Wenn wir über die zwei Wahrheiten im Chittamatra und anderen Mahayana-Schulen reden, geht es nicht um zwei unterschiedliche Arten von wahren Phänomenen. Vielmehr werden wir über die zwei Wahrheiten reden, und zwar über jene, die beschreibend für alle Phänomene sind, jedoch von zwei verschiedenen Sichtweisen. Es handelt sich um zwei Tatsachen in Bezug auf sie, die vollkommen wahr sind. Die zwei Tatsachen, die im Hinblick auf alle Phänomene wahr sind, beziehen sich darauf, was sie zu sein scheinen – auf ihre Erscheinung – und wie sie existieren. Ihre Existenzweise wird in Bezug auf die Abwesenheit dessen dargestellt, wie sie nicht existieren – ihre Leerheit. In diesen Mahayana-Systemen bezeichnet man dies als unmögliche Existenzweisen. Die Leerheit oder Leere ist die völlige Abwesenheit dieser unmöglichen Arten zu existieren. Unmögliche Existenzweisen gab es nie und wird es nie geben.
In der Chittamatra-Schule tauchen wir nun tiefer in die Beziehung zwischen Geist und Realität ein. Das Wort „Chittamatra“ bedeutet wörtlich „rein geistig“, aber wir sollten es nicht zu wörtlich nehmen und denken, es würde sich nur um uns drehen, nur der Geist würde existieren und alles würde nur in unserem Kopf ablaufen. Es handelt sich nicht um ein solipsistisches, narzisstisches System, sondern um Mahayana. Wenn also alle Wesen nur in unserem Kopf existieren würden, wie könnten wir dann Mitgefühl gegenüber allen haben? Ganz offensichtlich ist es also nicht solipsistisch. Wir denken nicht: „Ich bin der einzig Existierende und du bist lediglich eine Fantasievorstellung.“ Vielmehr zielt es darauf hin, nur wirklich über etwas reden zu können, wenn wir es mit dem Geist in Beziehung setzen. Wenn wir über etwas reden, handelt es sich um eine Beziehung zum Geist; denken wir darüber nach, tun wir es in Bezug zum Geist. Ich kann nicht über etwas reden oder mich mit etwas auseinandersetzen, ohne es mit dem Geist in Beziehung zu bringen.
Die drei Arten von Phänomenen im Chittamatra
Nun ist es notwendig, über die Beziehung von Phänomenen mit dem Geist zu reden. Im Chittamatra werden Phänomene in drei verschiedene Arten unterteilt, die alle mit dem Geist verbunden sind:
- Phänomene, die als völlig begrifflich charakterisiert werden – also völlig begriffliche Phänomene. Manchmal werden sie auch als völlig imaginäre Phänomene bezeichnet.
- Phänomene, die als abhängig charakterisiert werden – also abhängige Phänomene – manchmal auch als von anderem beeinflusste Phänomene bezeichnet.
- Phänomene, die als vollkommen begründet charakterisiert werden – also vollkommen begründete Phänomene.
Gemäß diesem Schema werden im Chittamatra die statischen Phänomene, die im Sautrantika als oberflächliche wahre Phänomene betrachtet werden, in zwei Gruppen aufgeteilt. Bei diesen zwei Gruppen handelt es sich um die völlig begrifflichen und die vollkommen begründeten Phänomene. Völlig begriffliche Phänomene, wie Kategorien, treten nur in der begrifflichen Wahrnehmung auf, während vollkommen begründete Phänomene, nämlich die Leerheit, sowohl begrifflich als auch unbegrifflich erkannt werden können.
Völlig begriffliche Phänomene umfassen sowohl existierende Kategorien als auch nicht existierende Phänomene. Die Kategorien Hund, Tier usw. existieren und verfügen über existierende Bestandteile, während beispielsweise die Kategorie „Hühnerlippen“ eine Nullgruppe ist. Es gibt nichts in dieser Kategorie, da tatsächliche Hühnerlippen nicht existieren. Im Grunde ist sogar die Kategorie Hühnerlippen nicht existent, denn es wurden eigentlich nur die zwei Kategorien von Hühnern und von Lippen zusammengefasst. Wie dem auch sei, völlig konzeptionelle Phänomene – sowohl jene, die existieren, als auch jene, die nicht existieren – treten nicht außerhalb begrifflicher Gedanken auf und so haben sie technisch gesehen die Wesensnatur ihrer begrifflichen Wahrnehmung.
Völlig begriffliche Phänomene werden als Phänomene definiert, die nicht als letztendliche Phänomene begründet werden. Im Sautrantika waren nichtstatische Phänomene das, was man als letztendliche Phänomene oder objektive Realität betrachtet, und im Chittamatra werden sie als abhängige Phänomene bezeichnet. Nach Ansicht des Chittamatra sind nichtstatische Phänomene wahrhaft existent – sie existieren wirklich – denn sie erfüllen Funktionen, die man deutlich und unbegrifflich sehen kann. Aber im Chittamatra hält man sowohl abhängige Phänomene als auch vollkommen begründete Phänomene für letztendliche Phänomene. Letztendliche Phänomene sind jene, die in der unbegrifflichen Wahrnehmung von Aryas erscheinen. Sie haben also auch einen Bezug zum Geist.
Unbegriffliche Wahrnehmung eines Arya
Ein Arya ist jemand, der eine unbegriffliche Wahrnehmung der vier edlen Wahrheiten hat – die sechzehn Aspekte der vier edlen Wahrheiten, um genau zu sein. Sie sehen, was wahrhaft existent ist. Sie nehmen zunächst abhängige Phänomene – nicht-statische Phänomene, Dinge, die sich von einem Augenblick zum nächsten ändern – unbegrifflich wahr. Im Sautrantika werden sie als objektive Entitäten bezeichnet. Die wahren Leiden, ihre wahren Ursachen und der wahre Pfadgeist, der zur wahren Beendigung führt, umfassen alle abhängigen Phänomene. Zudem nehmen Aryas die dritte edle Wahrheit, die wahre Beendigung, unbegrifflich wahr, welche die Leerheit der Person umfasst, die die vier edlen Wahrheiten erlebt, sowie die Leerheit der vier edlen Wahrheiten selbst.
Diese Arten von Leerheit sind vollkommen begründete Phänomene und sie sind ebenfalls statisch. Bei allen nichtstatischen Phänomenen und den statischen Phänomenen, die Arten von Leerheit sind, handelt es sich um letztendliche Phänomene; und weil sie nicht nur im Rahmen der begrifflichen Wahrnehmung nicht erkannt werden, betrachtet man sie im Chittamatra als wahrhaft existent. Andere statische Phänomene, insbesondere Kategorien, treten lediglich in begrifflicher Wahrnehmung auf. Daher sind sie keine letztendlichen Phänomene und sind nicht wahrhaft existent.
Nur damit es klar ist: Leerheit ist eine Abwesenheit von etwas. Es ist keine Abwesenheit einer Sache, wie die Abwesenheit eines Elefanten in diesem Raum, sondern die Abwesenheit einer Existenzweise. Und es ist nicht die Abwesenheit einer Existenzweise, die zwar möglich ist, aber nicht existiert, sondern es ist eine Abwesenheit einer unmöglichen Existenzweise. Wenn wir hier von einer Existenzweise reden, stimmt das nicht so ganz. Mit Hinblick auf die Terminologie und wie sie benutzt wird, geht es augenscheinlich darum, wie man begründet, dass etwas existiert.
Begründen was existiert
Das Wort „begründen“ hat die gleiche Bedeutung wie das Wort „nachweisen“. Wie kann man nachweisen, dass etwas existiert? Wodurch wird es bewiesen? Wie kann es existieren und was veranlasst uns dazu zu sagen, dass es existiert? Im Vaibhashika wird gesagt, es existiere, wenn es etwas tut; dies sei der Beweis für die Existenz, wenn es eine Funktion erfüllt. Im Sautrantika heißt es, es treffe nur für manche Dinge zu, nicht für alle: es gelte nur für nicht-statische Phänomene.
Im Sautrantika vertritt man also die Meinung, dass es stets etwas auf Seiten der Sache selbst gibt, die dessen Existenz begründet, denn wenn man nach etwas sucht, kann man es finden. Es hat seine eigene Selbstnatur, seinen eigenen Barcode, der seine Existenz begründet. Dieser Barcode erzeugt fast so etwas, das wie in Plastik gehüllt ist und es zu einer Sache, zu einem individuellen Phänomen macht. Das trifft sogar auf Kategorien zu.
Tiefste Wahrheit und oberflächliche Wahrheit im Chittamatra
Gemäß dem Chittamatra, werden die „tiefsten Wahrheiten“ als jene Phänomene definiert, die letztendlich durch eine gültige Wahrnehmung erkannt werden, mit der man untersucht, was am tiefgründigsten ist. Das klingt wie eine Tautologie, nicht wahr? Es bezieht sich jedoch lediglich auf diese Abwesenheit von unmöglichen Existenzweisen. Die tiefsten Wahrheiten sind also vollkommen begründete Phänomene. Sie sind die Leerheiten aller drei Arten von Phänomenen – völlig begriffliche, abhängige und auch die vollkommen begründeten Phänomene selbst: die Leerheit der Leerheiten.
„Oberflächliche Wahrheiten“ sind jene Phänomene, die durch eine gültige Wahrnehmung erkannt werden, mit der man untersucht, was konventionell ist. Prüft man Phänomene sorgfältig in Bezug auf ihre konventionelle Natur – was sie konventionell zu sein scheinen – findet man ihre oberflächliche Wahrheit. Wenn man sie hinsichtlich ihrer tieferen Ebene untersucht, ist die Abwesenheit von unmöglichen Existenzweisen das, was wahr über sie ist.
Erscheinungen von unmöglichen Existenzweisen
Das Problem besteht nun darin, dass Dinge auf unmögliche Weise zu existieren scheinen. Wir glauben daran, dass sie tatsächlich so existieren und handeln dementsprechend. Das ist der Auslöser all unserer Probleme und wir erwidern emotional auf dieser Grundlage. Dadurch werden all unsere Probleme verursacht. Es ist daher notwendig zu erkennen, dass diese Erscheinung von etwas Unmöglichem nichts Realem entspricht. Nichts existiert auf diese Weise. Es ist unmöglich und wenn wir diese täuschende Erscheinung beseitigen, bleibt uns nur das Sehen der eigentlichen Realität.
Aber wie existieren Dinge im Chittamatra? Nach Ansicht des Chittamatra, hat alles konventionell Existente etwas, das ihm innewohnt – eine Selbstnatur, oder genauer gesagt, eine selbst-begründende Natur, die aus eigener Kraft begründet, dass sie existiert. Dadurch wird nicht ihre Existenz außerhalb dieser Wahrnehmung des Objektes, jedoch ihre Existenz innerhalb der Wahrnehmung begründet. Innerhalb der Wahrnehmung von irgendetwas, können wir das Objekt dieser Wahrnehmung finden und darauf zeigen: hier ist es. Außerdem haben alle existierenden Phänomene individuell definierende charakteristische Merkmale, wie Barcodes, die in gewissem Sinne wie etwas sind, das sie in Plastik einhüllt und sie zu einem individuellen Objekt gültiger Wahrnehmung macht.
Aber im Gegensatz zum Sautrantika erscheinen nur letztendliche Phänomene, nämlich abhängige Phänomene und vollkommen begründete Phänomene, in der unbegrifflichen Wahrnehmung eines Aryas. Nur ihre Erscheinung wird durch Barcodes begründet, was sie zu dem macht, was sie sind, wenn sie unbegrifflich wahrgenommen werden. Das ist kompliziert und daher ist es notwendig, es zu erklären.
Die erste Art der Leerheit aller Phänomene im Chittamatra-System
Zunächst geht es darum, die zwei unterschiedlichen Arten von Leerheit aller Phänomene im Chittamatra darzulegen. Im Chittamatra stimmt man mit dem Sautrantika in Bezug darauf überein, tatsächlich ein geistiges Hologramm wahrzunehmen, wenn man Dinge unbegrifflich durch Sinneswahrnehmung wahrnimmt. Laut dem Sautrantika ist das geistige Hologramm auf das Objekt zurückzuführen, während das Bewusstsein, das es wahrnimmt, von einem Samen karmischen Potenzials in unserem geistigen Kontinuum stammt. Das geistige Hologramm des Sinnesobjektes und des Bewusstseins, durch das es wahrgenommen wird, gehen also aus getrennten Ursprungsquellen hervor. Eine Ursprungsquelle ist der Fachausdruck für den Ort, an dem etwas entsteht und aus dem etwas hervorgeht, wie ein Backofen, in dem ein Brot entsteht, oder ein Mutterleib, aus dem ein Baby hervorgeht.
Gemäß dem Chittamatra scheint es nur so, als würde das, was wir wahrnehmen, aus einer äußeren Ursprungsquelle stammen, die sich von der Quelle unterscheidet, aus der das Bewusstsein des Hologramms hervorgeht. Diese Erscheinung ist jedoch trügerisch; wir denken sie wäre korrekt, was sie aber nicht ist. Die erste Art der Leerheit aller Phänomene im Chittamatra besteht also darin, dass alles, was wir sehen, hören, riechen, schmecken oder körperlich fühlen, frei von einer Existenz ist, in der es einer anderen Ursprungsquelle entstammt als der des Bewusstseins darüber. Diese Leerheit ist die tiefste Wahrheit hinsichtlich dieser abhängigen Phänomene in unbegrifflicher Sinneswahrnehmung. Wir können die Existenz dieser sich ändernder Phänomene nicht durch die Tatsache begründen, dass sie aus einer äußeren Quelle stammen. Sie kann so nicht begründet werden, denn wir können uns mit diesen Objekten nur durch ein geistiges Hologramm befassen und das geistige Hologramm ist auf den gleichen karmischen Samen zurückzuführen, wie das Bewusstsein, durch das es wahrgenommen wird.
Das Verständnis der ersten Art der Leerheit anwenden
Das Verständnis dieser ersten Art der Leerheit aller Phänomene im Chittamatra ist ausgesprochen hilfreich, um Probleme und Leid zu vermeiden. Nehmen wir einmal an, es wären nur drei Leute zu dieser Vorlesung gekommen. Betrachte ich dann diese Personen, entsteht ein geistiges Hologramm von nur drei Leuten in dem Raum vor mir. Würde ich denken, die Quelle dieses geistigen Hologramms, das ich sehe, wäre äußerlich, könnte ich die Schuld dafür bei den Leuten selbst oder den Organisatoren suchen, die keine gute Werbung für die Veranstaltung gemacht haben. Erkenne ich jedoch, dass das Sehen von nur drei Teilnehmern, sowie das geistige Hologramm des Sehens von den drei Leuten, der gleichen inneren Quelle, dem Samen karmischen Potenzials meines geistigen Kontinuums entstammen, kann ich die Schuld für die geringe Teilnahme meinem eigenen Karma zuweisen. Wenn ich dann die Situation verbessern will, muss ich daran arbeiten, meine negativen Potenziale zu reinigen und positive Potenziale zu entwickeln. Anstatt wütend auf die Leute vor mir zu werden – denn was können sie schon dafür, dass nicht mehr gekommen sind – kann ich stattdessen an mir selbst arbeiten, ohne mich jedoch mit Schuldzuweisungen zu belasten. Ich erkenne, dass meine Erfahrungen in der Welt das Ergebnis meines früheren zwanghaften Verhaltens sind – das Resultat meines Karmas.
Die zweit Art der Leerheit aller Phänomene im Chittamatra
Werfen wir nun einen Blick auf die zweite Art der Leerheit aller Phänomene, wie sie im Chittamatra vertreten wird. Wie bereits erwähnt, stimmt man im Chittamatra dem Sautrantika dahingehend überein, dass alles seine eigenen und individuellen definierenden charakteristischen Merkmale hat. Alles hat sozusagen einen Barcode und weil durch den Barcode das Objekt als etwas gültig Erkennbares begründet wird, kann man das Objekt, begründet durch seinen Barcode auf Seiten des jeweiligen Objektes finden. Man kann auf diese Weise abhängige Phänomene in unbegrifflichen Sinneswahrnehmungen finden, wenn man ihr geistiges Hologramm sieht. Es gibt tatsächliche abhängige Phänomene, obwohl man sie ausschließlich im Rahmen eines geistigen Hologramms kennt. In der begrifflichen Wahrnehmung haben auch Kategorien solche Barcodes, die sie als erkennbare Dinge begründen und man kann auf sie als erscheinende Objekte in der begrifflichen Wahrnehmung hindeuten.
Wenn wir nun etwas wahrnehmen, also zum Beispiel etwas sehen, nehmen wir lediglich eine erkennbare Form oder Gestalt wahr, die eine Farbe und eine bestimmte Größe hat. Ich sehe beispielsweise dieses Ding vor mir und sein Barcode begründet es als eine erkennbare farbige Form und auf diese Weise als ein erkennbares Objekt, wie einen Tisch, den ich sehe.
Um uns einer anderen Analogie zu bedienen: der Barcode ist wie das Formatieren einer Diskette. Nur in der begrifflichen Wahrnehmung werden durch unsere Konzepte – diese Kategorien – spezifischere Merkmale auf diese Diskette geschrieben, wie „hübsch“ oder „hässlich“, oder das Wort dafür: „der Tisch“. Es ist nicht so, dass das Formatieren seitens des Objektes bereits die Information dieser Merkmale enthält. Und unsere begrifflichen Gedanken erfassen es. In gewisser Weise werden diese Merkmale durch die begrifflichen Gedanken auf die Formatierung geschrieben. Diese zweite Leerheit aller Phänomene besteht darin, dass in der begrifflichen Wahrnehmung die erscheinenden Objekte keine definierenden Charakteristika haben, auf die sich Kategorien beziehen könnten.
Das ergibt einen Sinn, wenn man versteht, worum es hier geht. Auf Seiten dieses Dinges vor mir gibt es keinen Barcode, der das entsprechende Wort für dieses Ding enthält, wie beispielsweise „Tisch“. Aufgrund dieser Abwesenheit, dieser Leerheit, kann man es in jeder Sprache mit einem anderen Wort bezeichnen und das Wort „Tisch“ kann sich auf viele verschiedene Objekte beziehen. Wenn ich zum Beispiel einen Hund habe, kann ich ihm irgendeinen Namen geben. Es gibt nichts im Barcode des Hundes, was festlegen würde, welchen Namen wir ihm geben. Das ist reines geistiges Bezeichnen. Und es kann viele Hunde mit dem gleichen Namen geben.
Genauso verhält es sich mit Kategorien. Die Kategorien gut, schlecht, groß, klein, heiß und kalt werden lediglich durch den begrifflichen Geist bezeichnet. Diese Eigenschaften sind alle relativ. Die Luft hat eine Temperatur, das ist Teil ihres allgemeinen Barcodes, aber für einen Menschen mag sie kalt sein, während ein Pinguin sie als sehr angenehm empfindet. Das ist alles begrifflich, nicht wahr? Das gleiche gilt für hübsch und hässlich, gut und schlecht, sowie angenehm und unangenehm. All diese Dinge sind rein begrifflich. Sie werden nicht von Seiten des Objektes festgelegt. Das ist ziemlich tiefgründig und hilft uns dabei, das Urteilen zu überwinden.
Wie verhält es sich mit Kategorien, wie Hund, Säugetier oder Tier? Sie werden nicht wirklich seitens der Lebewesen festgelegt, die wir sehen. Ein paar Wissenschaftler sind irgendwann in der Geschichte zusammengekommen, haben eine große Anzahl verschiedener Lebewesen untersucht und entschieden, dass sie alle einer Kategorie zugeordnet werden können. Daraufhin haben sie der Kategorie den Namen „Säugetiere“ gegeben. Im Sautrantika wird behauptet, dass es bereits den Barcode für Säugetier auf Seiten dieser Kreaturen gibt, während dies im Chittamatra widerlegt wird. Hier vertritt man den Standpunkt, dass der Barcode auf den begrifflichen Geist zurückzuführen ist.
Es scheint jedoch, als würde diese Information auf Seiten des Objektes festgelegt sein, nicht wahr? Es sieht so aus, als wäre es etwas seitens des Objektes, heiß, kalt, gut, schlecht, groß oder klein zu sein. Aber an sich ist beispielsweise ein Apfel für eine Ameise riesig, während er für einen Menschen nicht gerade groß ist. Es ist alles relativ, je nachdem, welches Konzept von Größe wir haben. Um es noch einmal fachlich auszudrücken: abhängige Phänomene sind frei davon, charakteristische Merkmale zu haben, die als Grundlage dafür dienen, ihnen Namen oder Kategorien zuzuschreiben. Das ist die zweite Art der Leerheit aller Phänomene. Diese Leerheit ist die tiefste Wahrheit von Dingen.
Fragen
Könnte man sagen, dass Objekte überhaupt gar keinen Barcode haben?
Sie haben tatsächlich einen Barcode, der sie zu gültig erkennbaren Objekten macht – so viel steht fest. Objekte haben eine Temperatur, eine Größe usw. – aber ihnen fehlt jegliche spezifische Bewertung, denn dies hängt alles von dem Geist ab, der sie wahrnimmt.
Sie haben also einen Barcode, der uns erlaubt, sie wahrzunehmen?
Ja, so ist es. Würde es keinen Barcode geben, könnten wir laut dem Chittamatra-System nichts als ein Objekt wahrnehmen. Was sehen wir eigentlich, wenn wir etwas betrachten? Wir sehen Pixel oder Lichtpunkte; das ist alles was wir sehen. Was sehen wir auf einem Computer-Bildschirm? Wir sehen Pixel; das ist alles. Wie können wir dann Objekte sehen? Das ist ein spannender Punkt, nicht wahr? Diese Thematik ist ziemlich umfangreich und dazu müssten wir uns mit den Madhyamaka-Schulen befassen, um es wirklich tiefgründig zu analysieren.
Gibt es etwas auf Seiten der Pixel, was sie tatsächlich zu farbigen Formen und was die farbigen Formen zu Objekten macht? Wo befindet sich diese Information? Das beginnt, wirklich interessant zu werden. Aber nach Ansicht des Vaibhashika, des Sautrantika und des Chittamatra ist es so. Es gibt nicht nur Pixel, sondern tatsächliche Objekte und sie haben einen Barcode, durch den sie gewissermaßen wie in Plastik gehüllt werden. Der Barcode – die definierenden, individuellen charakteristischen Merkmale – machen sie zu einem Ding; er legt die Grenze zwischen diesem Ding und dem, was sich auf der anderen Seite der Abgrenzung befindet, fest. Es grenzt das Objekt von dem ab, was sich außerhalb der Plastikverpackung befindet. Im Chittamatra vertritt man die Auffassung, dass alles wie in einem Malbuch für Kinder existiert: alles wird von Linien umrandet und der Geist füllt das aus, was sich innerhalb dieser Linien befindet. Das ist jetzt ganz vereinfacht dargestellt, aber ich denke, ihr versteht, was ich meine.