Die fünf Arten von Resultaten
Sehen wir uns die Darstellung der fünf Arten von Resultaten an.
Gereifte Resultate
Zunächst haben wir die gereiften Resultate und hierbei handelt es sich um nicht-verhindernde, unspezifische Dinge, die ein Teil der fünf Aggregate sind. Sie sind weder konstruktiv, noch destruktiv und verhindern nicht unsere Befreiung oder Erleuchtung. Sie sind Teil des geistigen Kontinuums eines begrenzten Wesens und sie entstehen aus der reifenden Ursache, die auch mit seinem oder ihrem geistigen Kontinuum verbunden war. Die Tatsache, dass wir in jeder Wiedergeburt einen Körper, einen Geist, Gefühle usw. haben, ist auf das konstruktive und destruktive Verhalten in früheren Leben zurückzuführen.
Hier wird nun spezifiziert, dass sich die reifende Ursache und das reifende Resultat im gleichen geistigen Kontinuum befinden und das ist recht wichtig. Es weist darauf hin, eine Art Verantwortung zu übernehmen – wir sind verantwortlich dafür, was wir erleben. Es ist nicht einfach solipsistisch, weil wir nicht für jemanden verantwortlich sind, sich in sein Auto zu setzen und uns anzufahren. Vielmehr sind wir verantwortlich dafür, wie wir etwas erfahren und nicht dafür, was andere Menschen tun.
Diese reifenden Resultate sind die Grundlage für die Erfahrungen, die wir in jedem Leben sammeln, für all die Dinge, die im Laufe dieses Lebens passieren. Sie sind auf unser zwanghaftes Verhalten früherer Leben zurückzuführen und bei dieser Zwanghaftigkeit handelt es sich um Karma, ob die Handlungen nun destruktiv oder konstruktiv ist. Vielleicht erinnern Sie sich daran: als „konstruktiv“ bezeichnen wir hier Dinge, die man im Westen eher als „neurotisch konstruktiv“ betrachten würde, wie beispielsweise perfektionistisch zu sein, Dinge zwanghaft zu tun und zu meinen, alles müsste perfekt sein, um zu beweisen, wie gut wir sind. Das ist diese Art des karmischen konstruktiven Verhaltens. Wir erleben dadurch eine Art Glücksgefühl, aber dieses Glück wird uns nie zufriedenstellen, weil wir nie das Gefühl haben, gut genug zu sein.
Resultate, die ihrer Ursache ähneln
Weiter geht es mit Resultaten, die ihrer Ursache ähneln und hier gibt es zwei Arten:
- Resultate, die der Ursache im eigenen Verhalten ähneln, und
- Resultate, die der Ursache in der eigenen Erfahrung ähneln.
Resultate, die der Ursache im eigenen Verhalten ähneln
Das bezieht sich auf alle Arten vorangegangenen Verhaltens – sei es konstruktiv, destruktiv oder unspezifisch (also neutral). In unserem Verhalten bezieht es sich darauf, was es ist, das wir gern tun wollen. Vielleicht haben wir das Gefühl, jemanden anschreien zu müssen. Auf gut Deutsch würden wir sagen: „Ich würde dich am liebsten anschreien.“ Es könnte auch so etwas sein, wie: „ich würde dich gern umarmen“ oder „ich würde gern etwas essen“. Von dem Gefühl, etwas tun zu wollen, bis hin zur Absicht oder dem Wunsch es zu tun, führt das zusammen mit dieser Absicht zu noch mehr Karma, also dem zwanghaften Drang, der uns unkontrollierbar dazu bringt, im nächsten Moment das zu tun, was wir beabsichtigen zu tun.
Karma entsteht nicht aus Karma – das ist ein allgemeiner Grundsatz. Daher ist es wichtig, die damit verbundenen Schritte sehr deutlich zu unterscheiden. Wenn wir sagen: „Ich hätte gern etwas zu essen“, könnte das auf Hunger, Langeweile oder auf irgendwelche Umstände hindeuten, die dazu geführt haben. Der Grund ist die Gewohnheit des Essens; wir reden hier von etwas Neutralem. Die Gewohnheit des Essens reift dann zu dieser Tendenz heran, etwas essen zu wollen; oder jemanden umarmen oder anschreien zu wollen. Hier könnten wir es natürlich unterbrechen.
Und das ist der entscheidende Punkt: wir könnten der Sache hier ein Ende setzen. Obwohl ich gern noch ein Stück Schokolade oder Kuchen hätte, werde ich es nicht nehmen. Wir können die Sache hier, an diesem Punkt beenden, an dem es da lediglich etwas gibt, was wir gern tun würden. Das kann dann dazu führen, die Absicht oder den Wunsch zu haben, es zu tun. Wir mögen es überdenken oder auch nicht, bevor wir uns tatsächlich dazu entscheiden, es zu tun. Und wir können die Sache ebenfalls hier beenden. Wenn jedoch dieses Beabsichtigen, etwas zu tun, zu einem nächsten Moment des zwingenden Dranges führt, wird es von der Zwanghaftigkeit übernommen. Wir verlieren die Kontrolle und das ist Karma – dieser zwanghafte Drang, der uns dazu antreibt, es zu tun – uns dieses zweite Stück Kuchen zu nehmen.
Geht es darum, sich von Karma zu befreien, heißt das nicht, wir müssten mit dem Kuchenessen aufhören – die Sache an sich ist etwas Neutrales. Was es loszuwerden gilt, ist die Zwanghaftigkeit, bei der wir keine Kontrolle haben. Dafür nutzen wir unsere Intelligenz, um zu unterscheiden, was hilfreich, was schädlich, was angemessen und was nicht angemessen ist und handeln nicht einfach zwanghaft.
Sprechen wir von dem Resultat, das der Ursache im eigenen Verhalten ähnelt, handelt es sich nicht um das Verhalten selbst, sondern darum, was es ist, das wir gern tun würden oder was wir beabsichtigen zu tun, also uns auf eine bestimmte Weise zu verhalten. Das ist es, was heranreift und was der Ursache entspricht. Wir denken: „ich würde gern diese Handlung wiederholen“.
Resultate, die der Ursache in der eigenen Erfahrung ähneln
Kommen wir zu den Resultaten, die der Ursache in unserer Erfahrung entsprechen. Das bezieht sich darauf, eine Situation zu erleben, in der uns in Bezug auf eine frühere Handlung im Gegenzug etwas Ähnliches passiert. Hier geht es um unsere Erfahrung, nicht darum, was getan wurde, sondern was wir Ähnliches im Gegenzug erfahren haben. Haben wir beispielsweise andere angeschrien, schreien sie nun uns an; wir haben andere betrogen und nun werden wir selbst betrogen. Wir machen also die Erfahrung, im Gegenzug von anderen betrogen oder angeschrien zu werden.
Außerdem geht es auch um das ganze Netzwerk der fünf Aggregate, die an unserem Erleben beteiligt sind, wenn uns etwas passiert. Wir können nicht einfach sagen, die Erfahrung würde einfach so von sich aus geschehen. Sie ist mit einem Körper, einem Bewusstsein und all den Geistesfaktoren verbunden, die etwas erleben – da gibt es Emotionen und all die anderen Dinge. Sie sind Teil der Erfahrung, wenn uns etwas passiert und sie alle sind Resultate, die einer Ursache in der eigenen Erfahrung ähneln.
Das hat auch etwas mit dem Karma – dem zwanghaften Verhalten – zu tun und so können wir versuchen zu verstehen, was da in unserem Erleben vor sich geht. Es ist recht interessant zu untersuchen, was wir gern und was wir nicht gern tun, warum es so ist und woher es kommt. Wir können es in Bezug auf konstruktive, destruktive und neutrale Dinge analysieren, wie die Speisen, die wir mögen, welche Gewohnheiten und Vorlieben wir haben und welche Geistesfaktoren damit einhergehen. Vielleicht arbeiten wir die ganze Zeit und da könnten wir uns fragen, ob wir glücklich wären, wenn wir nicht ständig nur arbeiten würden. Und wenn wir nicht glücklich damit sind, dauernd nur zu arbeiten, führt das zu einer Erfahrung, das Arbeiten zu mögen oder es nicht zu mögen? Versucht also all die damit verbundenen Bestandteile zu verstehen.
Dominierende Resultate
Die dritte Art von Resultaten sind die so genannten dominierenden Resultate. Sie sind etwas schwierig zu verstehen. Sie können ebenfalls aus destruktiven, konstruktiven oder neutralen, also unspezifischen Phänomenen heranreifen und beziehen sich somit auf alle Arten von Handlungen. Und wiederum geht es um unsere Erfahrung, unsere Erfahrung von etwas, das unsere Wiedergeburt und unser Leben dominieren wird. In gewissem Sinne ist es wie die Umgebung, die Hülle, und es bezieht sich nicht nur auf die physische Umgebung. Ein klassisches Beispiel wäre, Dinge zu nehmen und zu benutzen, die nicht uns gehören. Das Resultat in Bezug auf unsere Erfahrung wäre, in Armut zu leben. Natürlich nimmt man gern Dinge von anderen Menschen, wenn man ständig die Erfahrung macht, wie einem Dinge genommen werden und wie man ausgebeutet wird. Jedoch wird man, als dominierende Auswirkung, die Erfahrung machen, in einer Gesellschaft zu leben, in der die Menschen sich gegenseitig bestehlen und ausbeuten und in der Dinge weggenommen werden. Die ganze Gesellschaft ist arm, die Umgebung ist arm, und das dominiert unser Leben, unsere Erfahrung.
Das ist im Grunde sehr interessant. Hier geht es wieder um das ganze Paket der Aggregate, durch die etwas erfahren wird und darum, dass viele Menschen es gleichermaßen erfahren könnten, aber nicht nur das. Es gibt Menschen, die aus allem ein Problem machen, egal in welche Situation sie geraten. Was sie auch tun: alles ist kompliziert, verworren usw. und das dominiert ihr Leben. Sie geraten ständig in schlechte Beziehungen und egal was sie kaufen oder bekommen, es geht kaputt. Das sind ihre Erfahrungen und sie dominieren ihr Leben.
In der Vaibhashika-Darstellung wird noch eine weitere Art von Resultaten festgelegt. Es könnte sich auch um die Geistesfaktoren handeln, die es gewissermaßen umgeben, oder die eine Hülle oder Umgebung des Primärbewusstseins sind, die ebenfalls die ganze Wahrnehmung dominiert.
Von Menschenhand geschaffene Resultate
Weiter geht es mit von Menschenhand geschaffenen Resultaten und da gibt es zwei Arten: von Menschenhand geschaffene Resultate, die geschaffen oder hervorgebracht werden und von Menschenhand geschaffene Resultate, die erlangt werden.
Von Menschenhand geschaffene Resultate, die hervorgebracht werden, sind beispielsweise physische Dinge – man stößt sich den Fuß am Tisch und bekommt einen blauen Fleck. Die Rede ist also von sehr physischen Dingen, die uns passieren. Zum Beispiel essen wir etwas Falsches und werden krank. Es ist etwas, das eine Folge der eigenen Handlung ist. Diese Art der kausalen Beziehung ist keine karmische kausale Beziehung. Wir können anhand vieler Faktoren erklären, warum diese Sache, karmisch gesehen, einen blauen Fleck verursacht hat. Aber die Beziehung zwischen dem Stoßen des Fußes und dem Entstehen einer Prellung ist rein physischer Natur.
Natürlich wird sie von vielen Dingen beeinflusst. Wenn sich ein älterer Mensch den Arm stößt, kommt es sehr leicht zu einem blauen Fleck, der lange braucht, bis er wieder weggeht. Stößt sich dagegen ein Jüngerer, sieht man es nicht einmal. Diese Dinge werden durch viele Faktoren, wie in diesem Fall durch das Alter, beeinflusst. Jene von euch, die schön älter sind, wachen manchmal morgens auf und bemerken, dass sie eine blauen Fleck haben, ohne zu wissen woher, denn offenbar ist er nur durch einen kleinen Stoß entstanden. Das ist also ein von Menschenhand geschaffenes Resultat.
Das zweite, der von Menschenhand geschaffenen Resultate, ist eine Art Errungenschaft und hier geht es um unser menschliches Bestreben, die nächste Ebene der spirituellen Entwicklung, die nächste Ebene der Erkenntnis, zu erlangen. Das ist die vierte Art von Resultaten.
Resultate, die Zustände der Trennung sind
Die fünfte Art wird als ein Resultat bezeichnet, obwohl es sich eigentlich nicht um ein Resultat handelt. Solche Dinge haben wir manchmal im Buddhismus. Hier geht es um ein Resultat, das ein Zustand der Trennung ist. Es ist ein Zustand der Trennung von fehlendem Gewahrsein oder Unwissenheit. Er ist statisch und ändert sich nie – es gibt keine Unwissenheit, keine Verwirrung und kein mangelndes Gewahrsein mehr. Er ist für immer vorbei und wird nie wieder kommen. Dieser Zustand der Trennung wird nicht durch irgendetwas erschaffen; es wird etwas erreicht, aber der Zustand selbst wird nicht erschaffen. Dieser Zustand der Trennung bleibt also ewig bestehen.
Die vier Arten von Resultaten
Ist hier die Rede von den vier Arten von Resultaten, geht es um:
- das direkte, unmittelbare Resultat – das Resultat, das unmittelbar aus der Ursache entsteht, wie der blaue Fleck, wenn wir uns den Fuß stoßen;
- das indirekte langfristige Resultat, das aus einem Strom von Kontinuität der Ursache folgt, wie beispielsweise der andauernden und fortwährenden Wut, der dann als Resultat die erneute Wut folgt; (Das Beispiel ähnelt dem bereits zuvor erwähnten, als es um unmittelbare und langfristige Ursachen ging – den Krebs, den man entwickelt, wenn man nicht nur einmal, sondern eine lange Zeit raucht. Oder es könnte auch ein Resultat einer vor langer Zeit stattgefundenen Ursache sein und hierbei geht es dann um diese ganze Thematik in Bezug auf das Karma. Wir könnten es auch auf der körperlichen Ebene betrachten: Vielleicht hatten wir als Kind einen Unfall und haben uns das Bein gebrochen oder etwas Ähnliches und im Alter würden wir dann an der Stelle Arthritis entwickeln.)
- die gereiften Resultate;
- und die dominierenden Resultate, die zu dieser Auflistung mit dazugehören.
Diese Darstellung hat viel mit der Betrachtungsweise von Karma zu tun. Was ich jetzt erlebe, ist das Resultat von unmittelbaren Dingen, die ich tue, aber auch von karmischen Ursachen, die vor langer Zeit stattgefunden haben. Es hat etwas damit zu tun, wie mein Körper es erlebt, sowie mit den ganzen Umständen meines Erlebens. Es ist also eine Darstellung innerhalb des Rahmens von Karma.
Leider haben wir keine Zeit dafür, aber wenn ihr Interesse habt, gibt es im Ausgangsmaterial dieser Abhandlung über die Kausalität weitere Einzelheiten: „Abhidharmakosha“ von Vasubandhu – „Abhidharma“, die „Gegenstände des besonderen Wissens“. Hier gibt es eine Beschreibung dazu, welche Resultate durch welche Ursachen und die Zeiten, in denen sie hervorgerufen werden, was recht kompliziert ist. Es geht darum, welche dieser Ursachen zu unmittelbaren und welche zu späteren Resultaten führen, durch welche eins, beide oder andere Resultate hervorgerufen werden und welche Resultate jede Art von Ursache haben kann. All das ist jedoch ziemlich kompliziert und kann sehr verwirrend sein, wenn man es sich nicht in einer tabellarischen Ansicht zusammenstellt, um die Komplexität der Wechselbeziehungen zwischen all diesen Ursachen und Wirkungen zu untersuchen.
Jede Erfahrung ist das Resultat vieler Arten von Ursachen
Ich denke es ist wichtig zu verstehen, dass jede einzelne Ursache zu vielen verschiedenen Arten von Resultaten führen kann und alles, was wir erfahren, wird das Resultat vieler verschiedener Arten von Ursachen sein. Wenn wir das begreifen, können wir anfangen, unsere festgefahrene Sicht der Wirklichkeit zu dekonstruieren, denn nichts entsteht durch nur eine Ursache allein oder hat gar keine Ursache. All dies ist Teil der Thematik der sechzehn Aspekte der vier edlen Wahrheiten. Jede der vier edlen Wahrheiten hat vier Aspekte und in Bezug darauf gibt es vier Arten des korrekten Verständnisses, die man sich aneignen und vier Arten des fehlerhaften Verständnisses, die man beseitigen sollte.
[Siehe: Die 16 Aspekte der vier edlen Wahrheiten]
In Hinblick auf die zweite edle Wahrheit – die wahre Ursache oder der wahre Ursprung unseres Leidens – sind diese Themen von Bedeutung. Unser Leid wird nicht durch einen allmächtigen Gott oder Schöpfer herbeigeführt, der es uns auferlegt – dem wird im Buddhismus widersprochen. Es entsteht nicht ohne Ursachen und es hat auch nicht nur eine Ursache – obwohl wir oft denken, alles sei unsere Schuld und dann bekommen wir ein schlechtes Gewissen. Wir sagen: „ich bin ein schlechter Mensch“ und „alles, was passiert, ist meine Schuld“. Oder wir sagen: „alles, was passiert, ist deine Schuld“ und projizieren es auf jemanden oder irgendetwas. Dagegen ergibt sich alles aus einem riesigen Komplex von Ursachen, die zu vielen unterschiedlichen Zeiten entstanden sind.
Es geht darum, wie all das was passiert von mir, von dir und von uns erlebt wird. Für jene von euch, die Therapeuten sind, ist ein gutes Beispiel dafür wahrscheinlich die Familientherapie, bei der die ganze Familie zusammenkommt und jedes Familienmitglied dazu befragt wird, was passiert ist, worum es genau geht und wie man es selbst erlebt hat. Vielleicht liegt jemand in der Familie im Sterben und jede Person drückt es irgendwie anders aus. Beschäftigen wir uns mit dieser sehr detaillierten Analyse der Kausalität, können wir verstehen, wie die Erfahrung eines jeden durch so viele verschiedene Faktoren ihrer Vergangenheit, ihres Werdeganges, ihrer Psychologie usw. erschaffen wurde.
Dann gibt es auch die verschiedenen buddhistischen Lehrsysteme und nun fängt es wirklich an interessant zu werden, denn hier fragen wir uns, ob es objektiv gesehen etwas gab, das tatsächlich passiert ist und was jeder erlebt hat. Oder ist es wie bei einer Gruppe von Blinden, die verschiedene Teile eines Elefanten berühren und dann beschreiben, was ein Elefant ist?
- Haben wir eine Sautrantika-Sichtweise und meinen, es gäbe eine objektive Sache, die wirklich passiert ist?
- Oder die des Chittamatra, in der es lediglich um die individuelle Erfahrung eines jeden und um gemeinsames Karma geht, jedoch nicht um etwas, das abgesehen davon objektiv geschehen ist.
- Vielleicht sehen wir es auch in der Betrachtungsweise des Prasangika: es gibt all diese verschiedenen Erfahrungen und wir können die Situation der Familie dem Netzwerk all dessen zuschreiben. Wo befindet sich die Situation? Wir können sie im Grunde nirgends finden; sie ist nur das, auf was sich das Konzept des familiären Problems auf der Grundlage der Erfahrung eines jeden bezieht.
- Vom Svatantrika-Standpunkt aus würde man sagen: „Ja, aber auf Seiten der Erfahrung eines jeden gibt es diesen Barcode des Problems“.
- Und die Vaibhashikas wären einfach nur damit zufrieden, dass es nicht solide ist, sondern aus Teilen besteht.
Das ist auch ein sehr gutes pädagogisches Werkzeug, um sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen. Man hat eine Situation und analysiert sie aus der Perspektive einer jeden Schule und fragt sich, wie man sie in jeder dieser verschiedenen Lehrsysteme verstehen würde, wie sie die Vaibhashikas und wie sie die Sautrantikas verstehen. Auf diese Weise kann man anfangen, mit diesen Systemen zu arbeiten und sehen, dass man von allen sehr hilfreiche Informationen und Möglichkeiten für den Umgang mit diesen Problemen bekommen kann. Natürlich ist es notwendig, korrekte Informationen über diese Systeme zu erlangen; man muss sie erst einmal verstehen, bevor man sie tatsächlich anwenden kann. Es geht nur darum, es nicht einfach dabei zu belassen.
Die vier Arten von Bedingungen
Im letzten Teil dieser Darlegung in Bezug auf die Kausalität, ist die Rede von den vier Arten von Bedingungen.
- Zunächst gibt es ursächliche Bedingungen und das sind all die Ursachen, welche die Kraft haben, ein bestimmtes Resultat zu bewirken.
- Dann haben wir unmittelbar vorausgehende Bedingungen und hier handelt es sich um unmittelbar vorausgehende Augenblicke der Wahrnehmung, die durch ihre Trägheit, gewissermaßen durch ihre Kraft, den nächsten Augenblick bewirken.
- Als nächstes gibt es die fokalen Bedingungen, das, was sich in einer Sinneswahrnehmung präsentiert, damit wir es wahrnehmen können – wie das geistige Hologramm – was wir sehen und hören können.
- Und es gibt die beherrschenden Bedingungen, die sich auf die Sensoren der Wahrnehmung beziehen, die benutzt werden.
Worum geht es dabei? Es gibt einen Moment der fünf Aggregate und wir haben gesehen, dass wir all seine Teile dekonstruieren können, die aus einem ganzen Netzwerk von Ursachen stammen. Wir haben die Darstellung der sechs Arten von Ursachen und die Darstellung der vier Arten von Ursachen. Jedes der kleinen Teile dieses Augenblicks ist eins von vielen verschiedenen Arten von Resultaten vieler unterschiedlicher Arten von Ursachen und so Teil eines unglaublich komplexen Netzwerkes von Ursachen und Resultaten. All das befindet sich innerhalb des Bereiches der ursächlichen Bedingungen – all der Bedingungen, die zu diesen fünf Aggregaten dieses Augenblicks der Erfahrung geführt haben.
Was waren die Bedingungen, die zu diesem Moment der Wahrnehmung geführt haben?
- Es gab einen unmittelbar vorangehenden Augenblick der Erfahrung, der den Impuls für diesen nächsten Augenblick der Erfahrung gegeben hat; da gibt es einen Strom von Kontinuität.
- In dieser Erfahrung gab es ein Objekt der Ausrichtung und das heißt, es gab etwas, das ich gesehen, gehört oder worüber ich nachgedacht habe und all das ist aus einem ganzen Komplex von Ursachen hervorgegangen.
- Die beherrschende Bedingung bezog sich auf die Sensoren der Wahrnehmung – auf die empfindlichen Zellen – die man braucht, um quasi die Wesensnatur dieser Erfahrung zu bestimmen. Was ist Sehen? Was ist Hören? Was ist Denken? Es beherrscht also die so genannte „Wesensnatur dieser Erfahrung“ – ob es eine visuelle, eine geistige oder eine hörbare Erfahrung war (wenn wir uns beispielsweise Musik anhören). Wären wir blind, könnten wir natürlich keine visuelle Erfahrung haben. Diese Zellen oder Sensoren, wie ich sie nenne, sind also notwendige Bedingungen, um die Art der Erfahrung bestimmen zu können.
Auf diese Weise werden all die Ursachen und Bedingungen weiter analysiert, die dafür verantwortlich sind, was wir in jedem Augenblick erfahren. Je mehr wir hier ein Verständnis der Kausalität haben – hier geht es um die zweite edle Wahrheit, die Ursache unseres Leidens – und herausfinden, was diese Leiden sind, desto mehr werden wir in der Lage sein, den wahren Pfad zu verstehen, also das korrekte Verständnis zu haben und zu dekonstruieren, was zum Erlangen der wahren Beendigung führt. Die wahre Beendigung ist ein Resultat, das ein Zustand der Trennung, sowie statisch und ewig ist.
Fragen
Welche Fragen habt ihr dazu? Ich glaube das übergreifende Thema dieser ganzen Diskussion ist das Dekonstruieren – all die verschiedenen Wege, wie wir das, was wir erfahren, auseinandernehmen können, um uns von Leiden zu befreien.
Ein Problem mithilfe eines oder mehrerer Lehrsysteme analysieren
Betrachten wir es aus der Sichtweise eines Kranken, ist es doch besser, die effektivste Medizin zu besorgen und sie zu nehmen, anstatt herauszufinden zu wollen, wie diese oder jene Medizin funktionieren könnte. Wenn wir es in Bezug auf ein Problem in unserem Leben sehen, wäre es dann nicht besser, uns einfach nur der effektivsten Methode zuzuwenden, anstatt das Problem aus dem Blickwinkel jeder dieser Schulen zu analysieren?
Buddha hat nicht nur ein System gelehrt. Buddha lehrte viele Systeme und der Grund dafür war, dass Menschen verschiedene Ebenen des Verstehens und unterschiedliche Kapazitäten haben – zumindest im Moment, denn theoretisch hat jeder das Potenzial ein Buddha zu werden. Momentan befindet sich jedoch jeder auf einer anderen Ebene und daher lehrte er Methoden, die ihrer Ebene des Verstehens angemessen waren. So ist das auch in der Medizin: da gibt es vielleicht eine sehr effektive Lösung, wie eine Herztransplantation oder andere drastische Maßnahmen, aber der Patient ist vielleicht zu schwach oder zu alt, um so einen Eingriff zu überleben und daher muss man eine viel schwächere Behandlung in Betracht ziehen. Das ist das Gleiche. Kann man den Patienten stärken, ist es natürlich möglich, ihm eine effektivere Behandlung zukommen zu lassen.
Leid hat keinen Anfang
Es ist nicht logisch, dass im Buddhismus gesagt wird, Leid hätte ein Ende, aber keinen Anfang. Wie ist man da im Buddhismus so sicher, dass Leid keinen Anfang hat?
Gäbe es einen Anfang, wie würde es denn anfangen? Das ist die eigentliche Frage. Wie würde dieser Anfang aussehen? Es hatte entweder seinen Anfang in einem Schöpfer – einem göttlichen Wesen oder Ähnlichem – oder es gab überhaupt keine Ursache. Es gibt einige logische Widersprüche, die aus beiden dieser Möglichkeiten folgen würden. Würde es keine Ursache geben, könnte jederzeit alles passieren und es gäbe keinen Grund, dass etwas ohne eine Ursache beginnen würde. Gäbe es einen allmächtigen Schöpfer, der statisch ist und durch nicht beeinflusst wird – so wie er in den indischen, nicht-buddhistischen Schulen beschrieben wird, die von einem Schöpfer ausgehen – warum würde solch ein Schöpfer etwas kreieren? Warum würde solch ein allmächtiges Wesen, das durch nichts beeinflusst werden kann, etwas kreieren? Es muss etwas geben, wodurch er beeinflusst wurde, das den Schöpfer dazu gebracht hat, irgendwann die Entscheidung zu treffen: „Ich werde etwas kreieren.“ Das steht im Widerspruch zu der Aussage, der Schöpfer wäre statisch, ändere sich nie und würde nie durch irgendetwas beeinflusst werden. Es ist unlogisch; hier gibt es einen Widerspruch.
Wird der Schöpfer durch etwas beeinflusst – ob wir ihn nun als ein Wesen oder ob wir ihn im Urknall sehen – können wir daraus lediglich schließen, dass es nichts wie einen absoluten Anfang gibt. Denn wodurch wurde er davor beeinflusst? Und davor? Dieses Konzept des „Anfangslosen“ ist wirklich interessant. Eigentlich denken wir alle so. Gehen wir davon aus, Gott hätte etwas erschaffen, fragen wir uns: hat Gott einen Anfang? Nein. Gott ist ewig, ohne Anfang. Ist jemand aus nichts entstanden? Woher kam dann das Nichts? Da war immer nichts, kein Anfang. Egal welcher Behauptung wir nachgehen: es gibt keinen Anfang und daher kann man auch gleich den logischsten Weg nehmen.
Versteht mich nicht falsch. Mein Punkt war: wenn der Schöpfer von solcher Wesensnatur wäre, das er durch eine Entscheidung beeinflusst worden wäre, aus einem bestimmten Grund etwas zu erschaffen, warum hat er es dann nur einmal getan? Das ist eine interessante Frage, denn wenn der Schöpfer dazu gebracht worden wäre, einmal zu kreieren, könnte er doch auch dazu gebracht werden, tausende Male zu kreieren, besonders wenn der Schöpfer keinen Anfang hat. Es kommt also auf das Gleiche: es gibt keinen Anfang.
Abschließende Bemerkungen
Unser Treffen wird jedoch ein Ende haben und ich denke, wir sind zu diesem Punkt gekommen. Ich möchte mich sehr für eure Aufmerksamkeit bedanken. Wenn ihr diesen Themen weiter nachgehen wollt, gibt es jede Menge Texte, die beispielsweise auf meiner Webseite zur Verfügung stehen.
Das ist nur ein kleiner Tip. Ihr werdet sehen, dass jeder Übersetzer unterschiedliche Fachausdrücke benutzt. Es hilft nichts, sich darüber zu beschweren, denn es ist aussichtslos zu versuchen, alle Übersetzer in Einklang bringen zu wollen. Die Worte und Begriffe existieren nicht unabhängig von der Bedeutung. Das Wort ist der Bedeutung zugeschrieben und daher sollten wir uns die Definitionen und die Erklärungen jeder dieser Begriffe ansehen. Und wenn wir einfach mit den Definitionen arbeiten, werden wir sehen, dass verschiedene Übersetzer über die gleiche Sache reden, jedoch andere Namen dafür benutzen. Schaut euch die Bedeutung an und bleibt nicht nur an den Worten und der Terminologie hängen, denn das könnte zu Verwirrung führen. Eins der Prinzipien im Buddhismus besagt: stütze dich nicht nur auf den Lehrer, sondern auf die Worte; stütze dich nicht nur auf die Worte, sondern auf die Bedeutung; stütze dich nicht nur auf die wörtliche Bedeutung, sondern auf die tiefere Bedeutung. Vielen Dank.