Übermäßige Abhängigkeit von einem spirituellen Lehrer

Spirituelle Energie und übertriebene Abhängigkeit

Selbst nachdem man sich einem spirituellen Pfad verschrieben und eine Schüler-Mentor-Beziehung aufgebaut hat, kann es noch eine große Herausforderung sein, Energie und Motivation in der spirituellen Praxis lebendig zu erhalten. Daher brauchen Suchende eine Vielfalt an Mittel, um über die unvermeidlichen Augenblicke hinweg zu kommen, in denen sie sich uninspiriert und unmotiviert fühlen. Wenn man das Gefühl hat, Hilfe zu brauchen, empfehlen die klassischen Texte den engen Kontakt mit anderen Praktizierenden und spirituellen Lehrern. An nahestehende oder bedürftige Menschen zu denken oder sich an eine spirituelle Reise nach Asien zu erinnern kann ebenfalls helfen, die spirituelle Energie zu vermehren.

Diese Methoden können unsere Stimmung zeitweilig bis zu einem gewissen Grad heben. Dennoch kann es sein, dass unsere Energie gering bleibt, besonders wenn wir auf uns allein gestellt sind. Das kann an einer übertriebenen Abhängigkeit von äußeren Faktoren liegen, besonders an einer ungesunden Abhängigkeit von anderen Menschen. Obwohl eine unterstützende Umgebung und gute Gesellschaft unsere spirituelle Praxis durchaus erleichtern, ist das allein noch nicht genug. Letztlich muss die motivierende und aufrichtende Energie für die Selbst-Transformation von Innen kommen.

„Das Verbindungs-Sutra“ stellt diese Tatsache klar heraus: „Die Buddhas können weder die negativen Potenziale anderer Lebewesen wegwaschen, noch können sie das Leiden anderer Wesen beseitigen, so wie man einen Dorn aus dem Fuß herauszöge. Sie können ihre Erkenntnisse nicht auf andere übertragen. Sie können nur den Weg zeigen, indem sie die Wirklichkeit lehren.“ Die Psychotherapie sagt etwas Ähnliches. Gleichgültig, was ein Therapeut auch tun mag, Einsicht und Verständnis müssen von Seiten der Klientinnen und Klienten kommen.

Außerdem können wir diese Wahrheit aus einer Erklärung ableiten, die Sakya Pandita in seinem Text „Der tiefgründige Pfad des Guru-Yoga“ gab, und in der es um die bereits erwähnte Analogie von der Sonne, dem Vergrößerungsglas und dem Reisig geht. Ohne ein Vergrößerungsglas, mit dem wir die Strahlen der Sonne bündeln, reichte die Hitze der Sonne nicht aus, um den Reisig zu entzünden. Dennoch kommt die Energie des Feuers letztlich aus dem Potenzial des Reisigs zu brennen. Gleichermaßen können die Wellen der Inspiration der Buddhas keinen Schüler für die Erleuchtung entzünden, ohne dass diese Wellen der Inspiration durch einen spirituellen Mentor gebündelt würden. Letztlich kommt die Energie der Erleuchtung aus den Netzwerken guter Qualitäten, positiver Potenziale und tiefen Gewahrseins in den Schülern selbst. Auf der tiefsten Ebene entspringt die Energie dem inneren Guru der Schüler – ihrem eigenen Geist des klaren Lichts.

Sakya Pandita fuhr weiter fort, dass feuchtes oder falsch geschichtetes Kleinholz kein Feuer fangen kann. Wenn also der Geist eines Schülers ungeordnet oder getränkt von irrelevanten Gedanken, Vorurteilen oder Zweifeln ist, wird keine Inspiration in ihm aufflammen. Wirkungen entstehen stets in Abhängigkeit von einer Kombination aus Ursachen und Bedingungen.

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