Erklärung des Titels
Indem wir diese Punkte im Sinn behalten, wenden wir uns nun dem Text zu. Der Titel dieses klassischen Textes lautet auf Sanskrit „Mahayana Uttaratantra Shastra“ und auf Tibetisch „Theg-pa chen-po rgyud bla-ma‘i bstan-bcos“ („Das weitest gehende, immer währende Kontinuum. Eine Abhandlung über das umfassende Fahrzeug des Geistes“). Zur Erklärung des Titels: „Mahayana“ bedeutet: ein umfassendes Fahrzeug des Geistes. Das kann entweder ein kausales Fahrzeug sein, das zu einem Ziel führt, oder ein resultierendes Fahrzeug, zu dem man geführt wird. Es gibt bescheidene und umfassende solcher Fahrzeuge, und hier handelt es sich um umfassendes. Wenn wir hier von „umfassend“ sprechen, beinhaltet das sieben Punkte, aufgrund derer es umfassend ist.
- Es ist umfassend in seiner Ausrichtung, da es sich an den umfassendsten Schriften hinsichtlich Gebetstexten, erleuchtenden Taten und so weiter ausrichtet.
- Es ist umfassend in dem, was es verwirklicht, nämlich in den Bedeutungen der Texte.
- Es ist umfassend im Hinblick auf das tiefe Gewahrsein; es beinhaltet sämtliche Ebenen und Stufen tiefen Gewahrseins bis hin zum Ziel, der Erleuchtung.
- Es ist umfassend in der freudigen Ausdauer, um allen begrenzten Wesen (fühlenden Wesen) zu helfen und den höchsten Zustand der Erleuchtung zu erreichen, um dazu am besten in der Lage zu sein.
- Es ist ein Fahrzeug des Geistes, das umfassend ist in seinem Unterfangen, sich mit dem zu befassen, was das Ziel der beiden Bestrebungen hervorbringen wird höhere Wiedergeburt und die höchsten Zustände, Befreiung und Erleuchtung.
- Des Weiteren beinhaltet es ein umfassendes Ausmaß an geschickt anzuwendenden Methoden, um die beiden edlen Ziele zu verwirklichen.
- Und schließlich ist es umfassend im Hinblick auf den erleuchtenden Einfluss, hervorzubringen, was für einen selbst und andere von bedeutungsvollem Nutzen ist. Ein Fahrzeug des Geistes mit sieben derartig hervorragenden Eigenschaften ist das, was als „Mahayana“ bezeichnet wird: ein umfassendes Fahrzeug des Geistes.
Unter den Klassikern, die ein solches Fahrzeug erörtern, befassen sich einige mit den geistigen Zuständen des Bodhisattva-Pfades und den geistigen Ebenen, die ein Arya-Bodhisattva erlangt, andere betreffen die eigentliche Natur der Wirklichkeit und so weiter. Es gibt zahlreiche solcher Themen. Unser Text hier befasst sich vor allem mit der Läuterung des immer währenden Kontinuums des Geistes, wenn es durch flüchtige Makel getrübt ist, und da er sich auf das immer währende Kontinuum bezieht, ist im Titel das Wort „Tantra“ enthalten, das „immer währendes Kontinuum“ bedeutet. Im Wort „Tantra“ ist zudem der Begriffsinhalt von etwas enthalten, das kontinuierlich immer weiter geht, etwas, das durch die Verbindung von früheren mit späteren Momenten über die Zeit hin fortdauert. Auch dieser Begriffsinhalt vermittelt uns zweifellos ein Verständnis.
Der Begriff „immer währendes Kontinuum“ kann sich überdies auf Bedeutungen beziehen, die mit Wörtern erörtert werden, oder auf die Worte der Texte, die sie erörtern, wie es zum Beispiel der Fall ist, wenn sich das Wort „Tantra“ auf die Lehren des geheimen Mantra bezieht. Außerdem kann ein immer währendes Kontinuum etwas bedeuten, das als Grundlage geeignet ist. Da der Text vornehmlich die Tatsache erörtert, dass beruhend auf dem immer währenden Kontinuums des Geistes als Grundlage gute Eigenschaften entwickelt und Fehler entfernt werden können, kann der Begriff „immer währendes Kontinuum“ hier zweifellos auch diese Bedeutung haben. Aber wir können den Begriff „Tantra“ hier nicht in dem Sinne erklären, der ihm in der Wort-Kombination „Sutra und Tantra“ zukommt.
„Weitest gehend“ bzw., wörtlich, „überragend“ in Sinne von „letztlich“ bedeutet jüngst oder zuletzt und bezieht sich auf die letzte, die dritte Runde der Dharma-Übermittlung durch das „Sutra über die wesentlichen Faktoren für übereinstimmenden Fortschritt“ und so weiter. Dies ist die weitest gehende, jüngste oder überragende, letztliche Übermittlung. Da diese weitest gehende bzw. jüngste Darlegung aufzeigt, wie auf der Basis unseres derzeit getrübten immer währenden geistigen Kontinuums immer höhere gute Eigenschaften verwirklicht werden, ist sie das „weitest gehende“, immer währende Kontinuum.
Und außerdem ist sie eine „Abhandlung“ bzw., wörtlich, eine „Komposition, die etwas aufzeigt“, in dem Sinne, dass sie die Bedeutung der Sutras aufzeigt, die Obiges zum Inhalt haben. Daher heißt der Text „Das weitest gehende, immer währende Kontinuum. Eine Abhandlung über das umfassende Fahrzeug des Geistes“. Das ist die Erklärung des Titels. Hier hat der Verfasser einen Titel im Sinne des erörterten Gegenstands gewählt, nicht wahr?
Huldigung
Ich verneige mich vor allen Buddhas und Bodhisattvas
Diese Huldigung brachten die Übersetzer dar, die den Text ins Tibetische übertrugen und auf diese Weise Menschen die Augen öffneten.
Die sieben Vajra-Punkte
Nun folgt die Darlegung des Hauptteils des Textes. Man kann hier viele Gliederungen angeben, aber da ich keine sichere Grundlage dafür habe, eine bestimmte Gliederung als letztgültig anzuführen, ist die Angabe einer Gliederung nicht erforderlich.
(1) Buddhas, Dharma, Versammlung und die Quelle, Erleuchtung, Eigenschaften und schließlich der erleuchtende Einfluss der Buddhas: der Korpus aller Abhandlungen, kurz zusammengefasst, besteht aus diesen sieben Vajra-Punkten.
Wenn wir fragen, was der Inhalt ist, der in der Schrift „Das weitest gehende, immer währende Kontinuum“ erörtert wird, so lautet die Antwort: die sieben Vajra-Punkte. Warum wird dieser Inhalt mit dem Wort „Vajra“ bezeichnet, was „so stark wie Diamant“ bedeutet? Der Grund dafür ist folgender: Diese sieben sind so tiefgründig, dass sie als Erfahrungsgegenstand nur von den Aryas erfasst werden können – denjenigen, die geistige Pfade hoher Erkenntnis aus einfacher, unbegrifflicher Wahrnehmung der Leerheit erreicht haben. Sie gehen über den Erfahrungshorizont gewöhnlicher Wesen, Anfängern wie uns, hinaus. Sie sind also schwierig zu erkennen, und da es sich um Punkte handelt, die, sobald sie zutiefst erkannt sind, von großem, bedeutsamem Nutzen sind, werden sie Vajras, so stark wie Diamant, genannt. Die im Text erörterten Punkte, die so tiefgründig und schwierig zu erkennen sind, können durch nichts zerbrochen oder zerstört werden; sie werden daher auch in diesem Sinne Vajras, so stark wie Diamant, genannt. Die Sammlung von Worten, die sie aufzeigen, bilden also eine Erklärung, die sieben Vajra- Punkte beinhaltet, die so stark wie Diamant sind.
Welche sind die sieben Vajra-Punkte? Es handelt sich um:
- Die Buddhas, die höchsten Wesen, die wir werden können, die Endpunkte der Entwicklung zu dem, was den bedeutsamsten Nutzen für uns selbst und andere bewirkt, diejenigen, die völlig klaren Geistes sind und alle Qualitäten vollständig entfaltet haben.
- die vorbeugenden Maßnahmen – der Dharma, den sie verkünden, und zwar der Dharma, der gelehrt wird, und der Dharma, der verwirklicht wird.
- die Versammlung, der Sangha – diejenigen, die ein positives Ziel anstreben und die Maßnahmen, die im Dharma aufgezeigt werden, korrekt erkannt haben und verwirklichen, der entschlossene Sangha.
- Die Quelle (khams, Skt. dhatu) bezieht sich auf die „Buddha-Natur“, nämlich die Familienmerkmale eines Klar Entwickelten Buddha (sangs-rgyas-ky rigs, Skt. buddhagotra). Sie wird die „Gebärmutter, die den glückselig Gegangenen enthält“ (tib. bde-gshegs snying-po, Skt. sugatagarbha) genannt, was sich auf die eigentliche Natur des Geistes bezieht, die von flüchtigen Makeln getrübt ist.
- der geläuterte Zustand der Erleuchtung bzw., wörtlich, der Zustand von Läuterung und Entfaltung (byang-chub, Skt. bodhi). Wenn man zusätzlich zur, beruhend auf und aufgrund der natürlichen Reinheit des Geistes die flüchtigen Makel durch die Kraft von Gegenmittel beseitigt, wird der makellose Zustand geläuterter Entfaltung erreicht, die Erleuchtung eines Buddha. Beruhend auf diesem Zustand gibt es
- die erleuchtenden Eigenschaften (yon-tan, Skt. guna), die Bereinigung aller Unzulänglichkeiten. Es gibt insbesondere 32 Eigenschaften, die „Reifungen“ sind. Diese sind die erleuchtenden Eigenschaften eines Buddha. Was fortwährend mit diesen Eigenschaften verbunden ist, ist
- der erleuchtende Einfluss eines Buddha (´phrin-las, Skt. samudacara, Buddha-Aktivität).
Das sind die sieben Vajra-Punkte. Unter den sieben Vajra-Punkten fügt der Text dem erleuchtenden Einfluss das Wort „schließlich“ hinzu, zweifellos, um die Zählung abzusichern. Somit heißt es im Text: „... Eigenschaften und schließlich erleuchtender Einfluss ... diesen sieben Vajra-Punkten“. Haben Sie das verstanden?
Schriftliche Quellen für die sieben Vajra-Punkte
Gehen wir der Frage nach, ob Maitreya, das Licht, das uns leitet, diese sieben Vajra-Punkte von sich aus zusammenstellte oder ob er dafür schriftliche Quellen aus den Sutras unseres universellen Lehrers, des Siegreichen Meisters Buddha Shakyamuni hatte. Er hatte in der Tat solche schriftliche Quellen. Welche Sutras seine Quellen waren, ist im folgenden Vers angegeben.
(2a) Deren aufeinanderfolgende Verbindung, zurückzuführen auf die Eigenschaften, die sie definieren, in der Reihenfolge, in der sie zu verstehen sind, ist so wie in dem „Sutra, (das) von König Dharani (erbeten wurde)“.
Buddha Shakyamuni lehrte die sieben Vajra-Punkte insbesondere in dem „Sutra, das von dem Bodhisattva König Dharani Ishvara erbeten wurde“. Zweifellos trug Maitreya aber Bedeutungen und Punkte aus vielen Sutras zusammen, etwa aus dem „Sutra über die Gebärmutter, die den So-Gegangenen enthält“, dem „Sutra der Arya-Göttin Shrimala Sinhanada“, dem „Sutra, das zu dem außergewöhnlichen Entschluss anspornt“, dem „Sutra, das von dem Mädchen Vimala erbeten wurde“ und den „Prajnaparamita-Sutras“. Für seine Erklärungen in Übereinstimmung mit dem, was Buddha Shakyamuni bei zahlreichen Gelegenheiten lehrte, hatte Maitreya also eine schriftliche Quelle in den Sutras des Siegreichen Meisters, zum Beispiel in dem „Sutra, das von König Dharani erbeten wurde“.
Die Art und Weise, wie die Vajra-Punkte aufgezeigt werden
Die Frage, wie diese sieben Vajra-Punkte denn im „Sutra, das von König Dharani erbeten wurde“ aufgezeigt werden, finden wir im nächsten Vers beantwortet:
(2b) Aus seiner Einführung hat man sich dreier seiner Punkte gewahr zu werden, während vier aus der Beschreibung der Dharma-Maßnahmen derjenigen mit der geistigen Einstellung und der Siegreichen (zu entnehmen sind).
Das Einführungskapitel des „Sutra, das von König Dharani erbeten wurde“ zeigt die drei Punkte, die die drei seltenen und höchsten Juwelen betreffen. Die Kommentare weisen darauf hin, wie dies mit vielen Zitaten aus Sutra-Texten untermauert wird. Was die vier verbleibenden Punkte betrifft - die Quelle, die Erleuchtung, ihre Eigenschaften und der erleuchtende Einfluss -, so stammen diese aus der „Beschreibung der Dharma-Maßnahmen derjenigen mit geistiger Einstellung sowie der Siegreichen“.
Das Sutra erklärt die Quelle, Buddha-Natur, in seiner Beschreibung von sechzig Methoden, die diejenigen mit der geistigen Einstellung des Bodhichitta anwenden, um die Quelle, die ihre Buddha-Natur ist, zu läutern. Die Frage, welches die sechzig Dharma-Maßnahmen sind, die diejenigen mit der geistigen Einstellung des Bodhichitta verwenden, um ihre Buddha-Natur zu reinigen, wird in den Kommentaren beantwortet:
Da gibt es zuerst die vier Schmuckstücke, die das Verhalten der Bodhisattvas verschönern, nämlich die drei Schulungen und die „Maßnahmen der Aufrechterhaltung von Energie“ (tib. gzungs, Skt. dharani). Das sind die vier Schmuckstücke. Da diese Bodhisattvas ein Gewahrsein erlangt haben, das den heiligen Dharma erhellt, und frei von der Dunkelheit der Unwissenheit sind, offenbart ihr Gewahrsein die Tore des Dharma durch Vergegenwärtigung, Intelligenz, Verwirklichungen, Dharma und so weiter sehr klar. Es gibt acht Arten bzw. Aspekte des erhellenden Gewahrseins eines Bodhisattvas.
Des Weiteren gibt es sechzehn Aspekte ihres Mitgefühls. Das Mitgefühl von Bodhisattvas richtet sich auf die begrenzten Wesen, die an Problemen kranken. Indem die Wesen, die Objekte dieses Mitgefühls sind, wiederum in Gruppen unterteilt werden, werden spezielle Aspekte von Mitgefühl angegeben, etwa solche, die auf begrenzte Wesen gerichtet sind, welche unter dem Einfluss verschiedenerlei verzerrter Sichtweisen der Realität geraten sind. Wir können begrenzte Wesen unterscheiden, die vier verkehrte Sichtweisen haben, diejenigen, die nach etwas als „Ich“ und „Ich als ihr Besitzer“ greifen, und diejenigen, die mit den fünf Arten von Schleiern behaftet sind. Zudem gibt es solche, die an sechs Arten von Objekten hängen, welche die Wahrnehmung anregen, solche mit sieben Arten von Stolz und so weiter. Die sechzehn Unterteilungen des Mitgefühls rühren daher, dass es auf solche Arten begrenzter Wesen gerichtet ist.
Ferner gibt es zweiunddreißig Arten des erleuchtenden Einflusses, den Bodhisattvas besitzen. Bodhisattvas besitzen den Einfluss, andere aus dem Schlaf ihrer Unwissenheit zu erwecken, den Einfluss, diejenigen mit begrenztem Gewahrsein, welche nach den einfacheren Lehren des Hinayana streben, mit den weitreichenden und umfassenden Lehren des Mahayana zu verbinden. Sie besitzen den Einfluss, diejenigen, die keinen Wunsch nach dem Dharma verspüren, mit dem Wunsch nach Dharma zu verbinden, und so weiter. Bodhisattvas besitzen zweiunddreißig solcher Arten erleuchtenden Einflusses. Das macht zusammen sechzig Dharma-Maßnahmen. Das Kapitel des „Sutra, das von König Dharani erbeten wurde“, das diese sechzig Maßnahmen darlegt, mit denen Bodhisattvas ihre Buddha-Natur läutern, zeigt auf gründliche Weise die Quelle auf, die zu reinigen ist. – Das sind die Erklärungen zu den „Dharma-Maßnahmen derjenigen mit der geistigen Einstellung“.
Was die „Dharma-Maßnahmen der Siegreichen“ betrifft, so zeigt das Kapitel, welches die Dharma-Maßnahmen der siegreichen Buddhas schildert, die übrigen drei Vajra-Punkte auf, nämlich makellose Erleuchtung, ihre Eigenschaften und ihr erleuchtender Einfluss. Die Dharma-Maßnahmen der Erleuchtung der siegreichen Buddhas sind die sechzehn Aspekte des Mitgefühls, die den Zustand der Erleuchtung charakterisieren. Von ihnen wird gesagt, dass sie wurzellos und nicht-verweilend, gelassen beruhigt und darüber hinaus beruhigt sind, dass sie mit natürlichem klaren Licht verbunden sind, nichts anzunehmen oder zurückzuweisen haben und so weiter. Zur Erleuchtung gehören sechzehn Dharma-Mittel wie diese, und das große Mitgefühl der siegreichen Buddhas hat sechzehn Aspekten, die nach den verschiedenen Objekten unterschieden werden, auf die sie gerichtet sind. Das Mitgefühl eines Buddha richtet sich auf begrenzte Wesen, die die jeweils entsprechenden sechzehn Maßnahmen noch nicht erlangt haben, und die die Bedeutung der Art und Weise, wie Erleuchtung besteht, noch nicht wirklich erkannt haben. Das Kapitel, das diese sechzehn Aspekte des Mitgefühls im Zustand der größtmöglichen Läuterung und Entfaltung darlegt, zeigt die Erleuchtung auf.
Die guten Eigenschaften der Buddhas zeigen sich in den zehn Kräften, den vier Verkündigungen der Furchtlosigkeit der Buddhas und den achtzehn Maßnahmen, die sie nicht mit den Arhats (befreite Wesen) gemein haben. Da jede dieser zweiunddreißig Eigenschaften – die zehn Kräfte, vier furchtlosen Verkündigungen und achtzehn besonderen Maßnahmen – als spezielle Ursache dafür wirkt, begrenzte Wesen unter ihren erleuchtenden Einfluss zu bringen, zeigt diese Beschreibung auch den erleuchtenden Einfluss der Buddhas auf. – Das sind die Erklärungen zur „Beschreibung der Dharma-Maßnahmen der Siegreichen“.
Die Reihenfolge, in der die sieben Vajra-Punkte zu verstehen sind
Die Frage nach der Reihenfolge, in der die sieben Vajra-Punkte zu verstehen sind, bzw., wie wir der Reihe nach auf sie eingehen, finden wir im folgenden Vers beantwortet:
(3) Von den Buddhas, der Dharma; vom Dharma, die Gemeinschaft der Aryas; von der Gemeinschaft, der Mutterschoß, tiefes Gewahrsein, die Quelle (bis zur) letztlichen Erlangung. Indem dieses tiefe Gewahrsein erreicht wird, (erlangt man) unübertroffene Erleuchtung, die Kräfte und so weiter und besitzt die Dharma-Maßnahmen, die allen begrenzten Wesen bedeutsamen Nutzen bringen.
Wenn die Schritte im Rahmen unserer vergänglichen Welt erklärt werden, so ist im Allgemeinen die erste erleuchtende Handlung, die gezeigt wird – wie es bei dem universellen geistigen Lehrer, des Löwen aus der Sippe der Shakyas, der Fall war -, dass er seinen bereits früher erlangten Zustand der Buddhaschaft manifestierte. Insofern kommen die Buddhas zuerst, nicht wahr? Von den Buddhas ausgehend, werden dann die Runden der Übermittlung der Dharma-Maßnahmen in Form der Lehre in Gang gesetzt und davon ausgehend die Runden des Dharma in Form von tiefer Erkenntnis und Verwirklichung. Deshalb heißt es im Text: „Von den Buddhas, der Dharma“.
Haben die siegreichen Buddhas die Runden der Übermittlung des Dharma in Gang gesetzt, dann entsteht in dem immer währenden geistigen Kontinuum von jemandem, der den Dharma korrekt praktiziert hat, die Qualität, dass er die vier wahren Tatsachen (vier edle Wahrheiten) und so weiter mit einfacher Wahrnehmung gesehen hat. Ist dies der Fall, so erreicht diese Person die Ebene eines Mitglieds des Arya-Sangha, der Gemeinschaft höchst verwirklichter Wesen, die die Wirklichkeit erblickt haben. Da dies ausgehend von der erleuchtenden Sprache Buddhas zustande kommt bzw. eigentlich eher von dem Dharma, der durch die Runden der Übermittlung von Dharma-Maßnahmen in Gang gesetzt wurde – die Gemeinschaft der Aryas also dadurch entsteht -, ist die Gemeinschaft der Aryas der nächste Punkt, der im Text genannt wird: „vom Dharma, die Gemeinschaft der Aryas“. So wird die Reihenfolge erklärt, in der wir die Punkte verstehen sollten.
Weiter heißt es: „von der Gemeinschaft, der Mutterschoß“. Dadurch, dass die Mitglieder der Arya-Gemeinschaft die Quelle, die Buddha-Natur, in ihren immer währenden geistigen Kontinua reinigen – mit anderen Worten, dadurch, dass die tatsächlichen geistigen Pfade, die sie entwickeln, ihre Buddha-Natur von den flüchtigen, trübenden Makeln reinigen – kommt es letztlich dazu, dass sie Erleuchtung verwirklichen, den Zustand größtmöglicher Läuterung und Entfaltung. Da die Qualitäten und der erleuchtende Einfluss also aus ihrem Erlangen der Erleuchtung entstehen, heißt es im Text „von der Gemeinschaft, der Mutterschoß“.
Tatsächlich tauchen in den Kommentaren mehrere unterschiedliche Arten auf, diesen Punkt zu erklären. Zum Beispiel wird, ausgehend von der Arya-Gemeinschaft, das Entfernen von Trübungen ihrer Buddha-Natur erklärt, der Gebärmutter, die den So-Gegangenen enthält. Und aus dem Entfernen von Trübungen ihrer Buddha-Natur bzw. der Familienmerkmale eines Buddha – wörtlich die Korrektur von Unzulänglichkeiten – erwachsen die guten Eigenschaften, stimmt´s? Die Worte „von der Gemeinschaft, der Mutterschoß“ beinhalten auch diese Bedeutung.
Die Grenze des essenziellen Faktors Buddha-Natur
Es folgen die Worte „der Mutterschoß, tiefes Gewahrsein, die Quelle (bis zur) letztlichen Erlangung“ . Eine Tradition von Kommentaren besagt, dass die Mitglieder des Arya-Sangha durch die Entwicklung der fortschreitenden Ebenen höchst verwirklichten Geistes die Quelle, die Buddha-Natur in sich reinigen. Gehen wir der Frage nach, bis wann diese Quelle, der „Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält“, verbleibt, bzw., wo ihre Grenze ist, so finden wir in einer Tradition von Kommentaren die Erläuterung, dass der essenzielle Faktor tiefes Gewahrsein das makellose tiefe Gewahrsein eines Buddha ist. Bis hin zum letztlichen, endgültigen Erreichen dieses makellosen tiefen Gewahrseins eines Buddha ist die tatsächliche Realität des Geistes die Leerheit des Geistes, während sie noch nicht von all ihren flüchtigen Makeln befreit ist, das, was „Quelle“ genannt wird. Mit anderen Worten: Bis zum letztlichen Erreichen des Mutterschoßes tiefen Gewahrseins ist die tatsächliche Realität des Geistes durch flüchtige Makel getrübt. Wenn wir dies in Zusammenhang mit dem ununterbrochenen Pfad des Geistes im letzten Moment der Kontinuität von jemandem als ein begrenztes Wesen bringen, so lässt sich sagen, dass bis zu dieser Stufe – dem Moment, in dem alle flüchtigen Makel davon entfernt sind -, die eigentliche Natur, nämlich die Leerheit des tiefen Gewahrseins, „die Quelle“ oder „der Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält“, genannt wird.
Alternativ dazu wird erklärt – wobei weiterhin angenommen wird, dass der Mutterschoß tiefes Gewahrsein, das tiefe Gewahrsein eines Buddha ist -, dass es sich so verhält wie in den Fällen, in denen die Ursache mit dem Namen des Ergebnisses bezeichnet wird. Denn man muss sich auf die Quelle, die Buddha-Natur, bzw. den Mutterschoß, der den glückselig Gegangenen enthält die Leerheit des eigenen, noch getrübten tiefen Gewahrseins ausrichten, um den makellosen Schoß, tiefes Gewahrsein, offenbar zu machen. Mit anderen Worten: Dem „Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält“ – als der Ursache – wird der Name des Ergebnisses gegeben. Die Leerheit des eigenen, getrübten tiefen Gewahrseins wird „der Mutterschoß tiefes Gewahrsein“, das tiefe Gewahrsein eines Buddha, genannt. Man muss sich auf den Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält, konzentrieren, um das Ergebnis zu offenbaren, nämlich makellose Erleuchtung. Gäbe es keinen Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält, so würde das Ergebnis nicht zustande kommen – das wäre nicht möglich, wenn der Mutterschoß nicht als Ursache vorhanden wäre. Der Name des Ergebnisses wird somit als Name seiner Ursache angegeben. Innerhalb der Überlegungen im Kontext einer unbeeinflussten eigentlichen Natur, die alles umfasst, nämlich Leerheit, sind dies die Erklärungen dazu.
Wenn wir das Thema allerdings in Verbindung damit erläutern, was mittels des Tantra verstanden wird, und im Kontext des Geisteszustands von Klarheit und Gewahrsein erklären, ist das eine ganz andere Angelegenheit, nicht wahr? Aber wenn wir es in Verbindung mit der Paramita-Tradition der weitreichenden Geisteshaltungen (d.h., der Sutra-Tradition) betrachten, müssen unsere Überlegungen im Sinne eines unbeeinflussten (nicht bedingten) Phänomens verlaufen.
Logische Durchdringungen
Das Ausmaß der gegenseitigen Überlappung der Bedeutungen von „Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält“ und „natürlich verweilende Familienmerkmale eines Buddha“ ist mir nicht ganz und gar klar. Wenn wir vom „Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält“ sprechen, gibt es – wie der Text an späterer Stelle in der Begründung für die Existenz der Familienmerkmale der Buddha-Natur erklärt – drei Punkte, die diese begründen. Überdies fährt der Text ab der Stelle, die die Familienmerkmale betrifft, mit der Erläuterung der Familienmerkmale fort und erörtert zwei von ihnen. Er erklärt die natürlich verweilenden Familienmerkmale z.B. die Leerheit des geistigen Kontinuums und die sich entwickelnden Familienmerkmale z.B. das Netzwerk positiver Kräfte (Ansammlung von Verdienst). Sollen wir, da der Text zwei der Familienmerkmale erklärt, den „Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält“ (Skt. tathagata-garbha) als all diese Familien-merkmale (Skt. gotra) zusammen verstehen?
Auch wenn wir sie so verstehen, müssen wir beachten, dass die natürlich verweilenden Familienmerkmale statisch (beständig) sind. In der klassischen buddhistischen Logik heißt es: Wenn in einer Gruppe von Phänomenen sowohl beständige als auch unbeständige Phänomene enthalten sind, muss die Gesamtgruppe als beständig angesehen werden. Also müssen wir in unseren Schlussfolgerungen bezüglich der Familienmerkmale gemäß dieser logischen Regel vorgehen. Auch wenn der Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält, nicht nur einige Elemente einschließt, die beständig sind, sondern darüber hinaus auch solche, die unbeständig sind, müssen wir nichtsdestotrotz, allgemein gesprochen, notwendigerweise sagen, dass er beständig ist. Auf der anderen Seite gibt es unzweifelhaft diejenigen, die sagen, dass der Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält, sich ausschließlich auf die natürlich verweilenden Familienmerkmale bezieht, die ohne Anfang seit jeher existiert haben. Ich weiß nicht, wie ich in dieser Angelegenheit entscheiden soll.
Die gelehrtesten Meister in der Zuhörerschaft ansprechend: Wie könnte es denn sein? Wie ist die Überlappung der Bedeutung von „Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält“ und den unbeeinflussten verweilenden Familienmerkmalen? Sind sie dasselbe oder wie bestimmen wir sie? Einer von Ihnen melde sich, mir selbst ist es nicht klar. Sollten wir, wenn wir von einem „Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält“ sprechen, diesen im allgemeinen Sinne verstehen, nämlich so, dass er beides umfasst: die sich entwickelnden Familienmerkmale und die unbeeinflussten verweilenden Familienmerkmale, oder sollten wir ihn nur im Sinne der unbeeinflussten verweilenden Familienmerkmale verstehen?
Sie sagen, dass es ein allgemeiner Begriff ist. Wenn wir uns die klassischen Texte ansehen, scheint es, als sei es so. Es gibt zwei Arten von Familienmerkmalen: solche, die zusammen mit dem geistigen Kontinuum seit anfangsloser Zeit vorhanden sind, und solche, die durch einwandfreie Übung entstehen. Wenn etwas ein „Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält“ ist, muss es daher nicht notwendigerweise ein unbeeinflusstes Phänomen sein. Es heißt jedoch, dass der „Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält“ unbeeinflusst ist. Was wird in den verschiedenen Textbüchern der monastischen Hochschulen gesagt? Der emeritierte Abt Khen Rinpoche und dann Tsültrim-Rinchen, sagen Sie beide es mir. Sie sind die autoritativen Vertreter der beiden hauptsächlichen Gelug Meinungen.
Zuerst Khen Rinpoche, sagen Sie mir, ob in Ihren Textbüchern erwähnt wird, welcher der beiden Begriffe umfassender und welcher weniger umfassend ist. Es wird erwähnt? Was sagen die Textbücher dazu? Die Familienmerkmale werden als umfassender angesehen. Dann wird also der „Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält“ als das natürlich verweilende Familienmerkmal angesehen, ist es so? Er ist ausschließlich das natürlich verweilende Merkmal, nicht wahr, und die sich entwickelnden Familienmerkmale sind darin nicht mit eingeschlossen. Korrekt? Wenn etwas ein „Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält“ ist, ist es demnach logisch zwingend, dass es ein unbeeinflusstes Phänomen ist.
Inwiefern unterscheiden sich die Textbücher ihrer Klosteruniversität davon, Tsültrim-Rinchen? Heißt es darin, dass die sich entwickelten Familienmerkmale nicht im „Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält“ mit eingeschlossen sind? Sie besagen, dass sie es nicht sind, korrekt? Gut, wie ist dann die gegenseitige Durchdringung der Bedeutungen von „Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält“ und den natürlich verweilenden Familienmerkmalen? Wie erklären die Textbücher dies? Wie bestimmen sie den „Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält“? Die eigentliche Natur der Wirklichkeit des Geistes, stimmt das? Und ist dies das natürlich verweilende Familienmerkmal? Ich verstehe – das Textbuch legt das nicht explizit so dar.
Die Sichtweisen der Sakyas
Wenn die Sakyas das ursächliche immer währende Kontinuum der alles umfassenden Grundlage erklären, sagt zum Beispiel in seinen „Notizen über die Pfade und ihre Ergebnisse“, dass die Quelle, der „Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält“ der gleichzeitig auftretende Geist klaren Lichts ist; und im Hinblick darauf, ob es sich um ein beeinflusstes oder unbeeinflusstes Phänomen handelt, wird er als beeinflusstes (bedingtes) Phänomen dargestellt. Beeinflusste Phänomene können entweder physische Phänomene oder Arten von Bewusstsein oder beeinflussende Faktoren sein, die weder der einen noch der anderen Kategorie zugeordnet werden. Diesbezüglich wird er als eine Bewusstseinsart dargestellt. Und was die Zugehörigkeit zu den beiden wahren Phänomenen (den zwei Wahrheiten) betrifft, so wird er als ein oberflächlich wahres Phänomen (eine oberflächliche Wahrheit, relative Wahrheit, konventionelle Wahrheit) dargestellt, die etwas Tieferes verbirgt. So lautet die Darstellung von Kyentse-Wangchug, nicht wahr?
Mangto Ludrub-Gyatso hingegen schreibt in seinen Werken, dass er ein zutiefst wahres Phänomen (tiefste Wahrheit, letztendliche Wahrheit) ist, oder? Für die gelehrten Meister der Sakya-Tradition ist das also ein Punkt, zu dem die Experten unterschiedliche Erklärungen abgeben. Und es war der gelehrte Sakya-Meister aus Kham, Dezhung, so meine ich, der dann später eine Widerlegung dieses Standpunkts, dass er ein zutiefst wahres Phänomen sei, schrieb.
Wenn er der Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält so erklärt wird, dass er die eigentliche Natur des Geistes ist, wenn sie durch Makel getrübt ist, und als solche dargestellt wird, dann wird die eigentliche Natur des Geistes, wenn sie geläutert und entfaltet als ein Buddha hervortritt, nicht mehr als Mutterschoß gelten. Wie aber sollen wir dies verstehen, wenn wir aber im Kontext des ursächlichen immer währenden Kontinuums der alles umfassenden Grundlage – als bloße Klarheit und Gewahrsein betrachtet – darüber nachdenken? Wenn man in dem Sinne davon spricht, dass es sich um die Grundlage für das Entstehen von Samsara, Nirvana und die geistigen Pfade handelt, wäre es dann nicht besser, ihn dem tiefen Gewahrsein auf der Ebene eines Buddha zuzuordnen?
Der Mutterschoß, der den glückselig Gegangenen enthält, als unbeeinflusstes oder beeinflusstes Phänomen
Gen, verstehen Sie den Mutterschoß, der den glückselig Gegangenen enthält, so, dass er in jedem Fall unbeeinflusst ist? Sie sagen, es sei so? Nein, das ist nicht notwendigerweise der Fall. Der Mutterschoß, der den glückselig Gegangenen enthält, muss nicht notwendigerweise immer als unbeeinflusst gelten. Der alles umfassend erkennende, Gyaltsab Je selbst, schrieb in seinen Werken, dass der Mutterschoß, der den glückselig Gegangenen enthält, als dreierlei erklärt werden soll: Dazu gehören diejenigen Teile bzw. Faktoren im geistigen Kontinuum begrenzter Wesen, die es ermöglichen, dass der erleuchtende Einfluss eines Buddha eintritt und es beeinflusst. Es gibt erleuchtenden Einfluss bezüglich höherer Wiedergeburt und erleuchtenden Einfluss bezüglich der unübertrefflichen Zustände der Befreiung und der Erleuchtung. Entsprechend gibt es auch die Faktoren dafür, dass die erleuchtenden Einflüsse in Richtung auf Höheres und Unübertreffliches eintreten. Somit verliert der Mutterschoß, der den glückselig Gegangenen enthält, den Status, unbeeinflusst zu sein. Im Anschluss an die Erörterung dieses Punktes schließt Gyaltsab Je, wie es im Sutra erklärt ist, die Fähigkeiten, d.h. die Potenziale, die Eigenschaften eines Buddha hervorzubringen, in die essenziellen Faktoren, bzw. diesen Mutterschoß, mit ein. Diese Eigenschaften können nichts anderes als beeinflusste Phänomene sein.
Ferner schrieb der glorreiche Siebte Dalai Lama in seinem „Kommentar zum ‚Sutra über das zuhöchst verwirklichte tiefe Gewahrsein für den Punkt des Hinübergelangens‘“, dass der Geisteszustand bloßer Klarheit und Gewahrseins ein Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält, ist und sich zum Zustand eines Buddha entwickelt. Was den Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält, betrifft, sind also die Leerheiten der Phänomene, die er umfasst, unbeeinflusste Phänomene, aber bezüglich der Gruppe seiner einzelnen Elemente kann man zweifellos erklären, dass es darunter unbeeinflusste Phänomene gibt. Dies gilt wahrscheinlich selbst im Kontext der Sutras. Gyaltsab Jes Äußerungen waren ja strikt und ausschließlich im Sinne der Sutras gemacht worden. Auch in diesem Kontext ist also der Mutterschoß, der den So-Gegangenen enthält, nicht in jedem Fall ein unbeeinflusstes Phänomen.
Natürlich verweilende und sich entwickelnde Merkmale
Doch kann es, was die Kombination von Unbeeinflussbarkeit und Familienmerkmalen eines Buddha betrifft, unter den natürlich verweilenden Familienmerkmalen einige geben, die beeinflusste Phänomene sind? Diesbezüglich schwanke ich etwas in meiner Beurteilung. Versuchen wir, die sich entwickelnden und die natürlich verweilenden Merkmale unter dem Gesichtspunkt der Begriffe dafür zu verstehen. Wenn wir von „natürlich verweilenden Familienmerkmalen“ sprechen, so sind dies Merkmale, die seit anfangsloser Zeit als Teile von uns bestehen. „Sich entwickelnde Familienmerkmale“ sind Eigenschaften, die durch Umstände und Bedingungen neu entstehen und sich durch Kultivieren von Bedingungen, z.B. indem man dem Dharma zuhört, entwickeln und zu den Körpern eines Buddha werden können – die beeinflusste Phänomene sind. Sie sind Merkmale, die durch vollkommenes Umsetzen der Dharma-Maßnahmen entstehen.
Zwar gehört zur natürlichen Beschaffenheit des Geisteszustands von bloßer Klarheit Gewahrsein, dass er sich von Augenblick zu Augenblick ändert, aber dies kann nicht als etwas dargestellt werden, dessen Natur vorher nicht existierte und das neu hergestellt werden muss. Man stellt also fest, dass das ohne Anfang ist, nicht wahr? Wenn wir also von Familienmerkmalen sprechen, die ohne Anfang, bzw. als unsere eigene Natur, vorhanden sind, müssen wir beispielsweise den ursprünglichen Geist, bzw. das gleichzeitig auftretende tiefe Gewahrsein, in Erwägung ziehen. Sie sind vorhanden, ohne einen Anfang zu haben. Sie werden nicht durch Umstände neu hergestellt. Sie sind nicht vorübergehend durch Ursachen und Bedingungen beeinflusst. Das sind Punkte, über die wir auf diese Weise im Kontext des Tantra nachdenken sollten. Und ob es angemessen ist, sie natürlich verweilende Merkmale zu nennen, weiß ich wirklich nicht.
Die Klassiker des Paramita, die Sutras, bestimmen nur die Leerheit als natürlich verweilendes Familienmerkmal. Gibt es hier (in unserem Text) Unterschiede dazu? Ist die Art der Erklärung im Kontext von „Das Weitest gehende, immer währende Kontinuum“ und in den Paramita-Sutras etwas unterschiedlich, oder ist es so, dass im Kontext der Sutras die natürlich verweilenden Familienmerkmale in jedem Fall unbeeinflusste Phänomene sind, aber im Sinne von Sutras und Tantras zusammengenommen dies zweifellos nicht immer der Fall ist? Ich weiß es wirklich nicht. Jedenfalls ist das die Art und Weise, wie es sich verhält – der essenzielle Faktor, „tiefes Gewahrsein, die Quelle (bis zur) letztlichen Erlangung“.
Die letzten drei Vajra-Punkte
Die Worte „indem dieses tiefe Gewahrsein erreicht wird“ beziehen sich auf die Tatsache, dass bis zur Erlangung des tiefen Gewahrseins eines Buddha dafür die Bezeichnung „Quelle“, „Mutterschoß, der den glückselig Gegangenen enthält“, verwendet wird. Dadurch, dass der Geist von seinen flüchtigen Makeln mitsamt deren Neigungen geläutert wird, wird ein Zustand geläuterter Größe hervorgebracht, die höchste Erleuchtung. Darauf beruhend entstehen die Eigenschaften der Kräfte und so weiter: „Indem dieses tiefe Gewahrsein erreicht wird, (erlangt man) unübertroffene Erleuchtung, die Kräfte und so weiter.“ Die letzte Zeile des Verses: „und besitzt die Dharma-Maßnahmen, die allen begrenzten Wesen bedeutsamen Nutzen bringen“ bezieht sich auf den erleuchtenden Einfluss eines Buddha, der hervorbringt, was für alle begrenzten Wesen hilfreich ist. Das ist die Erklärung der Reihenfolge, in der wir die sieben Vajra-Punkte zu verstehen haben. Lassen Sie es uns für heute dabei belassen.
Widmung
Möge alles, was ich gerade erklärt habe, in die Praxis umgesetzt werden. Möge jedwede positive Kraft, die ich durch Erklären des Dharma aufgebaut habe, dazu beitragen, dass alle Wesen dies genauso erlangen.