Derek Kolleeny, ein älterer Lehrer des tibetischen Buddhismus, hat mich gebeten, meine Lebensgeschichte mit den gegenwärtigen und zukünftigen Schülern des Buddhismus zu teilen, damit sie vielleicht einen Eindruck davon bekommen, was die frühen westlichen Übersetzer und Lehrer des Buddhismus, einschließlich mir, bezüglich unserer Ausbildung, Schulung und Bemühungen durchgegangen sind, dem Dharma zu nutzen und die Lehren anderen zugänglich zu machen. Diese Schwierigkeiten, auf die wir stießen, kann man nicht mit jenen vergleichen, welche die großen Übersetzer der Vergangenheit, welche Buddhas Lehren in Asien verbreiteten, durchgegangen sind. Wir mussten nicht durch die Wüsten Zentralasien marschieren oder den Himalaya überqueren, aber bewältigten andere Herausforderungen.
Einer der Gründe, warum ich dieser Bitte nachgekommen bin, ist der, dass ich es für wichtig hielt anderen verständlich zu machen, dass die momentan vorhandenen Ressourcen zum Studieren des Buddhismus nicht einfach so und plötzlich aus dem Nichts entstanden sind. Sie wurden abhängig von sich ständig ändernden Ursachen und Bedingungen hervorgebracht. Auch wenn die Dharma-Texte unmittelbar auf unseren digitalen Geräten sichtbar sind und eine trügerische Erscheinung hervorrufen, selbst-begründet zu sein, war viel harte Arbeit durch meine Generation und Generationen vor uns nötig, um sie herbeizuführen. Dies weiter fortzusetzen, wird ebenfalls viel harte Arbeit in der Zukunft erfordern, auch wenn es in einer anderen Form geschehen wird.
Zu den verschiedenen Phasen meines Lebens gibt es mehrere Artikel auf https://studybuddhism.com/de/dr-alexander-berzin, aber hier konzentriere ich mich auf meine Kindheit, Ausbildung und Schulung, sowie darauf, wie sie meine Dharma-Tätigkeiten bis jetzt, März 2025, ermöglicht haben. Mehrere andere Leute haben mich ebenfalls wiederholt gebeten, eine Autobiografie zu schreiben. Um ihnen entgegenzukommen und nicht einfach nur aufzulisten, was ich studiert und getan habe, werde ich auch etwas über die engen Beziehungen schreiben, die ich hatte, über Personen, die ich kennengelernt habe, sowie über Ereignisse, die ich erlebt und Orte, die ich besucht habe. Ich werde auch darauf eingehen, was ich denke, aus all dem gelernt zu haben.
Indem ich meine berufliche, spirituelle und persönliche Reise, sowie die verschiedenen Herausforderungen, denen ich begegnete, darlege, werde ich versuchen ein vollständigeres und ganzheitlicheres Bild von mir zu präsentieren, als Kolleeny vielleicht erwartet hat – ein Bild, das sich eher darauf ausrichtet, was mein Lehrer, der Zweite Serkong Rinpoche dargelegt hat. In einem Chat über die Lehrer-Schüler-Beziehung, den wir vor kurzem in einem Video aufgezeichnet haben, erklärte er, dass der erste Schritt in der Beziehung zu einem spirituellen Lehrer darin besteht, die Person als ein menschliches Wesen zu betrachten, das die gleichen Bedürfnisse und Eigenschaften wie alle anderen hat. Spirituelle Lehrer, wer immer sie auch sind, werden müde und müssen sich ausruhen, sie tun gern bestimmte Dinge, um sich zu entspannen, haben Freundschaften und so weiter. Ich denke, das kann man auch auf den ersten notwendigen Schritt für eine Beziehung zu allen ausweiten.
Wenn man die Leerheit von Personen studiert hat, würde ich als zweiten Schritt hinzufügen, dies auf sie als eine Person anzuwenden. Eine Person existiert nicht wahrhaft als eine konkrete Entität, die sich nur mit einem Aspekt oder Ereignis in ihrem Leben identifiziert, noch ist eine Person in jeder Lebensphase vollkommen anders. In ähnlicher Weise existiert ein Leben nicht irgendwo in karmischen Potenzialen, von Geburt an vorherbestimmt und nur darauf wartend, sich den Umständen entsprechend zu entfalten. Auch die Ereignisse in einem Leben existieren nicht so, dass sie ohne Bemühung von unserer Seite entstanden sind und scheinbar nur durch das, was andere tun und getan haben. Ein Leben existiert nicht als eine konkrete Einheit, der man Attribute, wie „glücklich“, „unglaublich“ oder sogar „sinnvoll“ zuschreiben kann. Es existiert auch nicht als eine konkrete, unzusammenhängende Phase oder Episode, die wir als „schwierig“ oder „magisch“ betrachten können.
Vielmehr entsteht ein Leben von einem Augenblick zum nächsten, von einer Episode zur nächsten, aus Ursachen und Umständen, sowohl äußerlichen als auch innerlichen, wobei keine von ihnen, weder individuell noch kollektiv, selbst-begründet ist. Keine von ihnen existieren unabhängig, sind unabhängig tätig oder finden unabhängig statt. Aus diesem Grund entsteht ein Leben im einem zweiten Sinne unabhängig. Ein lohnenswertes Leben einer Person kann nur als „lohnenswertes Leben einer Person“ abhängig von den Worten und Konzepten entstehen und begründet werden, die konventionell als „Person“, „lohnenswert“ und „Leben“ bezeichnet werden - nichts mehr und nichts weniger.