Trügerische Wahrnehmung und selbstbestimmte oder fremdbestimmte Wahrnehmung

Trügerische Wahrnehmung oder scheinbare bloße Wahrnehmung 

Neben den standardmäßigen sieben gibt es weitere Arten der Wahrnehmung, von denen die trügerische Wahrnehmung (tib. ’khrul-shes) am ausführlichsten beschrieben wird. Die trügerische Wahrnehmung wird auch als „scheinbare bloße Wahrnehmung“ (tib. mngon-sum ltar-snang) bezeichnet, die eine bloße Wahrnehmung zu sein scheint, es jedoch nicht ist.

Die trügerische Wahrnehmung kann entweder konzeptuell oder nicht-konzeptuell sein. Sie ist eine Art der Wahrnehmung, die in Bezug auf ihr erscheinendes Objekt (tib. snang-yul) trügerisch ist. Sie vermischt und verwechselt ihr erscheinendes Objekt mit der tatsächlichen objektiven Entität (tib. rang-mtshan), die ihr beteiligtes Objekt (tib. ’jug-yul) ist.

Sie ist bezüglich darauf, was etwas tatsächlich ist, trügerisch; die verzerrte Wahrnehmung ist hingegen trügerisch bezüglich darauf, was tatsächlich existiert. Anstatt das, was erscheint, mit etwas anderem zu verwechseln – wie wir unsere Vorstellung davon, wer du bist, mit dem, wer du wirklich bist, verwechseln – würden wir mit der verzerrten Wahrnehmung das, was wir denken, wer du bist, mit etwas, was unmöglich ist, verwechseln. Zum Beispiel zu denken, der andere sei der Traumprinz oder die Traumprinzessin, der perfekte und wunderbarste Partner, den es jemals geben könnte, der wie in einem Märchen all unsere Wünsche erfüllt und mit dem wir bis an unser Ende glücklich sein werden – ist verzerrt, denn niemand kann so existieren. Halten wir hingegen eine Person für Susan und nicht Mary, während es sich tatsächlich um Mary handelt, verwechseln wir einfach nur ihre konventionelle Identität mit etwas, das es nicht gibt. Das ist der Unterschied – obwohl beides falsch ist, handelt es sich bei der Vorstellung von Mary als der Traumprinzessin um eine verzerrte Wahrnehmung, während es sich bei dem Gedanken, dass es Susan ist, um eine trügerische Wahrnehmung handelt.

Trügerische Wahrnehmung kann wiederum entweder konzeptuell oder nicht-konzeptuell sein.

Konzeptuelle trügerische Wahrnehmung 

In der konzeptuellen trügerischen Wahrnehmung ist das erscheinende Objekt eine metaphysische Entität (tib. spyi-mtshan), nämlich eine Kategorie, wie die Kategorie „Hund“. Das beteiligte Objekt ist ein tatsächlicher Hund, eine objektive Entität. Konzeptuelle Wahrnehmungen sind trügerisch, weil sie die Kategorie mit dem tatsächlichen Objekt, an dem sie beteiligt sind, vermischen und verwechseln. Was bedeutet das?

Denken wir beispielsweise an einen bestimmten Hund und ordnen ihn der allgemeinen Kategorie von Hunden zu, meinen wir, alle Hunde wären wie dieser Hund. Das ist eine Erwartung, denn wir hatten einen Hund, der gern auf unserem Schoß saß, und nun bekommen wir einen anderen Hund und gehen davon aus, dass er genauso sein wird. Das ist trügerisch, denn dieser neue Hund mag vielleicht überhaupt nicht auf unserem Schoß sitzen und das enttäuscht uns.

Mit Hunden ist das vielleicht eine Sache, aber wie verhält es sich mit einem Partner? Früher hatten wir einen Partner, der uns verlassen hat oder rücksichtslos war, was wir nun auf den nächsten Partner projizieren. Das tun wir ständig und das ist ein ziemlich gutes Beispiel. Durch eine frühere Erfahrung verallgemeinern wir etwas und projizieren aus dieser Verallgemeinerung oder Kategorie etwas auf eine andere Sache, die wir der gleichen Kategorie zuordnen.

Denkt einen Moment darüber nach, denn ich bin mir sicher, dass jeder erkennen kann, wie oft wir so genannte „falsche Projektionen“ erleben. Vielleicht haben wir mit einem buddhistischen Zentrum eine Enttäuschung erlebt und gehen dann zu einem anderen buddhistischen Zentrum und projizieren, dass wir auch dort enttäuscht werden. Oder wir gehen ins Kino, um uns einen Film anzusehen und entscheiden uns schon vorher, dass wir ihn nicht mögen werden oder dass wir die Feier nicht mögen werden. Wir haben dieses Familientreffen und es wird furchtbar werden, weil es früher keine schöne Erfahrung war.

Wir stellen uns vor, dass das, was die Kategorie in unserem Geist repräsentiert, mit allem genauso sein wird, was wir danach dieser Kategorie zuordnen. Trügerische konzeptuelle Wahrnehmung ist auch verzerrt, wenn wir beispielsweise an ein Einhorn denken. Wenn wir an ein Einhorn denken, könnten wir das geistige Bild der Zeichnung eines Einhorns haben, doch es entspricht nichts in der Realität und ist wahrscheinlich die Zeichnung eines Pferdes mit einem Horn auf dem Kopf, weil es keine wirklichen Einhörner gibt. Ein Einhorn können wir nicht wirklich visualisieren.

Das ist verzerrt und wie gesagt ist es üblich, sich zum Beispiel vorzustellen, dass Dinge nicht wie in einem Märchen sind: „Wenn wir dies oder jenes tun, werden wir glücklich sein bin an unser Lebensende.“ Das ist ein Märchen, wenn wir es auf diese Weise konzeptuell erfassen. Es entspricht nicht der Realität und ist eine Täuschung.

Nicht-konzeptuelle trügerische Wahrnehmung

Mit nicht-konzeptueller trügerischer Wahrnehmung ist das erscheinende Objekt ein geistiges Hologramm (tib. rnam-pa), während das beteiligte Objekt eine tatsächliche objektive Entität ist. In diesem Fall ist die trügerische Wahrnehmung ebenfalls verzerrt. Ein Beispiel ist, etwas Verschwommenes zu sehen oder das Tinnitus-Geräusch zu hören. Es ist nicht nur trügerisch, sondern auch verzerrt, denn was wir sehen oder hören entspricht nicht der Realität. 

Sieben Arten scheinbarer bloßer oder verzerrter Wahrnehmung 

Es gibt sieben Arten scheinbarer bloßer Wahrnehmung oder trügerischer Wahrnehmung. Die ersten sechs sind konzeptuell und die letzte ist nicht-konzeptuell. 

[1] Scheinbare bloße Wahrnehmung dessen, was trügerisch ist

Die erste ist die scheinbare bloße Wahrnehmung dessen, was trügerisch ist. Dabei handelt es sich um verzerrte konzeptuelle Wahrnehmungen, die keinen Tatsachen entsprechen, wie sich vorzustellen, Klang wäre beständig. Weitere Beispiele sind das, was wir uns vorstellen, in unseren Träumen und Fantasien zu sehen. So träumen wir beispielsweise von unserem Freund und glauben ihn tatsächlich zu sehen. Dann nehmen wir das geistige Hologramm unseres Freundes, der in unserem Traum erscheint, mit der Kategorie „unser tatsächlicher Freund“ wahr. Wir verwechseln Einbildung mit Realität.

Wenn wir träumen, erkennen wir manchmal, dass es ein Traum, doch das ist etwas anderes. Es ist nach wie vor ein Traum und entspricht nicht dem, was wir konventionell für allgemein verständliche Realität halten würden. Er ist konzeptuell. Was in unseren Träumen erscheint, besteht für gewöhnlich aus vielen verschiedenen Dingen, die wir zuvor erlebt haben. Sie werden im Traum auf oft bizarre Weise zusammengefügt, wie sie in der Realität nicht zusammenpassen würden; dennoch nehmen wir sie in den Kategorien objektiver Objekte wahr.

Dasselbe gilt für unsere Fantasien und Vorstellungen. Dazu gehört auch der Irrtum, den ein ängstliches Kind hat, wenn es denkt, es gäbe ein Monster unter dem Bett.

[2] Scheinbare bloße Wahrnehmung des Erkennens von etwas Oberflächlichem

Dabei handelt es sich um eine konzeptuelle Wahrnehmung, mit der wir ein physisches Objekt, wie einen Tisch, durch die statische Kategorie „Tisch“ oder den Geisteszustand, wie Traurigkeit, durch die statische Kategorie „Traurigkeit“ wahrnehmen. Die objektive Entität „Tisch“ besteht aus Atomen und ist nichtstatisch: sie ändert sich jeden Augenblick. Die objektive Entität „Traurigkeit“ ändert sich ebenfalls jeden Augenblick. Nehmen wir sie jedoch durch eine statische Kategorie wahr, scheinen sie wie die Kategorie statisch und teilelos zu sein. Solche konzeptuellen Wahrnehmungen sind nicht verzerrt, weil es tatsächlich objektive allgemein verständliche Objekte wie Tische gibt, die feststehend sind, sowie Stimmungen der Traurigkeit, die eine bestimmte Zeit andauern.

[3] Scheinbare bloße Wahrnehmung in einer schlussfolgernden Wahrnehmung 

Das ist die konzeptuelle Wahrnehmung einer Argumentationskette, die benutzt wird, um in der schlussfolgernden Wahrnehmung eine These aufzustellen. Solch eine konzeptuelle Wahrnehmung findet durch die drei Kategorien der Übereinkunft, der Kongruenz und der Inkongruenz statt, die eine Argumentationskette ausmachen. Hier vermischen und verwechseln wir die erscheinenden Objekte – die drei statischen Kategorien – mit den konzeptuell implizierten Objekten (tib. zhen-yul), der eigentlichen dreiteiligen Argumentationskette.

Wie gesagt haben wir in der schlussfolgernden Wahrnehmung eine dreiteilige Argumentationskette, um eine These aufzustellen, wie in dem Beispiel, das wir angeführt haben, in dem wir beweisen, dass der Lärm unseres Nachbarn aufhören wird, weil er von Menschenhand geschaffen wurde. 

  • Dieser Lärm wurde durch ein menschliches Wesen erzeugt. 
  • Alles von Menschenhand Geschaffene hat geendet, wie historische Ereignisse. 
  • Nichts ewig Andauerndes wurde von Menschenhand geschaffen, wie geistige Kontinua. 

Wenn wir diese drei Feststellungen konzeptuell wahrnehmen, ordnen wir sie den Kategorien „Übereinkunft“, „Kongruenz“ und „Inkongruenz“ einer Argumentationskette zu. Es sind die drei Feststellungen, die im Grunde die These beweisen, nicht die statischen Kategorien „Übereinkunft“, „Kongruenz“ und „Inkongruenz“. Die schlussfolgernde Wahrnehmung ist somit trügerisch, weil es scheint, als würden die Kategorien die These beweisen, nicht die Feststellungen. Dennoch stimmt es, dass die Argumentationskette die These nicht beweist.

Im Sautrantika-System sind gültige dreiteilige Argumentationsketten selbst-begründet, da sie die Fähigkeit haben, eine These zu belegen. Doch warum sollten sie aus der Prasangika-Sicht irgendetwas aus eigener Kraft beweisen? Schließlich handelt es sich bei den Dreien lediglich um Feststellungen. Wir haben nur dieses Konzept, dass sie etwas beweisen, wenn wir sie zusammenfügen.

Das bringt mich zu einem Punkt, über den ich zuweilen nachdenke. Gibt es im Universum eine inhärent existierende logische Ordnung oder sogar eine Gerechtigkeit? Und wenn es sie gibt, wo ist sie? Ist eine logische Ordnung im Universum nur etwas, das unser Geist nutzt, um das Universum zu verstehen? Wo existiert Logik? Das ist ein ziemlich spannender Punkt. Die Logik ist ja ein geistiges Konstrukt, das uns befähigt, das Universum zu verstehen. Gemäß dem Prasangika kann sie nur als ein gültiges Mittel der Wahrnehmung im Sinne geistiger Bezeichnungen mit Kategorien begründet werden. Dennoch stützen wir uns auf die Logik, um etwas Nicht-Offensichtliches zu verstehen, wie dass der Lärm meines Nachbarn irgendwann aufhören wird.

[4] Scheinbare bloße Wahrnehmung von etwas, das sich aus einer schlussfolgernden Wahrnehmung ergibt

Scheinbare bloße Wahrnehmung von etwas, das sich aus einer schlussfolgernden Wahrnehmung ergibt, ist die Wahrnehmung der Schlussfolgerung, zu der man durch eine Argumentationskette gelangt. So wie die konzeptuelle Wahrnehmung der dreiteiligen Argumentationskette, die in der Schlussfolgerung genutzt wird, trügerisch ist, ist auch die konzeptuelle Wahrnehmung der Schlussfolgerung, die durch die Argumentationskette belegt wird, trügerisch. In unserem Beispiel vermischt sie die Unbeständigkeit des Lärms unseres Nachbarn mit der statischen Kategorie „Unbeständigkeit“.  

[5] Scheinbare bloße Wahrnehmung von etwas, an das wir uns erinnern

Als nächstes kommt die scheinbare bloße Wahrnehmung von etwas, an das wir uns erinnern. Was bedeutet es, sich an etwas oder jemanden, wie zum Beispiel an unsere Mutter, zu erinnern? Sie ist nicht-konzeptuell; wir sehen sie nicht wirklich. Sie ist konzeptuell. Was ist das erscheinende Objekt, die Sache, die unserem Bewusstsein am nächsten ist, wenn wir grafisch an ein erscheinendes Objekt denken? Es ist die statische Kategorie unserer Mutter und dann der statische Spezifizierer „nichts anderes als unsere Mutter“, der festlegt, an was wir uns über sie erinnern. Hat eines dieser zwei statischen Objekte eine Form? Nein, statische Phänomene haben keine Form; stattdessen gibt es auch ein geistiges Hologramm, das unsere Mutter repräsentiert, wenn wir an sie denken.

Unsere Mutter hat ganz anders ausgesehen, als sie ein Baby war, sowie als Kind und in allen anderen Stadien ihres Lebens. Um uns jedoch an sie zu erinnern und an sie zu denken, repräsentieren wir sie nur durch ein geistiges Bild. Doch es ist trügerisch, weil sie nicht immer so aussah. Wenn wir uns an sie erinnern, denken wir, dass das, was in unserer konzeptuellen Wahrnehmung erscheint, unsere Mutter ist. Erkennt ihr, was da trügerisch ist?

Es ist recht interessant, wenn wir beispielsweise an eine Beziehung denken, die wir mit dieser oder jener Person haben. Wie denken oder erinnern wir uns daran? Wir haben etwas, das es repräsentiert. Es könnten geistige Bilder, geistige Worte oder sogar emotionale Gefühle sein, wie wenn wir unsere Beziehung mit dieser Person vermissen. Doch keines von ihnen sind die Gesamtheit der Beziehung. Sogar wenn wir eine ganze Abfolge von Gedanken über unsere Beziehung haben, denken wir dennoch nur über einen bestimmten Aspekt dieser Beziehung.

Sprechen wir über den emotionalen Grundton unserer Erinnerung, ist das natürlich eine Komplexität geistiger Faktoren, welche die Erinnerung an unsere Mutter oder das Denken an unsere Mutter begleiten. Abhängig davon, was wir nutzen, um unsere Mutter zu repräsentieren, wenn wir uns an sie erinnern, werden wir verschiedene Emotionen haben. Wir können uns an die guten oder die schwierigen Zeiten erinnern. Doch ungeachtet dessen, wie wir uns an sie erinnern oder an sie denken, basiert es auf einer Tendenz, an sie zu denken, und der Kategorie „meine Mutter“. Diese Tendenz ist eine Zuschreibung unseres Geisteskontinuums.

Denkt an Ursache und Wirkung. Nichts kann eine Ursache sein, ohne dass es eine Auswirkung gibt. Daher ist diese Tendenz, an unsere Mutter zu denken, nur so lange da, wie wir uns an sie erinnern können. Das ist wirklich interessant, wenn wir an Napoleon oder Kleopatra denken, denn niemand kann sich mehr an sie erinnern. Wir können sie uns vorstellen, doch wir können uns nicht an sie erinnern, weil wir nicht erlebt haben, sie zu sehen oder zu hören. Wenn wir uns an etwas nicht mehr erinnern können, ist es keine Erinnerung mehr und dann gibt es auch keine Tendenz mehr, sich daran zu erinnern. Vielleicht können wir sagen, dass wir immer noch ein paar unbewusste Erinnerungen an frühere Leben haben, doch in den meisten Fällen ist das ziemlich schwer zu überprüfen. Diese Tendenz, an unsere Mutter zu denken, wird jedenfalls durch bestimmte Umstände aktiviert und dann werden wir eine konzeptuelle Wahrnehmung haben, uns an sie zu erinnern.

Wenn wir uns an jemanden erinnern, der sich jeden Augenblick ändert, wie unsere Mutter, können wir sie mit zahlreichen verschiedenen geistigen Bildern repräsentieren. Doch ist es dasselbe, wenn wir uns an etwas Statisches erinnern oder an etwas Statisches denken, was sich nicht ändert, wie die Nummer 2? Sogar in solchen Fällen können wir diese Tatsache mit verschiedenen geistigen Bildern repräsentieren: zwei Finger, zwei Äpfel oder die Nummer 2, wie sie im Deutschen, Arabischen oder Chinesischen geschrieben wird. 

[6] Scheinbare bloße Wahrnehmung von etwas, das wir uns erhoffen

Die nächste ist die scheinbare bloße Wahrnehmung von etwas, das wir uns erhoffen. Bei ihr handelt es sich um eine konzeptuelle Wahrnehmung, mit der wir uns etwas vorstellen, dass noch nicht stattgefunden hat, wie das fertige Haus, das wir gerade bauen, oder die vollständige Webseite, an der wir arbeiten. Es ist eine Erwartung und wir hoffen, dass es stattfinden wird. Wir haben ein Konzept von dem fertigen Haus, eine Kategorie, die wir durch etwas darstellen, und projizieren es auf das, was noch nicht stattgefunden hat, und vermischen oder verwechseln diese zwei miteinander.

Ein weiteres Beispiel ist ein Paket, das morgen ankommen soll, also ein noch nicht stattfindendes zugestelltes Paket, mit der Kategorie eines bereits zugestellten Pakets zu verwechseln. Wir hoffen, dass das Paket, das wir morgen erwarten, ankommen wird. „Erwarten“ heißt, es wirklich zu glauben. Wir erwarten wirklich, dass es ankommen wird und natürlich können wir ziemlich enttäuscht sein, wenn nichts ankommt. Erwartungen sind ganz und gar nicht verlässlich.

Natürlich kann diese Art der trügerischen Wahrnehmung mit unentschlossenem Schwanken vermischt sein. Wir sind uns nicht wirklich sicher, was geschehen wird. Wir hoffen, dass etwas passieren wird, wie die Zustellung dieses Paketes, doch wir könnten schwanken, wenn wir darüber nachdenken, ob es ankommen wird oder nicht. Wir könnten auch vollkommen überzeugt davon sein, dass es kommen wird, und wenn es ankommt, war es eine Vermutung, eine korrekte Annahme. Was hat uns so sicher gemacht, dass es passieren wird? Wir haben einfach nur daran geglaubt und das ist kein entscheidender Grund.

Als wir beispielsweise das letzte Mal online eine ähnliche Bestellung gemacht haben, kam es nach drei Tagen an und so vermuten wir, dass auch diese Bestellung nach nur drei Tagen ankommen wird. Doch hier gibt es keine logische Durchdringung, dass es dieses Mal drei Tage dauern wird, nur weil es letztes Mal drei Tage gedauert hat. Wir vermuten, dass es genauso passieren wird und hoffen, dass es passieren wird. Wir haben ein Konzept, dass wir auf die Situation projizieren. Wir meinen, dies würde passieren, doch das ist eine trügerische Wahrnehmung.

Es wird stets gesagt, dass man in der Meditation keine Erwartungen haben, sondern einfach meditieren sollte, denn wenn man Erwartungen hat, wird man auch Enttäuschungen erleben. 

[7] Nicht-konzeptuelle scheinbare bloße Wahrnehmung

Die letzte ist die nicht-konzeptuelle scheinbare bloße Wahrnehmung. Das Beispiel ist, etwas Verschwommenes zu sehen. Wir sehen etwas ohne Brille und es sieht aus, wie etwas Verschwommenes. Es scheint, als gäbe es dort tatsächlich etwas Verschwommenes und als handele es sich dabei um eine objektive Entität, doch das entspricht nicht der Realität. Ein weiteres Beispiel ist, einen doppelten Mond zu sehen, wenn man schielt. 

Gültige Wahrnehmung, bei der die Bestimmung des Objektes durch die Wahrnehmung selbst geschieht 

Die letzte Form der Wahrnehmung, die im Text präsentiert wird, bezeichnet man als „Wahrnehmung, bei der die Bestimmung des Objektes durch die Wahrnehmung selbst geschieht“ (tib. rang-las nges-pa’i tshad-ma). Es gibt auch die „Wahrnehmung, bei der die Bestimmung des Objektes durch eine andere Wahrnehmung herbeigeführt werden muss“ (tib. gzhan-las nges-pa’i tshad-ma). Die tibetischen Begriffe dafür sind kürzer, als die englischen oder deutschen.

Ein Beispiel, das wir zuvor erwähnt haben, war, jemanden zu sehen, der die Straße entlanggeht. Wenn es offensichtlich ist, um wen es sich handelt, wissen wir, dass wir keine weiteren Informationen benötigen, um dessen Identität zu bestimmen, festzulegen oder uns gewiss darüber zu sein. Das ist eine Wahrnehmung, bei der die Bestimmung des Objektes oder die Gewissheit darüber durch die Wahrnehmung selbst geschieht. Vielleicht wissen wir auch gültig, dass die Person näher kommen muss, bevor wir tatsächlich festlegen können, um wen es sich handelt. Das ist eine Wahrnehmung, bei der wir wissen, dass sich die Bestimmung, Feststellung oder die Gewissheit bezüglich des Objektes auf eine andere Wahrnehmung stützen muss.

Es ist äußerst wichtig zu wissen, wann wir eine weitere Wahrnehmung brauchen, um uns über etwas sicher zu sein, denn viele von uns haben die Tendenz, vorschnell falsche Schlussfolgerungen zu ziehen. Wir meinen etwas verstanden zu haben und entscheiden uns, es nicht weiter hinterfragen oder analysieren zu müssen, obwohl wir es eigentlich gar nicht verstanden haben. Wir denken, wir haben in unserer Meditation genug verstanden, obwohl dem nicht so ist.

Zu wissen, dass wir nicht genügend Informationen oder Beweise haben, um uns über etwas gewiss zu sein, ist eine überaus wichtige Art der Wahrnehmung, die wir kultivieren müssen. Wenn uns zum Beispiel jemand etwas erklärt, geben wir ihm oft nicht die Chance, seine Erklärungen zu beenden. Stattdessen kommen wir zu der vorschnellen Schlussfolgerung, dass es offensichtlich ist, was die Person gerade versucht uns zu sagen. Ziemlich oft liegen wir jedoch falsch und sogar wenn wir richtig liegen, ärgert sich die andere Person, dass wir sie nicht ausreden lassen.

Ziemlich oft passiert mir das selbst. Die Ursache dafür ist Ungeduld. Weil wir ungeduldig sind, kommen wir zu der vorschnellen Schlussfolgerung, es sei ja offensichtlich, was andere meinen und sie müssten nichts weiter erklären, damit wir es verstehen. Das ist jedoch ziemlich heikel, besonders wenn die Person sich wiederholt. Da müssen wir sehr diplomatisch sein, besonders mit einer älteren Person, die sich wiederholt. Ist jedoch etwas unklar, sollten wir fragen: „Habe ich das richtig verstanden? Hast du das damit gemeint?“

Es ist wichtig zu erkennen, wenn wir uns ungewiss über etwas sind – zum Beispiel, ob wir etwas richtig gehört haben oder nicht. Das ist besonders dann wichtig, wenn wir Unterweisungen hören und die Lehrer Worte in unserer Sprache auf merkwürdige Weise benutzen und wir uns bewusst darüber sind, dass es sich nicht um ihre Muttersprache handelt. In diesen Fällen sollten wir nach der Definition des Begriffes fragen, den sie benutzt haben.

Es gibt fünf Arten gültiger Wahrnehmung, bei der die Bestimmung des Objektes durch die Wahrnehmung selbst geschieht.

[1] Gültige bloße Wahrnehmung durch reflexives Gewahrsein

Die gültige bloße Wahrnehmung durch reflexives Gewahrsein bestimmt und ist sich selbst gewiss darüber, welches all die geistigen Komponenten einer Wahrnehmung sind. Ohne sich auf eine weitere Wahrnehmung zu stützen, bestimmt und nimmt sie das Primärbewusstsein und all die Geistesfaktoren entschieden auf, welche die Wahrnehmung ausmachen, dessen Teil sie ist.

[2] Gültige yogische bloße Wahrnehmung 

Gültige yogische bloße Wahrnehmung ist sich selbst über ihr Objekt gewiss. Gemäß dem Sautrantika ist die gültige yogische bloße Wahrnehmung, mit verbundenem Shamatha und Vipashyana, eine nicht-konzeptuelle Wahrnehmung grober und subtiler Unbeständigkeit oder dem Fehlen eines groben oder subtilen unmöglichen „Selbst“. Sie muss sich nicht auf eine andere Wahrnehmung stützen, um ihr Objekt zu bestimmen und sich gewiss darüber zu sein. 

[3] Gültige schlussfolgernde Wahrnehmung 

Gültige schlussfolgernde Wahrnehmung ist sich gewiss über eine Schlussfolgerung, zu der sie durch eine Argumentationskette gekommen ist. Ist sie einmal zu einer Schlussfolgerung gekommen, muss sie sich auf nichts weiter stützen, um zu bestimmen, was sie ist.

[4] Gültige bloße sensorische Wahrnehmung von etwas, das seine Funktion erfüllt

Wenn wir etwas sehen, dass seine Funktion erfüllt, ist es offensichtlich, dass es etwas tut und dass etwas geschieht. Wir müssen uns auf nichts anderes stützen, um es zu bestimmen.

[5] Gültige bloße Sinneswahrnehmung von etwas Vertrautem

Das ist ein interessantes Beispiel. Wenn wir jemanden die Straße entlanggehen sehen, den wir jeden Tag sehen, ist es offensichtlich, dass wir wissen wer es ist. Sehe ich meine Mutter oder mein Kind jeden Tag, ist es offensichtlich, dass wir morgens nicht fragen müssen: „Wer bist du?“ Wir sind vertraut genug mit ihnen und es ist im ersten Augenblick, wenn wir sie sehen, offensichtlich, wer sie sind.

Gültige Wahrnehmung, bei der die Bestimmung des Objektes durch eine andere Wahrnehmung herbeigeführt werden muss 

Mit gültiger Wahrnehmung, bei der die Bestimmung des Objektes durch eine andere Wahrnehmung herbeigeführt werden muss, wissen wir gültig, dass weitere Informationen, weitere Wahrnehmungen, erforderlich sind, um entschieden zu bestimmen, um welches Objekt es sich handelt. Es gibt drei Arten:

[1] Gültige bloße Sinneswahrnehmung von etwas zum ersten Mal

Mit gültiger Sinneswahrnehmung von etwas zum ersten Mal sehen wir zum Beispiel etwas, wie ein neues Gerät, das wir gekauft haben, und es ist nicht offensichtlich, wie man es bedient. Im Grunde ist es recht interessant, wenn wir ein neues Gerät kaufen. Es gibt manche Leute, die meinen, keine Gebrauchsanleitungen zu brauchen, da es ja offensichtlich sei, wie man es benutzt. Doch was geschieht hier eigentlich?

Sie basieren ihre Behauptung auf früheren Erfahrungen.

Beruhend auf früheren Erfahrungen und weil es uns mit anderen Geräten auch gelungen ist, ordnen wir dieses neue Gerät der gleichen Kategorie zu und gehen davon aus, dass wir es selbst herausfinden können. Gelingt es uns, beruhte unsere Zuversicht auf Vermutung. Es war eine richtige Annahme. 

Wie ist es, wenn der neue Gegenstand ein Stuhl war? Muss man jedes Mal, wenn man einen anderen Stuhl sieht, die Gebrauchsanweisungen dazu durchlesen, wie man sich auf ihn setzt? Ist es nur eine richtige Annahme, wenn wir wissen, wie man auf dem neuen Stuhl sitzt?

Das ist ein gutes Beispiel. Wenn wir einen neuen Stuhl kaufen, brauchen wir dann eine Anleitung dafür, um uns hinzusetzen? Hier gilt es zu unterscheiden. Es gibt manche Dinge, die offensichtlich sind, wie auf einem Stuhl zu sitzen, und andere, die es nicht sind. Kaufen wir beispielsweise eine Kommode bei IKEA in 37 Einzelteilen, ist es dann offensichtlich, wie man sie zusammenbaut? Nicht wirklich.

Wo befindet sich der Faktor, der etwas offensichtlich macht?

Er befindet sich natürlich im Geist und nicht im Objekt. Meine Mutter hatte Alzheimer und starb daran. Irgendwann befand sie sich an einem Punkt, an dem sie nicht mehr wusste, wie man sich eine Brille aufsetzt. Sie wusste nicht, wie man sich ins Bett legt. Für sie waren Dinge, die für uns offensichtlich sind, nicht mehr offensichtlich. Für jemanden, der Computer zusammenbaut, mag es offensichtlich sein, wie man ein neues Gerät benutzt. Kaufen wir uns beispielsweise ein neues Smartphone und haben aufgrund unserer Vertrautheit damit viel Erfahrungen, können wir es wahrscheinlich selbst herausfinden, doch für jemanden, der vorher noch nie eins benutzt hat, wäre es nicht so offensichtlich.

Das stimmt nicht ganz. Ein Kind kann im Alter von eineinhalb Jahren herausfinden, wie ein iPad funktioniert. Es kann ein Programm darauf nutzen, ohne dass es ihm vorher jemand beigebracht hat.

Lernt ein Kind, das in der Lage ist, herauszufinden wie ein iPad funktioniert, durch Ausprobieren oder klappt es gleich beim ersten Mal?

Es lernt durch Ausprobieren.

Es muss also herumprobieren, weil die korrekte Gebrauchsweise nicht gleich offensichtlich war. 

Ein Kind mit eineinhalb Jahren versteht nicht wirklich, was es mit dem iPad macht.

Genau, man kann herausfinden, wie etwas funktioniert, aber das heißt nicht, dass man versteht, wie es funktioniert. 

Aber die meisten Menschen verstehen nicht einmal wie ihr Körper funktioniert. Und doch sind sie sich bewusst darüber, gesunde Nahrung zu essen.

Das ist richtig. Mit der Vermutung kommen wir zu einer richtigen Schlussfolgerung und vielleicht aus dem richtigen Grund. Wenn wir diese und jene Nahrung essen, werden wir uns besser fühlen; aber wir verstehen nicht wirklich warum.

Um zu essen, müssen wir in dieses Loch in unserem Gesicht, unseren Mund, Nahrung hineinstecken, und nicht in jene Löcher unserer Nase. Das Baby weiß es im Grunde nicht. Normalerweise lernen wir durch Imitieren, aber wissen wir manche Dinge nicht auch instinktiv?

Es gibt Instinkte, doch woher kommen sie? Im Buddhismus würde man sagen, aus früheren Leben. Die Wissenschaft geht von der Evolution aus, was sich ebenfalls auf frühere Leben bezieht, jedoch nicht auf unsere eigenen, sondern die früheren Leben anderer. Es gibt viele Arten von Gewohnheiten: jene, die wir in diesem Leben geschaffen haben, die aus früheren Leben kommen, Gewohnheiten verschiedener Spezies und so weiter.

Oft ist es so, dass manche Menschen überzeugt davon sind, etwas herausfinden zu können. Sie meinen, es wäre offensichtlich, wie man ein neues Gerät benutzt und sehen sich nicht einmal die Anleitungen an. Auf diese Weise machen sie es häufig kaputt. Wir sollten nicht so überheblich sein und denken, wir könnten alles selbst herausfinden und bräuchten keine Hilfe von irgendjemanden. Es ist wichtig zu wissen, wann wir Hilfe benötigen.

Das ist im Grunde sehr interessant. Entwerfen wir ein neues Gerät oder eine Webseite, wollen wir sie beispielsweise so gestalten, dass die Benutzung möglichst offensichtlich und leicht verständlich ist. Wie wissen wir, wann ein neues Design offensichtlicher und leichter zu verstehen ist, wenn man es benutzt, als das alte? Wie erkennen wir das? Wir erkennen es durch Benutzertests. Anders ausgedrückt, haben wir 100 Leute getestet und 95 waren in der Lage zu verstehen, wie man sie benutzt. Es gibt also eine 95-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass die meisten Menschen in der Lage sein werden, herauszufinden, wie man das neue Design benutzt. Wir können es jedoch nicht garantieren.

Wir basieren unsere Entscheidung, ein neues Design zu benutzen, auf eine Schlussfolgerung. Wir leiten aus dieser Testgruppe ab, dass sie die Eigenschaft der gesamten Kategorie der Menschen verkörpert, die sie benutzen werden. Das ist interessant, denn es mag so sein oder auch nicht. Unsere Annahme war das Beispiel einer trügerischen konzeptuellen Wahrnehmung. Das ist ziemlich schwierig, nicht wahr? Für Benutzertests sollte man eine Gruppe zufälliger Person auswählen. Für eine Telefonumfrage dazu, wer eine Wahl gewinnen wird, rufen die Meinungsforscher nur 1000 Menschen an, die sie zufällig auswählen. Doch warum sollte es wahr sein, dass diese bestimmte Gruppe von 1000 Menschen die gesamte Bevölkerung repräsentieren? 

Sie kalkulieren eine Fehlerspanne.

Worauf basieren wir aber unsere Kalkulation? 

Wir benutzen mathematische Formeln.

Doch worauf basieren die mathematischen Formeln? Sie basieren auf Wahrscheinlichkeit. Wie dem auch sei, es gibt verschiedene Wahlen, die stattgefunden haben, in denen alle Meinungsumfragen vorher auf eine bestimmte Person als Gewinner hingewiesen haben, während das Resultat dann ein ganz anderes war. Es ist aber nicht nötig, weiter in diese Richtung zu gehen.

Wir haben gültige bloße Sinneswahrnehmung von etwas zum ersten Mal und dann, wenn wir es beim ersten Versuch nicht herausfinden können, wissen wir, dass wir es entweder nochmal versuchen müssen oder jemand anderen fragen sollten, um Anweisungen zu bekommen.

Bloße Sinneswahrnehmung, wenn der Geist unaufmerksam ist  

Die nächste Art der gültigen Wahrnehmung, die wir benötigen um weitere Informationen zu bekommen, damit wir klären können was wir wahrnehmen, ist die bloße Sinneswahrnehmung, wenn unser Geist unaufmerksam ist. Vielleicht lesen wir gerade etwas, schauen auf unser Telefon oder sind in irgendetwas vertieft, während jemand etwas zu uns sagt. Wir schenken ihm keine Aufmerksamkeit. Dann wissen wir, dass wir die Person bitten müssen, es zu wiederholen. Wir erkennen, dass wir ihre Worte nicht wirklich wahrgenommen haben oder nicht zugehört haben, was sie gesagt hat. Wenn das passiert, ist es wichtig dies zu erkennen und sie zu bitten, es zu wiederholen.

Sinneswahrnehmung mit einer Ursache der Täuschung

Dann gibt es die Sinneswahrnehmung mit einer Ursache der Täuschung. Viele Menschen brauchen beispielsweise eine Brille zum Lesen. Sie gehen oder fahren in der Stadt herum und können die Schilder nicht richtig lesen. Hier würden wir gültig wissen, dass wir unsere Brille aufsetzen müssen, um ein Schild lesen zu können. Wir wissen, dass wir die Ursache der Täuschung, unsere schlechte Sicht, beseitigen müssen, um das Schild zu lesen.

In gewisser Hinsicht ist das gültig, denn wir wissen, dass wir unsere Brille aufsetzen müssen; doch die Wahrnehmung selbst ist natürlich verzerrt, denn wir sehen etwas verschwommen und es ist nichts Verschwommenes.

Es gibt noch ein paar mehr Themen, die in den Texten behandelt werden, doch vielleicht ist es nicht wirklich notwendig, auf sie einzugehen. Wir können eine allgemeine Vorstellung der verschiedenen Arten der Wahrnehmung von dem bekommen, was wir besprochen haben.

Rückblick 

Was haben wir bis jetzt besprochen? Wir haben die sieben grundlegenden Arten etwas wahrzunehmen besprochen: 

  • bloße Wahrnehmung;  
  • schlussfolgernde Wahrnehmung; 
  • nachfolgende Wahrnehmung;  
  • unentschiedene Wahrnehmung, mit der wir nicht mit Entschiedenheit bestimmen können, was etwas ist; 
  • Vermutung, eine korrekte Annahme, die jedoch unbeständig ist, weil ihr eine stabile Basis fehlt; 
  • unentschlossenes Schwanken, mit dem wir uns nicht zwischen diesem und jenem entscheiden können; und 
  • verzerrte Wahrnehmung.

Zusätzlich zu diesen sieben gibt es die verschiedenen Unterkategorien der trügerischen Wahrnehmung oder scheinbaren bloßen Wahrnehmung. Es scheint zum Beispiel, als würden wir tatsächlich etwas in unseren Träumen sehen, doch dabei handelt es sich mit Sicherheit nicht um Sehen und es ist auch keine bloße Wahrnehmung. Sie ist trügerisch, denn in Träumen scheint es, als wäre das, was wir sehen, real. Sogar wenn wir erkennen, dass es sich um einen Traum handelt, erscheint es nach wie vor, als wäre es echt und würde tatsächlich geschehen.

Es gibt auch die gültige Wahrnehmung, ob es offensichtlich ist, was etwas ist, oder ob wir mehr Informationen brauchen. Das ist das grundlegende Schema.

Das eigentliche Ziel im Buddhismus besteht im Allgemeinen darin, unsere Unwissenheit loszuwerden, unser mangelndes Gewahrsein bezüglich Ursache und Wirkung, und bezüglich dessen, wie wir, andere und alles existiert. Dieses mangelnde Gewahrsein loszuwerden, erfordert sowohl eine gültige Wahrnehmung von Ursache und Wirkung, sowie der Leerheit unmöglicher Weisen des Projizierens, wie Dinge existieren.

Um uns selbst von unserem mangelnden Gewahrsein zu lösen, ist es notwendig, dass wir einschätzen können, was wir wahrnehmen und wie wir es verstehen. Wir müssen in der Lage sein zu identifizieren, was an unserer Wahrnehmung falsch ist und welches die Unruhestifter sind. Die Unruhestifter sind nicht nur die Arten, etwas wahrzunehmen, sondern auch die Geistesfaktoren, all die störenden Emotionen, die zwanghaften Dränge und so weiter, die unsere Art der Wahrnehmung begleiten. Und bitte denkt daran, dass dieses mangelnde Gewahrsein und die störenden Emotionen auch gültige Arten der Wahrnehmung begleiten können. Wir müssen uns also sowohl von den ungültigen Arten der Wahrnehmung, sowie von der Unwissenheit befreien, um das Leiden und die Ursachen des Leidens loszuwerden.

Habt ihr irgendwelche Fragen dazu?

Drei Geistesfaktoren, die mit Entschiedenheit zu tun haben 

Ich habe eine Frage zur Entschiedenheit, zum Beispiel hinsichtlich des Unterschiedes zwischen schlussfolgernder Wahrnehmung und Vermutung. Könnte der Unterschied von der Person abhängen? Wir hören beispielsweise den Vokal von jemanden in einer fremden Sprache und legen uns auf das Wort fest, das er sagt. Ich bin wir vielleicht sicher, dass es ein A ist, doch eine andere Person könnte mehr Informationen benötigen und ist vielleicht etwas konservativ in ihrer Einschätzung. Was ist diese Entschiedenheit und ist sie etwas Objektives?

Ist die Entschiedenheit objektiv? Wo ist diese Entschiedenheit? Zunächst können wir nicht wirklich von Entschiedenheit sprechen, wenn wir nicht auch die Richtigkeit mit in Betracht ziehen. Wir können in Bezug auf etwas Korrektes oder etwas Falsches entschieden sein. Doch die Entschiedenheit selbst umfasst drei Geistesfaktoren: (1) auseinanderhaltendes Gewahrsein (tib. ’du-shes), (2) unterscheidendes Gewahrsein (tib. shes-rab) und (3) feste Überzeugung (tib. mos-pa).

Bleiben wir einmal bei dem Beispiel der Vokale. Wenn wir nicht auseinanderhalten können, ob eine Person im Englischen „hot“ oder „hat“ sagt, können wir nicht entschieden sein, was sie sagt, ob nun das, was wir annehmen, das sie sagt, korrekt ist oder nicht. Das Chinesische ist ein wunderbares Beispiel dafür. Jemand mag nicht in der Lage sein, die Laute „ma“ und „maa“ auseinanderzuhalten, aber das eine ist das Wort für Mutter und das andere das Wort für Pferd. Hat jemand nun Pferd oder Mutter gesagt? Wir müssen in der Lage sein, die definierenden Eigenschaften auseinanderzuhalten. Sind wir uns nicht einmal bewusst darüber, dass Töne einen Unterschied zwischen Wörtern im Chinesischen machen, werden wir nicht in der Lage sein, die zwei Worte auseinanderzuhalten.

Als ich das erste Mal nach Indien kam, um bei den Tibetern zu studieren, gab es keine Lehrbücher für die gesprochene tibetische Sprache. Mein Professor an der Universität wusste nicht einmal, wie Tibetisch ausgesprochen wird. Zunächst musste ich also den Unterschied zwischen den verschiedenen Lauten in der gesprochenen Sprache lernen. Es gibt beispielsweise acht verschiedene Laute, die für eine englischsprachige Person alle wie der Buchstabe „t“ oder „d“ klingen. Um gesprochenes Tibetisch zu sprechen und zu verstehen, ist es notwendig, sie alle auseinanderhalten zu können und wir können sie korrekt oder falsch bestimmen. Das ist der erste Geistesfaktor, den wir benötigen, um entschieden zu sein.

Der nächste Faktor ist unterscheidendes Gewahrsein, mit dem wir dem auseinanderhaltenden Gewahrsein Gewissheit hinzufügen. Auseinanderhaltendes Gewahrsein ist, dass etwas dieses und nicht jenes ist. Unterscheidendes Gewahrsein ist, dass es ganz klar dies und nicht das ist.

Der dritte Faktor ist die feste Überzeugung, mit der wir so überzeugt von unserer Entscheidung sind, dass wir durch nichts unsere Meinung ändern werden. Wovon wir überzeugt sind, kann positiv oder negativ sein. Ist es positiv und korrekt, sind wir so überzeugt, dass es das Richtige ist, was wir tun sollten und das verleiht uns Stärke. Aber wir könnten auch überzeugt von etwas Negativem und Falschem sein, und engstirnig und hartnäckig daran festhalten. Egal, was oder mit welcher Logik jemand etwas sagt, wir sind im Recht.

Diese drei Faktoren arbeiten zusammen, egal ob das, wovon wir überzeugt sind, richtig ist oder nicht. Wie wissen wir, ob es richtig ist? Es gibt verschiedene Weisen, etwas zu verifizieren. Im Sautrantika wird gesagt, dass etwas korrekt ist, wenn es funktioniert und das besagte Resultat hervorbringt. Probieren wir zum Beispiel eine Diät aus und sie funktioniert, nehmen wir ab. Und dann haben wir vielleicht den Irrglaube, das Resultat sei auf nur eine Ursache zurückzuführen. Das Gesetz des Karma besagt jedoch, dass sich das Resultat nicht nur aus einer Ursache ergibt, sondern aus einer Kombination zahlreicher Faktoren, die einen Einfluss auf die Situation haben. So sind wir beispielsweise überzeugt, dass wir aufgrund einer Tablette an Gewicht verloren haben. Dann vermuten wir, dass wir abnehmen werden, wenn wir diese Tablette einnehmen oder dieser Diät folgen. Wir haben jedoch nicht all die verschiedenen Variablen bestimmt, die einen Einfluss darauf haben, ob wir abnehmen oder nicht, wie die Art und Menge der Nahrung, die wir zu uns nehmen und ob wir auch körperliche Übungen machen.

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