Schwierigkeiten in Meditation und Retreat vermeiden

In Bezug auf die Vier Edlen Wahrheiten lehrte Buddha: Probleme, ihre Ursachen, den Zustand der vollständigen Beseitigung und die Arten des Pfadgeistes (Ebene oder Zustand des Geistes, der als Weg in Richtung Befreiung oder Erleuchtung dient), welche zu dieser Beseitigung führen. Deshalb müssen wir, um mit schwierigen Erfahrungen, die in der Meditation und im Retreat erscheinen, umgehen zu können, die Ursachen dieser Probleme kennen.

Einstellung, Meditation und Verhalten

Im Buddhismus umfasst eine ausgewogene Praxis drei Bereiche:

  1. eine konstruktive Einstellung, Sicht oder Geisteshaltung (tib. lta-ba),
  2. die Meditation darüber (tib. sgom), das bedeutet, dass wir uns selber mit dieser Geisteshaltung vertraut machen,
  3. die Integration dieser Einstellung in unser tägliches Verhalten (tib. spyod-pa).

Wenn ein Bestandteil hiervon fehlt, wird unsere Praxis nur wenige vorteilhafte Ergebnisse erbringen. Es ist wahrscheinlich dass wir Schwierigkeiten und Frustrationen gegenüberstehen werden, nicht nur in der Meditation, sondern auch im alltäglichen Leben.

  • Zu versuchen zu meditieren, aber ohne eine konstruktive Einstellung oder Geisteshaltung, im Sinne eines Geisteszustandes, den wir durch Meditation erreichen wollen, wird kaum gelingen.

  • Über eine konstruktive Haltung zu studieren ohne darüber zu meditieren, wird in zu uns wenig Veränderung führen.

  • Über eine konstruktive Haltung zu meditieren ohne diese im täglichen Leben in die Praxis umzusetzen, macht unsere Meditation zum Hobby und hat wenig Wirkung.

  • Zu versuchen, unsere konstruktive Haltung in unser Leben umzusetzen ohne zu meditieren ist sehr schwierig.

Zuhören, Nachdenken und Meditieren

Um zu meditieren, müssen wir etwas über einen konstruktiven Geisteszustand, eine Haltung, Einstellung oder Sicht lernen. Daher brauchen wir die Kraft des Zuhörens (tib. thos) in Bezug auf eine korrekte Erklärung, um dann mit diesen Informationen eine korrekte verbale Idee über Folgendes bekommen:

  • den Zustand von Geist und Herz, den wir entwickeln möchten, das bedeutet, worauf der Geist sich konzentriert (tib. dmigs-pa) und wie er den Gegenstand der Konzentration annimmt (tib. ’dzin-stangs), so wie beispielsweise Mitgefühl sich auf das Leiden der anderen und dessen Ursachen richtet mit dem Wunsch, dass sie frei von beidem sein mögen,

  • die Funktion des Geisteszustandes – welche destruktiven und störenden Emotionen und Geisteshaltungen der Geist abwehrt und wie er arbeitet um sie abzuwehren,

  • den Nutzen, diesen Zustand zu entwickeln,

  • die Nachteile, diesen Zustand nicht zu entwickeln,

  • von was dieser Zustand abhängt – was wir zuerst entwickeln müssen, damit es uns als Grundlage zur Entwicklung diese Geisteszustandes dient,

  • die Anweisungen, diesen Zustand zu entwickeln, und

  • wie die Methoden zur Entwicklung diese Zustandes funktionieren, um diesen Zustand zu erzielen.

Dann brauchen wir die Kraft des Nachdenkens (tib. bsam, denken, kontemplieren, reflektieren) damit:

  • Wir alle oben genannten Punkte zu verstehen.

  • Wir eine akkurate Idee von dem bekommen, was die Worte, die diesen Geisteszustand beschreiben wirklich bedeuten und was die Anweisungen dazu mit sich bringen.

  • Wir überzeugt davon sind, dass dieser Zustand und die Methoden dahinzugelangen, mit der Logik und der Erfahrung übereinstimmen und den Lehren Buddhas entsprechen.

  • Wir von dem Nutzen, diesen Zustand zu erreichen und den Nachteilen ihn nicht zu erreichen, überzeugt sind; daher haben wir den starken Wunsch und die Absicht (tib. ́dun-pa) diesen Geisteszustand zu erlangen. Dieser Wunsch und diese Absicht ist das, was im Buddhismus mit Motivation (tib. kun-slong) gemeint ist. Die Absicht kann sein, dass wir diesen Zustand nicht nur als unser eigenes Ziel erlangen wollen, sondern auch, dass wir etwas damit zu tun (wollen), wenn wir ihn erreicht haben, so wie anderen zu helfen. Die Motivation oder die Absicht müssen durch eine konstruktive Emotion und Haltung, wie Mitgefühl begleitet und unterstützt werden.

  • Wir überzeugt sind, den Zustand erreichen zu können und zwar auf der Grundlage eines realistischen Verständnisses einer nichtlinearen Entwicklung der guten Qualitäten – Fortschritt geht rauf und runter.

Auf die Kräfte des sorgfältigen Zuhörens und Nachdenkens gegründet, können wir uns dann mit der Meditation beschäftigen und uns mit einem konstruktiven Zustand des Geistes vertraut machen. Dafür brauchen wir einen spirituellen Lehrer, der uns führt, unsern Fortschritt prüft und die Fehler in unserer Praxis korrigiert.

Tägliche Meditation

Um Fortschritte in der Meditation zu machen, ist es notwendig, eine tägliche Praxis zu haben. Wie wenn wir ein Gelübde ablegen, beseitigen wir die Unentschlossenheit „ob man heute praktiziert oder nicht“, wenn wir versprechen, täglich zu praktizieren. Die gute Angewohnheit des Meditierens muss uns so selbstverständlich werden wie die Gewohnheit, die Zähne zu putzen.

Zusätzlich zu den allgemeinen buddhistischen Methoden um Faulheit und Frustration zu überwinden und um ethische Selbstdisziplin, Geduld und freudvolle Ausdauer zu entwickeln, sind weitere Schritte hilfreich, um Schwierigkeiten, eine tägliche Praxis zu etablieren, so gering wie möglich zu halten.

  • Meditieren Sie entweder am frühen Morgen nach dem Aufstehen oder spät nachts, bevor Sie schlafen gehen. Dies reduziert die Ablenkungen von der Geschäftigkeit des Tages und von Strassen- und Hauslärm. Warten Sie nachts jedoch nicht so lange bis Sie sich anstrengen müssen, um wach zu bleiben.

  • Meditieren Sie nicht mit einem vollen Bauch, um das Gefühl von Schwere und Dumpfheit zu vermeiden.

  • Wischen Sie den Boden und räumen Sie den Meditationsraum auf. Dies hilft, den Geist zu ordnen.

  • Bringen Sie Opfergaben dar, zumindest Wasserschalen und machen Sie, um Respekt auszudrücken, Niederwerfungen, bevor Sie sich hinsetzen.

  • Vergewissern Sie sich, dass das Meditationskissen bequem ist, um physische Schmerzen zu gering zu halten.

  • Etablieren Sie eine minimale kurze tägliche Praxis, die Sie auch dann ausführen können, wenn Sie sehr beschäftigt oder krank sind oder wenn Sie auf Reisen sind.

  • Unterteilen Sie die Meditationszeit in (1) Vorbereitende Übungen – so wie sich zu beruhigen, indem man auf den Atem achtet, sich der Motivation zu vergewissern und die „Siebengliedrige Praxis“ auszuführen – (2) die Hauptpraxis und (3) die Widmung. Wenn die positive Kraft der Meditation nicht zur Erlangung der Erleuchtung zum Nutzen der Anderen gewidmet ist, dient sie nur der Verbesserung unseres samsarischen Daseins.

  • Versuchen Sie nicht eine Meditation auszuführen, welche zu fortgeschritten ist, ohne gut vorbereitet und dafür bereit zu sein- nicht nur in Bezug darauf, ob man die Kraft des Zuhörens und des Nachdenkens hat und ob man auf den Stufen, die dorthin führen, meditiert hat, sondern auch inwieweit genügend emotionale Reife und Stabilität vorhanden ist.

Tantrische Retreats

Im traditionellen tibetischen Buddhismus bedeutet Retreat normalerweise, dass man zu einer bestimmten Buddha-Form (tib. yidam, Gottheit) ein Tauglichkeitsretreat (tib. las-rung) durchführt. Solch ein Retreat, zusammen mit seiner abschließenden Feuerpuja (tib. sbyin-sreg), macht unseren Geist tauglich für die Buddha-Form und ihre Praxis. Es macht unsern Geist fähig, die Selbstinitiation (tib. bdag- ́jug) zu nehmen, unsere tantrischen Gelübde zu erneuern und uns mit weiterführenden Praktiken der jeweiligen Buddha-Form zu beschäftigen.

Während eines Tauglichkeitsretreats rezitieren wir die Sadhana um uns selbst als eine Buddha-Form zu visualisieren und wiederholen das damit verbundenen Mantra mehrere hunderttausend mal. Wir können diese im Rahmen von vier, drei, zwei oder in einer Sitzung pro Tag durchführen.

Die Zahl der Mantras, die wir während der ersten Sitzung des ganzen Retreats rezitieren, begründet die Mindestanzahl, welche wir jeden Tag rezitieren. Daher wird empfohlen, das Mantra während der anfänglichen Sitzung nur einige Male, beispielsweise drei mal, zu rezitieren, so dass wir im Falle einer Krankheit in der Lage sind, zumindest diese Anzahl zu rezitieren. Es ist wichtig, niemals die Kontinuität des Retreats zu unterbrechen, indem man an einem Tag die Praxis auslässt. Wenn man nur drei Wiederholungen des Mantras als die erforderliche Anzahl hat, verringert das die Schwierigkeiten, wenn wir krank werden.

Tauglichkeitsretreats sind nicht als eine Zeit des Studiums oder um eine tantrische Praxis kennen zu lernen – um davon einen „Geschmack“ oder eine „Erfahrung“ zu bekommen – gedacht. Praktizierende nehmen diese Retreats nur auf sich, nachdem sie die tantrische Praxis schon studiert und praktiziert haben, so dass sie schon eine tiefe Vertrautheit damit haben und frei von Fragen und Zweifeln sind.

Viele Praktizierende nehmen sich eine Auszeit von ihrem täglichen Leben um eine oder mehrere der vorbereitende Übungen des Tantra durchzuführen. Im einzelnen sind das normalerweise jeweils hunderttausend Niederwerfungen, das einhundertsilbige Vajrasattva-Mantra, Mandalaopfer und Guruyoga. Solch intensive Praxis wird offiziell nicht „Retreat“ genannt.

Retreat im modernen, westlichen Gebrauch des Begriffs

Heutige westliche Buddhisten benutzen oft den Begriff Retreat für jeden Meditationskurs, bei dem sie auch dort schlafen. Dies betrifft sogar ein Wochenende oder irgendeinen Zeitraum, den sie sich außerhalb ihres geschäftigen täglichen Lebens genommen haben und den sie in zurückgezogener Meditation mit einem Thema verbringen. Dies mag Zeit beinhalten, die sie damit verbringen über ein Thema wie den Lam-rim (der Stufenpfad zu Erleuchtung) nachzudenken um eine grundsätzliches Verständnis davon zu bekommen.

Einige Westler nennen „Retreat“ auch eine Zeit der Absonderung um zu studieren und um sich mit einer bestimmten Praxis vertraut zu machen. Das erklärte Ziel ist es, einen „Geschmack“ oder eine „Erfahrung“ zu bekommen, die zur weiteren Praxis inspiriert.

Diese Art von Retreat kann zu einem Wettbewerb mit anderen Praktizieren führen und zu Enttäuschungen, wenn wir nicht irgendeine Erfahrung machen. Wenn es Ziel des Retreats ist, eine Erfahrung zu machen, ist es wichtig, an das Retreat ohne Hoffnung und Erwartungen nach Ergebnissen, die aufkommen mögen, heranzugehen.

Einzelretreat oder Gruppenretreat

Traditionell praktizieren die tibetischen Buddhisten in Einzelretreas. Daher sind sie in Bezug auf die Disziplin während des Retreats auf sich allein gestellt. Wenn sie Retreats mit anderen durchführen – was hauptsächlich geschieht, um ökonomische Mittel zu sparen – meditiert typischer Weise jede Person für sich; und wenn das Retreat Wiederholungen von Mantras beinhaltet, kann jeder sein eigenes Tempo einhalten.

Viele Westler bevorzugen Gruppenretreats, in denen alle Teilnehmer zusammen meditieren. Der Hauptvorteil bei solch einer Praxis ist, dass für die Disziplin gesorgt wird, die man alleine vielleicht nur schwierig aufbauen kann. Der Nachteil ist, dass es zu Abhängigkeit, Wettbewerb, Ablenkung und Störung führen kann.

Striktes Schweigen während des Retreats aufrechtzuerhalten kann diese Gefahren verringern. Regelmäßige freiwillige Diskussionstreffen können die Gelegenheit bieten, Erfahrungen miteinander zu teilen. Regelmäßige festgelegte Besprechungen mit dem spirituellen Lehrer, der das Retreat leitet, stellen die Supervision bereit, die den Teilnehmern hilft, Fehler zu vermeiden und Zweifel aufzulösen.

Lung (Unordnung der feinstofflichen Energien)

Ob im Retreat oder in der täglichen Meditation, ist es wichtig sich nicht zu stark anzutreiben. Das Antreiben verursacht Angst und Frustration, was im Tibetischen üblicher Weise als Lung-Unordnung (tib. rlung, feinstofflicher Energiewind) bezeichnet wird. Lung kann auch durch eine unzureichende Vorbereitung auf das Retreat oder die Meditationspraxis entstehen und die Verwirrung und Frustration, die dann folgen, durch einen Mangel an Klarheit, warum oder was wir tun.

Lung kann sich sowohl an schnellerem Puls, Herz- und Rückenschmerzen zeigen als auch an einem allgemeinem Gefühl der Nervosität, Ruhelosigkeit und der Irritation. Es kann Visionen, Klingeln im Ohr, anscheinende „Aus-dem-Körper-Erfahrungen“ und/oder Schlaflosigkeit verursachen.

Ein Ungleichgewicht von Lung ist nicht leicht zu beruhigen. Es ist hilfreich zu wissen, wann es nötig ist, eine Pause zu machen und sich auszuruhen, hilfreich ist es auch, in die Ferne zu sehen, sowie Lachen, freundschaftliche Zuneigung und sich während des Tages warm zu halten. Wenn es notwendig ist, während des Tages einen Schläfchen zu machen, ist nur für zwanzig Minuten zu schlafen ausreichend, um sich zu erfrischen und kurz genug, um ein schweres, dumpfes Gefühl zu vermeiden, was davon kommt, wenn man zu viel während des Tages schläft. Vermeiden Sie es, sich zu verkühlen, Zug zu bekommen oder im Wind oder in der Nähe eines Ventilators zu sein. Vermeiden Sie ebenso, laute Musik zu hören, besonders solche mit einem starken Bass und Schlagzeug. Laute Maschinengeräusche sowie Fernsehen und Computerbildschirme mit hoher Strahlung können auch Lung verschlimmern.

Auch die Ernährung beeinflusst Lung. Folgende Nahrungsmittel verschlimmern ein Ungleichgewicht von Lung:

  • Kaffee, schwarzer Tee, grüner Tee, Schokolade und alles was Koffein enthält,

  • Linsen,

  • Huhn,

  • Schwein.

Nahrungsmittel, die eine Lung-Ungleichgewicht beruhigen:

  • fetthaltige Milchprodukte,

  • warme Milch,

  • Lamm,

  • Getreideprodukte, wie Brot.

Gefühlsausbrüche während des Retreats

Während des Retreats kommen oft tiefverborgene Erinnerungen und unterdrückte Gefühle an die Oberfläche. Dies geschieht besonders, wenn wir über die Lehren nachdenken, analytische Meditation praktizieren und dies auf die Erfahrungen unseres Lebens beziehen. Der ruhige Ort und die Meditation lässt die inneren Widerstände schwinden und als Folge dessen steigen diese Erinnerungen und Gefühle natürlicherweise auf. Um es in westlichen Begriffen auszudrücken, der Meditationsprozess hilft uns Zugriff zu unserem Unterbewussten zu erlangen.

Wenn solche Erinnerungen und Gefühle erscheinen und die Erfahrung davon sehr störend ist, dann ist es hilfreich, ein Mantra wie om mani padme hum mit einem Gefühl des Mitgefühls zu rezitieren, und diese Gefühle nicht zu unterdrücken. Das Mantra und Mitgefühl bieten einen stabiles Gefäß für diese Erfahrung. Besonders wenn man nicht in ein Tauglichkeitsretreat oder ein Retreat um Konzentration zu entwickeln eingebunden ist, kann es von großem Nutzen sein, mit diesem emotionalen Material zu arbeiten, indem man die Methoden des Dharma anwendet.

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