Dr. Alexander Berzin: Der Zweite Serkong Rinpoche & Berzin Archives

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Das Treffen von Serkong Rinpoches Reinkarnation und meine Interaktion mit ihm während seiner Kindheit und Jugend 

Die Reinkarnation von Tsenshap Serkong Rinpoche wurde 1984 in Spiti geboren, auf den Tag genau neun Monate nach seinem Tod. Im Alter von zwei Jahren zeigte er auf ein Bild seines Vorgängers und sagte: „das war ich“. Außerdem erkannte er einen seiner früheren Begleiter, die auf der Suche nach dem Tulku vorbeikamen, und nannte ihn beim Namen. Als er mich das erste Mal im Alter von vier Jahren traf und gefragt wurde, ob er wisse, wer das sei, antwortete er: „Was für eine Frage! Na klar weiß ich, wer das ist.“ Mit diesen wenigen Worten nahmen wir die enge Verbindung, die zwischen uns bestanden hatte, wieder auf. 

Als der Zweite Serkong Rinpoche älter wurde, nahmen sich seine jungen Begleiter Gendün Samdup und Thupten Sherab seiner Dharma-Ausbildung an, aber wollten, dass ich mich um den Rest kümmerte. Ich empfand es als wichtig für ihn, dass er eine gute Beziehung zu den Menschen in Spiti und den Tibetern im Allgemeinen hatte und so organisierte ich, neben einem Lehrer in tibetischer Grammatik und Rechtschreibung, auch tibetische Lehrer, die ihn in modernen Fächern mit den gleichen Lehrbüchern unterrichteten, die von tibetischen Kindern und Kindern in Spiti benutzt wurden. Ich versuchte, den westlichen Einfluss auf einem Minimum zu halten, damit Rinpoche, wenn er älter wurde, keine kulturellen Konflikte zwischen dem Westen und dem Osten haben würde. Aus diesem Grund hielt ich, außer gelegentlichen Besuchen, während seiner Kindheit und frühen Jugend eine Distanz zu ihm. 

Rinpoche kam das erste Mal mit 18 Jahren in den Westen und nur, um an der Kalachakra-Initiation teilzunehmen, die von Seiner Heiligkeit in Graz, Österreich, erteilt wurde, und jeden Morgen mit Seiner Heiligkeit die Selbst-Initiation durchzuführen. Ich nahm ebenfalls teil und kümmerte mich während der zwei Wochen, die er da war, gut um ihn. Ich begleitete ihn auch, als er mit 20 Jahren eine einmonatige Reise nach Amerika unternahm, um sich die Sehenswürdigkeiten anzusehen und die tibetischen Gemeinschaften zu besuchen. Wie sein Vorgänger, der frühere Serkong Rinpoche, war er von den gewöhnlichen touristischen Orten, wie Disneyland, nicht beeindruckt. Sie waren für ihn „nichts Besonderes“. Laut dem jungen Rinpoche war der Höhepunkt der Reise der Besuch des Holocaust-Museums in Washington D.C., da er dort über Mitgefühl meditieren konnte, sowohl für die Opfer wie auch für die Täter. 

Aufgrund meiner Erfahrung mit dem jungen Serkong Rinpoche wurde ich von dem Privatbüro Seiner Heiligkeit gebeten, der Kommission beizutreten, die entschied, wie man die Ausbildung des jungen Tulkus von Ling Rinpoche fortführen sollte, nachdem er im Alter von 9 Jahren von einem längeren Aufenthalt in Amerika mit einem reichen westlichen Förderer zurückgekehrt war. Wir entschieden, dass es das beste wäre, wenn er von Dharamsala in sein Kloster nach Drepung Loseling in Südindien umziehen und dort, frei von äußeren Einflüssen, seine ernsthaften Studien fortführen würde. 

Als der Zweite Serkong Rinpoche älter wurde und ich ihn mit seinem Vorgänger, dem Ersten Serkong Rinpoche verglich, tat ich es bezüglich der Lehren der Leerheit des Selbst, des abhängigen Entstehens und der Leerheit von Ursache und Wirkung, was mich schließlich vollends von der Wiedergeburt überzeugte. Der Zweite Serkong Rinpoche selbst sagte zu mir, dass er nicht wisse, ob er die Reinkarnation seines Vorgängers sei. Alles, was er sagen könne, sei, dass er mit den goldenen Möglichkeiten persönlicher Anweisungen Seiner Heiligkeit, den besten Lehrern und dergleichen geboren wurde. All diese Dinge standen ihm wegen den Aktivitäten und Qualitäten des Ersten Serkong Rinpoches zur Verfügung, dessen Name er trug. Daher versuchte er, wie im Lam-rim gelehrt wurde, die Gelegenheit zu nutzen, die ihm durch diese äußerst glückliche und kostbare Wiedergeburt zuteil wurde. 

Und weil er diese Gelegenheiten nutzte, hat er sich herausragend entwickelt und versucht nun, erneut eine Verbindung zu möglichst vielen Schülern seines Vorgängers aufzubauen und sie weiter zu belehren und anzuleiten. Er ist weder die gleiche noch eine völlig andere Person, als der alte Serkong Rinpoche, und das liegt daran, dass es keine selbst-begründete Person gibt, die reinkarniert. Es ist nicht so, dass all die Qualitäten eines Lebens die Qualitäten im nächsten Leben hervorbringen. Schließlich spielen aufgrund unzähliger früherer Leben eine Ansammlung von Qualitäten aus vielen verschiedenen Leben eine Rolle – jedoch nicht im Sinne einer Reihe selbst-begründeter Ursachen vieler vergangener Leben, die in diesem Leben ein selbst-begründetes Resultat hervorbringen. Mein fester Glaube an die Wiedergeburt gründet somit auf Rinpoches Verständnis seiner persönlichen Erfahrung, als eine Reinkarnation anerkannt worden zu sein, auf der vielen Zeit, die ich mit beiden Leben der Person namens Serkong Rinpoche verbracht habe und der Tatsache, dass beide in perfektem Einklang bezüglich der Lehren über die Leerheit des Selbst und die Leerheit von Ursache und Wirkung stehen.

Rückkehr in den Westen und Digitalisieren meiner Arbeit  

Nachdem ich seit 1984 ausgedehnte Reisen unternommen, gelehrt und für Seine Heiligkeit an Projekten gearbeitet hatte, entschied ich mich im Jahr 1997 aus einer Reihe persönlicher und beruflicher Gründe aus Indien wegzugehen. Ich hatte das Gefühl, von Indien als meiner Heimatbasis alles bekommen zu haben, und um mich weiter entwickeln zu können, musste ich in den Westen zurückkehren. Es fühlte sich ähnlich an wie damals, als ich mich entschied, der akademischen Welt den Rücken zu kehren. Es war schwierig, von Indien aus mit meinen amerikanischen Verlegern, Snow Lion Publications, zu kommunizieren. Außerdem wollte ich dauerhafte, regelmäßige Schüler haben, anstatt ein so genannter „Jet-Set-Guru“ zu sein, der alle ein oder zwei Jahre für ein paar Tage mit dem Flugzeug vorbeikommt. 

Neben dieser Idee, mich im Westen niederzulassen, gab es auch mehrere andere Möglichkeiten, was ich tun konnte – weiter als Lehrer unterwegs zu sein, aber an jedem Ort mehr Zeit zu verbringen, mich in der Mongolei niederzulassen und dort bei der Wiederbelebung des Buddhismus zu helfen und so weiter. Alles wäre nützlich und so fragte ich Seine Heiligkeit um Rat. Seine Heiligkeit sagte mir, ich sollte etwas wählen, das kaum jemand anderes tut und worin ich gut sei. Er vertraute mir, die richtige Entscheidung zu treffen. 

In den fast dreißig Jahren in Indien hatte ich ungefähr 30.000 Seiten Übersetzungen erstellt, unveröffentlichte Buchmanuskripte und Artikel geschrieben, Transkripte von Belehrungen angefertigt, die ich übersetzt oder gegeben hatte und handgeschriebene Lesenotizen gemacht. Ich hatte auch hunderte Audio-Kassetten weiterer Lehren, die transkribiert werden mussten. Sie alle waren unschätzbar wertvoll, besonders die Lehren Seiner Heiligkeit, sowie jene von Serkong Rinpoche, Geshe Ngawang Dhargyey und den anderen großen Lamas, bei denen ich gelernt hatte. Ich entschied, dass es in Übereinstimmung mit dem Rat Seiner Heiligkeit das Beste wäre, sie der Welt zur Verfügung zu stellen. Sie waren mir von großem Nutzen gewesen und ich stellte mir vor, dass sie in ähnlicher Weise auch anderen von Nutzen sein würden. 

Da ich bereits mehrere Bücher bei Snow Lion veröffentlicht hatte, sprach ich mit ihnen über die Idee, eine Serie von Büchern mit ausgewählten Themen dieses Lehrstoffs zusammenzustellen und sie stimmten zu. Seit 1985 besaß ich einen Laptop und etwa die Hälfte dieser Texte war bereits digitalisiert. Der Rest war entweder in Handschrift oder auf Schreibmaschinenseiten und von den meisten hatte ich Kopien gemacht, doch nun mussten auch sie digitalisiert werden. Mit einer kleinen Spende, die ich bekommen hatte, beauftragte ich Peter Green, den ich bei Snow Lion getroffen hatte, mit dieser enormen Aufgabe zu beginnen und obgleich er für ein paar Jahre in Teilzeit daran arbeitete, konnte er nur einen kleinen Teil vollenden. Peter wurde später ein Bibliothekar in Princeton. 

Umzug nach Berlin, Deutschland 

Als ich aus Indien wegging, verbrachte ich das nächste Jahr damit, verschiedene Orte als neue Heimatbasis auszuprobieren – München, Seattle, Mexico City und Wales – doch aus verschiedenen Gründen kam keiner davon infrage. Ein paar Jahre zuvor kam Aldemar Hegewald, ein junger Deutscher, der ursprünglich aus Kolumbien stammte, nach einem Vortrag, den ich in Berlin hielt, zu mir, um mit mir zu sprechen und wir entschieden uns, in Kontakt zu bleiben. Jedes Mal, wenn ich nach Deutschland kam, verbrachten wir Zeit miteinander und wurden bald Freunde. Seitdem sind wir eng befreundet geblieben. Später begann er eine äußerst erfolgreiche Karriere als Neurochirurg, der sich auf Wirbelsäulenchirurgie spezialisierte, doch damals war er an der Medizinschule und teilte sich in Berlin eine Wohnung mit einem Freund, der gerade in eine andere Stadt umzog. Somit schlug er mir vor, bei ihm einzuziehen und die Wohnung mit ihm zu teilen. 

Deutsch hatte ich bereits in der High School und dem College gelernt, allerdings war es etwas eingerostet. Und ich hatte auch schon versucht, in München zu leben, doch dort wohnte ich in dem Appartement des Dharma-Zentrums, lehrte im Zentrum und musste um Erlaubnis fragen, wenn ich woanders hingehen wollte, um Unterweisungen zu geben. In Berlin gab es die Buddhistische Gesellschaft, in der ich bereits viele Male zuvor Vorträge gehalten hatte. Dabei handelte es sich lediglich eine Reihe von Räumen, in denen verschiedene buddhistische Gruppen Belehrungen gaben. Ich konnte dort Vorträge halten und unabhängig bleiben, also nahm ich Aldemars Angebot an. Ein zusätzlicher Vorteil von Berlin war, dass man von dort leicht nach Russland und die osteuropäischen Länder kam, denn ich wusste, dass es für Seine Heiligkeit wichtig war, dass ich dort weiter unterrichten würde. Gelegentlich gebe ich heute noch Vorträge über Zoom für Gruppen meiner Schüler in Russland und der Ukraine. 

Im Dezember 1998 zog ich also nach Berlin und teilte mir in den ersten zwei Jahren das Appartement mit Aldemar, bis er umzog, um näher an seiner Medizinschule zu wohnen, und seitdem lebe ich dort allein. In den ersten paar Jahren habe ich in der Buddhistischen Gesellschaft wöchentliche Belehrungen gegeben. Es war jedoch ziemlich weit weg von dem Ort, wo ich und die meisten meiner Schüler lebten. Da die Unterrichtsgruppen klein waren und ich keine Werbung für sie machte, trafen wir uns schließlich in meinem Appartement, um sie abzuhalten.  

Trotz dem Altersunterschied verstanden Aldemar und ich uns ziemlich gut. Als Ausgleich von seinen Studien begann er, eine deutsche Enzyklopädie von Anfang bis Ende durchzulesen. Im Laufe der Jahre waren unsere intellektuellen Konversationen ein Höhepunkt unserer Beziehung. Er ist mittlerweile Abteilungsleiter der Wirbelsäulenchirurgie in einem großen orthopädischen Krankenhaus im Norden Deutschlands, in der Nähe der Grenze zu Dänemark, und lebt dort mit seiner italienischen Frau, die ebenfalls praktizierende Ärztin ist, und ihren zwei Kindern. 

Eine der ersten Dinge, dich ich tat, als ich mich in Berlin niedergelassen habe, war, all meine Notizen in Handschrift und auf Schreibmaschinenseiten einzuscannen, um sie aufzubewahren. Kopien von ihnen zu machen reichte nicht aus und außerdem begannen sie langsam zu verblassen. Aldemar schlug vor, all mein Material auf eine Webseite zu stellen. Mitte der Neunziger begann das Internet populär zu werden und zur Jahrhundertwende waren auch Webseiten wohlbekannt. Ich erkannte, dass Bücher begrenzt waren, was ihre Verteilung betraf, und man immer auf eine zweite Ausgabe warten musste, bis man Änderungen vornehmen konnte. Mit einer Webseite würde man solche Probleme vermeiden und sie konnte sogar durchsucht werden.

Und weil ich die Lam-rim-Lehren der anfänglichen Ebene ernst nahm, daran zu arbeiten, einen Nutzen für mein zukünftiges Leben zu schaffen, indem ich die karmischen Ursachen dafür aufbaute, dachte ich auch, dass die positive Kraft („Verdienst“), sie auf einer Webseite der Welt zur Verfügung zu stellen, zwei karmische Auswirkungen für mich haben würde. Als eine reifende Ursache könnte sie dazu führen, in meinem nächsten Leben eine kostbare menschliche Wiedergeburt zu bekommen und als Ursache, die ihrem Resultat gleicht, könnte ich in diesem nächsten Leben an einem Ort geboren werden, wo diese Lehren auf dieser Webseite verfügbar waren, ich könnte mich instinktiv zu ihnen hingezogen fühlen und inspiriert sein, sie nicht nur in die Praxis umzusetzen, sondern auch daran zu arbeiten, sie weiter zugänglich zu machen.

Auch wenn das Erlangen solch einer Wiedergeburt so selten ist, wie das sprichwörtliche Auftauchen der blinden Schildkröte, die nur einmal alle hundert Jahre aus dem Wasser genau an dem Ort nach oben kommt, wo sie ihren Hals durch ein goldenes Joch steckt, das dort auf der Oberfläche schwimmt, sollte solch eine Wiedergeburt folgen, wenn man die Ursachen für eine kostbare menschliche Wiedergeburt aufbaut und die Umstände dafür gegeben sind. Die Methode besteht darin, strikte ethische Selbstdisziplin zu haben und sie mit der Praxis der anderen weitreichenden Geisteshaltungen (Paramitas) der Großzügigkeit und so weiter zu ergänzen, sowie angemessene Widmungsgebete der positiven Kraft konstruktiver Handlungen, die man ausführt, darzubringen. Dieser Methode bin ich, so gut es ging, gefolgt.

Beginn der Berzin Archives Webseite 

Ein paar Monate später, bevor ich selbst Schritte unternahm, auf Aldemars Vorschlag einzugehen, schrieb mir Wolfgang Saumweber, ein deutscher Geschäftsmann, den ich auf meinen Reisen kennengelernt hatte, und bot mir an eine Webseite für mich zu erstellen. Die erste Version, berzinarchives.com, ging am 1. Dezember 2001 online. Ihr Grundprinzip bestand darin, nicht-sektierisch und ohne Werbung immer kostenlos zu sein. 

Die Erfahrung, die ich beim Organisieren des großen Medizinprojektes in der UdSSR gemacht hatte, war eine Vorbereitung für mich, das Berzin Archives Projekt in einem großen Rahmen anzulegen. Um sie als verantwortlicher Direktor, Geschäftsführer und Content Manager zu führen, was ich auch heute noch tue, brachte ich mir selbst die Grundlagen der Informationstechnologie (IT) in Bezug auf den Aufbau, das Verwalten und Leiten einer komplexen Webseite bei. Rudy Hardewijk, ein niederländischer Programmierer, verbrachte einige Monate bei mir in Berlin und entwickelte die Webseite weiter. Doch dann übernahm Christian Steinert, einer meiner deutschen Studenten und Meisterprogrammierer, die Rolle des Web-Entwicklers. Steinert übersetzte auch meine Dharma-Klassen in der Buddhistischen Gesellschaft. Später nahm er am ersten dreijährigen Masters-Programm im Lama Tzong Khapa Institute teil und unterrichtete dann die täglichen Review-Sitzungen des zweiten Dreijahreskurses. Gelegentlich unterrichtet er in buddhistischen Zentren in der Schweiz, wo er momentan arbeitet und lebt.

Durch das Unterrichten in so vielen Ländern war mir bewusst, dass nicht jeder Englisch versteht; die Menschen wollen den Dharma gern in ihrer eigenen Sprache lernen. Um auf ihre Bedürfnisse einzugehen, begann ich, die Webseite ins Deutsche übersetzen zu lassen, was großen Anklang fand. Daher weitete ich die Übersetzungen im Laufe der nächsten paar Jahre langsam auf die russische und andere europäische Sprachen aus und fügte auch Chinesisch, Hindi, Tibetisch und Mongolisch hinzu. Obgleich ich nie die romanischen Sprachen studiert hatte, befähigten mich meine lateinischen Sprachkenntnisse, diese Sprachbereiche zu überwachen. Da ich so viele Jahre in Indien verbracht hatte und auch Sanskrit konnte, war es nicht schwer für mich, auch den Hindi-Bereich zu betreuen.

Während ich daran arbeitete, der Webseite mehr Inhalte hinzuzufügen, berichtete ich Seiner Heiligkeit von unserem Fortschritt, wann immer er in Europa lehrte, und bat um weitere Anweisungen. Ich übersetzte noch einige Kalachakra-Initiationen für ihn und kümmerte mich bei mehreren seiner Belehrungen um die Presse. Als es beispielsweise Verschwörungstheorien bezüglich der Motive Seiner Heiligkeit gab, im Jahr 2002 die Kalachakra-Initiation in Graz, Österreich, zu erteilen, diente ich als Sprecher für den Umgang mit der Schadensbegrenzung. Als es sowohl außerhalb als auch innerhalb des Ortes seiner Lehrveranstaltungen besonders lautstarke Anti-Dalai-Lama-Proteste gab, fragte Seine Heiligkeit mich, welche Vorschläge man den Organisatoren und lokalen Autoritäten geben konnte, um die Störungen, die sie verursachten, bestmöglich zu bewältigen.  

Aufstockung der Mitarbeiter von Berzin Archives 

Im Jahr 2003 zog Andreas Killmann nach Berlin, um für das Justizministerium der deutschen Regierung zu arbeiten, wo er noch immer als Rechtsberater tätig ist. Schon bald nahm er in der Buddhistischen Gesellschaft an meinen Unterrichtsklassen teil und wurde ein enger Freund und mein wichtigster Berater. Im Februar 2005 beriet er uns bezüglich der Geschäftsordnung der Satzung, mit der ich den deutschen gemeinnützigen Verein Berzin Archives gründete, um die Webseite zu betreuen und Aldemar stimmte zu, der Vorstandsvorsitzende zu sein. Seitdem hat sich Andreas um all unsere legalen Angelegenheiten gekümmert und sich mit Steuer- und Rechtsexperten vernetzt, sowie mit Verwaltungsbehörden, Vermietern, Banken, Versicherungsunternehmen und so weiter. Das Projekt, das im Laufe der Jahre angewachsen ist und bisweilen bis zu achtzig freiberufliche Mitarbeiter hat, wurde ausschließlich durch Spenden und Zuschüsse unterstützt. Die Menschen waren äußerst großzügig.

Andreas Job im Ministerium besteht darin, neue Gesetze, die vorgeschlagen werden, zu bewerten, um herauszufinden, ob es Punkte in ihnen gibt, die mit existierenden Verordnungen oder gar Grundsätzen in der deutschen Verfassung in Konflikt stehen. Er ist ein Experte darin, Fehler zu finden und tut dies auch für unser Projekt. Ich nenne ihn „Mr. Cup Half Empty“ (wörtl. Mister „Glas halb leer“), in Bezug darauf, dass ich „Mr. Cup Half Full“ (Mister „Glas halb voll“) bin. Wann immer ich eine neue Idee für die Webseite habe, bespreche ich sie zuerst mit ihm. Er präsentiert mir dann immer die Seite, die es zu beachten gilt und weist bei dem, was ich vorschlage, auf mögliche Risiken hin. Das führt oft zu einer lebhaften Diskussion, aber für gewöhnlich muss ich irgendwann zugeben, dass er Recht hat und zusammen finden wir dann einen Mittelweg. Ich bin ausgesprochen dankbar für seine Hilfe, die Probleme des Projektes zu minimieren.

Im Jahr 2009 bat mich Seine Heiligkeit, dem meine Bemühungen des Förderns eines buddhistisch-muslimischen Dialogs bekannt waren, den Inhalt der Webseite auch der muslimischen Welt verfügbar zu machen. Im Laufe der nächsten paar Jahre fügte ich, angefangen mit dem Arabischen, sieben islamische Sprachen hinzu und um sie betreuen zu können, brachte ich mir selbst die arabische Schrift bei. 

Da ich durch das Studium in meiner Kindheit über grundlegende hebräische Grammatik und Rechtschreibung verfügte, konnte ich Jahre später für eine vergleichende Studie zur Liebe im Buddhismus und Islam Forschungen in der ursprünglichen arabischen Sprache betreiben. Hier hatte mir wiederum der Sinologie-Forschungskurs gelehrt, meinen Einfallsreichtum zu benutzen. Indem ich eine arabische Suchmaschine des Koran benutzte, konnte ich alle Verse finden, welche Flexionen des arabischen Wortes für Liebe enthielten. Durch das Konsultieren der Wort-für-Wort-Übersetzungen des Verses, konnte ich etwas über das koranische Konzept von Liebe erfahren. 

[Siehe: Die Praxis der Liebe in Buddhismus und Islam: Ein Vergleich]

Im Jahr 2001 kam Matt Linden, ein britischer professioneller Fotograf und Videograf als englischer Redaktionsleiter dazu. Er passte gut zu unserer mehrsprachigen Herangehensweise, da er fließend Chinesisch (sowohl Mandarin als auch Kantonesisch) sprach und Kenntnisse in Tibetisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Finnisch, Schwedisch und etwas Japanisch hatte. Da ich auf meinen Reisen merkte, dass viele Leute Belehrungen lieber hören als sie zu lesen, begann ich bald, Matt damit zu beauftragen, der Webseite Multimedia-Inhalte hinzuzufügen, sowohl Audio als auch Video. 

Matt hatte ich erstmals 2006 bei der Teilnahme an einer Konferenz über den kulturellen Austausch zwischen dem Islam und Tibet in London getroffen. In einer der Sitzungen kam Joona Repo, ein finnischer Doktorand in der Schule Orientalischer und Afrikanischer Studien (SOAS), zu mir und teilte mir mit, welch großen Nutzen er aus der Berzin Archives Webseite gezogen hatte. Matt, der gerade die SOAS abgeschlossen hatte, war sein Partner und beide schlossen sich mir am nächsten Tag zum Essen an. Seitdem standen wir in Kontakt und trafen uns, wann immer Seine Heiligkeit in Europa Belehrungen gab. Beide waren zwei Jahre an der Lhasa Universität und haben danach in Dharamsala studiert. 

Joona wurde später der FPMT (Foundation for the Preservation of the Mahayana Tradition) Übersetzungskoordinator. 

Im Jahr 2013 trat Yury Milyutin, ein russischer digitaler Marketingstratege unserem Team als mein Assistent bei. Im Alter von 15 Jahren hatte er die Meisterschaft im Video-Strategiespiel von ganz Russland gewonnen. Als junger Mann, der in Kiew in der Ukraine als Yoga-Lehrer arbeitete, kam er am Ende eines Seminars, das ich dort gab, zu mir und wie mit Aldemar bin ich danach mit ihm in Kontakt geblieben und traf ihn, wann immer ich in Kiew lehrte. Als er Interesse daran zeigte, für die Webseite zu arbeiten, lud ich ihn nach Berlin ein.  

Umbenennen von Berzin Archives zu Study Buddhism 

Im Jahr 2015 war die Programmierung der Webseite veraltet und obwohl „Berzin Archives“ mittlerweile eine wohlbekannte „Marke“ war, entschied ich mich, das Gestalten einer neuen Webseite in Auftrag zu geben. Für Marketing-Zwecke empfahl Yury den Namen zu ändern. Zunächst war ich gegen die Idee, aber nachdem ich darüber nachgedacht hatte, erkannte ich, dass mein Widerstand aus meiner Anhaftung an „meine Webseite“ kam. Nachdem ich den Fehler dieser Art der Anhaftung verstand, stimmte ich der Änderung zu. Als ich nach einem neuen Namen suchte, fand ich heraus, dass „Study Buddhism“ überraschenderweise noch verfügbar war. Damit würde die Betonung von mir passenderweise mehr auf den Dharma gelegt werden. In der Zukunft wäre es auch leichter, sie in Suchmaschinen zu finden. Es war eine gewagte Sache, denn anfangs würden wir damit auf der Google-Rangliste herabfallen, aber wir entschieden uns, dieses Risiko einzugehen. So kam es, dass wir Berzin Archives zu Study Buddhism umbenannten.

Mit der Unterstützung eines großzügigen Förderers, engagierte ich das führende IT-Unternehmen in Berlin, Edenspiekermann, die neue Webseite zu gestalten, da Steinert keine Zeit mehr dafür hatte. Julia Sysmäläinen, eine preisgekrönte finnische Font- und Grafikdesignerin sowie Informationsarchitektin gestaltete das neue Format und schloss sich nach Fertigstellung des Projektes unserem Team an. Yury überwachte den Aufbau, sodass die Webseite unseren Bedürfnissen entsprach. Er blieb noch einige Jahre, um uns beim Erweitern unserer Internetpräsenz zu helfen und kehrte dann nach Kiew zurück. Als der Krieg ausbrach, konnte er mit seiner ukrainischen Frau nach Portugal fliehen.

Die neue Webseite ging im Mai 2016 online. Bald darauf fügten wir ihr eine Auswahl von Social Media Plattformen hinzu und begannen einen YouTube-Kanal https://www.youtube.com/studybuddhism, die Matt von seiner Heimatbasis in Helsinki leitet. Ich lud Maxim Severin aus Moskau, Russland, ein, der an meinen Belehrungen dort teilgenommen hatte, um als Datenanalyst mit einzusteigen und arrangierte für ihn und seine Familie, nach Berlin umzuziehen. Durch Yury stellte ich auch Andreii Zdorovtsov in Dnipro, Ukraine, ein, der als Webentwickler unser Schlüsselteam abrundete. Als der Krieg in der Ukraine ausbrach, halfen wir zuerst seiner Frau und seinen Kindern nach Deutschland zu ziehen und schließlich konnte auch er sich ihnen anschließen.

Im Laufe der Jahre habe ich seitdem mit diesem engagierten Team  die Webseite im Einklang mit den Verpflichtungen Seiner Heiligkeit weiter ausgebaut. Um grundlegende menschliche Werte und weltliche Ethik zu fördern, habe ich einen umfangreichen Teil über universale Werte hinzugefügt, denn Seine Heiligkeit hat mich ausdrücklich darum gebeten. Um religiöse Harmonie zu fördern, habe ich mich nicht nur auf die interreligiöse Harmonie zwischen dem Buddhismus und dem Islam konzentriert, sondern auch auf die interreligiöse Harmonie zwischen den verschiedenen Arten des Buddhismus. Dafür habe ich die Webseite in die Sprachen aller übrigen asiatischen buddhistischen Länder übersetzen lassen. 

Um dem Sektierertum entgegenzuwirken, hat Matt Videos von Interviews mit über fünfzig Lehrern des tibetischen und chinesischen Buddhismus, des Theravada und Lehrern aller anderen Traditionen, einschließlich dem Bön, gemacht, sowie mit Universitätsprofessoren buddhistischer Studien und Wissenschaftlern, die Forschungen zu Meditation und Tierintelligenz betreiben. Sie stehen mit Untertiteln in all unseren Sprachen auf unserem YouTube-Kanal zur Verfügung. 

Um die tibetische Sprache zu bewahren und zu fördern, habe ich unseren Bereich der tibetischen Umgangssprache auf über fünfhundert Artikel ausgeweitet. Vor kurzem hat ein tibetisches Kloster in Indien sogar um Erlaubnis gebeten, einen dieser Artikel für eine öffentliche Lehrveranstaltung, die sie durchführten, ausdrucken und verteilen zu dürfen. Und um die Freundlichkeit Indiens zu erwidern, habe ich die Webseite in zehn indischen Sprachen verfügbar gemacht.   

Im Moment, im März 2025, gibt es auf der Webseite 16.000 Artikel in unseren 37 Sprachbereichen und im Jahr 2024 wurde sie von 3,2 Millionen einzigartigen Menschen aufgerufen. Zusätzlich zu meiner administrativen Arbeit für das Projekt, recherchiere ich weiter und schreibe neue Texte, obwohl ich gerade achtzig geworden bin. 

Derzeitige Forschungen 

Dem Rat Seiner Heiligkeit folgend, mich immer auf die Nalanda-Meister zu stützen, habe ich Notizen über Karma und Unwissenheit gesammelt, analysiert und, wenn verfügbar, aus dem Sanskrit, ansonsten aus dem Tibetischen und gelegentlich aus dem Chinesischen übersetzt. Ich habe Erklärungen dazu in Bezug auf die vier Lehrsysteme organisiert. Wie die Beziehung zu einem spirituellen Lehrer, sind auch Karma und Unwissenheit Themen, die von den meisten westlichen Praktizierenden nur wenig verstanden werden. 

Momentane Meditationspraxis 

Ich führe auch eine tägliche Meditationspraxis aus, die sich im Laufe der Jahre entwickelt hat. Zuerst habe ich die langen Sadhanas all der wichtigsten Gottheiten, für die ich eine Initiation empfangen habe, auf Tibetisch praktiziert, ob sie nun mit einer lebenslangen Praxisverpflichtung verbunden waren oder nicht. Als ich die Retreats zu allen ausgeführt hatte und meine ausgedehnten Reisen begann, gab mir Seine Heiligkeit die Erlaubnis, sie alle lediglich auf die Visualisierungen, die Bodhichitta- und Leerheitsabschnitte, sowie die Mantras abzukürzen. 

Seine Heiligkeit erklärt immer, dass der wichtigste Punkt der Dharma-Praxis darin besteht, das Greifen nach einem Selbst und die Selbstbezogenheit zu überwinden. Ohne diese Ausrichtung hat das Rezitieren der Sadhanas wenig Effekt. Daher folge ich heute dem Beispiel Seiner Heiligkeit und betone stattdessen die analytische Meditation über Bodhichitta und Leerheit, auch wenn ich die abgekürzte Praxis der Sadhanas und einige andere Übungen, für die ich Verpflichtungen habe, beibehalte. Was die Leerheitsmeditation betrifft, so nutze ich die fünf großen Madhyamaka-Überlegungen und die Verse aus Chandrakirtis „Madhyamakavatara“ („Eintritt ins Madhyamaka“), die Seine Heiligkeit laut eigener Aussage selbst täglich kontempliert. Auf diese Weise integriere ich analytische Meditation über alle Themen, an denen ich gerade für die Webseite arbeite – wie beispielsweise Karma.

Während ich diesen Bericht über mein Leben schreibe, habe ich mich in meiner Leerheitsmeditation darauf konzentriert, einige der persönlichen Themen, mit denen ich umgehen musste, zu analysieren – besonders das Gefühl, das ich hatte, nicht zu existieren und die Fledermaus-gleiche Abneigung, die ich gegenüber einer soliden, festen Identität hatte. Ich wollte mehr Klarheit darüber bekommen, was die eigentliche Ursache meiner Probleme gewesen ist. Da das Ausführen solcher Analysen so eine wichtige Rolle in meinem Leben spielt und es vielleicht für einige Leser, die sich mit der Leerheit befasst haben, hilfreich ist zu erkennen, wie so eine Analyse funktioniert, werde ich beschreiben, was ich herausgefunden habe. 

Mit einer automatisch auftretenden verblendeten Auffassung in Bezug auf ein vergängliches Netzwerk (tib. ’jig-lta lhan-skyes) projiziert man ein selbst-begründetes (inhärent existierendes) Selbst als entweder identisch mit oder als Inhaber von etwas in den Aggregaten (wie die Gelübde und das Verhalten eines Mönches oder eines Laien) und greift danach als eigener wahrer Identität. Damit fällt man in das Extrem des Absolutismus – das Greifen nach einem selbst-begründeten Selbst. Wenn man auf der anderen Seite in das Extrem des Nihilismus fällt, wie es mir passiert ist, stellt man sich vor, das Selbst würde gar nicht existieren und weigert sich, es auf eine Identität zu projizieren. Somit wird man wie eine Fledermaus. Eine Variante dieser nihilistischen Sicht ist das Greifen nach einem selbst-begründeten Selbst, das keine Identität hat. Diese Variante traf mehr auf das zu, worunter ich litt.

Ein „Selbst“ entsteht nicht nur in Abhängigkeit von der Grundlage eines Kontinuums der fünf Aggregate und des geistigen Bezeichnens. Ein „Selbst“ entsteht auch abhängig vom Gegensatz eines „anderen“, jedoch nur auf der Basis, dass sowohl das Selbst als auch das andere frei von selbst-begründeter Existenz und nicht beide selbst-begründet sind. Ich griff nach meinem „Selbst“, als hätte es eine selbst-begründete Nicht-Existenz, und nach den körperlichen Empfindungen der Berührung als das „andere“, als hätte es eine selbst-begründete Existenz. Ich fühlte mich nicht wohl damit, nicht-existent zu sein und meine wahre Identität als ein Mönch, ein Laie usw. abzulehnen und dachte, dass ich durch das Berühren von Dingen, wie Fensterscheiben von Geschäften beim Entlanglaufen der Straße, begründen könnte, tatsächlich zu existieren, als könnte ich durch die Fensterläden der Geschäfte Zugang zu meiner Existenz finden. 

Es ist nun viele Jahrzehnte her, dass ich zwanghaft Fensterläden berührte, doch von den zugrundeliegenden falschen Vorstellungen, die dieses Verhalten hervorriefen, gibt es zweifellos noch immer Spuren. Je mehr ich jedoch diese Themen analysiere, die mir Schwierigkeiten bereitet haben, indem ich sie dem technischen Rahmen des Madhyamaka zuordne und entdecke, wie gut sie in diesem Rahmen beschrieben werden, desto zuversichtlicher werde ich, dass das korrekte Verständnis der Leerheit innerhalb dieses Rahmens das tiefgründigste Gegenmittel für das Leiden ist. Sicherlich kann ich nicht behaupten, die Leerheit vollkommen und korrekt verstanden zu haben, doch die Ebene dieses Verständnisses, die ich auch immer bis jetzt erreicht habe, ist ausgesprochen hilfreich gewesen und wenn andere den Rat Seiner Heiligkeit ernst nehmen und jeden Tag analytische Meditation praktizieren, bin ich mir sicher, dass auch sie einen Nutzen daraus ziehen werden.   

Zusätzlich zur analytischen Meditation praktiziere ich auch die so genannte „Überblicksmeditation“, mit der ich die Lehren wiederhole, um sie frisch im Geist zu behalten. Jeden Tag lese ich somit eine Reihe von zehn kurzen Texten, die ich zum Lam-rim, Lojong und der Leerheit gelernt habe, schnell durch. Ich nutze meine englischen Übersetzungen dieser Texte, da sie mir mehr Bedeutung vermitteln, als die tibetischen Originale. 

Auf die Idee, so zu üben, bin ich auf Reisen mit Seiner Heiligkeit und dem Ersten Serkong Rinpoche gekommen. Zwischen Terminen, im Auto oder im Flugzeug haben beide in hoher Geschwindigkeit leise Texte aus dem Gedächtnis rezitiert. Die Texte nur als Gedächtnisübung zu rezitieren, hat allerdings nur einen begrenzten Nutzen. Viel wichtiger ist, dass diese Übung eine effektive Methode ist, deren Inhalt zusammenzufügen und ihn sich in Erwiderung auf tägliche Ereignisse automatisch zu vergegenwärtigen. Sie ist die Grundlage dafür, die Dharma-Lehren in instinktives Verhalten zu übersetzen. 

Diese Methode, Vertrautheit mit den Lehren zu erlangen, steht auch im Einklang mit Serkong Rinpoches richtungsweisendem Rat, dass wir in der Lage sein sollten, uns an die gesamten Lam-rim-Lehren in einer Zeit zu erinnern, die es braucht, um einen Fuß in den Steigbügel eines Sattels zu setzen und das andere Bein über unser Pferd zu schwingen. Wenn der Tod kommt, wartet er nicht auf uns, eine Motivation festzulegen und dann langsam einen konstruktiven Geisteszustand hervorzubringen. 

Momentane körperliche Übungen 

Ein weiterer wichtiger Aspekt meines gegenwärtigen Lebens sind körperliche Übungen. Im größten Teil meines Lebens habe ich nie Sport gemacht und habe damit erst im Jahr 1999 begonnen, als ich ein Appartement mit Aldemar teilte. Zusätzlich zu seinen medizinischen Studien lehrte Aldemar Ninjutsu, den Kampfsport der Ninja-Krieger. Ich war neugierig und entschied mich, an seinem Unterricht mit all den High-School- und College-Studenten teilzunehmen. Ich nahm an den Aufwärmübungen teil und lernte, wie man ein Samurai-Schwert benutzt, was großen Spaß machte, aber schaute nur zu, als sie das Kämpfen übten. Am Ende des Unterrichts brachte ich ihnen allen Meditation bei. Die Energie und den Enthusiasmus dieser jungen Leute fand ich ziemlich anregend. Als Aldemar in seine eigene Wohnung umzog, nahm ich nicht weiter daran teil.

Im Jahr 2007 litt ich dann jedoch unter einer leichten Rückenverletzung und nachdem ich mich davon erholt hatte, ging ich auf wiederholte Bitten einiger meiner Studenten in ein Fitnessstudio und begann, Wassergymnastik und Sportübungen zu machen, um meine Rückenmuskulatur zu stärken, was eine große Hilfe war. Im Jahr 2011 sagte mir mein Wassergymnastik-Ausbilder Sebastian Werner, dass es nun, im Alter von 67, wichtig wäre, Schritte gegen altersbedingten Muskelschwund vorzugehen, um mögliche Verletzungen aufgrund von Schwäche zu vermeiden. Er erklärte mir, dass laut medizinischen Forschungen, die beste Methode darin bestehe, Gewichte zu heben. So begann ich persönlich mit ihm dreimal die Woche zu üben und lernte Gewichte zu heben. Zu meiner Überraschung fand ich heraus, dass ich ziemlich stark war und einen Körper wie mein Vater hatte. Er wäre bestimmt zufrieden und stolz, mich so zu sehen.

2019 hatte ich eine Verletzung am Handgelenk und konnte keine schweren Gewichte mehr stemmen. Doch ich setzte das Training mit Sebastian wie zuvor fort und konzentrierte mich nun auf Übungen, die meine Handgelenke nicht belasteten und mein Gleichgewicht und meine Flexibilität verbesserten. 2021 hatte ich dann einen Angina pectoris-Anfall wegen einer verstopften Herzarterie und musste mir einige Stents einsetzen lassen. Ich glaube fest daran, dass all die körperlichen Übungen, die ich ausgeführt hatte, mein Leben gerettet haben. Sie hatten mein Herz gestärkt, sodass die Angina nicht zu einem Herzinfarkt führte.

Seitdem ich mich von der Operation erholt habe, trainiere ich weiter mit Sebastian und versuche, einmal die Woche schwimmen zu gehen. Da ich hochmotiviert bin, so lange wie möglich an der Webseite arbeiten zu können, ist es wichtig für mein langes Leben und meine Gesundheit, regelmäßig von meinem Schreibtisch und dem Computer wegzukommen und mich um meinen Körper zu kümmern.

Funktion einer Brücke zwischen dem Ersten und dem Zweiten Serkong Rinpoche 

Seitdem ich diese erste Vorlesung darüber gehört habe, wie der Buddhismus sich von einer Kultur zur anderen verbreitete und anpasste, war ich unbeirrt in meinem Entschluss, ebenfalls eine Brückenfunktion zwischen dem Buddhismus und der modernen Welt einzunehmen. Und genauso bin ich nie davon abgerückt, Seiner Heiligkeit zu helfen, diese Brücke zu bauen, seitdem ich versprochen habe, ihm für den Rest meines Lebens zu dienen. Somit habe ich versucht, alles, was ich getan und studiert habe, für diese Aufgabe zu nutzen. 

Darüber hinaus habe ich stets daran gearbeitet, die Lehren des Ersten Serkong Rinpoche der Welt zur Verfügung zu stellen, seitdem ich sein Schüler geworden bin. Zunächst habe ich es als sein Übersetzer getan und danach war ich wie eine Brücke zwischen ihm und seiner nächsten Inkarnation. Wann immer ich Zeit mit dem Zweiten Serkong Rinpoche verbrachte, erzählte ich ihm nicht nur zahlreiche Geschichten über das Leben seines Vorgängers, sondern gab ihm auch alles weiter, an was ich mich erinnern konnte, das er mir auf informelle Weise aus seinem riesigen Schatz des Lernens und der Erkenntnisse mitgeteilt hatte. Insbesondere habe ich ihm seine einzigartigen Interpretationen weitergegeben, die er aus seinen analytischen Meditationen bezüglich bestimmter tiefgreifender Dharma-Punkte verwirklicht hatte, damit er in seinem nächsten Leben weitermachen und seine Analyse fortführen konnte. Obwohl ich vermutet hatte, dass der Erste Serkong Rinpoche mich bewusst für diese Rolle ausgewählt und vorbereitet hatte, seine Lehren an seine nächste Inkarnation weiterzugeben, bestätigte mir Rato Khyongla Rinpoche dies vor ein paar Jahren, kurz bevor er verstarb.

Mit der Erlaubnis Seiner Heiligkeit gab ich dem jungen Tulku sogar den Lung, die mündliche Übertragung einer besonderen Linie von Tsongkhapas Text über interpretative und definitive Bedeutungen, „Drang-nges legs-bshad snying-po“, die sein Vorgänger mir und Thurman übertragen hatte. Thurman hatte an diesem Text für seine Harvard-Doktorarbeit gearbeitet, als der Erste Serkong Rinpoche und ich ihn auf einer von Rinpoches Reisen durch den Westen besuchten, und ihn um den „Lung“ gebeten. Der Vater des Ersten Serkong Rinpoche, der große Yogi Serkong Dorjechang, hatte den Lung von Tsongkhapa in einer reinen Vision empfangen, doch Rinpoche hatte ihn nie an Seine Heiligkeit weitergegeben. Rinpoche sagte mir, dass er darauf wartete, bis er eine volle Verwirklichung bezüglich einiger besonderer Erkenntnisse, die er aus dem Text erlangt hatte, bekommen würde. 

Dieser Text ist in seiner westlichen Ausgabe 303 Seiten lang und Rinpoche rezitierte ihn aus dem Gedächtnis in hoher Geschwindigkeit als Teil seiner täglichen Praxis. Mir und Thurman hatte er den Lung sogar auf die klassische Weise, also aus dem Gedächtnis, gegeben. Der Zweite Serkong Rinpoche wollte wiederum den Lung von mir bekommen und so willigte ich ein, aber musste zuerst Seine Heiligkeit um Erlaubnis bitten. Obwohl ich nie die Gelegenheit hatte, den Text zu studieren, sagte mir Seine Heiligkeit, dass es ausreichen würde, ihn vom Ersten Serkong Rinpoche gehört zu haben, um ihn weitergeben zu können. Ich musste einige Monate üben, ihn laut zu lesen, damit ich, wenn ich ihm den Lung geben würde, es auf angemessene Weise tun konnte. 

Der Erste Serkong Rinpoche hatte mir gesagt, dass Tsongkhapas „Zum Lob des abhängigen Entstehens“, die Essenz von „Drang-nges legs-bshad snying-po“ beinhaltet. Zu diesem Text hatte ich Belehrungen von Geshe Ngawang Dhargyey bekommen und ihn ins Englische übersetzt. Auch wenn ich nicht einmal dieses viel kürzere Werk aus dem Gedächtnis rezitieren kann, bin ich Rinpoches Tradition auf viel bescheidenere Weise gefolgt und habe auch diesen Text jenen hinzugefügt, die ich jeden Tag als Teil meiner Meditationssitzungen schnell lese. Genau genommen beziehe ich ihn in meine Morgen- und Abendpraxis mit ein. 

Serkong Rinpoches Leben nach dem Ablegen seiner Roben  

Nachdem er nur einen Teil der Geshe-Ausbildung im Ganden Jangtse Kloster in Südindien absolviert hatte, entschied sich der Zweite Serkong Rinpoche im Jahr 2008 seine Roben abzulegen. Er kehrte nach Dharamsala zurück und nach einer Periode der Anpassung an sein neues Leben setzte er auf Anraten Seiner Heiligkeit seine Studien im „Institute of Buddhist Dialectics“ fort. Weil er kein Mönch mehr war, konnte er nicht den Vinaya, die monastischen Verhaltensregeln, studieren, die Teil des Geshe-Studienplans sind und konnte somit keinen Geshe-Titel bekommen. Als Teil seiner Ausbildung riet ihm jedoch Seine Heiligkeit, die Gelugpa-Ausbildung, die er bekommen hatte, mit dem Studium der Nyingma-Herangehensweise ans Madhyamaka und an die Leerheitsmeditation zu ergänzen. Der Erste Serkong Rinpoche war Experte in allen vier Traditionen des tibetischen Buddhismus, besonders Gelugpa und Nyingma, und nun ist der Zweite Serkong Rinpoche in ähnlicher Weise versiert in den Gelugpa- und Nyingma-Herangehensweisen an die Leerheit.

Seine Heiligkeit empfahl Rinpoche auch sein Englisch zu verbessern und sandte ihn für zwei Jahre nach Kanada, um dort an einem College zu studieren. Diese Erfahrung, wie ein ganz normaler Student behandelt und nicht als ein Rinpoche verehrt zu werden und eine besondere Behandlung zu bekommen, hat Rinpoche geholfen, einen lockeren Umgang mit den westlichen Studenten zu haben, die nun zu seinen Belehrungen kommen. Er ist sehr persönlich und hat, wie der Erste Serkong Rinpoche, einen großen Sinn für Humor, ohne eine Kluft zwischen sich und anderen zu schaffen. 

Wie sein Vorgänger hat er auch die volle Verantwortung übernommen, den Menschen in Spiti zu helfen, wo er wiedergeboren wurde. Im Jahr 2009 gründete er die Serkong Schule in Tabo, mit einem Kindergarten und Schulunterricht bis zur zehnten Klasse, wo er die Spiti-Jugendlichen, die nach Dharamsala kommen, um ihre High School Ausbildung zu beenden, persönlich im Dharma unterrichtet. In Tabo gibt es das älteste überlebende buddhistische Kloster Indiens – es wurde vor über 1000 Jahren gegründet. Rinpoche hat sich verpflichtet, es zu bewahren. Darüber hinaus hat er in Tabo ein neues Kloster gebaut und ist verantwortlich für dessen Verwaltung. 

Im Jahr 2024 gründete er in Dharamsala die „Serkong Academy“ für das Studium buddhistischer Logik, Debatte und Philosophie für westliche, indische und tibetische Laien. Außerdem steht er im Namen von Spiti und für besondere Projekte, wie der Anerkennung des Tibetischen als offizieller Sprache Indiens, mit der Zentralregierung Indiens in Kontakt. Da er ein indischer Bürger und kein tibetischer Flüchtling ist, wird er oft gebeten, sich im Auftrag des Privatbüros Seiner Heiligkeit um offizielle Transaktionen mit der indischen Regierung zu kümmern.  

Zusätzlich zu all diesen Dingen gibt Rinpoche gelegentlich auch Belehrungen in Spiti und Dharamsala, wo er momentan lebt und hat mehrere ausländische Reisen unternommen. Er ist ein herausragender Lehrer geworden und ist gleichermaßen geschickt, Themen auf der anfänglichen und fortgeschrittenen Ebene zu erklären. Seit er begonnen hat Belehrungen zu geben, hat er unser Study Buddhism Team mit der Aufgabe betraut, die Aufnahmen davon zu sammeln und zu archivieren. Wir haben langsam damit angefangen, an diesen Aufnahmen zu arbeiten, sie zu transkribieren, wenn nötig erneut zu übersetzen, zu redigieren und sie auf unsere Webseite zu stellen. Auf diese Weise wird Study Buddhism das Fahrzeug zum Bewahren und Übertragen der Lehren der Serkong-Linie. Rinpoche ist gegenwärtig der spirituelle Ratgeber unseres Onlineprojektes. 

Gemeinsame Belehrungen mit Serkong Rinpoche in Österreich 

Da ich den Lung von Tsongkhapas Text über definitive und interpretierbare Bedeutungen, sowie auch einige Besonderheiten der Belehrungen seines Vorgängers auf ihn übertragen habe, hat mir der Zweite Serkong Rinpoche gesagt, dass er mich als einen seiner Lehrer betrachtet. Obwohl sich meine Dharma-Ausbildung und mein Verständnis nicht mit seinem messen können und ich fortwährend viel von ihm lerne und ihn als meinen Lehrer sehe, habe ich dennoch verschiedene Themen im Dharma studiert, zu denen er noch nicht die Gelegenheit hatte, sie zu lernen. Daher bat er mich letztes Jahr (2024), mich ihm in Österreich anzuschließen und ihm bei den Belehrungen zum Kapitel über die zwölf Glieder des abhängigen Entstehens aus Chandrakirtis „Prasannapada“ („Klare Worte“) zu assistieren. Jeden Abend habe ich somit die Frage- und Antwortrunden geleitet und Rinpoche gab mir die Erlaubnis, während den Vorlesungen Punkte zu klären, wenn sein Englisch oder die englische Übersetzung aus seinem Tibetischen unklar waren. Wenn er einen Punkt zu einem fortgeschrittenen Thema machte, ohne Hintergrundinformationen zu geben und die Leute nicht vertraut genug damit waren, um ihn verstehen zu können, habe ich meine Erklärungen eingefügt. Während der wochenlangen Belehrung hat sich Rinpoche für mehrere Tage nicht wohl gefühlt und mich gebeten, die Nachmittagsvorlesungen zu übernehmen, an denen die Studenten mich baten, die Morgenvorlesung zusammenzufassen und weitere Fragen stellten. Rinpoche und den Studenten gefiel diese Art der gemeinsamen Belehrung sehr. 

Wir entschieden, dass es nützlich wäre damit fortzufahren und willigten ein, es, wenn möglich, zu tun, wann immer er Belehrungen zu einem fortgeschrittenen Thema geben würde. Ich bin unsagbar dankbar für diese unerwartete Möglichkeit, dabei helfen zu können, Serkong Rinpoches Weisheit in zwei seiner Leben der Welt zugänglich machen zu können und freue mich darauf, ihm auch in den kommenden Jahren dienlich sein zu können, um anderen zu helfen.     

Abschließende Bemerkungen  

Ich habe mehrere Monate gebraucht, diese Autobiografie zu schreiben, und während dieser Zeit hatte ich die Gelegenheit, nach vielen Jahren über die Ereignisse in meinem Leben nachzudenken. Normalerweise denke ich nicht an meine Vergangenheit und es ist eine interessante Perspektive, es im Alter von 80 Jahren zu tun, wenn man sich fragt, was man hinterlassen wird und wie sich die Menschen an einen erinnern werden. Hier einige Gedanken, die ich dazu habe:

Von Natur aus bin ich ein sehr zurückgezogener Mensch und wollte mich beispielsweise nie persönlich in den sozialen Medien präsentieren. Doch als ich zugestimmt hatte, etwas über mein Leben zu schreiben, zeigte ich Catherine einen ersten Entwurf und bekam einen sehr nützlichen Rat. Sie sagte mir, dass ich meine Beziehung mit den Lesern berücksichtigen und es so umarbeiten sollte, als wäre es ein Brief an Freunde, die ich gerade kennengelernt habe, und nicht wie ein Artikel in einem Geschichtsbuch. „Lass die Menschen dich als eine Person kennenlernen, als jemanden, der in jungen Jahren Schwierigkeiten hatte und sich dem Buddhismus zuwendete, um sie zu überwinden“, riet sie mir. „Erzähl den Leuten von deinen Passionen, die dich angetrieben haben, und von den Lehrern und Freunden, die dich unterstützt und dir auf dem Weg geholfen haben. Komme aus deiner Komfortzone heraus und öffne dich deinen Schülern und Lesern!“

Zuerst sträubte ich mich dagegen, denn traditionell tun buddhistische Lehrer das nicht. Ein tibetisches Sprichwort besagt, dass der beste Lehrer jener ist, der auf der anderen Seite der Berge lebt. Es sollte einen Hauch von Mystik gegenüber der Person geben. Traditionelle tibetische Biografien von buddhistischen Lehrern werden „Namthar“ (rnam-thar) genannt, was soviel bedeutet wie „befreiende Erzählung“. Sie werden verfasst, um die Leser zu inspirieren, nach Befreiung zu streben, indem sie dem buddhistischen Pfad folgen, wie die Person des „Namthar“ es getan hat. In ihnen wird alles aufgelistet, was der Betreffende studiert und gelehrt hat, und man erfährt nur wenig vom persönlichen Leben der Person.

Nun stellt sich die Frage, ob der traditionelle „Namthar“-Stil passend für diese Aufgabe ist, seit es eine erste Generation westlicher buddhistischer Lehrer und Menschen gibt, die gern etwas über ihr Leben erfahren wollen. Wäre eine andere Herangehensweise passender und nützlicher für ein westliches Publikum? Ich entschied, dass Catherine Recht hatte und verbesserte und erweiterte den Text.

Als ich das tat, war die wichtigste Frage, die ich mir stellte, was der Zweck sein sollte, meine Lebensgeschichte mit anderen zu teilen. Derek Kolleeny, ein älterer tibetisch-buddhistischer Lehrer, der mich bat sie zu schreiben, meinte, dass es für anstrebende westliche buddhistische Übersetzer und Lehrer hilfreich sein könnte, von der harten Arbeit zu erfahren, die meine Generation in ihre Ausbildung gesteckt hat. Er hatte das Gefühl, es würde sie inspirieren, selbst hart zu arbeiten. Alles gut und schön, aber die künftige Zielgruppe auf Studybuddhism.com ist ja viel breiter aufgestellt. Ich analysierte also, um herauszufinden, welchen Nutzen die allgemeine Öffentlichkeit daraus ziehen könnte, meine Autobiografie zu lesen.  

Den Leuten nur eine interessante Geschichte zur Unterhaltung anzubieten, ist kein wirklich tiefer Grund, diesen Text zu schreiben. Und ihn zu verfassen, damit die Menschen mich kennenlernen und als eine Person schätzen, ist eher narzisstisch und nicht meine Absicht. Es ist auch nicht meine Absicht, anzugeben und andere zu beeindrucken, damit sie Ehrfurcht vor mir und dem haben, was ich geleistet habe. Als ich meinen neuen Neffen Gary bat, das korrigierte Manuskript durchzulesen, sagte er mir danach: „Du bist ein Unikat. Dein Leben war einzigartig und nichts, was jemand auf irgendeine Weise kopieren könnte.“ Dem würde ich hinzufügen, dass es, wie meine Schwester Charlotte sagte, kein Leben ist, zu dem andere einen Bezug herstellen können. Warum habe ich mir also all die Zeit genommen, dies zu schreiben?

Ich komme der Ebene der Persönlichkeiten tibetischer „Namthars“ nicht einmal nahe, doch hoffe ich, dass die Leser etwas daraus, wie aus einem „Namthar“, lernen werden, was ihnen nützen kann. Ich glaube die wichtigste Lektion ist, dass es mit einer guten Motivation, einer Menge harter Arbeit und förderlichen Bedingungen möglich ist, unseren Charakter zu transformieren und zu verbessern, wenn er Züge hat, die problematisch sind und uns unglücklich machen. Unser Charakter ist eine Kombination einer breiten Palette von Geistesfaktoren, wozu störende, wie Wut, gehören, positive, wie Mitgefühl, und neutrale, wie Konzentration. Jeder von ihnen umfasst ein Spektrum der Stärke, von schwach bis stark, mit dem sie sich manifestieren können. Obgleich wir alle bei der Geburt das Potenzial haben, sie abhängig vom Verhalten unseres früheren Lebens und den Umständen in diesem Leben, die sie entstehen lassen, innerhalb eines bestimmten Bereichs zu manifestieren, kann dieses Spektrum während unseres Lebens modifiziert werden.

In meiner Kindheit und meiner Zeit an der Uni waren meine Arroganz, meine Selbstbezogenheit und meine emotionale Unruhe beispielsweise stark, und mein Einfühlungsvermögen, mein Mitgefühl und Geistesfrieden waren schwach, doch im Laufe meines Lebens habe ich ihre Stärken umgekehrt. Obgleich ich manchmal noch immer arrogant, selbstsüchtig und emotional aufgewühlt bin, sind diese Episoden allmählich kürzer, weniger häufig und schwächer geworden. Auf der anderen Seite sind die Episoden des Einfühlungsvermögens und des Mitgefühls länger, häufiger und stärker geworden. Außerdem bin ich viel ruhiger als früher und habe einen friedlicheren Geist. All das ist auf die Güte meiner Lehrer, die mich geschult haben, zurückzuführen, sowie auf all das Studium, die Meditation und die Arbeit, die ich geleistet habe.

Gemäß den buddhistischen Lehren über Karma besteht darüber hinaus eines der Resultate unserer früheren karmischen Handlungen in dem Resultat, das der Ursache in unserer Erfahrung und in unserem Verhalten ähnelt. Das bezieht sich darauf, in Situationen zu kommen, die uns die Gelegenheit bieten, eine instinktive Art des konstruktiven oder destruktiven Verhaltens zu wiederholen. Es ist notwendig, unterscheidendes Gewahrsein zu nutzen, um zu entscheiden, ob wir die Gelegenheit nutzen etwas zu wiederholen, was der zuvor ausgeführten Handlung ähnelt. Wenn also eine einzigartige Gelegenheit auftaucht, etwas zu tun, wozu man in der Lage ist und man nach logischem Analysieren schlussfolgert, dass es sowohl für einen selbst als auch für andere nützlich ist, sollte man es riskieren, die Gelegenheit zu nutzen. Alles im Leben ist riskant, doch mit harter Arbeit und guter Motivation wird man eine bessere Chance haben, erfolgreich zu sein.

In meinem Leben ergaben sich zum Beispiel zwei Situationen zur gleichen Zeit. Eine war die Möglichkeit, mit den tibetischen buddhistischen Meistern in Dharamsala zu studieren und Texte für Seine Heiligkeit den Dalai Lama zu übersetzen, und die andere war, mich auf den Weg zu begeben, ein Professor an der Cornell Universität zu werden. Für beides hatte ich die Instinkte und Neigungen. Die Erklärung der Karma-Lehre wäre, dass in diese Situationen zu kommen und diese Instinkte zu haben das Resultat war, früher ein buddhistischer Lehrer und Übersetzer gewesen zu sein. Das ist die buddhistische Erklärung, ob wir nun an frühere Leben glauben oder nicht.

Ich hätte wählen können, einem dieser Pfade zu folgen oder sogar, etwas anderes zu tun, aber für mich war die Entscheidung klar. Die Instinkte, die mich nach Indien, zu den Tibetern und zum Dalai Lama zogen, waren zwingender als jene einer Karriere des Lehrens an der Universität oder etwas anderes. Obwohl es riskant war, nach Indien zurückzukehren, ging ich dorthin und zog den vollen Nutzen der Möglichkeiten dort. Dasselbe war der Fall, als ich mich entschied in Princeton Chinesisch zu studieren, in den kommunistischen Ländern zu lehren und in den Westen zurückzukehren, um in Berlin zu leben. Der Punkt ist, dass wir diese Richtlinie der goldenen Möglichkeiten, die im Leben auftauchen, nutzen sollten, wie uns auch in den Lam-rim-Lehren des Stufenpfade geraten wird, die Chance, eine kostbare menschliche Wiedergeburt bekommen zu haben, zu nutzen.

Ich bete, dass ihr durch das Lesen meines Beispiels die Möglichkeiten, die sich für euer Wachstum ergeben, nutzen werdet, um in den Lebensumständen, in denen ihr euch gerade befindet, ein gütigerer Mensch zu werden und anderen von Nutzen zu sein.

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