Leiden und Wiedergeburt
In den buddhistischen Lehren werden uns Methoden zum Überwinden der verschiedenen Arten von Leiden vermittelt. Da gibt es das generelle Leiden des Unglücklichseins, das unsere sensorischen, wie auch unsere geistigen Erfahrungen begleiten kann. Ebenso haben wir mit unserer gewöhnlichen Art des Glücks ein Problem, denn es stellt uns nie zufrieden. Wir haben nie genug und sobald es für uns langweilig wird, verwandelt es sich in Traurigkeit. Essen wir beispielsweise zu viel von unserer Lieblingsspeise, mögen wir zu Beginn vielleicht eine Art Glück verspüren, sind aber dann, nach einer Weile, ziemlich unglücklich. Bei diesem Auf und Ab in unserem Leben, bei dem wir manchmal unglücklich und dann wieder glücklich sind – handelt es sich um Dinge, die in jeder Wiedergeburt, in jeder unkontrollierbar sich wiederholende Wiedergeburt, die wir haben, auftreten, ganz egal welches Leben wir auch führen. Natürlich werden Ausmaß und Intensität von Glück und Leid variieren, je nachdem, welche Lebensform wir angenommen und besonders welche karmischen Potenziale uns zu dieser Wiedergeburt geführt haben. Auf einer tieferen Ebene haben wir jedoch das so genannte alles umfassende Leiden und dabei handelt es sich um das Leid dieser unkontrollierbar sich wiederholende Wiedergeburt, das die Grundlage für das Erfahren von Unglück und dem so genannten befleckten Glück ist.
Zwölf Glieder des anhängigen Entstehens
In unserer Erörterung der reifenden Ursachen haben wir gesehen, dass dieser ganze Vorgang der Wiedergeburt durch unser Dürsten nach Glück und Leid in der einen oder anderen Form bedingt wird. Vielleicht erinnert ihr euch daran: wir haben über die zwölf Glieder des anhängigen Entstehens gesprochen und gesehen, dass wir die reifenden Ursachen erschaffen, bei denen es sich um störende Emotionen handelt, sowie um destruktives oder beflecktes konstruktives Verhalten, das daraus folgt und verschiedene karmische Tendenzen oder Vermächtnisse hinterlassen kann, je nachdem von welchem Gesichtspunkt wir sie benennen wollen. Zum Zeitpunkt des Todes, wenn wir Glück, Leid oder neutrale Empfindungen haben, dürsten wir dann danach, nicht von dem Glück getrennt zu werden. Außerdem sind wir bestrebt, von dem Leid befreit zu werden und wollen nicht, dass sich das neutrale Gefühl verschlechtert. Dann haben wir herbeiführende störende Emotionen oder Geisteshaltungen; davon gibt es eine ganze Liste, aber im Grunde geht es darum, sich gedanklich auf das „Ich“ zu beziehen und zu denken: „ich will nicht von diesem Glück getrennt werden.“ Das aktiviert diese karmischen Tendenzen in Zusammenhang mit diesen beiden – dem Dürsten und den herbeiführenden Emotionen und Geisteshaltungen. Dadurch wird das so genannte werfende Karma aktiviert, was dann dem geistigen Kontinuum den Antrieb verleiht, eine weitere samsarische Wiedergeburt einzugehen. Und in dieser Wiedergeburt werden wir ebenfalls Leid und beflecktes Glück erfahren. All das ergibt sich aus dem ersten der zwölf Glieder des anhängigen Entstehens – unserer Unwissenheit darüber, wie wir existieren und wie das Selbst in Bezug auf uns und andere existiert.
Verwirrung und die Wichtigkeit, etwas zu dekonstruieren und richtig zu verstehen
Es ist notwendig, diese gesamte detaillierte Darstellung der zwei Wahrheiten, sowie des Selbst und die detaillierte Erklärung in Bezug auf Ursache und Wirkung zu verstehen, um unkontrollierbar sich wiederholende Wiedergeburten überwinden zu können, Befreiung zu erlangen und dann, darüber hinaus, erleuchtet zu werden. Wir sind verwirrt in Bezug darauf, wie wir und wie andere existieren – laut der Prasangika-Sichtweise – und wir sind ebenfalls verwirrt was die Realität, die zwei Wahrheiten, betrifft. Außerdem verstehen wir nicht, was wir hinsichtlich all der verschiedenen Ursachen erleben, die zu den mannigfaltigen Komponenten der Aggregate eines jeden Augenblickes unserer Erfahrung führen. Da wir in Bezug darauf verwirrt sind – es entweder nicht oder auf falsche Weise verstehen – ist das die tiefere Wurzel all unserer Probleme. Es ist also von enormer Wichtigkeit, die täuschenden Erscheinungen, die wir in Bezug auf alles haben, was wir in jedem Augenblick erleben, zu dekonstruieren. Das heißt:
- die Erscheinungen selbst zu dekonstruieren – dafür müssen wir die zwei Wahrheiten verstehen;
- die täuschende Erscheinung von uns selbst zu dekonstruieren, der die zwei Wahrheiten erfährt;
- Dinge hinsichtlich der Kausalität zu dekonstruieren, wie diese Erscheinungen entstehen und was die verschiedenen Ursachen dafür sind;
- zu verstehen, wie all das zusammen, beruhend auf diesen Ursachen, Bedingungen und Teilen, in Abhängigkeit entsteht;
- und all das miteinander zu verbinden, um zu begründen, wie wir existieren.
All diese Themen kann man auf sehr praktische Weise miteinander verbinden, obwohl sie intellektuell ziemlich herausfordernd sein können, wenn wir sie uns Punkt für Punkt betrachten. Wenn wir uns dieser Art von Dingen nähern, ist es jedoch immer wichtig, die Absicht dahinter zu verstehen. Wie gesagt, besteht der Zweck der Lehren Buddhas nicht darin, die Menschen zu langweilen oder sie zu verwirren, sondern ihnen zu helfen, das Leid zu überwinden. Wenn wir uns also diesen Themen zuwenden und sie eingehender studieren wollen, ist es überaus wichtig, sie aus einer Sichtweise anzugehen, in der wir uns fragen, wie diese Dinge uns und anderen dabei helfen können, die verschiedenen Arten von Leiden zu bewältigen und auf der tiefsten Ebene dieses alles umfassende Leiden von unkontrollierbaren Wiedergeburten zu überwinden, in denen wir noch mehr Leid, Probleme, beflecktes Glück, Unzufriedenheit usw. erfahren werden. Wie kann ich anderen dabei helfen, auch davon befreit zu werden?
Wie lange wird das dauern? Wenn wir hören, dass es drei Zillionen von Zeitaltern dauert, um positive Kraft aufzubauen, hilft uns das, nicht entmutigt zu werden. Vielleicht denken wir, dass es entmutigend ist, aber tatsächlich hilft uns das, nicht den Mut zu verlieren. Warum verlieren wir den Mut? Wir verlieren den Mut, wenn wir sofortige Resultate erwarten. Treten die Resultate nicht unmittelbar oder erst nach ein oder zwei Jahren ein, verlieren wir den Mut. Diese Unterweisung in Bezug darauf, wie lange es dauert, hilft uns jedoch, die mutige Stärke und das Bestreben zu entwickeln, einfach immer weiter zu machen, egal wie lange es dauern wird.
Der Sanskrit-Begriff für diese mutige Bemühung ist „Virya“, was oft mit „freudiger Ausdauer“ übersetzt wird und auch ich benutze diese Übersetzung, obwohl sie nicht ganz vollständig ist. Der Sanskrit-Begriff ist mit dem Wort „Vira“ verwandt, was soviel wie „Held“ bedeutet und es bezieht sich auf das lateinische Wort „Vir“, also Mann, und im Englischen haben wir das Wort „virile“, was „männlich“ bedeutet. Es geht also um eine heldenhafte, männliche Bemühung, der Frauen natürlich auch nachgehen können. Es hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern bezieht sich auf dieses starke, heldenhafte Bestreben, das wie eine Rüstung ist, die uns vor Entmutigung schützen soll. Es ist eine Menge Mut notwendig, um den Weg zu Befreiung und Erleuchtung anzutreten – das ist die Bedeutung dieses Wortes. Natürlich brauchen wir auch Ausdauer und sollten Freude mit dem haben, was wir tun und es nicht als eine lästige Pflicht ansehen, die wir erfüllen müssen. Lasst uns also alle diese Rüstung anlegen und uns der verbleibenden Diskussion über Ursache und Wirkung zuwenden.
Die verschiedenen Teile, aus der sich unsere Erfahrung zusammensetzt
Wir versuchen hier die Art und Weise zu beschreiben, wie all die verschiedenen Komponenten innerhalb der fünf Aggregate, die jeden Augenblick unserer Erfahrung ausmachen, zustande kommen. Betrachten wir einen Augenblick der Erfahrung, ist der entscheidende Punkt in Bezug auf die Wiedergeburt und das Entstehen von immer mehr Problemen, die Ebene von Glück und Leid, die wir in diesem Augenblick erfahren. Es ist wichtig darauf zu achten, nicht diesen Durst zu entwickeln und sich mit dem „Ich“ und dem, was stattfindet, zu identifizieren. Wir meinen: „Ich muss das loswerden“ – und dann machen wir es zu so einem Egotrip, bei dem wir denken, es ginge um „mein Glück“, „ich muss glücklich sein“, „es muss nach meinem Kopf gehen“ und „jeder muss mir seine Aufmerksamkeit schenken“ usw.
Wir wissen, dass all diese Dinge dazu führen werden, zu meinen: „Ich bin unglücklich, weil du mir keine Beachtung schenkst“, „du solltest mir deine Aufmerksamkeit widmen“, „du solltest mich lieben“ und „liebe mich nur um meiner selbst willen und nicht wegen irgendetwas anderem“ – und so geht das dann immer weiter in diese Richtung. Wir fühlen uns jämmerlich und das Problem wird dadurch nicht beseitigt, nicht wahr? Wir verlieren uns in dieser Denkweise: „Liebe mich nur um meiner selbst willen“, als gäbe es ein Selbst, das unabhängig von Körper, Geist, Charakter usw. wäre. Das führt dann zu all der Zwanghaftigkeit, bei der meinen, der anderen Person etwas sagen zu müssen und es auch tun und das ist dann Karma. Karma ist der Zwang, der uns dazu treibt etwas zu sagen, wir verlieren die Kontrolle und störende Emotionen treten auf. Durch die Dinge, die wir sagen, kommt es dann zu allen möglichen Problemen, da sich die andere Person dadurch nur noch weiter von uns entfernt.
Wir sind glücklich oder unglücklich, wir erleben das jeden Augenblick – in einem gewissen Grad als Teil der Aggregate – und müssen verstehen, woher es kommt und was die Ursache dafür ist. Es ist notwendig zu verstehen, dass wir diese reifende Ursache haben, die sich aus destruktivem oder beflecktem konstruktivem Verhalten ergibt, also aus einem Verhalten, das von störenden Emotionen und störenden Geisteshaltungen dominiert wird. Wo stammt das her?
Es gab allgegenwärtige Ursachen und Ursachen des gleichen Status – wir haben eine Tendenz so zu sein; es gibt eine Tendenz der störenden Emotion, die aus vorangegangenen Instanzen herrührt, in denen wir uns eine schlechte Angewohnheit zugelegt haben. Wir verstehen, wie das zustande gekommen ist.
Es gab diese karmischen Tendenzen, aus denen Glück oder Leid hervorgegangen sind – die Ursprungsquelle, der Brotlaib, der aus dem Ofen gekommen ist – und die Tendenzen der störenden Emotionen, aus denen Wut oder Anhaftung entstanden sind. Sie werden durch diese herbeiführenden Ursachen hervorgerufen.
Bei allen handelt es sich um diese gleichzeitig wirkenden beitragenden Bedingungen. All diese Dinge, wie: „diese Person kam zu mir und hat mich einfach ignoriert“ und „sie hat dies getan“ oder „sie hat jenes getan“, all das passt in die andere Kategorie der wirkenden Ursachen. Es ist eine Situation, in der es diesen Zwischenfall gab, bei dem ich sagte: „du liebst mich nicht mehr“ usw. Wir erinnern uns: bei den wirkenden Ursachen handelt es sich um alles andere, außer dem Resultat, das irgendwie dazu beigetragen hat, was geschehen ist.
Dann gibt es natürlich auch die indirekten vorangehenden Ursachen, wie die Mutter dieser Person. Hätte sie diese Person nicht zur Welt gebracht, wäre sie nie zu mir gekommen, um mir dieses oder jenes zu sagen. Hier haben wir also alle möglichen Ursachen und Bedingungen.
Und denkt daran: es gab unmittelbare und langfristige Ursachen. Die unmittelbare Ursache – und wir können sie auch im Sinne einer Bedingung sehen – war, was diese Person zu mir gesagt hat. Bei der langfristigen Ursache ging es hingegen um die ganze Vorgeschichte unserer Beziehung und das ist ganz wichtig, sich daran zu erinnern. Oft vergessen wir die gesamte Bandbreite und Vorgeschichte unserer Beziehung zu jemandem. Wir sehen einfach nur diese unmittelbare Sache, die gerade passiert ist, nageln dann die ganze Beziehung daran fest und vergessen all die guten und positiven Dinge dieser Freundschaft. Das liegt daran, dass wir kein Verständnis von unmittelbaren und längerfristigen Ursachen haben und nicht die gesamte Situation sehen, sondern einfach zu engstirnig sind.
Dann gab es auch kongruente Ursachen. In dem Moment, in dem wir traurig darüber sind, was die andere Person gesagt oder dass sie uns ignoriert hat, neigen wir dazu, den Augenblick als etwas wirklich Solides zu sehen, als würde er nicht in verschiedenen Teilen stattfinden. Wir müssen es wieder aus der Vaibhashika-Sichtweise betrachten, denn natürlich hat der Augenblick mehrere Teile, aber es scheint, als hätte er keine. Wir beziehen uns hier auf Teile des Augenblickes der Erfahrung; wir identifizieren den gesamten Augenblick nur mit der Traurigkeit. Kongruente Ursachen – da gibt es das Primärbewusstsein und es gibt eine ganze Gruppe, ein ganzes Netzwerk, anderer Geistesfaktoren, die zu dem Moment der Erfahrung beitragen. Verstehen wir all die Geistesfaktoren, die damit einhergehen, identifizieren wir nicht den ganzen Augenblick nur mit Traurigkeit. Wir achten darauf, was die Person gesagt hat, aber vielleicht haben wir nicht so gut zugehört und nicht richtig verstanden, was sie sagte. Außerdem geht es auch um mangelndes Gewahrsein, denn wenn wir beispielsweise meinen, die Person habe uns ignoriert, sind wir uns vielleicht nicht bewusst darüber, dass sie eventuell mit etwas anderem beschäftigt war oder Kopfschmerzen hatte – wir wissen es einfach nicht. Es gibt in diesem Moment also auch mangelndes Gewahrsein; es gibt Naivität; es gibt die Stimmung, in der wir uns befinden, die zu der Traurigkeit beiträgt und aus Dingen stammt, die vorher passiert sind – vielleicht waren wir wirklich müde, etwas ist auf der Arbeit nicht so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben oder was auch immer. All das trägt zu dieser Traurigkeit bei.
Wir dekonstruieren all die verschiedenen Teile, die diesen Augenblick ausmachen. Anstatt den Moment so engstirnig zu sehen und zu denken: „ich bin traurig und der Grund dafür ist, dass du mich ignoriert hast und Punkt“, versuchen wir ihn in ein einem viel größeren Rahmen der Situation zu betrachten und im Grunde geht es darum, keine so große Sache daraus zu machen.
Auf welcher Seite befinden sich die Ursachen?
Wir fragen uns vielleicht, ob diese Analyse zu der Schlussfolgerung führt, dass wir der Grund von allem sind, was uns widerfährt, aber dem ist nicht so. Sehen wir uns das wieder an einem Lehrsystem an. Aus der Sichtweise der Chittamatra-Schule gibt es keine äußerlich begründeten Phänomene; wir befassen uns also nur mit unserem Geist. Aber obwohl wir wissen, dass wir über die andere Person nur im Rahmen unserer Wahrnehmung dieser Person sprechen können, ist die Existenz dieser anderen Person im Chittamatra-System wahrhaft erwiesen und ihr Erscheinen ergibt sich aus vielerlei Ursachen und Bedingungen seitens dieser Person. Wiederum ist ihr Verhalten nicht meine Schuld; es ist nicht mein Karma, das sie dazu gebracht hat, mich zu ignorieren. Durch mein Karma mache ich die Erfahrung, dass sie mich ignoriert und ihr Karma bringt sie dazu, mich zu ignorieren.
Durch diese Art des Analysierens verstehen wir all die Ursachen auf beiden Seiten und wie es durch diese Kombination in Abhängigkeit dazu gekommen ist. Entwickeln wir ein Verständnis für all das, müssen wir uns nicht über diese Dinge ärgern. Normalerweise regen wir uns auf, weil wir naiv sind– wir wissen nicht, wie wir existieren und projizieren etwas, das unmöglich ist. Mit korrektem Verständnis entwickeln wir jedoch keine störenden Emotionen. Zur Erinnerung: durch eine störende Emotion verlieren wir unseren Geistesfrieden und unsere Selbstbeherrschung, wenn sie auftritt und tun dann zwanghaft etwas Dummes. Stattdessen bewahren wir in dieser Situation unsere Ruhe, sind selbstbeherrscht und auf diese Weise in der Lage, damit umzugehen.
Vielleicht sind wir traurig, aber der Grund dafür sind vorangegangene karmische Ursachen. Und wennschon, dann bin ich eben traurig. Manchmal bin ich nun einmal traurig, das ist nichts Besonderes. Wir lassen uns davon nicht fertigmachen. Mit einem ruhigen Geisteszustand sind wir dann in der Lage, mit der Situation, mit dem was uns ärgert, umzugehen. Wir tun was immer angemessen ist und auf diese Weise handeln wir nicht zwanghaft.
Meditation über das anhängige Entstehen von Ursache und Wirkung
Es ist wichtig zu wissen, wie man über das, worüber wir gesprochen haben, meditiert. Im Buddhismus haben wir viele verschiedene Arten der Meditation. Es gibt beispielsweise die Unterteilung in „Shamatha“ und „Vipashyana“. Diese Begriffe haben sie vielleicht schon gehört.
- „Shamatha“ ist ein still gewordener und zur Ruhe gekommener Geist: er ist gelöst und befreit von geistiger Trägheit, Flatterhaftigkeit, Ablenkung und Ähnlichem. Er ist zur Ruhe gekommen, verbleibt auf dem Objekt und bewegt sich nicht; das ist perfekte Konzentration. Körper und Geist fühlen sich ganz leicht und flexibel; sie können alles tun.
- Mit „Vipashyana“ sind wir zusätzlich dazu in der Lage, feine Unterscheidungen und Details wahrzunehmen. Wörtlich übersetzt bedeutet das Wort Vipashyana „ein Geisteszustand von außergewöhnlicher Wahrnehmungsfähigkeit“.
Das ist jeweils die endgültige Ebene dieser zwei, aber in diesem Moment können wir praktizieren, um diese Zustände zu erreichen. Wie können wir jedoch über all das meditieren, worüber wir geredet haben?
- Zuerst einmal ist es notwendig, etwas über die Analyse der Kausalität zu erfahren und die Informationen richtig aufzunehmen.
- Dann müssen wir darüber nachdenken und ein korrektes Verständnis entwickeln.
- Darüber hinaus ist es wichtig, es nicht nur verstanden zu haben, sondern auch daran zu glauben, dass es der Wahrheit entspricht und etwas ist, das uns helfen wird; wir müssen bereit dafür sein, dieses System meistern zu wollen.
- Dann beginnen wir mit dem Analysieren. Wie bereits gesagt, können wir diesen bestimmten Augenblick analysieren, sehen woraus er besteht usw. Allerdings ist es nicht möglich, das einfach in dem Moment zu tun, in dem wir mit jemandem Austausch haben. Aber wir können uns später hinsetzen, darüber nachdenken, analysieren worum es eigentlich ging und es dekonstruieren.
- Haben wir uns erst einmal mit diesem Dekonstruieren vertraut gemacht, besteht die Shamata -Praxis dann darin, sich auf eine bestimmte Situation zu fokussieren und die Aufmerksamkeit mit einem gewissen Verständnis darauf zu richten. Wir verstehen, dass sie in Abhängigkeit von vielen Teilen und Ursachen entstanden ist.
Was das abhängige Entstehen betrifft, gibt es hier vier Ebenen. Die erste ist die Ebene der zwölf Glieder des anhängigen Entstehens – dieses sehr komplexe System von Glück, Leid, Karma usw. Dann haben wir zweitens die Abhängigkeit von Ursachen – all die kleinen Teile unserer Erfahrungen, die verschiedene Ursachen haben – und sie sind drittens auch von Dingen abhängig. Und schließlich bezeichnen wir es in unserem Geist als ein „Problem“, aber das Problem ist das, worauf sich die Bezeichnung „Problem“ bezieht. Es gibt nichts auf Seiten all dieser Teile und Ursachen, dass es von sich zu einem Problem macht.
Wir haben all das begriffen und mit „Shamatha“ richten wir uns mit dem Verständnis auf diese Situation, dass sie in Abhängigkeit der zwölf Glieder, der Ursachen, Teile und der geistigen Benennung entstanden ist, jedoch ohne auf die Einzelheiten einzugehen; es geht lediglich darum zu verstehen, dass sie in Abhängigkeit all dessen zustande gekommen ist. Erst wenn wir über diese perfekte Konzentration verfügen, können wir auf all die Details eingehen, ohne unsere Konzentration zu verlieren – und das ist dann „Vipashyana“. Haben wir uns jedoch immer wieder in dieser Praxis geübt und diese hilfreiche Gewohnheit durch die Shamatha-Meditation aufgebaut, bei der wir uns auf das Problem richten und verstehen, dass es in Abhängigkeit entstanden ist, können wir in unserem täglichen Leben dieses Verständnis in einer Situation anwenden, auch wenn wir die vollkommene Stufe von Shamatha und perfekter Konzentration noch nicht erreicht haben.
Sehen wir uns das an einer Situation an: Ich bin glücklich, aber dann beginne ich, mich über etwas zu ärgern. In dem Moment üben wir uns in Vergegenwärtigung. Vergegenwärtigung ist der geistige Klebstoff, mit dem wir uns an das erinnern, was wir in der Meditation entwickelt haben. Wir sehen, konzentrieren uns darauf und verstehen, dass diese Situation aufgrund der zwölf Glieder, der Ursachen, Teile und der geistigen Benennung entstanden ist. Wir müssen hier nicht in alle Einzelheiten gehen; sie spielen zu diesem Zeitpunkt keine Rolle. Aber das Verständnis ist notwendig. Einfach nur zu sagen, es entstehe in Abhängigkeit bedeutet gar nichts – dabei handelt es sich nur um eine Hörkategorie, nur um ein Wort ohne jegliche Bedeutung. Wir brauchen ein korrektes Verständnis davon, was abhängiges Entstehen in diesem Moment bedeutet, auch wenn wir nicht auf alle Einzelheiten eingehen. Wenn wir wollten, könnten wir auf einige eingehen, jedoch nicht zu diesem Zeitpunkt; es ist nicht relevant. Einfach nur durch dieses Verständnis sind wir dann in der Lage, unsere Schwierigkeiten aufzulösen und ruhig zu werden. Schließlich nutzen wir dann unsere Intelligenz um das zu tun, was in dieser Situation die intelligente Lösung ist und handeln nicht zwanghaft.
Die wahre Meditation der Vergegenwärtigung besteht also darin zu versuchen, stets dieses Verständnis im Geist zu bewahren und das bezieht sich auf das Sich-Erinnern, auf den geistigen Klebstoff, damit wir in jeder Situation, egal was auch passiert, verstehen, dass sie in Abhängigkeit entstanden ist. Wir könnten sie analysieren, aber sogar ohne eine detaillierte Analyse verstehen wir, worum es geht. Wenn wir uns wirklich tiefgreifend mit Vipashyana befassen, werden wir in jedem Augenblick auch all die Ursachen erkennen können, aber das ist eine sehr fortgeschrittene Ebene.
Das gleiche gilt in Bezug darauf das Selbst zu verstehen, das diesen Augenblick erlebt. Sind wir in der Lage es zu verstehen, sowie die zwei Wahrheiten, die damit einhergehen, können wir auch das in diesem Augenblick vergegenwärtigen, wenn wir es erfasst und damit gearbeitet haben. Das nennt man Shamatha der Leerheit. Es ist nicht notwendig, in dem Moment tatsächlich all diese Details zu erkennen; vielmehr erkennen wir diese Dinge schon vorher und dann, in diesem Augenblick, lösen wir uns einfach von all diesen Missverständissen.
Die Gefahr besteht natürlich darin, nachlässig zu werden und dann die Bedeutung zu vergessen. Daher ist es wichtig, sich immer wieder mit der Bedeutung vertraut zu machen und das heißt, einfach immer weiter zu praktizieren und eine heroische Anstrengung zu unternehmen, da wir es gewohnt sind, verwirrt und zwanghaft zu sein. Diese Gewohnheiten sind ausgesprochen stark und sie bestehen seit anfangsloser Zeit. Das Selbst und das geistige Kontinuum haben keinen Anfang und daher hat sich eine enorme Kraft aufgebaut, die es zu überwinden gilt. Deswegen haben wir davon gesprochen, wie notwendig es ist, dieses Netzwerk positiver Kraft aufzubauen, indem wir uns in Meditation üben und tatsächlich etwas tun, um anderen zu helfen. Dadurch wird diese entgegenwirkende positive Kraft geschaffen, um die negativen Kräfte unserer vergangenen negativen Gewohnheiten zu überwinden.
Fragen
Umgang mit Situationen in Bezug auf das Selbst
Befinden wir uns in einer Situation, in der es um uns selbst geht, ist es dann vielleicht hilfreicher, sich von der Situation zu distanzieren und sich vorzustellen, sie würde nicht mir, sondern einem Freund passieren?
Haben wir eine falsche oder fehlerhafte Sichtweise in Bezug auf das Selbst, wäre es dasselbe, ob wir uns nun vorstellen, sie würde uns selbst oder jemand anderem widerfahren. Aber natürlich würden wir uns nicht so sehr ärgern, wenn wir sie uns bei jemand anderem vorstellen. In gewisser Weise mag es einfacher sein, sie zu analysieren, aber es ist trotzdem notwendig dies zu tun.
Eine wirksamere Weise, sich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen, besteht vielleicht darin, sie nicht von einem persönlichen, sondern von einem unpersönlichen Standpunkt zu analysieren, anstatt sie als die Situation eines anderen zu betrachten. Dazu müssen wir verstehen, was mit „unpersönlich“ gemeint ist. Auch wenn die Situation noch mit dem Selbst verbunden ist, nehmen wir sie nicht mehr persönlich und sehen sie nicht mit diesem falschen „Ich“ auf eine egoistische Art und Weise, indem wir denken: „Warum muss das gerade mir passieren?“
Hier ein Beispiel: Vielleicht sind wir gerade auf der Arbeit und unser Chef schreit uns an: „Arbeiten Sie schneller – wir müssen all das noch fertigbekommen – warum sind Sie so langsam?“ usw. Das sollten wir nicht persönlich nehmen und es mit anderen Worten nicht nur als etwas betrachten, das auf uns und auf dieses aufgeblasene „Ich“ gerichtet ist. Denn wenn wir es persönlich nehmen, fragen wir uns: „Warum schreit er gerade mich an?“ Vielmehr betrachten wir es auf unpersönliche Weise und sehen uns die Situation an: den Chef, der durch diese und jene Bedingungen beeinflusst wurde; der vielleicht heute Morgen mit seiner Familie ein Problem hatte; vielleicht gab es aber auch wirtschaftlichen oder tausende andere Gründe – all diese wirkenden Ursachen. Aber wir analysieren es auch von unserer Seite: vielleicht tue ich etwas falsch, vielleicht arbeite ich zu langsam, wurde durch Emails, Facebook, Twitter oder sonst irgendetwas an meinem Computer abgelenkt. Das Selbst ist also nach wie vor mit der Situation verbunden und wir fragen uns, was wir tun können, um die Situation mit dem Chef zu verbessern und zu verstehen, um uns dann auf intelligente Weise damit auseinandersetzen zu können. Das verstehen wir darunter, es unpersönlich zu betrachten. Wir sind noch immer damit verbunden, aber es dreht sich nicht alles um das „Ich“.
Konzeptuelle Gedanken und Vorstellungen
Während unseres Lebens haben wir bestimmte Konzepte, zum Beispiel die eines Mannes oder die einer Frau, und diese Konzepte ändern sich im Laufe des Lebens. Sind diese Konzepte, insbesondere zum Zeitpunkt des Todes, dann dafür verantwortlich, danach zu streben, auf bestimmte Weise wiedergeboren zu werden oder eine andere Art der Wiedergeburt zu vermeiden und dann die eigentliche Wiedergeburt herbeizuführen?
Hier ist die Rede von konzeptuellen Gedanken und diese konzeptuellen Gedanken haben, wie bereits gesehen, etwas mit Kategorien zu tun. Eine Vorstellung ist etwas, das die Kategorie repräsentiert. Wir haben also eine Kategorie Mann oder eine Kategorie Frau und etwas, das sie repräsentiert – das ist unsere Vorstellung davon, wie ein Mann oder eine Frau sein sollte.
Ändert sich das?
Wir können das, was die Kategorie repräsentiert, ändern. Die Vorstellung davon wird sich ändern, aber die Kategorie selbst nicht – es ist nach wie vor die Kategorie Mann oder Frau. Kannst du verstehen, wie man im Buddhismus das, worüber du gesprochen hast, analysieren würde? Da gibt es die Kategorie „Mann“ oder „Frau“ und dann gibt es unsere Vorstellung davon, was ein Mann oder eine Frau ist und das repräsentiert die Kategorie. Diese Repräsentation kann sich im Laufe des Lebens ändern; sie kann sich entwickeln. Die Frage ist nun, was führt zu diesem Dürsten und zu einer dieser herbeiführenden Geisteshaltungen? Wenn ich eine bestimmte Anhaftung an eine gewisse Art des Lebens habe – vielleicht will ich als ein Mann oder als eine Frau wiedergeboren werden – wie wird dadurch dieser gesamte Vorgang beeinflusst? Hier wird es etwas komplizierter.
Wir haben beispielsweise eine Vorstellung von einem Mann oder einer Frau – sagen wir einmal von einer Frau. Wir denken also an eine Frau und haben eine Vorstellung davon, was eine Frau oder was Weiblichkeit für uns repräsentiert. Wir heben diese guten Eigenschaften hervor, wir verbinden die Weiblichkeit mit diesen positiven Eigenschaften und ignorieren die negativen Eigenschaften und Mängel. Beruhend darauf entwickeln wir dann Anhaftung daran, eine Frau zu sein, was schließlich unser Verhalten und die Weise, wie wir sprechen, beeinflusst. Dadurch werden karmische Potenziale, karmische Tendenzen, geschaffen.
Zum Zeitpunkt des Todes haben wir dann bestimmte Empfindungen, wir sind glücklich oder unglücklich und dürsten dementsprechend nach bestimmten Dingen: „Ich möchte dieses Gefühl haben“ oder „ich will nicht jenes Gefühl haben“, wobei der Schwerpunkt auf dieser egoistischen Haltung liegt, bei der wir denken: „ich will das nicht“ oder „ich möchte jenes“, „ich will nicht sterben“ und all diese Gedanken, die bei vielen Menschen im Moment des Todes hochkommen – sie werden eine ganze Reihe karmischer Tendenzen aktivieren. Eine davon könnte die karmische Tendenz sein, die sich aus unserem Verhalten in Bezug auf die Anhaftung, eine Frau zu sein, ergibt. Ist sie wirklich dominierend, wird sie einen Einfluss auf die Art der Wiedergeburt ausüben und dann werden wir als eine Frau wiedergeboren werden.
Hierbei muss es sich allerdings nicht um einen samsarischen Vorgang handeln. Denken wir nur einmal an Tara – diesen Buddha in weiblicher Form. Sie hat ohne diese Anhaftung und ohne dieses Überbewerten geschworen, immer wieder als Frau geboren zu werden, um Frauen zu helfen und sie auf ihrem spirituellen Pfad zu ermutigen. Auf der Grundlage dieses Wunsches wurde sie darauf immer wieder als eine Frau wiedergeboren, jedoch nicht auf samsarische Weise.
Der Unterschied besteht hier darin, entweder eine realistische Sichtweise oder eine unrealistische Sichtweise von Frauen oder Männern zu haben, bei der wir nur die positiven Seiten sehen und alle Mängel ignorieren. Bei der realistischen Sichtweise gibt es kein Problem; alles hat sowohl positive Aspekte, als auch Mängel.