Abhängiges Entstehen: Nihilismus und Absolutismus vermeiden

Grundlagen 

Die Leerheit (Leere) ist eine völlige Abwesenheit von etwas Unmöglichem. Sie ist jedoch nicht die völlige Abwesenheit eines unmöglichen Objektes, wie Hühnerlippen, noch die einer unmöglichen Existenzweise, wie unabhängige Existenz. Leerheit ist die völlige Abwesenheit unmöglicher Weisen des Festlegens oder Begründens der Existenz gültig erkennbarer Objekte. Dabei geht es darum, wie wir die Tatsache beweisen, dass es gültig erkennbare Dinge gibt und sie als „dieses“ oder „jenes“ gültig erkannt werden können.

Worauf bezieht es sich, wenn wir uns fragen, wie wir die Tatsache erklären, dass Dinge existieren und gültig erkannt werden können? Es bezieht sich auf Dinge, wie Lehrer und Schüler, auf das Lehren und Lernen, den Buddhismus und das Christentum, leicht und schwierig, lang und kurz. Wie begründet man, dass es solche Dinge gibt, die wir gültig erkennen können? Einige dieser Weisen, auf die wir es begründen wollen, sind unmöglich. Die Leerheit negiert diese unmöglichen Weisen – sie ist die völlige Abwesenheit einer Wirklichkeit, die ihnen entspricht. Um jedoch Leerheit genauer zu verstehen, ist es notwendig, die Definitionen der damit verbundenen Faktoren zu kennen.

Was ist ein „gültig erkennbares Objekt“? Es wird als etwas definiert, das von eigener Wesensnatur ist und einem konventionellen Objekt entspricht. Was ist ein „konventionelles Objekt“? Es ist etwas, auf das man sich traditionell, zur Vereinfachung der Kommunikation und aus anderen praktischen Gründen, geeinigt hat, wie „eine Religion“ oder „ein spiritueller Lehrer“. Ein gültig erkennbares Objekt ist somit etwas, das beruhend auf eine Sache gültig als „dieses“ oder „jenes“ erkannt werden kann, auf die man sich traditionell geeinigt hat. So ist beispielsweise ein Lehrer auf der Grundlage einer Konvention, auf die man sich traditionell geeinigt hat und die besagt, was ein Lehrer ist und mit welchem Wort er benannt wird, ein gültig erkennbares Objekt. Ein Lehrer ist nicht von sich aus und unabhängig von all diesen Faktoren ein gültig erkennbares Objekt.

Wenn etwas von eigener Wesensnatur sein muss, damit man sich zur Vereinfachung der Kommunikation traditionell auf dieses oder jenes einigen kann, was ist dann eine Wesensnatur? Im Grunde besitzen alle gültig erkennbaren konventionellen Objekte „zwei Wesensnaturen“: eine oberflächliche Wesennatur (Verdecker-Natur, relative Natur, konventionelle Natur) und eine tiefste Wesensnatur (letztendliche Natur). 

  • Die „oberflächliche Wesensnatur“ von Objekten ist das, was gültig erkennbare Phänomene konventionell gesehen sind, wie zum Beispiel ein Lehrer oder ein Schüler. Dann stellt sich die Frage, wie man diese oberflächliche Natur begründet. Es ist verwirrend und trügerisch, dass diese oberflächliche Natur durch eine innewohnende Natur begründet zu sein scheint – also durch etwas Auffindbares auf Seiten konventioneller Objekte, das die Kraft hat, sie zu dem zu machen, was sie sind. Man kann den Begriff „innewohnende Natur“ auch mit „selbst-begründende Natur“ übersetzen – eine Natur innerhalb eines gültig erkennbaren Objektes, die ganz von sich aus begründet, was sie konventionell ist. Obgleich beispielsweise jemand konventionell ein Lehrer sein mag und dies Gültigkeit hat, scheint es, als wäre die Begründung dafür, dass die Person von Natur aus ein Lehrer ist und es ihre innewohnende Natur ist. Diese Erscheinung ist falsch.
  • Die „tiefste Wesensnatur“ von Objekten ist ihre Leerheit von selbst-begründeter Existenz (inhärenter Existenz). Weil es so etwas wie eine selbst-begründende Natur nicht gibt, die man seitens gültig erkennbarer Objekte finden kann, ist es unmöglich, dass sie ihre konventionelle Existenz als „dieses“ oder „jenes“ begründen. 

Man kann etwas nur gültig erkennbar als ein konventionelles Objekt in Bezug auf etwas anderes oder abhängig von etwas anderem begründen. Diese Tatsache nennt man „abhängiges Entstehen“.

Abhängiges Entstehen hinsichtlich der Relativität 

Viele gültig erkennbaren konventionellen Objekte können nur in Bezug auf etwas anderes begründet werden. So ist zum Beispiel der Ringfinger nicht von sich oder von Natur aus, unabhängig von allen anderen, lang oder kurz. Man kann ihn nur gültig erkennbar als „lang“ in Bezug auf den kleinen Finger erkennen. Gegenüber dem Mittelfinger ist er jedoch „kurz“. Den Ringfinger kann man also nicht durch etwas auf Seiten des Fingers selbst begründen oder beweisen. Er erscheint oder existiert nur in Bezug auf etwas anderes konventionell als lang oder kurz.

Nehmen wir einmal an, wir hätten einen Ringfinger, den man konventionell als lang betrachten würde. Wir könnten gültig sagen, dass der Ringfinger die oberflächliche Natur hat, lang zu sein, und andere würden dem zustimmen. Und wenn wir unseren Ringfinger ganz für sich betrachten, erscheint er nicht nur relativ lang; er sieht auch aus, als wäre er von Natur und ganz von sich aus ziemlich lang. Andere mögen sogar zustimmen und sagen: „Meine Güte, was für einen langen Ringfinger du hast“! Es ist jedoch unmöglich, den Ringfinger ganz von sich aus, durch die Kraft einer innewohnenden selbst-begründenden Natur als lang zu begründen. Warum ist das so? Weil es so etwas wie eine selbst-begründende Natur nicht gibt. In diesem Beispiel kann man die oberflächliche Natur des Ringfingers nur in Abhängigkeit oder relativ zum Ringfinger anderer Menschen als lang begründen. Finger können nur relativ und niemals natürlicherweise oder von sich aus lang sein.

Abhängiges Entstehen in Bezug auf Relativität und Funktionalität 

Sehen wir uns das am Beispiel von Lehrern und Schülern des Buddhismus an. Man kann Personen nur gültig erkennbar zu „Lehrern des Buddhismus“ erklären, wenn sie Schüler haben, ihnen etwas über den Buddhismus beibringen und diese Schüler etwas daraus lernen. Dies trifft zu, egal ob die Schüler persönlich bei diesen Lehrern lernen oder nur deren Bücher oder Webseite lesen und etwas von ihnen lernen. Personen können also nur als buddhistische Lehrer in Bezug auf ihre Schüler und dem Erfüllen der Funktion des Lehrens begründet werden, und deren Tätigkeit kann nur als „Lehren“ betrachtet werden, wenn die Schüler etwas dadurch lernen. 

Können sie trotzdem gültig als Lehrer des Buddhismus betrachtet werden, wenn niemand zu ihren Belehrungen kommt, sich niemand ihre Webseite ansieht und niemand etwas von ihnen lernt? Nein. Doch sogar wenn jemand Schüler hat, ihnen etwas über den Buddhismus lehrt, sie etwas daraus lernen und die Person somit gültig als buddhistischer Lehrer betrachtet werden kann, wird ihr konventionelles Dasein als Lehrer nur abhängig von diesen Faktoren begründet. Es kann nicht aufgrund einer innewohnenden Natur der Person in Erscheinung treten, das seine konventionelle Natur eines Lehrers aus eigener Kraft begründet. So etwas wie eine selbst-begründende Natur, die jemanden zu einem Lehrer erklärt, gibt es nicht.

In ähnlicher Weise kann man jemanden nur gültig erkennbar zu einem „Schüler des Buddhismus“ erklären, wenn die Person einen Lehrer hat, mit ihm zusammen den Buddhismus studiert und etwas von ihm lernt. Dies ist der Fall, egal ob die Person persönlich bei dem Lehrer lernt oder nur durch dessen Bücher oder Webseite, aber sie muss etwas von ihm lernen. Jemand kann somit nur als ein Schüler des Buddhismus in Bezug auf dessen Lehrer und dem Erfüllen der Funktion begründet werden, von ihnen etwas über den Buddhismus zu erfahren, und deren Tätigkeit kann nur als „Studieren“ betrachtet werden, wenn sie etwas daraus lernen. 

Kann die Person trotzdem gültig als Schüler des Buddhismus betrachtet werden, wenn sie nicht zu den Belehrungen des Lehrers geht oder nie die Bücher oder Webseite des Lehrers liest, und sogar wenn sie es tut, nichts daraus lernt? Nein. Doch sogar wenn Menschen Lehrer haben, etwas von ihnen über den Buddhismus lernen und somit gültig als Schüler des Buddhismus betrachtet werden können, wird ihr konventionelles Dasein als Schüler nur abhängig von diesen Faktoren begründet. Es kann nicht aufgrund einer innewohnenden Natur der Person in Erscheinung treten, die ihre konventionelle Natur eines Schülers aus eigener Kraft begründet. So etwas wie eine selbst-begründende Natur, die jemanden zu einem Schüler erklärt, gibt es nicht.

Durch diese Analyse können wir erkennen, dass es unmöglich ist, ein Schüler des Buddhismus zu sein, ohne einen buddhistischen Lehrer zu haben, sowie unabhängig davon, dass der Lehrer etwas über den Buddhismus lehrt und der Schüler tatsächlich etwas dadurch lernt. Daher können wir gültig schlussfolgern, dass sich jemand zweifelsohne auf einen buddhistischen Lehrer stützen muss, um etwas über den Buddhismus zu lernen und konventionell als ein Schüler des Buddhismus betrachtet zu werden. 

Wir können die zwei Extreme des Nihilismus und des Absolutismus im Sinne der obigen Darstellung des abhängigen Entstehens definieren. Wie gesehen, haben gültig erkennbare Objekte eine oberflächliche Natur dessen, was sie konventionell sind, wie im Beispiel eines buddhistischen Lehrers oder eines Schülers des Buddhismus. Außer im Geist von Buddhas scheint ihre oberflächliche Natur als Lehrer und Schüler des Buddhismus jedoch in der Sichtweise aller anderen durch eine selbst-begründende Natur festgelegt zu sein, die auf Seiten der Lehrer und Schüler auffindbar ist. Diese auffindbare selbst-begründende Natur scheint ihre gültige Existenz als Lehrer und Schüler des Buddhismus festzulegen, aber das tut sie nicht, da sie nicht so existieren.

Das Extrem des Nihilismus besteht darin, dass es bei jenen, die konventionell als Lehrer und Schüler des Buddhismus erkannt werden, nicht nur keine selbst-begründende Natur gibt, die auffindbar wäre und die sie als Lehrer und Schüler festlegen würde, sondern nicht einmal die oberflächliche Natur, Lehrer und Schüler zu sein. 

Was folgt aus diesem nihilistischen Extrem? Trotz der Tatsache, dass man Schüler hat, ihnen etwas über den Buddhismus lehrt und sie es lernen, kann man nicht gültig als ein Lehrer des Buddhismus erkannt werden. Man existiert nicht einmal konventionell als ein Lehrer, weil es so etwas wie Lehrer nicht gibt. Und trotz der Tatsache, dass man einen Lehrer hat und die buddhistischen Lehren von ihm lernt, kann man nicht gültig als ein Schüler des Buddhismus erkannt werden. Man existiert nicht einmal konventionell als ein Schüler, weil es so etwas wie Schüler nicht gibt. 

Hier wird eine oberflächliche Natur eines konventionellen Daseins untrennbar mit einer tatsächlichen selbst-begründenden Natur verknüpft, obwohl es nur auf trügerische Weise durch eine innewohnende selbst-begründende Natur festgelegt zu sein scheint. Aus diesem Grund wird dann die oberflächliche Natur dessen, was diese Menschen konventionell sind, zusammen mit der selbst-begründenden Natur widerlegt. Das ist ein Beispiel der zu starken Widerlegung, mit der man nicht nur eine selbst-begründende Natur, sondern auch eine oberflächliche Wesensnatur widerlegt, konventionell ein Lehrer oder ein Schüler des Buddhismus zu sein.

Das Extrem des Absolutismus kann sich dann so ausdrücken, dass diese Menschen sowohl eine oberflächliche Natur von Lehrern oder Schülern des Buddhismus, als auch eine selbst-begründende Natur haben, die auf Seiten der Lehrer und Schüler auffindbar ist und diese oberflächliche Natur begründen.

Mit der zu schwachen Widerlegung würde man jedoch nur eine auffindbare selbst-begründende Natur auf Seiten einer Person widerlegen, durch die allein aus eigener Kraft ihre Existenz als ein buddhistischer Lehrer oder Schüler festgelegt wird. Unwiderlegt bleibt jedoch eine auffindbare selbst-begründende Natur auf Seiten einer Person, durch die, zusammen mit anderen Dingen, ihr konventionelles Dasein als ein buddhistischer Lehrer oder Schüler festgelegt wird.

So mögen wir uns beispielsweise selbst im Grunde als jemanden bezeichnen, der von Natur aus ein buddhistischer Lehrer ist, obwohl wir verstehen, dass die innewohnende Natur eines buddhistischen Lehrers uns nicht von sich aus als ein Lehrer des Buddhismus begründet. Wir widerlegen, dass sie selbst die Kraft dazu hat, aber dabei handelt es sich um eine zu schwache Widerlegung, weil wir trotz allem glauben, diese innewohnende Natur zu haben. Sie begründet uns jedoch nur als einen Lehrer des Buddhismus in Bezug darauf, Schüler zu haben, ihnen den Buddhismus näher zu bringen und dass sie etwas über den Buddhismus von uns lernen. 

Auf die gleiche Weise kann es auch eine zu schwache Widerlegung in Bezug auf jemanden geben, der von Natur aus ein Schüler des Buddhismus ist. 

Geistiges Bezeichnen durch Kategorien und Benennen mit Worten 

Wie wir gesehen haben, kann die oberflächliche Natur von jemanden, konventionell ein Lehrer oder ein Schüler zu sein, nicht durch eine selbst-begründende Natur festgelegt werden, die in ihnen zu finden ist, obgleich es fälschlicherweise so scheint, als wäre dies der Fall. Die oberflächliche Natur kann nur abhängig von anderen Dingen begründet werden – Lehrer und Schüler in Beziehung zueinander oder beide in Bezug auf ihre spezifischen Funktionen des Lehrens und Lernens. 

Wir haben jedoch auch gesehen, dass man trotz allem meinen kann, es gäbe etwas Auffindbares in uns, was uns von Natur aus zu einem Schüler macht, obwohl wir anerkennen, dass wir nur ein Schüler sein können, wenn wir einen Lehrer haben, bei ihm studieren und etwas von dieser Person lernen. Wegen dieser Gefahr der zu schwachen Widerlegung ist es notwendig, das abhängige Entstehen auf einer subtileren Ebene zu betrachten – auf der Ebene des geistigen Bezeichnens und Benennens.

Geistiges Bezeichnen durch Kategorien und Benennen mit Worten sind Funktionen der konzeptuellen Wahrnehmung. Die „Konzeptuelle Wahrnehmung“ ist eine Wahrnehmung gültig erkennbarer Phänomene durch das Medium von Kategorien. Sie findet stets durch geistiges Bewusstsein und nicht durch Sinnesbewusstsein statt.

Betrachtet man sich im westlichen Sinne als ein Schüler, würde man sagen, dass man beruhend auf bestimmten definierenden charakteristischen Merkmalen und Eigenschaften ein Konzept oder eine Vorstellung davon hat, was ein Schüler ist. Sich selbst sieht man dann als jemanden, der diese Merkmale und Eigenschaften hat, und somit passt dies zu unserer Vorstellung davon, was ein Schüler ist. Die definierenden charakteristischen Merkmale wären zum Beispiel, dass man einen Lehrer hat, dass diese Person uns etwas beigebracht hat und wir etwas von ihr gelernt haben. Dazu würde gehören, einen offenen Geist zu haben, etwas lernen zu wollen, sowohl gegenüber dem Lehrer als auch den Lehren respektvoll zu sein und so weiter. Das ist unsere Vorstellung davon, was ein Schüler ist; sie entspricht dem, worauf man sich laut Konvention diesbezüglich geeinigt hat; und wir erfüllen diese definierenden Merkmale und Eigenschaften.

Im Buddhismus würde man sagen, dass man man sich gedanklich auf die Kategorie „Schüler“ bezieht, wenn man sich selbst als ein Schüler betrachtet. Eine „Kategorie“ ist eine Klasse von Phänomenen, die gemeinsame definierende charakteristische Merkmale und Eigenschaften haben. Wenn jemand, wie beispielsweise wir selbst, auch diese Merkmale und Eigenschaften hat, ordnen wir uns durch geistiges Bezeichnen dieser Kategorie zu. Wir betrachten uns als ein Mitglied der Gruppe von Menschen, die gültig als Schüler bezeichnet werden können. 

In unserer Sprache gibt es auch eine Kombination von Lauten, wie die Silben „stu“ und „dent“ im Englischen oder „Schü“ und „ler“ im Deutschen, die konventionell als ein Wort anerkannt wurden und denen eine Definition zugeschrieben wurde. Somit weisen wir der Kategorie von „Schülern“ das Wort „Schüler“ zu, da sie die gleichen definierenden charakteristischen Merkmale und Eigenschaften haben. Außerdem benennen wir uns selbst mit dem Wort „Schüler“, da wir ebenfalls konventionell die definierenden charakteristischen Merkmale und Eigenschaften dieser Kategorie haben. 

Obwohl wir die definierenden Merkmale und Eigenschaften von jemandem haben mögen, der konventionell als ein „Schüler“ betrachtet wird, könnte man nicht die oberflächliche Natur eines Schülers haben und konventionell nicht gültig als ein Schüler anerkannt werden, wenn es kein Konzept von Schülern gäbe und dieses Konzept nicht in Bezug auf diese Merkmale und Eigenschaften definiert sein würde. 

Das „nihilistische Extrem“ entsteht durch zu starke Widerlegung. Wir widerlegen nicht nur, dass die definierenden Merkmale und Eigenschaften eines Schülers in uns selbst auffindbar und das sind, was uns von sich aus als ein Schüler festlegt, sondern widerlegen auch, dass wir konventionell gültig als ein Schüler erkannt werden können. Wir mögen dennoch etwas von jemandem lernen, wären aber kein „Schüler“ und könnten nicht gültig als ein „Schüler“ erkannt werden. 

Das „absolutistische Extrem“ entsteht durch zu schwache Widerlegung. Wir widerlegen nur, dass diese auffindbaren, definierenden Merkmale und Eigenschaften die Fähigkeit haben, uns von sich aus als ein Schüler festzulegen, aber widerlegen nicht, dass sie in uns auffindbar sind und uns in Verbindung mit dem Konzept von einem Schüler als ein Schüler begründen. Wir betrachten uns selbst nach wie vor grundsätzlich als ein Schüler und identifizieren uns mit der Vorstellung von einem Schüler

Eine eingehendere Darlegung des geistigen Bezeichnens 

Geistiges Bezeichnen setzt sich aus drei Komponenten zusammen: 

  • einer geistigen Bezeichnung – eine Kategorie, wie „Schüler“;
  • einer Grundlage für die Bezeichnung – uns selbst; und
  • das Bezugsobjekt der Bezeichnung – ein Schüler. 

Die Kategorie „Schüler“ wurde traditionell durch bestimmte, allgemein vereinbarte charakteristische Merkmale definiert, wie einen Lehrer zu haben und etwas von ihm zu lernen, sowie durch bestimmte allgemein vereinbarte Eigenschaften, wie aufgeschlossen zu sein und etwas lernen zu wollen. Die Kategorie wurde auch traditionell mit einem Wort „Schüler“ benannt. 

Nehmen wir einmal an, wir haben neben den vielen Dingen in unserem Leben einen buddhistischen Lehrer und lernen von dieser Person etwas über den Buddhismus. Außerdem sind wir, neben den vielen Eigenschaften, die wir haben, aufgeschlossen und wollen etwas über den Buddhismus lernen. Nun gibt es jedoch in unserem Leben auch viele andere Aspekte: wir haben eine Familie, eine Arbeit, viele Freunde und tun viele andere Dinge, als den Buddhismus zu studieren: wir arbeiten in unserem Beruf, trainieren im Fitnessstudio, essen, schlafen und so weiter. Darüber hinaus studieren wir nicht die ganze Zeit, Tag und Nacht, mit unserem buddhistischen Lehrer. Des Weiteren haben wir neben unserer Aufgeschlossenheit und dem Wunsch, den Buddhismus zu studieren, auch viele andere Eigenschaften: wir sind meistens beschäftigt, sind nett, gehen gern schwimmen, reisen viel und anderes. 

Wir sind als eine Person jedem Augenblick unseres Lebens und all unseren Eigenschaften zugeschrieben, ungeachtet dessen, was wir tun oder welche Eigenschaften wir im Moment gerade zeigen. Im Gegensatz zur Kategorie „Schüler“, die nur konzeptuell erkannt werden kann, können wir als eine Person sowohl konzeptuell (wir können über uns selbst nachdenken) oder nichtkonzeptuell (wir können uns in einem Spiegel sehen) erkannt werden. Eine individuelle Person ist eine ganz andere Art von erkennbarem Objekt als die Kategorie „Personen“. 

Wie dem auch sei, uns geistig mit dem Konzept oder der Kategorie „Schüler“ zu bezeichnen, funktioniert ein wenig so, wie eine Ausstechform für Kekse. Der konzeptuelle Gedanke sticht von allen Facetten unseres Lebens und von allen Qualitäten jene Merkmale und Eigenschaften als seine „Grundlage für die Bezeichnung“ heraus, die zu der Definition oder zumindest zum Großteil der definierenden Eigenschaften der Kategorie „Schüler“ passen. Genauer weist der konzeptuelle Gedanke uns durch geistiges Bezeichnen der Kategorie „Schüler“ als dessen Grundlage für die Bezeichnung zu. In diesem Fall sind wir diesen definierenden Eigenschaften der Kategorie „Schüler“ zugeschrieben, die man in unserem Leben und in unserem Charakter finden kann. Das „Bezugsobjekt der Bezeichnung“ ist unsere oberflächliche Natur ein Schüler zu sein. 

Unsere oberflächliche Natur als ein Schüler scheint durch eine selbst-begründende Natur festgelegt zu sein, ob eine Aktivität uns nun geistig als einen Schüler bezeichnet oder nicht. Das liegt daran, dass unsere oberflächliche Natur, die das Bezugsobjekt der Bezeichnung oder des Konzeptes „Schüler“ ist, auf bestimmten Merkmalen und Eigenschaften von uns beruht, als würden sie eine gesonderte Entität, eine selbst-begründete „Identität“, bilden, die von allem anderen von uns und unserem Leben isoliert ist. In gewissem Sinne projiziert das geistige Bezeichnen mit konzeptueller Wahrnehmung eine selbst-begründete Schublade (die Kategorie „Schüler“) für eine selbst-begründete Entität (uns als einen Schüler), als würden wir in dieser Schublade stecken.

Die Leerheit negiert jegliche selbst-begründende Natur, die unsere oberflächliche Natur als ein Schüler begründet oder festlegt. Eine Person, also wir, mit einer selbst-begründenden oberflächlichen Natur als ein Schüler, ist das besagte Objekt der geistigen Bezeichnung und ist das so genannte „Bezugs-Ding“. Es ist jedoch vollkommen abwesend, weil es so etwas wie ein „Bezugs-Ding“ nicht gibt. Unsere oberflächliche Natur als ein Schüler, der das Bezugsobjekt der Bezeichnung „Schüler“ ist, erscheint nur gemäß der geistigen Bezeichnung ein „Bezugs-Ding“ zu sein. Es scheint, als würde dieses „Bezugs-Ding“ – ein selbst-begründeter Schüler mit einer selbst-begründenden Natur eines Schülers – unsere oberflächliche Natur, ein Schüler zu sein, bekräftigen, stützen und begründen; aber dennoch ist es vollkommen abwesend. Das Einzige, was unsere oberflächliche Natur als ein Schüler begründet, ist die geistige Bezeichnung „Schüler“ – das Konzept „ein Schüler“, mit dem wir aufgrund bestimmter charakteristischer Merkmale und Eigenschaften unseres Lebens bezeichnet werden.

Das „nihilistische Extrem“ besteht darin, nicht nur ein „Bezugs-Ding“ (einen selbst-begründeten Schüler, der der geistigen Bezeichnung „Schüler“ entspricht) zu widerlegen, sondern zu stark zu widerlegen und auch das Bezugsobjekt der geistigen Bezeichnung (unsere gültig erkennbare oberflächliche Natur als ein Schüler) zu leugnen. Mit anderen Worten widerlegen wir, dass es gültig ist, uns als „einen Schüler“ zu bezeichnen, obwohl wir bei einem Lehrer studieren und von ihm lernen, weil es so etwas wie „Schüler“ nicht gibt. 

Das absolutistische Extrem besteht darin, als Erklärung für unsere oberflächliche Natur als ein Schüler, nur eine selbst-begründende Natur zu widerlegen, die lediglich darauf basiert, unser „Selbst“, völlig unabhängig von der geistigen Bezeichnung und dem Konzept „ein Schüler“, bestimmten isolierten Merkmalen und Eigenschaften von uns und unserem Leben zuzuschreiben. Mit anderen Worten erkennen wir an, dass das Studieren und Lernen bei einem Lehrer eine selbst-begründende Natur bildet, die uns als ein Schüler festlegt, jedoch nicht von sich aus. Eine selbst-begründende Natur, ein Schüler zu sein, wird nur in Verbindung mit der geistigen Bezeichnung und dem Konzept „ein Schüler“ gebildet.

Leerheit und abhängiges Entstehen beseitigt die zwei Extreme 

Wir haben gesehen, dass sich abhängiges Entstehen auf die Tatsache bezieht, die Existenz jeglichen gültig erkennbaren Phänomens nur abhängig von anderen Faktoren begründen und festlegen zu können. Nichts kann seine eigene Existenz durch eine selbst-begründende Natur festlegen. 

Wir haben auch gesehen, dass es viele Möglichkeiten gibt, abhängiges Entstehen zu beschreiben. Die oberflächliche Natur gültig erkennbarer Phänomene konventionell „dieses“ oder „jenes“ zu sein, entsteht in Abhängigkeit davon:

  • im Verhältnis zu etwas anderem zu stehen, wie „lang“ und „kurz“ oder „Lehrer“ und „Schüler“; 
  • eine Funktion auszuüben, wie etwas zu studieren und zu lernen;
  • sowie von geistigem Bezeichnen mit Konzepten oder Kategorien und dem Benennen mit Worten.

Obgleich hier nicht weiter darauf eingegangen wird, umfasst das abhängige Entstehen auch Produkte, die abhängig von Ursachen, und Gesamtheiten, die abhängig von Teilen, entstehen.

Von einem Standpunkt aus gesehen: 

  • beseitigt die Leerheit der selbst-begründeten Existenz das Extrem des Absolutismus – weil Absolutismus bedeutet, dass Dinge selbst-begründet sind; 
  • beseitigt das abhängige Entstehen das Extrem des Nihilismus – weil gültig erkennbare Phänomene entstehen und erscheinen.

Von einem anderen Standpunkt aus gesehen:

  • beseitigt die Leerheit das Extrem des Nihilismus – Leerheit ist nicht die Abwesenheit von allem, sondern nur die Abwesenheit selbst-begründeter Existenz;
  • beseitigt das abhängige Entstehen das Extrem des Absolutismus, nämlich dass selbst-begründete Phänomene unabhängig von allem entstehen können – abhängiges Entstehen ist das Entstehen von gültig erkennbaren konventionellen Phänomenen, die lediglich selbst-begründet zu sein scheinen, es jedoch nicht sind. 
Top