Übungen zum Korrigieren der zehn innewohnenden Geistesfaktoren

Fragen und Antworten  

Beginnen wir unsere Sitzung mit einigen Fragen.

Karma 

Ich frage mich, ob diese Aussage richtig ist oder nicht: Alles, was wir durch unsere sechs Sinne mit den Geistesfaktoren wahrnehmen, ist unser Karma, das wir in der Vergangenheit angesammelt haben. Sind Wahrnehmungen, die ich durch meine sechs Sinne aufnehme, Karma oder nicht.

Im Grunde nein, denn beim Karma geht es einfach nur um den Drang. Der Drang begleitet die Sinneswahrnehmung oder das geistige Denken und treibt das Bewusstsein und dessen begleitende Geistesfaktoren dazu an, im nächsten Augenblick etwas mit dem Objekt zu tun. Es gibt verschiedene Theorien und Darstellungen in Bezug auf Karma im Buddhismus, aber die unkomplizierteste ist, Karma stets als geistigen Drang zu betrachten.

Wir haben geistiges, physisches und verbales Karma – also Dränge, die uns antreiben, eine Handlung des Körpers, der Rede oder des Geistes auszuführen. Die verschiedenen Handlungen, die durch Karma hervorgebracht werden, führen als deren Hinterlassenschaft zu verschiedenen Tendenzen, positiven und negativen Kräften, und so weiter, und reifen zu diversen Dingen. Zu was reifen sie heran? Sie reifen beispielsweise zu dem heran, was wir gern tun würden und was wir beabsichtigen zu tun. Das gleicht dann dem, das wir auch vorher schon getan haben und daraus folgt, zusammen mit der Absicht, der Drang, der uns dazu antreibt es zu tun. 

Betrachten wir zum Beispiel eine destruktive Art von Verhalten, wie jemanden zu beschimpfen. In dieser Situation ist das, was wir gern tun würden, die Person zu beschimpfen. Sie hat gerade etwas gesagt oder getan und wir meinen es war falsch und haben das Gefühl, sie deswegen beschimpfen zu müssen. Dieses Gefühl, es tun zu müssen, reift aus vorangegangenen Tendenzen heran, so zu handeln oder zu erwidern. Was folgt, ist die Absicht, diese Person tatsächlich zu beschimpfen und oft könnte es auch die Absicht sein, zunächst darüber nachzudenken, um sich schließlich dafür zu entscheiden. Ist dies der Fall, haben wir, zusammen mit der Absicht, den Drang darüber nachzudenken, sie beschimpfen. Das nennt man einen „auslösenden karmischen Drang“ oder einen auslösenden karmischen Impuls, da er anschließend zu einem weiteren karmischen Drang führen kann, die Person tatsächlich zu beschimpfen – obgleich wir es uns natürlich später auch anders überlegen können und uns entscheiden, es nicht zu tun. 

Zusammen mit dieser Absicht gäbe es dann eine begleitende positive oder negative Emotion. Die Absicht und diese Emotion zusammen sind das, was wir als „Motivatoren“ oder einfach als Motivation bezeichnen. In diesem Falle handelt es sich um die „ursächliche Motivation“. Diese ursächliche Motivation könnte zum Beispiel darin bestehen, sie korrigieren zu wollen. Die Person hat Fehler gemacht und uns geht es etwas an, wir kümmern uns um sie. Es gibt also einen mitfühlenden Aspekt, der unsere Absicht des Beschimpfens begleitet. Dann haben wir eine Abfolge von Gedanken, die durch den auslösenden karmischen Impuls herbeigeführt wird: „Ich werde diese Person zurechtweisen. Wenn ich sie das nächste Mal sehe, werde ich ihr definitiv die Meinung sagen.“ 

Daraus folgt, dass wir, wenn wir die Person das nächste Mal sehen, mit der Absicht sie zu beschimpfen einen so genannten „antreibenden karmischen Impuls“ haben werden. Dabei handelt es sich um den Drang, der uns im nächsten Augenblick zu der verbalen Handlung des Beschimpfens treibt.

Als wir darüber nachdachten, die Person zu beschimpfen, bestand unsere Absicht darin, sie zu beschimpfen, und die Motivation war vielleicht Mitgefühl. Mitgefühl ist das, was als ursächliche Motivation bezeichnet wird. Befinden wir uns jedoch in der Situation und haben den Drang, der uns dazu tatsächlich dazu bringt etwas zu sagen, besteht die Absicht darin, die Person zu beschimpfen. Im Eifer des Gefechts könnte die zugrundeliegende Emotion jedoch tatsächlich Wut sein. Das ist oft der Fall. Anfangs hatten wir eine angeblich gute Motivation, aber in der eigentlichen Situation werden wir wütend. Das nennt man die „gleichzeitig stattfindende Motivation“. Sie findet gleichzeitig statt, tritt also zur gleichen Zeit auf, in der wir die Handlung ausführen wollen und dann tatsächlich auch ausführen.

Der Drang, die Absicht und die begleitende Emotion dahinter setzen sich weiter fort, denn wir brauchen etwas, das uns dazu antreibt, die Person weiter zu beschimpfen. Aus dem Beschimpfen ist jedoch ein Anschreien geworden. Schließlich muss sich etwas ändern und es wird den Drang geben, damit aufzuhören und es zu beenden, zusammen mit der Motivation, warum wir mit dem Schreien aufhören werden. Es ist ein sich fortsetzender Vorgang.

In Bezug auf die Hinterlassenschaft und das karmische Resultat all dessen können wir sehen, dass die Motivation und der eigentliche Drang hier getrennte Faktoren sind und somit verschiedene Resultate haben können. Weil wir die Person mit harten Worten beschimpfen, könnte dies ein Resultat haben, aber da die ursächliche Motivation Mitgefühl ist, wird es hier eine andere Art von Resultat geben.

In diesem Beispiel kann man sehen, dass die Motivation, mit der wir denken es zu tun und die Motivation, mit der wir es dann tatsächlich tun, ziemlich unterschiedlich sein können. Es ist äußerst wichtig zu verstehen, was wir im Buddhismus unter Motivation verstehen. Vor einer Belehrung bestimmen wir unsere Motivation und das bezieht sich sowohl auf eine Absicht als auch auf eine begleitende Emotion. Die Absicht besteht darin, Erleuchtung zu erlangen, um anderen hilfreich sein zu können. Die Emotion dahinter ist Mitgefühl. Diese Kombination ist das, was wir im Buddhismus als Motivation bezeichnen. Im Westen denken wir oft, dass es sich bei der Motivation nur um den emotionalen Aspekt handelt.

Um es noch einmal zu wiederholen, ist Karma mit dieser Ausführung nicht die Handlung. Karma ist der Geistesfaktor des Dranges, der uns in die Handlung treibt. Die Handlung selbst ist die Abfolge des Verhaltens, zu dem der Drang führt. Was wir jedoch in der Zeit, in der all das geschieht, wahrnehmen, ist nicht Karma.

Aber vielleicht geht es ja in deiner Frage auch um etwas anderes. Im Westen nutzen wir das Wort „Karma“ in einem sehr breiten Kontext und sagen zuweilen es sei unser Karma, dieses oder jenes Objekt gesehen zu haben, zu verunglücken oder was auch immer. Vielleicht geht es in deiner Frage auch darum. Hier im Westen bezeichnen wir auch das karmische Resultat mit dem gleichen Wort, als „Karma“.

Sind unsere Erfahrungen und Wahrnehmungen das Resultat von Karma? Beispielsweise sehe ich dich und höre, wie du eine Frage stellst. Die Tatsache, dass du in diesen Raum gekommen bist und mir eine Frage gestellt hast, ist nicht das Resultat meines Karmas. Ich bin dafür nicht verantwortlich, sondern du. Das mag komisch klingen, aber viele Menschen nehmen Karma fälschlicherweise so wahr. Wenn jemand von einem Auto angefahren wird, denken sie, es wäre das Karma der Person, das jemanden dazu bringt, sie mit dem Auto anzufahren. So ist das nicht. Das Karma reift vielmehr dazu heran, dass ich erlebe, wie du in den Raum kommst und eine Frage stellst. Das kommt von meinem Karma. Dass du in den Raum kommst und eine Frage stellst, ist jedoch das Resultat deines Karmas.

Wir sollten jedoch dem Karma als Ursache dessen, was geschieht, nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Es ist nur ein beteiligter Faktor. Andere sind beispielsweise, dass jemand diesen Kurs organisiert hat, dass jemand dieses Gebäude gekauft hat, dass jemand das Flugzeug, mit dem ich gekommen bin, geflogen ist und auch, dass jemand das Flugzeug erfunden hat. Es gibt unzählige Ursachen. In der buddhistischen Analyse gibt es tatsächlich zwanzig verschiedene Arten von Ursachen, die etwas damit zu tun haben, was passiert.

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