiden des gewöhnlichen Glücks zu erfahren. Es wird also weiterhin auf und ab gehen.
Probleme mit der Motivation der anfänglichen Stufe
Was passiert, wenn wir tatsächlich versuchen dies zu entwickeln? Es gibt viele Probleme mit der anfänglichen Stufe, weil wir auf dieser Stufe beten: „Möge ich weiterhin eine kostbare menschliche Wiedergeburt erlangen, ausgestattet mit allen Umständen, Bedingungen und Freiheiten, um in der Lage zu sein, meine Dharmapraxis fortzusetzen.“ Wir verzichten auf destruktives Verhalten, was die Hauptsache ist, um eine kostbare menschliche Wiedergeburt zu bewirken. Wir praktizieren so viel wie möglich die weitreichenden Geisteshaltungen: Großzügigkeit, ethische Selbstdisziplin, Geduld, etc. Wir bringen unsere Gebete dar, aber das vermischt sich mit dem Gedanken: „Möge ich in meinen zukünftigen Leben stets mit meinen Geliebten, Verwandten, Freunden, anderen Dharmapraktizierenden und meinen Lehrern zusammen sein.“ Es ist mit jeder Menge Anhaftung verbunden und wir suchen nicht wirklich nach Befreiung, oder? Wir streben nach dieser kostbaren menschlichen Wiedergeburt, aber zusammen mit all den guten Dingen, die damit verbunden sind und das ist sehr verlockend.
Darauf müssen wir achten, wenn wir uns mit Entsagung beschäftigen. Es ist wichtig zu beginnen über das Leiden nachzudenken, das damit einhergeht. Denn handelt es sich dabei wirklich um die Quelle von Glück, mit Freunden und unseren Geliebten zusammen zu sein? Das soll aber nicht heißen, dass wir sie ignorieren sollten. Aber wir müssen eine realistische Haltung ihnen gegenüber haben. Über Befreiung von Wiedergeburt nachzudenken ist sehr tiefgründig. Damit will ich sagen, dass es sehr schwierig für uns ist, sich nur vorzustellen was das heißt. Was heißt das überhaupt? Heißt das, dass ich keine Freunde mehr haben kann? Kann ich mit niemandem mehr eine liebevolle Beziehung eingehen? Was heißt es eigentlich?
Wir reden hier nicht über ein fälschliches Verständnis von Entsagung: einfach alles aufzugeben und in einer Höhle zu wohnen. Darum geht es nicht, sondern um etwas viel Tieferes und über all die Arten von Emotionen und Gefühlen, die damit verbunden sind. Deshalb müssen wir uns, wie gesagt, auf die Wiedergeburt als solche konzentrieren. Vielleicht denken wir, mit unseren Freunden und Verwandten schon gute Umstände zu besitzen, aber darum geht es nicht. Das ist nicht das, was wir in den Fokus nehmen, wenn es um die anfängliche Stufe geht: Eine bessere zukünftige Wiedergeburt und weiterhin eine kostbare menschliche Wiedergeburt zu haben. Es ist sehr einfach auf dieser anfänglichen Stufe abgelenkt zu werden; also zu denken: „Ich will in zukünftigen Leben immer mit meinen Freunden und meinen Geliebten zusammen sein.“ Warum wollen wir in der Zukunft eine kostbare menschliche Wiedergeburt erlangen? Es geht darum in der Lage zu sein, weiterhin auf dem spirituellen Weg zu bleiben und sich weiter entwickeln zu können.
Betrachten wir es ein bisschen realistischer. Wir nehmen an, dass wir eine kostbare menschliche Wiedergeburt in jedem Leben erreichen können, was unglaublich schwierig ist. Es gibt keine Garantie, dass das passieren wird, wenn wir uns anschauen, was wir in unserem Leben alles getan und gedacht haben. Ich bin mir sicher, dass die meisten von uns zu dem Schluss kommen würden, dass die destruktive und störende Seite schwerer wiegt als die konstruktive, positive Seite. In Bezug auf Ursache und Wirkung wird es nicht einfach sein, immer wieder, oder auch nur ein weiteres Mal, eine kostbare menschliche Wiedergeburt zu erlangen.
Aber selbst, wenn wir eine kostbare menschliche Wiedergeburt haben, ist es nicht leicht, in jedem Leben ständig wieder von vorn anfangen zu müssen. Wir wollen den spirituellen Pfad fortsetzen. Auf der anfänglichen Stufe denken wir: „Ich meine es wirklich ernst, ich habe hart in diesem Leben daran gearbeitet und ein gewisses Niveau erreicht, und jetzt wo ich älter und reifer in meiner Dharmapraxis werde, habe ich auch ein gewisses Verständnis und Niveau der Konzentration, des Mitgefühls und so weiter. Aber dann werde ich noch einmal wiedergeboren. Es wird zwar das nächste Mal ein wenig leichter sein, weil ich bereits Samen ausgesät habe, aber es ist doch furchtbar, dass ich abermals durch all die Stufen hindurchgehen muss, um zu dem Punkt zu gelangen, an dem ich das letzte Mal war und von dort aus weiterzumachen.“ Darüber müssen wir nachdenken. In jedem Leben werde ich störende Emotionen haben und es wird auf und ab gehen; mal bin ich wütend, mal gierig usw.
Eine Dharma-Light Version der mittleren Stufe der Motivation
Es gibt eine Light-Version dieser mittleren Stufe der Entsagung, welche darin besteht, dass ich meine störenden Emotionen und Karma loswerden möchte, aber nicht die Verbindung von diesem Punkt zur Wiedergeburt ziehe. Natürlich ergibt das in gewisser Weise Sinn. Es ist furchtbar, wenn es ständig auf und ab geht, man wütend wird und all die Schwierigkeiten in den eigenen Beziehungen hat, die durch Zorn und Anhaftung entstehen. Wir reduzieren folglich unsere Dharmapraxis zu einer Art Psychotherapie, vielleicht zu einer etwas tiefgründigeren Form als jener, die für gewöhnlich angeboten wird und viele Methoden aufweist, die aus tausendjähriger buddhistischer Erfahrung stammt. Aber dennoch befinden wir uns auf einer mittleren Stufe, die ich als Dharma-Light-Version bezeichne. Denn tatsächlich geht es uns nur darum, uns von den ersten zwei Arten des Leidens zu befreien: das Leid des Leidens und das Leid des gewöhnlichen Glücks. Wir denken nicht an die Wiedergeburt.
In Wirklichkeit gehört zu der „echten“ mittleren Stufe jedoch, zusätzlich zu dem was wir bereits erwähnt haben, auch die Wiedergeburt und die dritte Art des Leidens, welche die Grundlage der ersten beiden ist. Denn falls wir uns bemühen, unsere störenden Emotionen usw. loszuwerden und es vielleicht in diesem Leben nicht schaffen, werden wir erneut wiedergeboren werden. Und falls wir uns keine Gedanken darüber gemacht haben, wie wir das aufhalten und vermeiden können, dann sind wir sicherlich nicht auf dem Weg zur Befreiung, weil wir unser Samsara fortsetzen. Der Grund dafür ist, dass wir nicht wirklich die gesamte buddhistische Lehre von Ursache und Wirkung verstanden und wahrscheinlich keine klare Grundlage für das Verständnis von Wiedergeburt haben. Das alles führt in unserem Geist zu ziemlichen Missverständnissen und obwohl es natürlich hilfreich ist zu denken – „Ich muss meine störenden Emotionen loswerden!“ usw. – geht es in der buddhistischen Praxis um viel mehr als das.
Ich denke, dass wir diesen Widerwillen bezüglich all der Probleme, die wir haben, entwickeln können: Wir befinden uns in einer schlechten Beziehung und sie geht zu Bruch. Dann gehen wir eine weitere ungesunde Beziehung ein und diese Dinge wiederholen sich ständig. Wir entschließen uns zu versuchen, davon frei zu sein. Aber das könnte uns auch dazu motivieren, uns der Psychotherapie zuzuwenden. Wozu brauchen wir also Buddhismus? Machen wir ihn einfach zu einer weiteren Form der Psychotherapie? Deshalb müssen wir unserer gewöhnlichen Lebensweise entsagen und es ist gefährlich das zu sagen, weil es leicht missverstanden wird. Es geht jedoch um diese Art des Lebens: wieder von vorn, als Baby, anfangen und all die Schwierigkeiten eines Babys durchgehen zu müssen – wir können uns nicht ausdrücken, wir können nichts tun, wir müssen wieder alles von Anfang an lernen und sind hilflos. Was für eine kolossale Verschwendung von Zeit! Wir wollen den Pfad weitergehen, wollen uns entwickeln und vollständig das Leiden überwinden (was die mittlere Stufe ist). Oder, auf der höchsten Stufe, wollen wir in der Lage sein anderen zu helfen.
Die Motivation der Entsagung auf der höchsten Stufe
Arbeiten wir auf der höchsten Stufe, wird unsere Entsagung sogar noch stärker. Wir wollen den erwachten Zustand eines Buddha erreichen, um wirklich allen zu helfen. Unser Geist ist weit genug, um zu verstehen, was „erwachen“ und was „alle“ bedeutet. Unsere Entschlossenheit ist wirklich äußert stark, mit der wir das tun wollen. „Jedes Wesen war bereits meine Mutter und so gütig zu mir“ – all diese Gedanken sind da. Und: „Was für eine unglaubliche Zeitverschwendung, von Zeit zu Zeit auf Feld eins, in einen Mutterleib, zurückgeworfen zu werden, dann ein Baby zu sein, zur Schule zu gehen, die vorbereitenden Übungen und das gesamte Training noch einmal von vorne durchlaufen zu müssen… Vielleicht kann ich dann mit vierzig oder fünfzig Jahren da weitermachen, wo ich das letzte Mal aufgehört habe. Das ist trostlos, eine völlige Zeitverschwendung und sehr ineffizient. Genau dem entsagen wir.
Und wir sollten nicht denken: „Oh, ich möchte mit meinen Freunden zusammen sein. Das wird so schön werden.” Darauf werden wir uns hier nicht fokussieren. Denn dadurch könnten wir Anhaftung entwickeln und den Fokus auf das verlieren, worum es eigentlich geht und woraus wir uns lösen müssen. Es geht auch nicht nur um Freunde und Geliebte, sondern beispielsweise auch um den Lehrer. Selbst das kann uns blockieren. Wir sollten nicht anstreben, nur mit dem Lehrer, den wir so mögen, zusammen sein zu können, sondern spirituelle Lehrer zu haben – egal, wer sie sind – und in der Lage zu sein, den Pfad fortzusetzen. Wir sollten auch nicht nur eine schöne Zeit haben wollen, weil es sich so gut anfühlt, mit diesem Lehrer zusammen zu sein. Selbst das ist es nicht, was wir wirklich wollen. Als Arhat könnten wir in einem reinen Land zusammen mit Sambhogakaya-Buddhas studieren. Das ist um einiges besser, als in einem Dharmazentrum zu sein.
Dann versuchen wir uns vorzustellen, wie es wäre, tatsächlich in unserem täglichen Leben entsagt zu sein. Dann geht es nicht darum, kein Eis mehr zu essen, weniger zu schlafen oder dergleichen, sondern wirklich zu denken: „Was erwarte ich von der Zukunft und was gibt mir die Energie, in diesem Moment so viel wie möglich zu praktizieren? Ich will möglichst großen Fortschritt machen, sodass ich, wenn ich das nächste Mal eine kostbare menschliche Wiedergeburt bekommen sollte, vielleicht etwas weniger Zeit brauche, um zu dem Punkt zu gelangen, an dem ich mich am Ende dieses Lebens befinde.“ Wir sollten mit Nachdruck daran arbeiten, Anhaftung, Wut und derlei Dinge los zu werden.
Wir können ja für eine kostbare menschliche Wiedergeburt beten, sollten aber zusätzlich auch die Bitte nach Befreiung in unsere Gebete miteinschließen und nicht nur für eine kostbare menschliche Wiedergeburt beten, damit wir mit Freunden und Geliebten zusammen sein können. Denn wenn wir ehrlich sind, ist es für gewöhnlich das, woran die meisten von uns denken, wenn es darum geht, eine wunderbare Wiedergeburt bekommen zu wollen. Alles was wir damit tun ist Samsara mit dieser Anhaftung aufrechtzuerhalten. Seht ihr den Widerspruch darin? Wir wollen mit unseren Freunden und Geliebten zusammen sein, um daran arbeiten zu können, unsere Anhaftung zu überwinden. Das ist widersprüchlich, oder etwa nicht? Ich will die wunderbarsten Umstände haben, damit ich daran arbeiten kann, meine Anhaftung an wunderbaren Umständen zu überwinden. Das ist doch merkwürdig, oder? Deshalb müssen wir, wie bereits gesagt, hart gegenüber uns selbst sein und wirklich versuchen, uns darauf zu konzentrieren, was wir erreichen wollen und müssen.
Entsagung des Aktivierens von Karma in Bezug auf die Wiedergeburt
Einer der Aspekte der Entsagung ist die Überwindung der dritten Art von Leiden (unkontrollierbar sich wiederholende Wiedergeburt) und deren Ursachen. Nun kommen wir also zu den störenden Emotionen. Ich habe versucht zu betonen, dass wir nicht nur die Ursachen aufgeben wollen – die störenden Emotionen sind die Ursachen; das ist die zweite edle Wahrheit. Vielmehr wollen wir die erste und die zweite edle Wahrheit loslassen, also auch das Ergebnis der Ursachen, welches das Leiden ist. Erinnert euch: der Buddha lehrte zuerst die erste und dann die zweite edle Wahrheit. Deshalb sind sie in dieser Reihenfolge. Wir wollen dem Leiden entsagen. Dafür müssen wir korrekt verstehen, was wir mit der ersten edlen Wahrheit meinen. Es handelt sich nicht einfach nur um das Leid des Leidens und das Leid des Wandels, sondern auch um das des allumfassenden Leidens. Wie Seine Heiligkeit stets erklärt, gibt es viele andere Religionen und Philosophien, welche darauf abzielen, das Leid des Leidens und das Leid des Wandels loszuwerden, also im Himmel oder im Paradies wiedergeboren zu werden und weltliche Freuden oder weltliches Glück zu überwinden. In anderen Religionen wird dies gelehrt, aber im Buddhismus zählt es nicht zu den besonderen Merkmalen.
Nun zu den Ursachen: die zweite edle Wahrheit. Was wollen wir beenden, um die Wiedergeburt aufzuhalten? Das zeigt uns, womit wir es zu tun haben, wenn wir entsagt sind: Wie führen wir unser Leben in Bezug auf diese Entsagungshaltung? Die Antwort darauf finden wir in den Lehren zu den zwölf Gliedern des abhängigen Entstehens, in denen der Prozess der Wiedergeburt, des Samsara, beschrieben wird. Es ist ein sehr komplexes System und hier haben wir nicht wirklich die Zeit, die zwölf Glieder zu besprechen, aber wir gehen kurz auf die relevanten Punkte ein.
Aufgrund unserer Unwissenheit in Bezug auf die Wirklichkeit, darauf, wie die Dinge existieren, handeln wir auf destruktive, oder auf, mit Verwirrung vermischte, konstruktive Weise und schaffen dadurch karmische Tendenzen (tib. sa-bon). Diese werden dem geistigen Kontinuum zugeschrieben und zum Zeitpunkt des Todes aktiviert. Dadurch wird das so genannte „werfende Karma“ (tib. ‘phen-byed-kyi las) geschaffen, was in die zukünftigen Leben hineinreicht. Selbst im alltäglichen Leben werden diese Tendenzen aktiviert, um die gewöhnlichen Hochs und Tiefs – das Leid des Unglücklichseins und das Leid des gewöhnlichen Glücks – hervorzubringen.
Wie beenden wir nun also die Wiedergeburt? Kurzgefasst geht es darum, diese karmischen Tendenzen nicht mehr zu aktivieren. Wenn es unmöglich ist, sie zu aktivieren, dann haben wir nicht länger diese karmischen Tendenzen, nicht wahr? Eine Tendenz kann nur dann zugeschrieben werden, wenn es vergangene Instanzen gab und es die Möglichkeit für zukünftige Instanzen von etwas gibt. Falls es nicht mehr möglich ist, dass bestimmte zukünftige Instanzen eintreten, kann man nicht länger davon sprechen, dass eine Tendenz gegenwärtig ist. Eine Tendenz wird nur in Bezug auf etwas Vorangegangenes zugeschrieben, und auf etwas, das mögliche, aber noch nicht eingetreten ist. Wenn es also unmöglich ist, Tendenzen zu aktivieren, welche zu einem zukünftigen Auftreten führen, dann ist die Tendenz verschwunden.
Das ist schwierig zu verstehen. Versuchen wir, uns das an einem Beispiel anzusehen, vielleicht an einem technischen. Auf diesen Tisch ist es möglich, ein Glas Wasser zu stellen. In der Vergangenheit standen viele Wassergläser auf ihm und es gibt noch immer die Möglichkeit, ein Glas mit Wasser auf ihn zu stellen. Wenn nun aber dieser Tisch verbrennt und zu Asche wird, dann gibt es nicht länger diese Möglichkeit, dass auf ihm ein Glas Wasser steht Diese Möglichkeit und diese Tendenz sind verschwunden und darum geht es im Prinzip. Wir wollen uns also von dem lösen, was die karmischen Tendenzen aktiviert und das wird sehr schön in den zwölf Gliedern beschrieben.
Begehren oder Dürsten
Es gibt zwei Dinge, durch die karmische Tendenzen aktiviert werden (natürlich hat jedes von ihnen sehr viele Teile, wie wir in den buddhistischen Lehren lernen). Das erste wird „Begierde“ (tib. sred-pa) genannt. Es ist das Wort für Durst oder Dürsten. Begierig zu sein heißt, nach etwas zu dürsten. Was ist hier das Ziel? Das Ziel ist glücklich zu sein, unglücklich zu sein oder ein neutrales Gefühl zu haben. Und was begehren wir? Wir begehren, nicht vom gewöhnlichen Glücklichsein, das wir in diesem Moment erfahren, getrennt zu werden; von dem Gefühl des Unglücklichsein, welches wir erfahren, getrennt zu werden, oder einfach nur ein neutrales Gefühl zu haben, einfach weiterhin zu existieren. Dafür gibt es auch noch andere Erklärungen.
Worum geht es hier? Es geht darum, dass wir uns im Leben manchmal glücklich und manchmal unglücklich fühlen. Das muss nichts Dramatisches und kann auch etwas ganz Kleines sein. Es scheint auch egal zu sein, was es ist, das wir sehen, hören, riechen oder schmecken, was wir auf der körperlichen Ebene spüren – heiß, kalt, angenehm, unangenehm – oder was wir denken. Manchmal fühlen wir uns mit einer Sache glücklich und manchmal unglücklich. Zuweilen haben wir auch ein neutrales Gefühl, sind also weder glücklich noch unglücklich, wie z.B. im Tiefschlaf.
Was geht nun vor sich, wenn wir Begierde empfinden? Wir werden dieses Auf und Ab in unserem gesamten Leben erfahren – glücklich, unglücklich, neutral. Was jedoch geschieht ist, dass wir sie überbewerten. Wir messen den guten Eigenschaften des Glücklichseins zu viel Bedeutung bei und leugnen die Unzulänglichkeiten, also dass Dinge enden und sich verändern werden. Das ist das Leid des Wandels und wir meinen, wir müssen glücklich sein und müssen diesen Zustand beibehalten und dürfen ihn nicht verlieren. Wir überbewerten die Dinge. Zuerst machen wir eine solide Sache daraus und dann meinen wir, es wäre wirklich fantastisch. Das gleiche geschieht mit dem Unglücklichsein. Wir machen es zu einem soliden Ding, messen seinen negativen Eigenschaften zu hohe Bedeutung bei und vergessen die guten Seiten – es könnte uns z.B. helfen, Mitgefühl für andere zu entwickeln, die Ähnliches erleiden – und meinen, wir müssen dieses furchtbare Ding, dieses Unglücklichsein, loswerden. Auch das neutrale Gefühl machen wir zu einer soliden Sache und halten daran fest und bleiben ewig in einem unbewussten, schlafenden Zustand.
Das zeigt, woran wir arbeiten müssen, denn diese Art der Begierde – in Bezug auf unser Gefühl des Glücklichseins und des Unglücklichseins – wird karmische Tendenzen aktivieren und unser Samsara fortführen. Dem gilt es ein Ende zu bereiten, aber was heißt das? Es heißt, keine große Sache daraus zu machen, ob wir uns nun glücklich oder unglücklich fühlen. Mit einem neutralen Gefühl könnten wir denken: „Oh, ich kann es kaum erwarten einzuschlafen und dann muss ich über nichts mehr nachdenken und kann die Probleme meines täglichen Lebens vergessen.“ Diese Gefühle kommen und gehen. Statt an ihnen festzuhalten, sollten wir aufhören eine große Sache daraus zu machen.
Auf einer tieferen Ebene wollen wir dieses emotionale Auf und Ab loswerden, aber das ist das Tückische. Denn es kann leicht passieren, dass wir dieses Auf und Ab in etwas Solides verwandeln und uns dann danach sehnen, davon frei zu sein. Wie können wir also Entsagung entwickeln, ohne nach einer solchen Freiheit zu begehren? Das ist der etwas heikle Teil an der Sache und er ist etwas, woran wir arbeiten müssen. Denkt einmal darüber nach.
Die Antwort ist: Wir müssen verstehen, dass diese Gefühle nicht auf der soliden Art und Weise existieren, wie unser Geist sie erscheinen lässt. Um dies anders auszudrücken: Wenn wir uns nach bestimmten Gefühlen sehnen, die Freiheit von solchen Gefühlen begehren, oder frei sein wollen von dem Begehren nach solchen Gefühlen, verwandeln wir diese Dinge in solide Dinge. Wir greifen nach der soliden Existenz glücklicher und unglücklicher Gefühle, sowie nach dem Begehren selbst und erkennen, dass wir diese Dinge loswerden müssen, aber wie wird man sie los?
Leerheit als Gegenmittel für die Begierde
Wir können uns durch das Verständnis von Leerheit davon lösen, indem wir erkennen, dass die Gefühle nicht auf diese Weise existieren, dass dies unmöglich ist. Dinge existieren nicht als solide Entitäten, voneinander abgetrennt. Offensichtlich ist das Thema Leerheit ein sehr großes und tiefgründiges Thema und auch hier haben wir nicht die Zeit ins Detail zu gehen. Aber was ist Glücklichsein und was ist Unglücklichsein? Es gibt das Wort „glücklich“ und es gibt das Wort „unglücklich.“ Beide beziehen sich auf etwas. Das Gefühl von Glücklichsein, was ich in diesem Moment erfahre und fünf Minuten später, ist ziemlich verschieden voneinander, nicht wahr? Was du erfährst ist auch wieder etwas anderes. Du bezeichnest es als „glücklich”, aber fühlst du es auch und kannst du es finden? Kannst du es in eine Schachtel packen und sagen, das ist das „Glücklichsein“, das ich empfinde, das du empfindest, von einem Moment zum nächsten, als wäre es dasselbe solide Ding? Nein, so ist das nicht.
Anstatt also diese Dinge in Monster zu verwandeln, welche wir beseitigen müssen, lösen wir sie mit dem Verständnis der Leerheit auf. Was bedeutet dies nun im alltäglichen Leben? Das ist es, was ich mit sehr einfachen Worten ausgedrückt habe: Wir machen keine große Sache aus dem, was wir fühlen. „Jetzt fühle ich mich glücklich.” Ja, und? Wir machen einfach weiter mit unserer Praxis, mit unserer Arbeit; falls wir anderen helfen, machen wir einfach mit dem weiter, was wir gerade tun, um ihnen zu helfen. Es ist nicht so wichtig, ob wir uns glücklich oder unglücklich fühlen. Wir tun es einfach. Und wenn wir gerade unglücklich sind, dann ist das keine Überraschung, denn wir haben viele destruktive Dinge in der Vergangenheit getan; warum sollte es also nicht so sein. Was erwarten wir eigentlich? Das wir an diesem Punkt unserer spirituellen Entwicklung ständig glücklich sind?
Es ist wie, wenn man wie ich, an einer vielbefahrenen Straße wohnt. Tagsüber gibt es viel Verkehr. Eigentlich wohne ich an einer belebten Ecke, also gibt es auf beiden Seiten Lärm von den Autos. Um in einer solchen Situation leben zu können, lernt man den Krach der Straße vollkommen zu ignorieren. Ehrlich gesagt, höre ich den Verkehr überhaupt nicht, wenn ich mich tagsüber auf die Arbeit an der Webseite konzentriere. Ich beachte ihn einfach nicht.
Hier gilt das Gleiche: Ich sitze dort, bin nicht übermäßig glücklich und auch nicht vollkommen niedergeschlagen oder so etwas in der Richtung. Wie jeder Mensch, bin ich manchmal ein bisschen glücklich und dann wieder eher unglücklich. Na und? Ich ignoriere das und denke, das ist der Schlüssel. Dabei ist das Ziel, Samsara und diese Sache mit der Wiedergeburt mit dem ständigen Auf und Ab nicht weiter zu aktivieren. Indem wir keine große Sache daraus machen, vermeiden wir Anhaftung und Ablehnung.
Jetzt kommen wir zu den störenden Gefühlen: Anhaftung an das Glücklichsein (ich muss es haben) und Ablehnen des Unglücklichseins (das muss ich loswerden). Das heißt auch, sich von Erwartungen zu lösen, von dem was wir haben wollen und der Sorge um das, was passieren könnte und was wir vermeiden wollen. Wir haben keine Erwartungen, glücklich zu sein oder Sorgen, unglücklich zu sein. Wir bleiben auch nicht in der Gegenwart stecken und meinen, an dem festhalten zu müssen, was wir haben, weil es so gut ist. Das ist Teil der Entsagung, zusammen mit dem Verständnis, dem Aktivieren all der Tendenzen ein Ende setzen zu wollen, die mit den andauernden Höhen und Tiefen und besonders mit zukünftigen Leben verbunden sind, die beruhend auf diesem Auf und Ab, glücklich und unglücklich weiter fortgesetzt werden.
Eine herbeiführende Geisteshaltung
Es gibt eine ganze Liste von Dingen, die zu der zweiten Sache gehören, wodurch karmische Tendenzen aktiviert werden. Die Erste war das Begehren, was mit Gefühlen zu tun hatte – glücklich und unglücklich zu sein. Die Zweite wird wörtlich als Herbeiführer (tib. len-pa, nye-bar len-pa) bezeichnet. Das ist eine Emotion oder Geisteshaltung, die für uns eine zukünftige Wiedergeburt herbeiführen (oder hervorrufen) wird. Hier gibt es eine lange Liste und fünf Dinge.
Zuerst ist da das Begehren nach Sinnesobjekten. Denkt daran, dass ich diese Dinge hier nur allgemein erkläre. Oft oder normalerweise werden sie in Bezug auf den Sterbeprozess erklärt, aber ich denke wir können das auch allgemein anwenden; dazu gibt es auch Erklärungen. Hier geht es also um das Begehren nach Sinnesobjekten: Visuelle Objekte, Klang, Geschmack, Geruch, körperliche Wahrnehmungen. Wir hängen daran, glücklich zu sein und wollen, dass es weitergeht. In diesem Zustand begehren wir irgendein Sinnesobjekt, das wir so sehr mögen und das uns glücklich macht. Oder wir sind unglücklich und trachten nach einem Sinnesobjekt, das wir nicht haben. Wir messen also den Qualitäten des Sinnesobjektes keine zu große Bedeutung bei; wir machen es nicht zu einem großen, soliden Ding, indem wir denken: „Schokolade ist die wunderbarste Sache in der Welt. Die muss ich einfach haben!” Wir machen also keine große Sache aus den Sinnesobjekten.
Oft betrachten wir Entsagung in dem Sinne, etwas aufgeben zu müssen und beispielsweise niemals wieder Schokolade zu essen, aber hier geht es darum, dieses Begehren aufzugeben, mit dem wir meinen: „Ich muss es behalten, wenn ich es habe. Wenn ich es nicht habe, muss ich es irgendwie bekommen und falls ich es vermisse, will ich von dem Zustand des Vermissens loskommen und es besorgen.“ War man jemals nach etwas süchtig, dann kann man sehr gute verstehen, wovon hier die Rede ist. Es muss keine Sucht nach Drogen, nach harten Drogen sein; wir könnten einfach süchtig nach Zigaretten, nach Kaffee oder irgendetwas anderem sein. Dann sind wir besorgt: „Werde ich die nächste Zigarette oder die nächste Tasse Kaffee bekommen? Wie werde ich nur den Rest des Morgens überstehen, wenn ich meinen Kaffee nicht bekomme?“ Wir erwarten etwas und freuen uns im Vorhinein – „Oh, ich werde nach dieser Tasse Kaffee aufwachen und wieder in der Lage sein meine Arbeit zu tun und effizient zu sein.“
Das ist genau das, worüber wir hier reden. Das ist Teil dessen, was unsere samsarischen Wiedergeburten aufrechterhält. Wir bleiben in all den Dingen um uns, die wir erfahren könnten, fast wie in einem Kleber stecken. Wir denken, sie würden uns glücklich machen. Aber wohin führt es uns? Es führt zu gewöhnlichem Glücklichsein – dem Leid des Wandels – und das ist nicht das Ziel. Was die spirituelle Entwicklung betrifft, ist gewöhnliches Glücklichsein sicherlich ein förderlicherer Zustand der Erfahrung als das Unglücklichsein. In diesem Zustand sind wir eher in der Lage zu praktizieren; sofern es nicht ins Extrem geht, und den Beschreibungen der Götterbereiche oder dem Leid der Höllenbereiche gleicht. Diese extremen Situationen wären ganz und gar nicht förderlich für unsere Praxis. Als Menschen mit einer wertvollen menschlichen Wiedergeburt können von der Praxis in diesem Zustand viel besser profitieren, auch wenn es ein wenig auf und ab geht. Man könnte auch sagen, dass ein klein wenig Traurigkeit hilft, Mitgefühl zu entwickeln und ein klein bisschen Freude, um weiter daran interessiert zu sein, an sich zu arbeiten. Ist man zu glücklich, fehlt einem jeglicher Ansporn.
Das gleiche gilt für die Sinnesobjekte. Wenn wir sie haben und sie nützlich sind, ist das gut; wenn nicht, dann machen wir uns keine Sorgen darum. Falls wir etwas brauchen, bemühen wir uns, es zu besorgen, ohne eine große Sache daraus zu machen. Auf einer ganz einfachen Ebene denke ich, dass das hier im Grunde der Schlüssel ist: Wir machen aus nichts eine große Sache. Das ist eigentlich ein sehr entspannter Geisteszustand. Wir versuchen, dieses Karma zu minimieren und letztendlich zu stoppen, und unsere Zeit dafür verwenden, immer mehr positive Potentiale aufzubauen.
Bei den restlichen Punkten in dieser Liste geht es um die verschiedenen Arten von Geisteshaltungen. Ich werde diese recht zügig durchgehen, da wir nicht mehr so viel Zeit haben. Sie haben viel mit unserer Geisteshaltung gegenüber zukünftigen Leben und der Wiedergeburt zu tun.
Erstens: Die verzerrte Auffassung (tib. log-lta). Hier denken wir, dass in zukünftigen Leben wie bei einer Festplatte alles auf unserem internen Computer gelöscht wird, wir wieder ganz von vorn beginnen und es keine Ursache und Wirkung gibt. Oder es könnte eine vollkommene Leugnung der Wiedergeburt sein. Oder wir haben keine sichere und korrekte Ausrichtung – kein Buddha, Dharma und Sangha, die uns eine Richtung zur Befreiung weisen können. Nehmen wir weder Ursache und Wirkung noch die Wiedergeburt ernst, werden wir viele Dinge tun, durch die wir mit Sicherheit weiterhin wiedergeboren werden. Während wir uns mit der Dharmapraxis beschäftigen und keine große Sache daraus machen, was wir fühlen, sowie Objekten keine zu hohe Bedeutung beimessen, ist es auch wichtig, über Folgendes nachzudenken: „Es gibt die Wiedergeburt und ich muss mich daraus befreien. Ich stehe unter dem Einfluss von Ursache und Wirkung, aber es gibt einen Weg, um da herauszukommen und Buddha, Dharma und Sangha weisen diesen Weg.“ Wir haben hier nicht die Zeit dafür, in allen Einzelheiten zu erklären, was das wirklich bedeutet. Im Grunde ist es ausgesprochen tiefgründig.
Der nächste Punkt wird extreme Auffassung (tib. mthar-lta) genannt. Hier geht es um das Gefühl, dass unser Körper für immer bestehen bleibt und wir nicht sterben werden. Oder wir denken, es gäbe keine Kontinuität nachdem wir sterben, sondern lediglich ein großes Nichts – und eigentlich haben wir für gewöhnlich viel Angst vor diesem großen Nichts. Das gilt es jedoch zu vermeiden. Wenn wir darüber nachdenken, erkennen wir, dass dadurch, durch unsere Verwirrung, nur wieder Karma aktiviert wird. Stattdessen denken wir, dass wir sterben und danach wiedergeboren werden. Der Punkt, den ich machen möchte, ist der, dass wir uns dem gesamten Problem der Wiedergeburt stellen müssen. Wir sollten es ernst nehmen, analysieren und uns bemühen, davon loszukommen, anstatt seine Existenz einfach zu leugnen oder ihm entfliehen zu wollen, indem wir denken, wir werden ewig leben. Wir machen also keine große Sache daraus und denken: „Ja, ich nehme die Wiedergeburt ernst und ich will sie überwinden. Ursache und Wirkung sind hier der Schlüssel, was das Karma betrifft und ja, ich will kein Karma aktivieren.“
Dann haben wir die verblendete Ansicht als höchste zu betrachten (tib. lta-ba mchog-‘dzin) und hier geht es um die so genannte fehlerhafte Betrachtung (tib. tshul-min yid-byed). Hiermit betrachten wir beispielsweise den Körper als rein und eine Quelle wahren Glücks oder als unrein und eine wahre Quelle des Schmerzes, wenn wir zum Beispiel Krebs haben. Das wird uns ebenfalls an die Wiedergeburt binden, weil wir die Art des jeweiligen Körpers überbewerten. Wir denken, dass der Körper so wunderbar oder so schrecklich ist. Wir messen also unserem Körper wiederum keine große Bedeutung bei und haben ein eher neutrales Gefühl. Wir haben keine Anhaftung, aber machen das Beste daraus.
Kommen wir zur verblendeten Moral oder Verhaltensweise, die wir als höchste betrachten (tib. tshul-khrims-dang brtul-zhugs mchog-tu ‘dzin-pa). Hier geht es darum, eine verblendete Art von Moral oder Verhaltensweise als höchste Moral oder Verhaltensweise anzusehen. „Moral“ bezieht sich hier darauf, etwas aufzugeben. Wir geben z.B. eine triviale Verhaltensweise, wie etwa eine schlechte Diät und schlechte körperliche Angewohnheiten auf, um ewig zu leben. Wir meinen, etwas so Triviales (verglichen mit dem, was notwendig ist, um Befreiung zu erlangen) wird uns retten. „Wenn ich mich nur richtig ernähre…“ Moral heißt, etwas aufzugeben: „Ich gebe schlechte Ernährungsgewohnheiten und das Ablehnen körperlicher Übungen auf und dann werde ich ewig leben. Das ist die höchste Sache, die man tun kann.“ Aber das wird unsere Anhaftung an die Wiedergeburt, an einen Körper und an diese Art der Ernährung nur weiter fortsetzen.
„Verblendete Verhaltensweise“ heißt etwas zu tun. Statt nur etwas aufzugeben, geht es hier darum, etwas zu tun. Etwa zu denken: „Ich werde nur Bio-Lebensmittel essen, ich werde ein Vegetarier sein und das wird mich zu einem heiligen Menschen machen und ich werde ewig leben.“ Das ist jedoch lächerlich. Es heißt nicht, dass es unangebracht wäre, Bio-Lebensmittel zu essen oder ein Vegetarier zu sein. Das ist völlig in Ordnung, aber wir sollten keine große Sache daraus machen. Der Punkt ist, nicht daran zu hängen, einfach nur ein samsarisches Leben zu unterstützen.
Der letzte Aspekt in dieser Liste ist, die eigene Identität zu behaupten (tib. bdag-tu smra-ba). Die eigene Identität zu behaupten bezieht sich auf eine verblendete Auffassung unserer Aggregate (tib. ‘jig-lta). Es ist das, was am tiefsten geht, nämlich das Greifen nach einem soliden „Ich“ und das Identifizieren dieses angeblichen soliden „Ichs“ als den Besitzer dieser Aggregate – dieses Körpers und dieses Geistes – und als ihren Kontrollierenden und den Bewohner, der in ihnen wohnt. Außerdem sehen wir diese Aggregate, diesen Körper und diesen Geist sind „meins“ Falls wir also in Begriffen eines soliden „Ichs“ denken und eine große Sache aus dem „Ich“, meinen Gefühlen, Objekten und meinem Körper machen, werden wir im Kreislauf der Wiedergeburten hängenbleiben. Wir werden karmische Tendenzen aktivieren und sie werden nicht nur Wiedergeburten hervorrufen, sondern auch zu unserem gewöhnlichem Glücklich- und Unglücklichsein heranreifen.
Was geschieht nach dem Erlangen der Befreiung?
Zur Entsagung: Es gibt also dieses Leiden, welches wir loswerden wollen und welches sich im Grunde auf die Wiedergeburt bezieht. Die Ursachen dafür sind all die Dinge, die Karma aktivieren und Wiedergeburten hervorbringen. Wenn wir den Ursachen entsagen, was ist also das Ergebnis? Was würde passieren, wenn wir ein befreiter Arhat werden würden? Was dann? Es ist sehr wichtig, das zu wissen. Falls unser Ziel Befreiung ist, auf was zielen wir dann ab? Was wird danach mit uns geschehen? Warum würden wir das wollen? Ansonsten betrachten wir die Befreiung nur wie eine Kerze, die ausgeht, aber so ist das nicht.
Vielmehr wird unser Körper für den Rest des Lebens, in dem wir Befreiung erlangen, eine Art des physischen Phänomens sein, der noch immer aus grobstofflichen Elementen besteht. Er wird weiterhin vom visuellen oder geistigen Bewusstsein und selbst von gewöhnlichen Wesen gesehen und erkannt werden können. Obwohl der Körper immer noch der Krankheit, dem Alter und dem Tod ausgesetzt ist, erfahren wir keine der drei Arten von Leiden. Wir sind also nicht unglücklich, wir haben kein gewöhnliches Glück und wir haben keine Wiedergeburt. Je nachdem, auf welcher Ebene wir uns mit der Meditation beschäftigen, hätten wir entweder eine stabilere Ebene des Glücks oder ein neutrales Gefühl.
In den nachfolgenden Leben ist unser Körper immer noch ein physisches Phänomen, aber er besteht aus subtilen Elementen – nicht aus dem feinsten Wind, wie der Nirmanakaya und Sambhoghakaya eines Buddha, die sich in unzähligen Formen manifestieren können; das ist es nicht – aber er besteht aus subtilen Elementen, und er wird als „Form eines physischen Phänomens mit der funktionalen Natur des Geistes“ (tib. yid-kyi rang-bzhin-gyi gzugs) bezeichnet. Kurz gesagt, man nennt in einen „geistigen Körper (tib. yid-lus)“. Aber das bedeutet nicht, dass es sich um eine Art und Weise handelt, sich etwas bewusst zu sein (tib. shes-pa). Er ist ein physisches Phänomen. Der Name weist lediglich darauf hin, wie seine Wahrnehmung zustande kommt und damit ähnelt er einem Objekt, das nur durch geistiges Bewusstsein erkannt werden kann. Es verhält sich wie mit Traumkörpern, die nur durch geistiges Bewusstsein erkannt werden können. Diese Art von Körper funktioniert also auf diese Weise und wird deshalb so genannt. Hier haben wir auch das Wort „Funktion (tib. rang-bzhin)“. Wie funktioniert es, dieses Objekt zu erkennen? Wie erkennt man den Körper eines Arhats in nachfolgenden Leben? Der Körper besteht aus subtilen Elementen, ähnlich den Körpern der Götter im Bereich der ätherischen Formen. Wie würde man ihn erkennen? Gewöhnliche Wesen können ihn nicht sehen; sie können ihn nur geistig wahrnehmen, nicht aber durch das visuelle Bewusstsein. Deshalb wird er auch als geistiger Körper bezeichnet. Wir sollten also nicht glauben, dass es eine Form von Geist ist. Arhats selbst sind jedoch in der Lage, ihren Körper und den Körper anderer Arhats zu sehen.
Nehmen wir einmal an, wir sind jetzt ein Arhat, ein befreites Wesen. Was nun? Obwohl es möglich ist, dass Arhats Bodhichitta entwickeln, tun wir es vielleicht nicht. Was machen wir also als Arhat? Wir befinden uns in einem reinen Land, mit dieser Art von reinem Körper, der sich von Augenblick zu Augenblick ändert, aber ewig andauert – er wird nicht altern, degenerieren, krank werden und sterben – und wir werden verschiedene Meditationen durchführen. Manchmal werden wir völlig in Leerheit vertieft sein und dann wieder in anderen Dingen. Während wir in Leerheit absorbiert sind, bringt unser Geist keine Erscheinung selbst-begründeter Existenz hervor. Und während wir uns auf andere Dinge konzentrieren oder nicht meditieren, bringt er weiterhin Erscheinungen selbst-begründeter Existenz hervor.
Als ein Arhat können wir auch über Bodhichitta verfügen, was wir entweder vor oder nach dem Erlangen der Befreiung entwickeln. Als ein Bodhisattva-Arhat können wir dann in einem reinen Land bleiben, mit einem Sambhoghakaya-Buddha Mahayana studieren, die Lehren empfangen und dann meditieren und praktizieren – also in einem reinen Land bleiben und Erleuchtung erlangen – oder wir können uns als Menschen manifestieren (oder als etwas anderes; aber normalerweise als Menschen) und wie ein Bodhisattva daran arbeiten, anderen zu helfen. In diesem Fall haben wir trotzdem noch geistige Körper, die nicht degenerieren. Sie verändern sich von Augenblick zu Augenblick, aber unser eigentlicher geistiger Körper wird nicht alt, krank oder stirbt, sondern besitzt eine Grundlage für die Stütze. Dieser letzte Punkt ist sehr wichtig, aber nicht so einfach zu verstehen.
Dies ist also ein schwieriger Punkt. Wir haben die groben Elemente eines gewöhnlichen Körpers, die von einer Mutter und einem Vater stammen. Das ist genau der gleiche Mechanismus wie bei einem Buddha, dem Nirmanakaya-Buddha. Die groben Elemente, die von den Eltern stammen, sind die Grundlage für die Stütze des geistigen Körpers eines Arhats, so wie die groben Elemente eines menschlichen Körpers die Grundlage für die Stütze des Nirmanakaya eines Buddhas wären. Wir sollten den Nirmanakaya eines Buddhas oder den geistigen Körper eines Arhats nicht als solides Selbst oder statisches Atman betrachten, das in einen Körper eintritt, sich in ihm niederlässt, ihn besitzt, kontrolliert und dann wieder verlässt, wenn er ausgedient hat. Diese Sichtweise ist völlig falsch. Im Falle eines Buddha ist das Selbst eines Buddha ein Zuschreibungsphänomen auf der Grundlage des subtilsten Windes und subtilsten Geistes eines Buddha, und dieses gesamte „Paket“ nimmt ebenfalls die groben Elemente eines groben Körpers als dessen Stütze.
Die Beziehung zwischen dem tatsächlichen Körper eines Buddha oder dem geistigen Körper eines Arhats und dieser physischen Grundlage, ist wie die Beziehung zwischen etwas Gestütztem und einer Grundlage für die Stütze. Beide verändern sich von Augenblick zu Augenblick. Ein geistiger Körper dauert jedoch ewig an und verändert sich von Augenblick zu Augenblick. Manchmal könnte er eine gröbere physische Grundlage haben, auf die er sich stützt. Dieser grobe Körper, durch den er gestützt wird, verändert sich ebenfalls von Augenblick zu Augenblick; er wird alt, krank und stirbt. Was aber den geistigen Körper betrifft, der sich auf ihn stützt, so sollten wir, obwohl er sich von Augenblick zu Augenblick ändert, da der Körper verschiedene Dinge tut, nicht meinen, er wäre statisch. Er ist nicht wie ein Atman, eine Seele und hat keine der samsarischen Leiden: er altert und stirbt nicht. Wie ich bereits zu Beginn gesagt habe, ist das nicht leicht zu verstehen. Es ist äußerst schwierig, aber es ist der Schlüssel zum Verständnis dessen, was passiert, wenn wir zu einem befreiten Wesen werden, das nicht nur in einem reinen Land bleiben möchte.
Wenn wir jedoch wirklich – mit Bodhichitta – in diese Welt kommen, in ihr arbeiten und anderen so viel wie möglich helfen wollen, werden andere Menschen uns sehen. Gewöhnliche Menschen werden diesen groben Körper sehen, der alt werden wird, usw. Aber unsere Art der Erfahrung wird die eines geistigen Körpers ohne Leiden sein. Und die große Gefahr besteht hier darin, dazu zu neigen, diesen geistigen Körper wie ein Atman, eine Seele, zu betrachten, die eine permanente statische Sache ist, für die wir uns ein ewiges Leben wünschen, was genau das ist, was wir wollen. Doch diese Sichtweise ist vollkommen falsch. Wenn wir also so etwas anstreben, mit der falschen Vorstellung davon, wie es wäre, ein Arhat zu sein, werden wir es nie erreichen.
Frage
Bezieht sich die Wiedergeburt lediglich darauf, als ein Baby erneut in diese Welt zu kommen, oder auch in diesem Leben mit einer anderen Geisteshaltung „wiedergeboren“ werden?
Nein, die Rede ist hier ganz wörtlich von der Wiedergeburt als ein Baby. Um mehr als das geht es nicht. In den Beschreibungen der drei Arten von Leid, bedeutet es nur das. Es ist unsere Tendenz als Westler, nicht wirklich etwas damit, im Sinne der Wiedergeburt eines Babys, zu tun haben zu wollen. Das ist für uns sehr schwierig zu verstehen. Darum sage ich, dass wir auch eine leichtere Version praktizieren können, in der wir versuchen, nur die störenden Emotionen loszuwerden, welche eine „Wiedergeburt“ schlechter Beziehungen in diesem Leben zur Folge haben würden. Das wäre allerdings eine abgeschwächte Version und nicht wirklich das, wovon in den buddhistischen Lehren die Rede ist. Sie ist ebenfalls nützlich, aber nicht die echte Version.
Zusammenfassung
Kurz gesagt, ist es notwendig, Entsagung zu verstehen – die Entschlossenheit, sich von unkontrollierbar sich wiederholenden Wiedergeburten zu befreien, sie hinter sich zu lassen und zu überwinden, indem man sich ihrer Ursachen entledigt. Wir müssen verstehen, was Wiedergeburt und was die Ursachen sind. Es ist notwendig, eine völlige Abneigung ihr gegenüber zu entwickeln und es leid zu sein. Wir dürfen keine große Sache daraus machen, weder aus unserem Glück, noch aus unserem Leid; und auch dem Körper oder dem, was wir erleben, messen wir keine zu große Bedeutung bei; stattdessen arbeiten wir mit Leerheit, um das Begehren und all diese Missverständnisse loszuwerden. Dieses Verständnis von Leerheit und dem Zuschreiben wenden wir auch auf das Ergebnis an, auf das, was wir erreichen wollen, damit wir verstehen, wie der Körper eines Arhats aussehen könnte. Das ist die Phase, in der wir uns jetzt mit der Entsagung befinden. Und natürlich wird sie als Stufe zur Erleuchtung notwendig sein, aber bei der Entsagung geht es um die Befreiung, nicht um die Erleuchtung, wie wir bereits zu Beginn erklärt haben.
Wir haben viele Themen abgedeckt und haben unsere Zeit weit überschritten, aber es gibt eine Menge Theorie, die man verstehen muss. Wir sollten uns jedoch auch fragen, was das eigentlich in der Praxis bedeutet. Und auf einer praktischen Ebene sollten wir es nicht herabmindern. Eine Sache, die mir immer wieder durch den Kopf geht, ist, wie langweilig es doch ist, all das durchmachen zu müssen – als Baby und dann die Ausbildung usw., um den Weg weitergehen zu können! Wie langweilig! Das wollen wir wirklich vermeiden und daher ist es notwendig, alle Ursachen, die dazu führen, zu überwinden; dieses Karma, das die Wiedergeburt antreibt. Während wir also praktizieren, messen wir anderen Dingen keine zu große Bedeutung bei. Ich glaube, das ist der Kern hier. Wir machen keine große Sache aus dem, was wir fühlen, aus all den Dingen um uns herum, sowie aus dem, was wir anstreben. Wir machen es einfach, widmen uns der Praxis und tun unsere Arbeit.