Das Gebet der Mahamudra

Ehrerbietung meinen Gurus.

1) Gurus, Yidams und Mandala-Gestalten, Siegreiche in den zehn Richtungen und drei Zeiten mit euren spirituellen Nachkommen, bitte schaut auf mich voller Zuneigung. Inspiriert mich, so dass meine Gebete erfüllt werden, genau wie ich sie verfasst habe.

2) Möge der Strom des Wassers aus der Menge konstruktiver Handlungen, unverschmutzt in Hinsicht auf die drei Bereiche, geboren vom Schneeberg reiner Gedanken und Handlungen meiner selbst und aller zahllosen Wesen, in den Ozean der vier Körper eines Siegreichen fließen.

3) In jeder einzelnen Lebenszeit, bis ich dies erreicht habe, möge selbst der Klang (der Worte) „Negativität“ und „Leid“ nie erschallen, und möge ich mich der Herrlichkeit eines Ozeans an Glückseligkeit und Tugend erfreuen.

4) Da ich ein höchstes (menschliches Leben) erlangt habe, voller Ruhepausen und Bereicherungen, ausgestattet mit dem Glauben an Tatsachen, freudvoller Ausdauer und Unterscheidungsvermögen, möge ich mich auf einen vorzüglichen spirituellen Meister stützen und die Essenz der richtungsweisende Anleitungen empfangen. Durch demgemäße Praxis, ohne Störungen, möge ich mich des reinen Dharma erfreuen, in all meinen Leben.

5) Den Schriften zuzuhören und logische Beweisführung befreit uns von den Schleiern des Nicht-Wissens. Das Nachdenken über die Quintessenz-Lehren zerstört die Dunkelheit der Zweifel. Das Licht, das aus der Meditation entsteht, erhellt die andauernde Natur der Wirklichkeit, so wie sie ist. Möge sich die Erhellung meiner drei Weisheiten immer weiter ausdehnen.

6) Möge ich dem fehlerfreien, nicht in die Irre führenden Dharma begegnen, der die zwei Wahrheiten als die Hauptpunkte der Basis nimmt, getrennt von den Extremen des Absolutismus und Nihilismus, und der die zwei Netzwerke als den höchsten Pfad nimmt, getrennt davon, etwas verfälschend hinzuzufügen oder etwas zurückzuweisen, und der die zwei Ziele als das Erreichen des Resultats erfüllt, getrennt von den Extremen des zwanghaften Samsara oder ruhigen Nirvana.

7) Die Basis für Reinigung ist der „Geist selbst“, ein vereintes Paar von Klarheit und Leerheit. Die reinigende Handlung ist der Vajra-Yoga der Mahamudra. Was gereinigt wird sind die Flecken flüchtiger, trügerischer Verwirrung. Möge ich das Resultat der Reinigung manifestieren, einen makellosen Dharmakaya.

8) Selbstvertrauen in die Sicht heißt, die verfälschenden Hinzufügungen von der Basis abzuschneiden. Der wesentliche Punkt der Meditation ist es, sich davor zu schützen, davon abzuweichen. Das höchste Verhalten ist es, den (wesentlichen) Punkt der Meditation zu entwickeln, der sich als alles zeigt. Möge ich Selbstvertrauen in die Sicht, die Meditation und das Verhalten gewinnen.

9) Alle Phänomene sind wundersame Emanationen des Geistes. Geist ist kein Geist: Er ist leer von einer essentiellen Natur als Geist. Leer und daher, ohne Hinderung, lässt er alles erscheinen. Nachdem ich dies gut untersucht habe, möge ich die Wurzel von der Basis abschneiden.

10) Reflexive Erscheinungen, nie als real erlebt, werden trügerisch verwechselt mit Objekten . Reflexives Gewahrsein, durch die Kraft der Unwissenheit, wird trügerisch verwechselt mit einem Selbst. Durch die Kraft dieses dualistischen Greifens irren wir durch die Weiten zwanghafter Existenz. Möge ich ein für alle Mal die Wurzel der trügerischen Verwirrung abschneiden, meine Unwissenheit.

11) Nicht existent: Nicht einmal die Siegreichen haben ihn gesehen. Nicht nichtexistent: die Grundlage von allem in Samsara und darüber hinaus. Kein Gegensatz noch ein Nebeneinander, sondern ein vereintes Paar: der mittlere Weg des Madhyamaka. Möge ich die tatsächliche Natur des Geistes erkennen, frei von Extremen.

12) Nichts auf das man zeigen könnte, indem man sagt, es sei ‚das’. Nichts, das man negieren könnte, indem man sagt, es sei ‚nicht das’. Die tatsächliche Natur, jenseits des Intellekts, ist ein unbeeinflusstes Phänomen. Möge ich Gewissheit über den letztendlichen Punkt gewinnen, der gänzlich vollkommen ist.

13) Die tatsächliche Natur nicht erkennend, kreisen wir im Ozean von Samsara. Erkennen wir die tatsächliche Natur, ist Buddha nichts anderes. Alles, das dies und nicht dies ist, nichts ausgeschlossen. Möge ich mir der Fehler hinsichtlich der tatsächlichen Natur bewusst werden, der Alaya-Grundlage von allem.

14) Ob Erscheinung, es ist der Geist; ob Leerheit, es ist der Geist. Ob Erkenntnis, es ist der Geist; ob Verwirrung, es ist mein eigener Geist. Ob ein Erscheinen, es ist der Geist; ob ein Aufhören, es ist der Geist. Möge ich alle Verfälschungen im Geist abschneiden.

15) Ohne Verwässerung durch Meditation, die sich mit intellektuell abgeleiteten (Gedanken) bemüht, nicht von den Winden gewöhnlicher Aufregung verweht, sondern im Wissen, wie ich meinen Geist in den ungekünstelten, ursprünglichen Zustand versetzen kann, in den er natürlich verfällt, Möge ich Geschick entwickeln und die Praxis des tiefgründigsten Punktes des Geistes pflegen.

16) Die Wellen subtiler und grober konzeptueller Gedanken still an ihrem Platz. Ohne Bewegungen kommen die Unterströmungen des Geistes natürlich zur Ruhe. Die Verschmutzungen durch den Schlamm der Dumpfheit und der Verwirrung setzen sich ab. Möge ich einen stillen und zur Ruhe gebrachten, unbewegten Ozean von Shamatha stabil werden lassen.

17) Nachdem ich wieder und wieder den Geist angeschaut habe, den man nicht anschauen kann, Und deutlich, so wie es ist, den tiefgründigsten Punkt gesehen habe, den man nicht sehen kann. In einem Zustand, abgeschnitten vom Schwanken, ob der tiefgründigste Punkt nun ‚dieses’ oder ‚ nicht jenes’ sei, Möge (mein Geist) reflexiv sein eigenes Gesicht erkennen, ohne Verwirrung.

18) Hat man Objekte betrachtet, gibt es keine Objekte – man sieht sie als Geist. Hat man den Geist betrachtet, gibt es keinen Geist; er ist leer in seiner essentiellen Natur. Hat man beides betrachtet, löst sich dualistisches Greifen selber in seinen eigenen Ort hinein auf. Möge ich die andauernde Natur des Geistes als klares Licht verwirklichen.

19) Gemäß dem großen Siegel, Mahamudra, ist es der Zustand, getrennt vom geistig Aufnehmen. Gemäß dem Madhyamaka, dem mittleren Weg, ist es der Zustand, der getrennt von den Extremen ist. Dzogchen, die große Vollendung, nennt es auch den Zustand, der alles in sich trägt. Möge ich das Selbstvertrauen gewinnen, dass eines zu wissen die Verwirklichung des Sinnes von allem ist.

20) Große Glückseligkeit, ohne Festhalten, hat ungebrochene Kontinuität. Klares Licht, ohne Greifen nach definierenden charakteristischen Merkmalen, ist frei von den Verhüllungen der Schleier. Ein nichtkonzeptueller Zustand des Geistes, jenseits allen Intellekts, bringt spontan zur Vollendung. Möge mein Erleben von segensreichen Erfahrungen ohne Mühe ungebrochene Kontinuität erfahren.

21) Das Greifen nach segensreichen Erfahrungen, an die wir uns als „gut“ klammern löst sich selbst in seinen eigenen Ort hinein auf. Trügerische Verwirrung, die wir als schlecht begreifen, ist in ihrer Selbstnatur rein im Bereich (der Leerheit). Normales Gewahrsein ist ohne Loswerden oder Annehmen, sich Trennen oder Erlangen. Möge ich stabile Verwirklichung der (tiefsten) Wahrheit, der tatsächlichen Natur, erlangen, getrennt von geistiger Fabrikation.

22) Die Selbstnatur herumirrender Wesen ist immer die eines Buddha. Doch kraft dessen, dass sie dies nicht erkennen, wandern sie endlos im Samsara umher. Möge ich unerträgliches Mitgefühl in meinem Kontinuum entwickeln, für begrenzte Wesen mit grenzenlosem Leid.

23) Zeigt man Zuneigung mit einer Entfaltung unerträglichen Mitgefühls, die gänzlich ungehindert ist, dämmert die essentielle Natur – die (tiefste) Bedeutung der Leerheit – nackt herauf. Möge ich immer meditieren, Tag und Nacht, ungetrennt von diesem höchsten Pfad des vereinigten Paares, frei von Punkten des Abirrens.

24) Wenn ich die außersinnlichen Augen und das erhöhte Gewahrsein, die durch die Kraft der Meditation entstehen, (erlangt habe), die begrenzten Wesen zur Reife gebracht und alles in Buddhafelder gereinigt habe und die Gebete der Buddha-Dharma-Praktizierenden um Verwirklichung erfüllt habe, möge ich den Endpunkt des Erfüllens, Reifens und Reinigens erreichen und ein Buddha werden.

25) Durch die Kraft des Mitgefühls der Siegreichen in den zehn Richtungen und ihrer spirituellen Nachkommen und durch so viel veredelnde konstruktive Kraft wie es gibt, mögen die reinen Gebete der Aspiration meiner selbst und aller begrenzten Wesen auf diese Weise, so wie wir sie verfasst haben, in Erfüllung gehen.



Top