Eine Überzeugung von Reinkarnation bekommen

Die Reinkarnation wird im Buddhismus sehr ernst genommen. Man findet sie jedoch auch in Denksystemen weltweit, mit einem unterschiedlichen Verständnis darüber, was sie ist und wie sie funktioniert. Könnte es Wiedergeburt wirklich geben? Und wenn ja, was würde das tatsächlich für mein Leben und meine Lebensführung bedeuten? Hier betrachten wir die logischen Überlegungen hinter der Wiedergeburt, sowie persönliche Anekdoten, die uns helfen, von dieser oftmals missverstandenen Lehre überzeugt zu werden.

Einleitung 

Die Wiedergeburt ist nicht etwas, das man versteht, nachdem man lediglich einen kurzen Artikel darüber gelesen hat. Wir müssen jedoch irgendwo anfangen und wenn wir über die Wiedergeburt reden, haben wir, wie bei allem anderen auch, verschiedene Arten des Verstehens. Da gibt es natürlich das fehlerhafte Verständnis und dann auch die Vermutung, es könnte wahr sein, auch wenn wir es nicht verstehen. Außerdem können wir durch Logik zu der Überzeugung gelangen, dass es die Wiedergeburt geben muss.

Ich wurde in den Vereinigten Staaten in einer Familie geboren, in der es keinerlei Interesse an irgendetwas Asiatischem gab, doch ich selbst hatte in meiner Jugend großes Interesse an asiatischer Philosophie. Mit 13 Jahren begann ich mit Yoga und studierte dann asiatische Sprachen und Philosophien an der Universität. Mit 24 Jahren zog ich nach Indien, um bei den Tibetern zu lernen und hatte immer das Gefühl, dort vollkommen zu Hause zu sein. Tatsächlich empfand ich es so, als wäre alles, was ich bis dahin getan hatte, ein Teil meines Weges, der mich zu den Tibetern in Indien führte. Während viele der Westler, die nach Indien kamen und die ich kannte, alle möglichen Probleme mit Visas und der Bürokratie hatten, gab es bei mir in den 29 Jahren nicht die kleinsten Schwierigkeiten. Von Beginn an wusste ich, um was es mir ging. Ich wollte übersetzen, und zwar nicht nur Sprachen. Vielmehr lag mir daran, den Buddhismus von einer Zivilisation in eine andere zu transportieren.

Diese Art des Lebens ergibt nicht wirklich einen Sinn, wenn man meine Herkunft und Kultur betrachtet, aus der ich stamme. Ich fand die Vorstellung der Wiedergeburt ziemlich anziehend, nicht weil ich sie so gut verstand, sondern weil sie mir half mein Leben zu verstehen, denn zweifellos war ich in einem früheren Leben ein Tibeter oder jemand, der einen starken Bezug zum Buddhismus hatte. Das war hilfreich und gab mir das Selbstvertrauen, in dieser Richtung weiterzumachen, anstatt zu denken, ich sei völlig verrückt!

Durch meine weiteren Studien des Buddhismus erkannte ich, welche zentrale Rolle die Wiedergeburt in der buddhistischen Theorie, Praxis und Lebensanschauung spielt und versuchte daher, wirklich die Logik hinter dem Was, Warum und Wie zu verstehen. Als ich es schließlich auf intellektuelle Weise verstand, erkannte ich, dass es hier nicht viel weiter ging. Die eigentliche Frage war doch, wie es im Augenblick meines Todes sein würde. Wie überzeugt werde ich dann von der Wiedergeburt sein? Es ist ja gut und schön in meinem normalen Leben darüber nachzudenken, aber werde ich dem Tod mit Angst begegnen oder werde ich ganz entspannt sein?

Zwei Leben mit meinem Lehrer 

Ich hatte unfassbares Glück, die wunderbare Möglichkeit zu haben, jemanden ziemlich gut in zwei Leben zu kennen. Es geht um meinen wichtigsten Lehrer, Tsenshap Serkong Rinpoche, der in seinem letzten Leben einer der Tutors Seiner Heiligkeit des Dalai Lama war. Ich verbrachte etwa neun Jahre mit ihm als sein Lehrling, sozusagen unter seinen Fittichen, um ein Übersetzer und Lehrer zu werden. Ich war sowohl sein Dolmetscher als auch sein Sekretär, schrieb Briefe für ihn und organisierte seine Reisen rund um die Welt. Ich betrachte mich als überaus privilegiert, diese recht enge Beziehung mit ihm gehabt zu haben.

Als ich nach Dharamsala zog, traf ich ihn, und die Initiative dafür, sein Schüler zu werden, kam im Grunde von ihm. Er erkannte die karmische Verbindung, die ich mit ihm hatte und so sagte er zu mir: „Bleib. Geh nicht weg. Setz dich dort hin und schau zu, wie ich mit anderen Leuten umgehe.“ Er begann mir verständlich zu machen, worüber er sprach und erklärte mir Worte, die ich nicht verstand. Wohlgemerkt war er einer der großen Meister der früheren Generation mit sehr hoher Verwirklichung und so war es außergewöhnlich, dass er mir so viel von seiner Zeit und Fürsorge zukommen lies.

Er starb 1983 unter ganz besonderen Umständen, indem er karmische Hindernisse für das Leben Seiner Heiligkeit des Dalai Lama auf sich nahm, und wurde dann, auf den Tag genau nach 9 Monaten wiedergeboren. Ohne Zweifel lag ihm nichts daran, länger im Bardo zu verweilen! Bevor er starb, lies er schon bestimmte Leute genauestens wissen, was er tun würde, damit alles klar war. Und dann wurde er einfach so, genau an dem Ort wiedergeboren, an dem er starb. Wenn nach den Reinkarnationen gesucht wird, hat zuweilen ein großer Lama eine Vision in einem Traum oder etwas in der Art, und dann geht man los, sucht nach dem Kind und testet es. Der wahre Test ist, wenn er von Seiten des Kindes kommt.

Finden des neuen Serkong Rinpoche 

Der Ort, an dem Serkong Rinpoche starb und wiedergeboren wurde, liegt im Himalaya-Tal von Spiti, der indischen Seite an der Grenze zu Tibet. Der Buddhismus befand sich dort in einem ziemlich schwierigen und degenerierten Zustand, und der alte Serkong Rinpoche war dorthin gegangen, um den Buddhismus im Grunde zu reformieren, indem er Klöster wiederbelebte, eine Schule baute usw. Die Menschen betrachteten ihn fast als den Heiligen des Spiti-Tals und jeder hatte ein Bild von ihm in seinem Haus, einschließlich der Eltern der Wiedergeburt. Als der kleine Serkong Rinpoche alt genug war, um zu sprechen, ging er zu dem Bild und sagte: „Das bin ich“. Damals war er zwei Jahre alt und er war sich vollkommen klar darüber, wer er war. Als er etwa vier Jahre alt war, gingen die Leute des alten Serkong Rinpoche zu Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama und fragten ihn, wo sie nach der Wiedergeburt suchen sollten. Seine Heiligkeit sagte, man würde ihn im gleichen Tal finden, wo der alte Serkong Rinpoche gestorben war. Als sie zum Haus der Wiedergeburt in Spiti kamen, lief der kleine Serkong Rinpoche, damals vier Jahre alt, in die Arme seines alten Begleiters und kannte ihn beim Namen.

Der junge Serkong Rinpoche, der mittlerweile 18 Jahre alt ist, erzählte mir, dass er damals einfach nur mitgehen wollte. Ihm lag nichts daran, bei seinen Eltern zu bleiben und er sagte, dass er gehen und jemanden treffen müsse, der ihm äußerst wichtig war – Seine Heiligkeit den Dalai Lama. Wenn ein Kind in Tibet oder in Gebieten der tibetischen Kultur als ein hoher wiedergeborener Lama anerkannt wird, ist das eine große Ehre, und so waren die Eltern sehr glücklich darüber. Serkong Rinpoche sagte, dass er nie seine Eltern vermisste. Als er sie verließ, weinte er kein einziges Mal und wollte nie zurück nach Hause. Das ist für ein vierjähriges Kind recht ungewöhnlich. Und es war auch nicht so, dass seine Eltern ihn schlecht behandelt hatten oder ähnliches. Sie sind wirklich wunderbare Menschen.

Wiederbegegnung 

Ich befand mich auf einer Vortragsreise, als die junge Wiedergeburt in Dharamsala ankam, aber ein paar Monate später kam ich dann, um ihn zu sehen. Er muss mittlerweile fast fünf Jahre gewesen sein. Der Begleiter sagte zu ihm: „Weißt du wer das ist?“ als ich den Raum betrat, und der junge Serkong Rinpoche erwiderte: „Na klar weiß ich wer das ist!“ Ich war etwas misstrauisch, den in einem der Räume gab es an der Wand ein Bild von mir und dem alten Serkong Rinpoche, und so dachte ich, er würde mich vielleicht aus dem Bild wiedererkennen. Was mich jedoch überzeugte, war, dass dieser Vierjährige mich von Anfang an als vollkommenes Familienmitglied betrachtete. Gegenüber anderen Menschen hatte er diese Haltung nicht und das ist etwas, was man als Vierjähriger nicht einfach so imitieren kann.

Im Laufe der Jahre habe ich, während er heranwuchs, allgemeine Ratschläge und Anleitungen für seine Erziehung gegeben, habe aber absichtlich etwas Abstand gehalten. Ich wollte nicht, dass er durch meine westliche Lebensweise oder Kultur zu sehr beeinflusst wurde und mir lag daran, dass er in einer rein tibetischen Atmosphäre aufwuchs, in der er sich im Rahmen eines tibetischen Klosters vollkommen zu Hause fühlte. Und das tat er.

Als es um seine Ausbildung in modernen Dingen ging, lies ich einen Tibeter kommen, der ihm Englisch beibrachte und ihn, wie alle anderen Tibeter in Indien auch, in wissenschaftlichen Dingen usw. unterrichtete. Ich denke, dieser Ansatz war recht erfolgreich, da er sich in seiner Gesellschaft und Position wohlfühlt. 

Letztes Leben, dieses Leben 

Während Serkong Rinpoche heranwuchs, sah ich ihn alle paar Jahre. Seit er etwas älter ist, sehe ich ihn häufiger und spreche oft mit ihm am Telefon. Auch habe ich ihn auf seiner ersten Reise in den Westen begleitet. Die Beziehung ist wirklich sehr eng geblieben. Vor eineinhalb Jahren habe ich Serkong Rinpoche in Indien besucht. Er hatte gerade eine Stufe seiner Ausbildung abgeschlossen und war bereit weiterzugehen. Ich kam zusammen mit einem englischen Freund, Alan Turner, der ebenfalls ein enger Schüler des alten Serkong Rinpoche gewesen ist, und der junge Serkong Rinpoche hatte auch zu ihm eine besondere Verbindung. Früher hatte ich viele private Gespräche zwischen den beiden übersetzt und tat es nun wieder. Als wir mit dem neuen Serkong Rinpoche zusammen saßen, sagte ich: „Das ist wirklich ein schönes Gefühl, wieder für Sie zu übersetzen“, worauf er erwiderte: „Es ist ja dein Karma - letztes Leben, dieses Leben, das ist ganz natürlich.“

Unsere Beziehung ist weiter gewachsen und es sind Dinge, wie diese, aus meiner persönlichen Erfahrung, die mich viel mehr von der Gültigkeit der Wiedergeburt überzeugen, als Logik. Neben bestimmten Gewohnheiten, die er hat, und Dingen, die er studiert, ähneln auch seine Interessen jenen seines früheren Lebens. Es war jedoch die persönliche Verbindung, die für mich am überzeugendsten war. Er ist eine große Unterstützung, was meine Webseite betrifft, und ich halte ihn mit allem, was ich tue, am Laufenden. Natürlich bewahre ich mit dieser Webseite seine Lehren aus seinem letzten Leben, und das ist nicht nur für ihn eine Quelle der Information, sondern auch für mich in meinem nächsten Leben, damit ich weiter mit ihnen in Verbindung bleiben kann. 

Auch Yongdzin Ling Rinpoche kannte ich über zwei Leben. Gelegentlich habe ich für den alten Lehrer übersetzt, welcher der Senior Tutor Seiner Heiligkeit des Dalai Lama war und habe natürlich auch bei ihm gelernt. Seine Wiedergeburt ist ein Jahr jünger als Serkong Rinpoche. Als ich mit Alan in Indien war, gingen wir auch zu dem neuen Ling Rinpoche. Ich hatte ihn seit Jahren nicht gesehen, das letzte Mal, als er noch viel jünger war. Er erkannte mich und war höchst interessiert daran, was ich tat. Wenn man zu Tibetern geht, bekommt man immer Tee und Kekse. Am liebsten esse ich McVitie’s digestive biscuits und sogar wenn wir irgendwo in einem Kloster, mitten im Dschungel in Südindien waren, bot sein Assistent sie mir zusammen mit meinem Tee an. Und der junge Ling Rinpoche sah mich an, als wollte er sagen: „Haha! Du glaubst wohl nicht an Karma und Wiedergeburt, oder was?

Was ist Wiedergeburt? 

Was die Wiedergeburt betrifft, so müssen wir natürlich verstehen, was da genau passiert, denn wir könnten auch zu einer falschen Überzeugung oder einem fehlerhaften Verständnis gelangen. Es ist viel hilfreicher, auf einer korrekten Grundlage davon überzeugt zu sein, dass es sie tatsächlich gibt. Die allgemeine Herangehensweise an das buddhistische Verständnis besteht darin, zunächst die fehlerhaften Sichtweisen zu beseitigen, damit wir eine korrekte Sichtweise entwickeln können.

Was Wiedergeburt nicht ist 

Zunächst gibt es in der buddhistischen Darstellung keine Vorstellung einer Seele mit einer konkreten Identität oder einer soliden Sache, die von einem Körper zum nächsten wandert. Wir könnten es so sehen, denn es gibt Serkong Rinpoche in einem Leben und dann den nächsten Serkong Rinpoche ein Leben weiter. Wir könnten somit zu der Schlussfolgerung gelangen, es gäbe da eine Entität mit dem Namen „Serkong Rinpoche“, die von einem Körper zu einem anderen wandert. Dem ist aber nicht so. Was diese hohen Lamas betrifft, so kann man sie über mehrere Leben identifizieren, was allerdings bei gewöhnlichen Menschen nicht der Fall ist. 

Im Buddhismus sprechen wir im Grunde von der Fortsetzung eines geistigen Kontinuums oder Geistesstroms. Abhängig von unseren Handlungen, die mit diesem geistigen Kontinuum verbunden sind, werden wir uns in jedem nachfolgenden Leben mit einer bestimmten Art von Körper manifestieren. Dieses Kontinuum ist nicht immer „Alex“, oder was auch immer euer Name ist. Es ist nicht so, dass ich in diesem Leben der Mensch Alex bin und der Mensch Alex im nächsten Leben als Pudel Fiffi wiedergeboren wird. Vielmehr ist es so, dass sich das Geisteskontinuum aufgrund diverser früherer Handlungen als ein Mensch, Hund oder was auch immer manifestiert und den Namen Alex oder Fiffi bekommt.

In der buddhistischen Formulierung gibt es nicht die Vorstellung, dass die Wiedergeburten immer besser werden und man immer eine menschliche Form haben wird, wenn man einmal dieses Stufe erreicht hat. Gemäß der buddhistischen Sichtweise bewegen sich die Wiedergeburten, abhängig von den Handlungen und Gewohnheiten in Verbindung mit dem Geisteskontinuum, auf und ab – Mensch, Tier, Geist, Gott und so weiter. Die Manifestation hängt ganz konkret vom eigenen Verhalten ab und es gibt nichts Äußeres, was Strafen oder Lektionen erteilt.

Ungebrochene Kontinuität 

Womit wir es hier also zu tun haben, ist eine Kontinuität einer ununterbrochenen Aufeinanderfolge von Momenten im Laufe der Zeit, in der es, wie bei einem Film, immer ein Bild nach dem anderen gibt, und das geht einfach immer so weiter. Im Gegensatz zum Film gibt es jedoch keinen Anfang und kein Ende dieser Kontinuität von Momenten, was recht schwer nachzuvollziehen ist. Wir können nicht erkennen, dass es weder Anfang noch Ende gibt und so ist es notwendig, unsere Logik zu benutzen, um diesen Punkt zu verstehen.

Wenn wir darüber reden, dass etwas kontinuierlich wiedergeboren wird, so ist dies der Geist. Wir müssen also genau verstehen, was im Buddhismus mit Geist gemeint ist. Er ist kein solides Ding, wie das Gehirn, noch etwas Immaterielles, in der Art, wie man den Geist im Westen versteht, sondern lediglich die Aktivität des individuellen und subjektiven Erfahrens von Dingen, die ständig stattfindet. Wir reden auch nicht über die Sache, welche die Aktivität ausführt, sondern über die geistige Aktivität selbst.

Dieses individuelle, subjektive Erfahren von Dingen findet in vielen verschiedenen Facetten statt. Was tatsächlich jeden Augenblick passiert, ist ein Auftreten einer Art geistigen Erscheinung, wie ein geistiges Hologramm, und eine geistige Beschäftigung mit dieser Erscheinung. Wir haben also das Auftreten von Anblicken, Klängen, Gedanken, Gefühlen, Emotionen usw. Das Auftreten dieser Erscheinungen und ihr Erfahren ist dasselbe.

Es gibt kein „Ich“, das getrennt von diesem ganzen Prozess ist, und das ihn stattfinden lässt, ihn kontrolliert, sich außerhalb der Kontrolle befindet oder ihn beobachtet. Er findet einfach statt und spielt sich ab. Jeder Moment hat einen anderen Geschmack. In einem Moment findet Sehen statt, im nächsten Hören, dann das Empfinden von Wut oder Glück. Und das geht unablässig so weiter, sogar wenn wir schlafen: wir erfahren den Schlaf und wenn wir sterben, erfahren wir den Tod. 

Die Kontinuität von Materie/Energie und des Erfahrens von Dingen 

Wenn im Buddhismus die Rede von Kontinuität ist, könnte es entweder um Materie und Energie gehen oder um das individuelle, subjektive Erfahren von Dingen. Beide dieser Kontinuitäten verändern sich von einem Augenblick zum nächsten. Ein Baum wird zu Holz, dann zu einem Tisch, der irgendwann zu Feuerholz wird. Dieses wandelt sich wiederum in Feuer und Asche um, sowie in Hitze usw. Nichts geht verloren – dies ist die Kontinuität in der Kategorie von Materie und Energie. In ähnlicher Weise wandelt sich die Erfahrung von Interesse zu Aufmerksamkeit, Unmut, Langeweile oder Ermüdung. Die Erfahrung wandelt sich einfach in eine andere Art von Phänomen um, das zur gleichen Kategorie gehört. 

Wut kann nicht zu einem Tisch werden und Holz kann sich nicht zu Wut umwandeln. Somit können wir Überlegungen in Bezug auf die Kontinuität des Körpers anstellen. Als erstes werden Same und Eizelle der Eltern zum Körper eines Babys, der dann zum Körper eines Jugendlichen wird, zu dem eines Erwachsenen, der dann wiederum selbst Samen und Eizellen für zukünftige Generationen produziert. Auf der Ebene des Körpers gibt es diese Art der Kontinuität. Wie verhält es sich nun mit unserem Erfahren von Dingen? Passiert hier dasselbe? Wird das Erfahren von Dingen der Eltern zum Erfahren von Dingen des Kindes? Das ist etwas, worüber wir nachdenken sollten. Natürlich mag das Erfahren von Dingen der Eltern einen Einfluss darauf haben, was wir erfahren, aber wird ihr Erfahren des Ansehens eines Films auch zu meinem Erfahren des Sehens dieses Films? Das ergibt keinen Sinn, wenn wir einmal darüber nachdenken.

Physische Stütze für den Geist 

Es muss also eine andere Art von Mechanismus geben, die hier stattfindet. Das Erfahren von Dingen scheint keine Transformation von den Eltern zum Kind zu sein, wie es mit Same und Eizelle passiert, wenn der Körper erschaffen wird. Wir könnten fragen, ob das Erfahren von Dingen eine physische Quelle hat und ob der Körper der Eltern das Erfahren von Dingen erschafft. Das gilt es zu untersuchen. Ja, das Erfahren von Dingen hängt immer von einer physischen Grundlage ab, aber erschafft diese Grundlage die Erfahrung? Es ist wie mit einem Glas Wasser. Das Glas enthält das Wasser, aber es erschafft das Wasser nicht. Das Glas ist notwendig, um das Wasser zu tragen, aber es erschafft es nicht. In ähnlicher Weise ist ein Körper notwendig, um das Erfahren zu ermöglichen, doch wir können nicht sagen, dass der Körper das Erfahren erschafft. 

Dann können wir tiefer gehen und uns die Kontinuität unseres Körpers ansehen, und zwar nicht nur von den Eltern zum Kind. Jedes Atom in unserem Körper hat seine eigene Kontinuität. Es ist schon recht bemerkenswert, wenn man einmal darüber nachdenkt, dass sich alle Atome und Moleküle des Körpers im Laufe unseres Lebens kontinuierlich verändern. Auch wenn es die Kontinuität eines individuellen Körpers gibt, so gibt es im Körper eines Achtjährigen fast keine Zellen mehr, die es in dem einwöchigen Säugling gab. 

Es ist erstaunlich, über die Nahrung nachzudenken, die in den Körper kommt, für eine Weile zu Atomen unseres Körpers wird und sich schließlich in Abfallprodukte oder kinetische Energie umwandelt. Dieser ganze Vorgang findet statt, in dem jeder Teil unseres physischen Körpers eine Kontinuität von etwas ist, das irgendwann einmal kein Teil unseres Körpers war. Dann wird es für eine kleine Weile ein Teil unseres Körpers und schließlich setzt es sich als etwas anderes fort. Während jedes dieser Atome seine eigene Kontinuität hat, besitzt auch der Körper selbst eine Kontinuität, die dessen Individualität beibehält. Das ist schlicht und ergreifend bemerkenswert, wenn man einmal darüber nachdenkt. Was ist es denn nun, das es zu dem „Ich“ macht?

Verstehen wir diese physische Kontinuität, können wir fragen: „Verhält es sich so, wie mit dem Erfahren von Dingen?“ So, wie mein Körper sich aus vielen verschiedenen Teilen, Systemen und Atomen zusammensetzt, besteht auch unser Erfahren von Dingen aus vielen verschiedenen Komponenten, die miteinander verbunden sind. Wir haben die Sinne des Hören, des Sehens usw. und wir haben Gefühle von Glück und Leid, sowie Emotionen, Interessen, Aufmerksamkeit und Konzentration. Da gibt es all diese Dinge, die eine Kontinuität besitzen, doch kann man das mit dem Körper vergleichen? Wenn wir Fleisch essen, waren die Atome Teil des Körpers von einem anderen Wesen und wenn wir dann sterben, werden die Würmer uns essen und die Atome werden Teil ihres Körpers werden. Verhält es sich mit dem Glücklichsein genauso, dass es Teil des Geistes eines anderen war, dann Teil von uns wird und schließlich zu einem anderen weitergeht? Das ergibt keinen Sinn. Alles, was wir sagen können, ist, dass unsere Erfahrung des Glücklichseins eine Kontinuität unserer früheren Erfahrung des Glücklichseins ist. 

Geist stammt von Geist, Erfahrung von Erfahrung 

Untersuchen wir es auf diese Weise, kommen wir zu der Schlussfolgerung, dass das Erfahren von Dingen nur ein Kontinuität ihrer selbst sein kann – von früheren und späteren Momenten der Erfahrung. Schließlich stellen wir uns folgende Fragen: Wenn der Körper dieses Erfahren nur unterstützt, aber nicht erschafft, hat ein individuelles Kontinuum des Erfahrens dann einen absoluten Anfang oder ein absolutes Ende? Ergibt es einen Sinn, dass es vorher ein Nichts war und dann zu etwas, zu diesem Erfahren, wurde? Und wenn es so war, wie hat sich das zugetragen, woher kam es und was passiert am Ende? Da gibt es all diese Komponenten, die jeden Augenblick des Erfahrens ausmachen und durch all diese Augenblicke, einen nach dem anderen, ein Kontinuum formen, und das soll alles ganz plötzlich einfach aufhören? Das ergibt nicht viel Sinn.

Materie und Energie des Körpers waren schon da, bevor wir geboren wurden und setzen sich fort, nachdem wir sterben, aber was ist mit dem Erfahren? Darüber sollten wir ernsthaft nachdenken und uns mit Ursache und Wirkung befassen, die von einem Augenblick zum nächsten stattfinden und eine Kontinuität entstehen lassen. Im Grunde greifen wir nach der Existenz und dadurch haben wir das Gefühl, immer weitergehen zu müssen. So ist es auch, wenn wir sterben, denn wenn es ein Greifen nach einer Existenz gibt, die sich vom ersten Moment zum zweiten Moment fortsetzt, warum sollten dadurch nicht weitere Momente entstehen, wenn wir sterben? Es ergibt auch keinen Sinn, dass eine Ursache und keine Wirkung hat. Aus diesem Grund strecken wir den Kopf ganz automatisch aus dem Wasser, wenn wir versuchen, uns selbst zu ertränken. Es ist fast unmöglich Selbstmord zu begehen, indem man das Gesicht in ein Waschbecken mit Wasser hält, denn da ist dieses starke Greifen nach einer fortgesetzten Existenz. 

Vertiefen wir uns in diese Sache, kommen wir zu einem komplexeren Verständnis darüber, wie die Wiedergeburt funktioniert und was es tatsächlich ist, das von einem Leben zum nächsten wandert. Es gibt nichts Solides, das weitergeht, wie ein Koffer, der sich auf einem Transportband auf dem Flughafen bewegt, aber es gibt eine Kontinuität. Außerdem gibt es bestimmte Muster, Neigungen und Interessen, die sich fortsetzen und aus diesem Grund sind manche Dinge für bestimmte Menschen ganz leicht, im Gegensatz zu anderen. 

Anwendung im täglichen Leben 

All das kann man ziemlich gut auf unsere eigene Erfahrung in diesem Leben übertragen, denn das heißt, dass die Art der Persönlichkeit, die wir haben und entwickeln, eine Kontinuität hat. Durch die Entwicklung unserer Persönlichkeit können wir so werden, wie wir wollen und damit haben wir eine große Verantwortung für uns, denn wir können entscheiden, welche Art der Kontinuität des Erfahrens wir in der Zukunft haben wollen und dementsprechend handeln. Hier geht es nicht um Belohnen und Bestrafen, sondern darum, dass wir, wenn wir Leiden erfahren wollen, die Ursachen dafür schaffen können und es ebenso in unserer Hand liegt, ein Gefühl des Glücklichseins zu erfahren, indem wir dafür die Ursachen schaffen. Das ist alles ganz logisch, wenn man sich Ursache und Wirkung ansieht. Als Kind schafft man bestimmte Gewohnheiten, die sich im Erwachsensein fortsetzen und daher können sie genauso gut auch in zukünftigen Leben weitergehen.

Zusammenfassung

An sich ist es nicht schwierig, ein gutes intellektuelles Verständnis der Wiedergeburt im Buddhismus zu bekommen. Die eigentliche Frage ist doch: Was geschieht, wenn wir sterben werden? Wie werden wir uns dann fühlen? Wie stark wird unsere Überzeugung sein? Daher ist es wirklich notwendig, die Lehren selbst zu untersuchen und nicht nur zu akzeptieren, was andere Leute uns sagen. Wenn wir ein Verständnis von Ursache und Wirkung, und damit von der Kontinuität von physischer Materie und geistigen Momenten, erlangen, werden wir uns über unsere Handlungen bewusster werden, die nicht nur auf dieses Leben, sondern auch auf unsere zukünftigen Leben einen Einfluss haben.

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