Der Dritte Karmapa, Rangjung Dorje (tib. Rang-’byung rDo-rje) wurde im Jahr 1284 im südlichen Tibet, im Gebiet von Dingri Langkor (tib. Ding-ri glang-’khor) in einer Nyingma (tib. rNying-ma) -Familie geboren, die in der Nähe des Mount Everest lebte. Im Alter von drei Jahren verblüffte er seine Mitmenschen, als er sich aufsetzte und verkündete, die Wiedergeburt des vorangegangenen Karmapas zu sein. Später fertigte er sich dann selbst einen schwarzen Hut an und erklärte erneut, tatsächlich der Karmapa zu sein.
Im Alter von fünf Jahren wurde der Junge offiziell als die Wiedergeburt des Zweiten Karmapa Karma Pakshi (tib. Karma Pakshi) von Orgyenpa Rinchen Päl (tib. O-rgyan-pa Rin-chen dpal) anerkannt, der ihm dann alle Kagyü-Lehren übertrug. Zwei Jahre später empfing er die Novizen-Gelübde von Künden Sherab (tib. Kun-ldan Shes-rab) und zog nach Tsurphu (tib. mTshur-phu), dem Sitz der vorangegangenen zwei Karmapas. Im Jahr 1301, im Alter von 18 Jahren, nahm er die volle Ordination.
In Tsurphu empfing Rangjung Dorje mehr als zehn Jahre Lehren von den Kagyü- und Nyingma-Traditionen. Von Rigdzin Kamaradza (tib. Rig-’dzin Ka-ma-ra-dza or Ka-ma-ra-ra-dza) wurden ihm die vollständigen Dzogchen-Lehren übertragen, und Jahrzehnte später übertrug er sie seinerseits dem Nyingma-Meister Longchenpa. Die Karma-Kagyü-Tradition des Dzogchen ist auf Rangjung Dorjes Werk „Karmapa Herzessenz-Lehren“ (tib. Kar-ma snying-thig) zurückzuführen.
Später suchte Rangjung Dordje auch Lehrer der Kadampa- und Sakya-Traditionen auf. Es wird gesagt, dass er all die buddhistischen Lehren hielt, die von Indien nach Tibet gebracht wurden. Er verfasste auch etliche Texte über verschiedene Themen, wie Tantra, und brachte Werke hervor, wie das bekannte „Mahamudra Wunschgebet des Wahren Sinnes (tib. Nges-don phyag-rgya chen-po’i smon-lam; Das Mahamudra-Wunschgebet) und „Eine Erklärung des ‚Inneres (Kalachakra‘ Kapitels in ‚Makelloses Licht‘)“ (tib. rNal-’byor bla-na med-pa’i rgyud-sde rgya-mtsho’i snying-po bsdus-pa zab-mo nang-gi don; Die tiefgründige innere Bedeutung). Seine Schriften über die Berechnungen des Kalenders und der Astronomie, die man im Kapitel „Äußere Welt“ von „Makelloses Licht“ finden kann, sind die Quelle des Tshur-bu-Systems (tib. Tshur-lugs) der tibetischen Astro-Wissenschaft.
Rangjung Dorje unternahm weite Reisen in Tibet, wobei er auf seinem Weg vielfach Klöster oder Retreat-Zentren gründete, und zweimal sogar China besuchte. Im Jahr 1331 erhielt er eine Einladung des Yuan-Herrschers Tugh Temür (Kaiser Wenzong) nach Dadu, um die Hauptstadt des unter mongolischer Herrschaft stehenden Yuan-Reiches zu besuchten, aber Tugh Temür starb, bevor Rangjung Dordje ankam. Der nächste Herrscher, Rinchinbal (Kaiser Ningzong), starb ebenfalls, während der Karmapa in Dadu war, und somit war er bei der Ernennung des letzten Yuan-Herrschers Toghon Temür (Kaiser Huizong) zugegen. Rangjung Dorje gab dem neuen Herrscher buddhistische Belehrungen und stellte somit die Bedeutung der Karma-Kagyü-Tradition innerhalb des mongolischen Hofes von Yuan in Dadu, dem heutigen Beijing, sicher.
Er kehrte 1334 nach Tibet zurück, nachdem er dem Kaiser versprochen hatte, in zwei Jahren wieder nach China zu kommen. Somit war er gezwungen, erneut nach China zu reisen, nachdem er einen Winter im Samye-Kloster (tib. bSam-yas dGon) verbracht hatte, und kam 1337 in Dadu an. Rangjung Dorje starb zwei Jahre später, im Jahr 1339 im Alter von 55 Jahren in Dadu, und es wird gesagt, dass sein Gesicht deutlich im Mond erschien, sodass alle es sehen konnten.