Frage zu Methode und Weisheit
Könnte Eure Heiligkeit ein wenig mehr über Methode und Weisheit erklären?
Wenn wir im Buddhismus von Methode und Weisheit sprechen, bezieht sich die Methode in erster Linie auf die verschiedenen Handlungen und die Praxis, die als Ursache für das Entstehen des Formkörpers eines Buddhas – auch Rupakaya, der Ausstrahlungskörper, genannt – wirken. Mit Weisheit ist das gemeint, wodurch man ein Netzwerk tiefen Gewahrseins, also das Ansammeln von Einsicht, aufbaut, was als Ursache für die Erlangung des allwissenden Geistes eines Buddhas wirkt.
In einer allgemeinen Darstellung des Dharma sind die zwei Wahrheiten die Grundlage, das Paar von Methode und Weisheit der Pfad und die beiden Buddha-Körper das Resultat. Bei den erleuchtenden Formen des Körpers eines Buddha ist es so, dass diese direkt zum Nutzen anderer wirken, da diese Formen mit anderen Wesen in Kontakt treten und somit direkt einen Nutzen ausüben können. Dafür ist also der erleuchtende Körper bzw. der Rupakaya eines Buddhas da – um anderen zu nutzen.
Wo der Körper eines Buddhas präsent ist, ist natürlich auch sein Geist, denn Körper und Geist sind untrennbar miteinander verbunden. Wenn man also nicht den allwissenden Geist eines Buddhas besitzt, wird man auch nicht die grenzenlosen erleuchtenden Formkörper besitzen, um anderen helfen zu können. Der erleuchtende Geist eines Buddhas ist in gewissem Sinne etwas für den eigenen Nutzen. Er stellt ein bedeutungsvolles Ziel für uns selbst dar und ist die Grundlage dafür, mit dem physischen Körper eines Buddha anderen Nutzen bringen zu können.
Innerhalb der Kategorien von Methode und Weisheit gibt es verschiedene Aspekte. Bei der Methode gibt es zum Beispiel die weitreichenden Geisteshaltungen bzw. Vollkommenheiten von Großzügigkeit und Geduld, sowie Liebe und Mitgefühl und so weiter. Auf der Seite der Weisheit gibt es deren unterschiedliche Arten; aber in erster Linie gehört dazu das unterscheidende Gewahrsein, mit dem man die Abwesenheit wahrhaft begründeter Existenz, sprich, Leerheit, versteht. Auch wenn das unterscheidende Gewahrsein, mit dem man die Unbeständigkeit und die verschiedenen Arten der Leerheit versteht, miteingeschlossen ist, ist es hauptsächlich das unterscheidende Gewahrsein, mit dem wir die Abwesenheit wahrhaft begründeter Existenz erkennen.
Fragen bezüglich des Befreiens von unzähligen fühlenden Wesen
Der Buddhismus lehrt, dass es unzählbar viele fühlende Wesen gibt, denen zu helfen ist und die es zu befreien gilt. Bei dieser unendlichen Anzahl kann man schnell die Hoffnung verlieren. Besteht denn Hoffnung, dass tatsächlich alle irgendwann befreit werden können?
Im Allgemeinen kann es hilfreich für die Entwicklung unserer Entschlossenheit zur Praxis sein, auch an Dinge zu denken, die sich nur sehr schwer oder gar nicht festschreiben lassen. Das gilt beispielsweise für Bodhisattvas, die viele Gebete zum Wohle aller machen. Generell ist Samsara – d.h. sich unkontrollierbar wiederholende Existenz – etwas, das kein Ende hat. In ähnlicher Weise ist auch die Anzahl fühlender bzw. begrenzter Wesen endlos. Sie sind unzählbar und auch die Zahl der Buddhas ist grenzenlos.
In Bezug auf die Atome, die ebenso unzählbar viele sind, kann man beispielsweise noch sagen, dass sie auf eine bestimmte Weise existieren. Genauso können wir auch all die Atome eines bestimmten Phänomens als die unzählige Anzahl dieses Phänomens charakterisieren. In gleicher Weise gibt es zahllose fühlende Wesen, und wir können sie als die nicht zählbare Anzahl von fühlenden Wesen kategorisieren. Dieser Kategorie gegenüber entwickeln wir dann eine gewisse Entschlossenheit und den Mut, sie alle zu befreien.
Daraufhin ist die Frage, ob es tatsächlich möglich ist, dass alle fühlenden Wesen Buddhas werden, durchaus berechtigt. Die Antwort lautet: Es ist in der Tat möglich – jedes einzelne Wesen kann Erleuchtung erlangen. Der Grund dafür sind die verschiedenen Aspekte der Reinheit und die Potenziale im Geistesstrom aller Wesen. Sich jedoch vorzustellen, wie das tatsächlich geschieht und wie lange es dauert, kann recht schwierig sein.
Viel wichtiger ist, darüber nachzudenken, unsere Herzen durch Bodhichitta für alle Wesen mit dem Wunsch zu öffnen, ihnen zu helfen. Das wird bereits einigen Wesen einen Nutzen bringen. Wenn wir jedoch denken: „Es gibt unendlich viele fühlende Wesen – das ist einfach zu viel“, und dann aufgeben, wird das überhaupt niemandem etwas bringen.
Wie können wir anderen helfen, die psychische Störungen haben, schwer krank sind oder unter körperlichen Behinderungen leiden? Wie können wir ihnen helfen, ihr Leid zu beenden und die Ursachen ihres Leids zu beseitigen?
Wenn jemand schwer krank ist oder auf eine andere Weise sehr leidet, ist das Karma dieser Person bereits herangereift. Wird man zum Beispiel blind geboren, kann man das in der Regel nicht heilen, auch wenn man sicherlich eine gewisse Form von medizinischer Behandlung und praktische Unterstützung geben kann. Auch kann man durch Mantra-Rezitation –abhängig von der Qualifikation des Durchführenden – einen gewissen Nutzen erzielen. Der entscheidende Punkt zur Linderung von Leid und den Ursachen des Leids kommt jedoch von Seiten der Person, die dieses Leid erfährt.
Frage zur Jonang-Tradition und der Leerheit von anderem
Eure Heiligkeit erwähnte, dass die Jonangpas, die die Sichtweise der Leerheit von anderem vertreten, ebenso Verwirklichung erlangen könnten. Welche Ebene kann man mit dieser Sichtweise erlangen? Können sie Befreiung erlangen?
Grundsätzlich kann man, wenn man der von den Jonangpas vertretenen Auffassung der Leerheit von anderem folgt, keine Befreiung erlangen, da diese Sichtweise mit der Annahme wahrhaft begründeter Existenz einhergeht. Diese Sichtweise besagt, dass von anderem beeinflusste Phänomene zwar frei von völlig imaginären Existenzweisen sind, aber dennoch als durch und durch begründete Phänomene wahrhaft existieren – d.h. sie vertreten wahrhaft begründete Existenz. Auf der relativen Ebene sind Phänomene selbst-leer (tib. rang-stong) und auf der letztendlichen Ebene sind sie das laut ihnen nicht. Sie sind stattdessen leer von anderem (tib. gzhan-stong). Diese Leerheit von anderem selbst setzt wahrhaft begründete Existenz voraus; sie ist lediglich „leer“ von etwas anderem. Die Leerheit von anderem wird als etwas Positives, wahrhaft Begründetes und Unabhängiges vertreten. Mit dieser Sichtweise kann man nicht zum zweiten der fünf Pfade, dem Pfad der Anwendung (Pfad der Vorbereitung), gelangen.
Das Sangha-Juwel
Lasst uns nun mit unserem Text fortfahren. Wenn wir vom Sangha-Juwel sprechen, sind damit diejenigen gemeint, die die wahren Beendigungen und die wahren Pfade des Geistes in ihrem Geisteskontinuum erlangt haben. Dies bezieht sich auf hochverwirklichte Wesen, die Aryas, und darüber hinaus. Genauso können wir auch von gewöhnlichen Wesen als Mitglieder des Sangha sprechen. Wenn vier oder mehr versammelt sind, fungieren diese als Repräsentation des Arya-Sangha.
Aus der Sicht des Mahayana gehören diejenigen zur Arya-Sangha, die die erste Stufe eines hoch verwirklichten Geistes erlangt haben, die erste Bodhisattva-Bhumi, und darüber hinaus. Was die Buddhas, den Dharma bzw. die vorbeugenden Maßnahmen und den Sangha betrifft, so sind diese die Drei Juwelen der Zuflucht. Sie sind jene, die uns eine gute und sichere Richtung vorgeben.
Wir nähern uns dem, indem wir zunächst ein Verständnis der beiden Ebenen der Wahrheit entwickeln. Davon leiten wir dann die vier edlen Wahrheiten ab, und von diesen die Drei Juwelen der Zuflucht. Diese Vorgehensweise wird in Texten wie der „Prasannapada” („Die klaren Worte“ von Chandrakirti) und dem „Abhisamayalamkara“ („Filigranschmuck der Verwirklichungen“ von Maitreya) dargestellt.
Die schriftlichen Quellen für die sieben Vajra-Punkte
Wir haben nun bereits die Drei Juwelen – die Buddhas, der Dharma und die Sangha-Gemeinschaft – besprochen. Der nächste Aspekt ist die Quelle, d.h. die Buddha-Natur. Hier gibt es sieben Vajra-Punkte – „diamantstarke“ Punkte –, die den gereinigten Zustand, die erleuchtenden Qualitäten und den erleuchtenden Einfluss beinhalten.
Der zweite Vers lautet:
(2) Deren aufeinanderfolgende Verbindung, zurückzuführen auf die Eigenschaften, die sie definieren, in der Reihenfolge, in der sie zu verstehen sind, ist so wie in dem „Sutra, [das] von König Dharani [erbeten wurde]“. Aus seiner Einführung hat man sich dreier seiner Punkte gewahr zu werden, während vier aus der Beschreibung der Dharma-Maßnahmen derjenigen mit der geistigen Einstellung und der Siegreichen [zu entnehmen sind].
Die Quelle für diese Sieben Punkte kann auf zwei Arten zurückverfolgt werden. Es gibt einzelne Sutras, in denen sich jeweils einzelne dieser Punkte finden. Es gibt aber auch ein Sutra, nämlich das vom Text erwähnte „Sutra, [das] von König Dharani [erbeten wurde]“, in dem alle sieben Punkte dargestellt sind.
Die ersten drei der Sieben Punkte können wir der Einleitung entnehmen, während die übrigen vier aus den Kapiteln mit den Beschreibungen der Dharma-Maßnahmen derjenigen mit der geistigen Einstellung des Bodhichitta – das sind die Bodhisattvas – und der Dharma-Maßnahmen der Siegreichen, der Buddhas, stammen.
Die Reihenfolge, in der die sieben Varja-Punkte zu verstehen sind
Der dritte Vers des „Weitestgehenden, immerwährenden Kontinuums“ stellt die Reihenfolge, in der sieben Vajra-Punkte zu verstehen sind, dar.
(3) Von den Buddhas, der Dharma; vom Dharma, die Gemeinschaft der Aryas; von der Gemeinschaft, der Mutterschoß, tiefes Gewahrsein, die Quelle [bis zur] letztlichen Erlangung. Indem dieses tiefe Gewahrsein erreicht wird, [erlangt man] unübertroffene Erleuchtung, die Kräfte und so weiter und besitzt die Dharma-Maßnahmen, die allen begrenzten Wesen bedeutsamen Nutzen bringen.
Zunächst haben wir die vollständig entwickelten Buddhas, welche die vorbeugenden Maßnahmen des Dharma aufzeigen. Von diesen Anweisungen in den Schriften dieser vorbeugenden Maßnahmen, die sie selbst praktiziert haben, kommt man zu der hoch verwirklichten Gemeinschaft der Aryas, dem Arya-Sangha, der ebenso die Maßnahmen praktiziert.
Diese Gemeinschaft zeigt den wesentlichen Faktor des tiefen Gewahrseins auf, welcher die Quelle bis zur letztendlichen Erlangung des Ziels darstellt. Damit ist die Buddha-Natur gemeint bzw. die wesentlichen Faktoren tiefen Gewahrseins und so weiter. Alle Mitglieder dieser Gemeinschaft besitzen diese Quelle, die es ihnen ermöglicht, Erleuchtung zu erlangen. Indem dieses tiefe Gewahrsein erreicht wird, erlangt man unübertroffene Erleuchtung. Wenn man die verschiedenen Makel auslöscht, die die Quelle bzw. die wesentlichen Faktoren verdecken, erreicht man den gereinigten Zustand der Erleuchtung.
Hat man diesen Erleuchtungszustand erreicht, besitzt man die Kräfte und so weiter, die Qualitäten dieses Zustands der Erleuchtung. Mit diesen Qualitäten besitzt man auch die Maßnahmen des Dharma, mit denen man allen begrenzten Wesen Nutzen bringen kann. Mit anderen Worten, man übt erleuchtenden Einfluss aus, um anderen dabei zu helfen, die Makel, die ihre Buddha-Natur verdecken, loszuwerden – man ist also in der Lage, anderen zur Erleuchtung zu verhelfen. So ist die Reihenfolge der sieben Vajra-Punkte zu verstehen.
Nach dem dritten Vers, der die sieben Punkte der Reihe nach präsentiert hat, folgen nun die eigentlichen drei Quellen der sicheren Richtung bzw. Zuflucht.
Die acht definierenden Charakteristika des Buddha-Juwels
Der vierte Vers stellt das Buddha-Juwel in abgekürzter Weise folgendermaßen dar:
(4) Ich verbeuge mich vor ihm, der mit der Buddhaschaft, die ohne Anfang, Mitte und Ende ist und in sich selbst vollkommene Ruhe und Erleuchtung darstellt, die furchtlosen und sicheren Pfade des Geistes aufzeigt, um jene zur Verwirklichung zu führen, die ohne Verwirklichung sind, indem er das erhabene Schwert und diamantstarke Zepter allwissenden Gewahrseins und liebender Güte schwingt und damit die sprießenden Keime aller Probleme zerschneidet und die Mauern unentschlossenen Schwankens, dicht umwachsen von verschiedensten Auffassungen, niederreißt.
Das Wort furchtlos im Text kann im Tibetischen entweder mit oder ohne das Suffix „-s“ am Ende des Wortes ’jig(s) geschrieben werden; es kann also mit „furchtlos“ oder „unvergänglich“ übersetzt werden. [Notiz des Übersetzers: Im Sanskrit-Original ist die Bedeutung „furchtlos“.]
Der fünfte Vers nimmt nun den Kern von dem, was im ersten Vers nur abgekürzt erklärt wurde, auf und stellt es dann dar, indem er jedem der Punkte bestimmte Begriffe zuordnet bzw. jeden Punkt identifiziert.
(5) Buddhaschaft ist nicht beeinflusst, von sich aus alles vervollkommnend, wird nicht durch den Einfluss anderer verwirklicht und besitzt allwissendes Gewahrsein, intensive liebende Güte, kraftvolle Fähigkeiten und einen bedeutsamen Nutzen für beide Seiten.
Darauf folgt:
(6) Da sie eine Selbstnatur ohne Anfang, Mitte und Ende besitzt, ist sie nichtbeeinflusst. Da sie einen Dharmakaya von vollkommener Ruhe besitzt, der alles umfassende Körper, heißt es, dass sie von sich aus alles vervollkommnet.
(7) Da sie von jedem selbst zu verwirklichen ist, wird sie nicht durch den Einfluss anderer verwirklicht. Da sie die Verwirklichung dieser drei Aspekte besitzt, besitzt sie das allwissende Gewahrsein. Da sie die Pfade des Geistes aufzeigt, besitzt sie ein Herz intensiver liebender Güte.
(8) Sie besitzt kraftvolle Fähigkeiten, da sie die Beseitigung von Problemen und störenden Emotionen durch ihr tiefes Gewahrsein mitfühlendes Herz bewirken kann. Die ersten drei stellen einen bedeutsamen Nutzen für einen selbst dar, während die letzten drei einen bedeutsamen Nutzen für andere darstellen.
In diesen drei Versen wurde die Erklärungsmethode vorgestellt, die der Text verfolgt. Diese Methode nimmt die Bedeutung, die im ersten Vers erläutert wurde und die Identifikation jeder der Punkte aus dem zweiten Vers auf und kombiniert diese im dritten Vers, um zu erklären, worum es insgesamt dabei geht. Das ist die Methode, die bei der Präsentation des Materials im Text angewandt wird.
Buddhaschaft ist nicht beeinflusst bzw. nicht bedingt
Es ist an dieser Stelle nicht notwendig, jedes einzelne Wort des Textes zu kommentieren; was wir uns aber fragen können, ist, was ein Buddha und der Zustand der Erleuchtung, Buddhaschaft, überhaupt sind. Sie sind ein Zustand, der acht Eigenschaften besitzt. Zunächst ist dieser Zustand nicht beeinflusst bzw. nicht bedingt.
Wenn der fünfte Vers sagt, Buddhaschaft ist nicht beeinflusst, bezieht sich das auf die Worte des vierten Verses: Buddhaschaft, die ohne Anfang, Mitte und Ende ist. Das wird dann am Anfang des sechsten Verses erklärt: da sie eine Selbstnatur ohne Anfang, Mitte und Ende besitzt.
Da Buddhaschaft anfänglich ungeboren ist, verweilt sie nicht in der Mitte und vergeht nicht am Ende. Buddhaschaft, die Erleuchtung, besitzt diese Art von Selbstnatur und ist aus diesem Grund nicht beeinflusst, nicht bedingt und ohne Anfang, Mitte und Ende – ohne wirkliches Entstehen, Verweilen und Vergehen.
Wir können es uns so vorstellen, dass Buddhaschaft diese Selbstnatur besitzt als etwas, dessen Natur nicht durch Ursachen und Bedingungen geschaffen wurde. Aus diesem Grund besitzt sie keinen Anfang, keine Mitte und kein Ende in dem Sinne, dass ihre Natur nicht von Ursachen und Bedingungen geschaffen wurde. Auf der anderen Seite kann dies auch so erklärt werden, dass diese Selbstnatur oder Natur der Realität seit jeher ohne Anfang dagewesen ist. Das wäre eine etwas andere Art, diesen Punkt aufzufassen.
In seinem Kommentar zu dieser Zeile erklärt Rongtön Sheja Künrig „nicht beeinflusst“ und „nicht bedingt“ im Sinne von nicht beeinflusst oder bedingt von Ursachen und Bedingungen. Das ist eine Art, nicht beeinflusst bzw. nicht bedingt zu sein, d.h. nicht bedingt von zwanghaftem Verhalten bzw. Karma und unbefleckt von Unwissenheit. Auf einer anderen Ebene sind es die störenden Emotionen, von denen Buddhaschaft nicht beeinflusst ist, und das dritte wären die Gewohnheiten, die die störenden Emotionen auslösen; auch davon ist Buddhaschaft nicht beeinflusst.
Wenn wir vom sogenannten „Körper der essenziellen Natur“, dem Svabhavakaya, sprechen, ist diese Natur unbeeinflusst von Ursachen und Bedingungen. Der alles umfassende Dharmakaya des tiefen Gewahrseins bzw. der Körper des tiefen Gewahrseins ist jedoch nicht etwas, das unbeeinflusst von Ursachen und Bedingungen ist; vielmehr müssten wir sagen, dass er unbeeinflusst von Karma und störenden Emotionen ist, oder dass er in seiner Erscheinungsform unbeeinflusst ist. Es ist nämlich nicht so, dass er dem Übenden manchmal erscheint und manchmal nicht. Er ist nicht wie die Emanationskörper eines Buddha, die den Wesen von ihrer Seite aus manchmal erscheinen und manchmal wieder verschwinden. Von diesem Erscheinungsaspekt ist der Dharmakaya unbeeinflusst. Es ist wichtig, an dieser Stelle zu verstehen, was unbeeinflusst im jeweiligen Kontext bedeutet.
Buddhaschaft vervollkommnet von sich aus alles
Die zweite Eigenschaft der Buddhaschaft ist, dass sie von sich aus alles vervollkommnet. Grund dafür ist, da sie einen Dharmakaya von vollkommener Ruhe besitzt, der alles umfassende Körper, heißt es, dass sie von sich aus alles vervollkommnet. Der Zustand der Erleuchtung ist also unbeeinflusst in dem Sinne, dass er im Geist der Wesen weder erscheint noch verschwindet. Wenn etwas spontan alles vervollkommnet, würde es nicht manchmal erscheinen und manchmal wieder verschwinden. Nur wenn etwas fortwährend erscheint, kann es spontan alles vollenden.
Solange wir den ruhenden, alles umfassenden Körper, den Dharmakaya, mit der Gewohnheit, Phänomene in einer Weise erscheinen zu lassen, die nicht mit deren tatsächlicher Existenzweise übereinstimmen, nicht erlangt haben, geschieht Folgendes: Wir können lediglich zeitweilig entweder völlige Vertiefung (tib. mnyam bzhag) in raumgleiche Leerheit oder die nachfolgende Verwirklichung (tib. rjes thob) illusionsgleicher Leerheit praktizieren – nicht aber beides konstant und gleichzeitig.
Zeitweilig bedeutet hier, dass wir uns manchmal dem einen und manchmal dem anderen widmen können. Wir sind jedoch noch nicht in der Lage, beides spontan vervollkommnen zu können. Bis zu dem Punkt gelingt es uns lediglich mit Unterbrechungen, nicht aber konstant.
Buddhaschaft wird von jedem selbst verwirklicht
Die dritte Eigenschaft der Buddhaschaft ist die Tatsache, dass man sie nicht durch den Einfluss anderer verwirklicht, sondern sie von jedem selbst zu verwirklichen ist. Das bedeutet, dass der Dharmakaya tiefen Gewahrseins nur von den Buddhas selbst ergründet bzw. nur von ihnen individuell verwirklicht werden kann; nicht aber von jenen, die keine Buddhas sind.
Buddhaschaft besitzt allwissendes Gewahrsein, liebende Güte und kraftvolle Fähigkeiten
Buddhaschaft besitzt das allwissende Gewahrsein, und das gleichzeitig und konstant. Da in ihr die beiden Zustände völliger Vertiefung und nachfolgender Verwirklichung gleichzeitig präsent sind, ist man sich in ihr allem Existierenden und dessen Existenzweise gleichzeitig gewahr. Die kognitiven Schleier, welche dieses allwissende Gewahrsein verdecken, bewirken, dass wir zwischen nachfolgender Verwirklichung und völliger Vertiefung hin- und herwechseln. Ohne diese Schleier ist ein Buddha dazu in der Lage, sich dem Ausmaß aller existierenden Phänomene, als auch der Art und Weise, in der alles existiert, gleichzeitig bewusst zu sein. Aus diesem Grund besitzt Buddhaschaft allwissendes Gewahrsein.
Die nächste Eigenschaft ist intensive liebende Güte, welche der Buddhaschaft zu eigen sind, da sie die Pfade des Geistes aufzeigt, die tiefe, intensive liebende Güte für andere Wesen als Grundlage haben. Aufgrund seiner Liebe und seines Mitgefühls war Buddha dazu in der Lage, die Pfade des Geistes gemäß den Bestrebungen, Veranlagungen und Eigenheiten seiner verschiedenen Schüler zu lehren; und das aus dem Grund, da er ein Herz intensiver liebender Güte besitzt.
Wenn wir einmal betrachten, wie viele verschiedene Lehren der Buddhismus enthält, so ist dies der Fall, da die Menschen so viele geistige Dispositionen haben. Nicht immer war das, was Buddha lehrte, etwas, das seiner eigenen Verwirklichungsebene entsprach. Aufgrund der verschiedenen Veranlagungen seiner Schüler, passte er sich daran an und lehrte verschiedene Ansichten. Wenn wir uns dem einmal bewusst sind, hilft uns das dabei, auch für andere Religionen einen tiefen Respekt zu entwickeln.
Buddhaschaft besitzt kraftvolle Fähigkeiten, da sie die Beseitigung von Problemen und störenden Emotionen […] bewirken kann. Mit den verschiedenen Qualitäten wie Allwissenheit und intensive liebende Güte hat der Zustand der Buddhaschaft die kraftvolle Fähigkeit, die Probleme und störenden Emotionen anderer zu beseitigen. Dies geschieht durch ihr tiefes Gewahrsein, ihre Allwissenheit und durch ihr mitfühlendes Herz. Damit ist die Erklärung über die Buddhas abgeschlossen.
Wenn mehr Zeit für eine ausführlichere Erklärung zur Verfügung steht, erklärt man dies normalerweise in Verbindung mit dem zweiten Kapitel des „Pramanavarttikas“ („Ein Kommentar über die gültige Wahrnehmung“), wo Dharmakirti die Existenz von Allwissenheit begründet.
Die acht Charakteristika des Dharma-Juwels
Die nächsten Verse präsentieren das Juwel der vorbeugenden Maßnahmen, des Dharma. Auch dieses besitzt acht Qualitäten, wie beispielsweise die Tatsache, dass es unvorstellbar ist. Dies wird im Text mit derselben Methode wie im vorhergehenden Punkt über die Buddhas dargestellt. Der erste Vers, Vers 9, präsentiert die Bedeutung in zusammengefasster Form. Vers 10 legt die verschiedenen Argumente, um die es geht, dar, und die folgenden Verse 11 und 12 kombinieren die Argumente mit deren Bedeutung, die zuvor in Vers 9 dargestellt wurden.
Die Verse lauten:
(9) Ich verneige mich vor der Sonne des heiligen Dharmas – nicht wahrhaft existent oder nicht existent, nicht gleichzeitig wahrhaft existent und nicht existent, und nicht etwas anderes als wahrhaft existent oder nicht existent. Er übersteigt den Intellekt; kein Wort könnte ihn bestimmen; er ist von jedem individuell zu erkennen; er ist vollkommene Ruhe und ohne Makel. Er ist tiefes Gewahrsein, durchschienen von Lichtstrahlen, und zerstört jegliche Anhaftung, Feindseligkeit und Dunkelheit bzgl. aller Objekte der Ausrichtung.
(10) Der Dharma ist das Unvorstellbare – frei von den beiden und von konzeptuellen Gedanken –, das Reine, das Klärende, und die Gegenkraft, die diese bewirkt. Er ist, was die Trennung von Anhaftung bewirkt, und die Trennung selbst. Er besitzt die definierenden Charakteristika der zwei Wahrheiten.
(11) Was es bedeutet, sich von Anhaftung zu trennen, lässt sich als wahre Beendigung und wahre Pfade des Geistes zusammenfassen. Die Reihenfolge, in der diese zu verstehen sind, ist im Hinblick auf die Qualitäten, zweimal drei, zu verstehen.
(12) Da er den Intellekt übersteigt, nicht in Worte zu fassen ist und nur von den hochverwirklichten Aryas erkannt wird, ist er unvorstellbar. Er ist vollkommene Ruhe, da er frei von den beiden und von konzeptuellen Gedanken ist. Die drei – Reinheit usw. – gleichen der Sonne.
Wenn es in Vers 9 heißt „er übersteigt den Intellekt“, bezieht sich dies auf seine Eigenschaft, unvorstellbar zu sein. „Kein Wort könnte ihn bestimmen“ bedeutet, dass man sich ihm nicht mit Worten nähern kann – er ist nicht in Worte zu fassen. Da er von den hochverwirklichten Aryas erkannt wird, ist er unvorstellbar. Er ist etwas, das von jedem individuell zu erkennen ist; gewöhnliche Wesen können ihn jedoch nicht verstehen bzw. verwirklichen – er wird nur von den hochverwirklichten Aryas erkannt.
Am Ende von Vers 10, wo es heißt, dass er die definierenden Charakteristika der zwei Wahrheiten besitzt, geht es um die letzten beiden der vier edlen Wahrheiten, die sich speziell auf den reinigenden Aspekt der wahren Beendigungen und der wahren Pfade des Geistes beziehen.
Da, wo der Vers von „vollkommener Ruhe“ und von „ohne die beiden spricht“, geht es um Karma und störende Emotionen. Der Dharma ist vollkommene Ruhe, da er frei von diesen beiden ist. Auch ist er frei von konzeptuellen Gedanken, wie es in Vers 12 heißt, da fehlerhafte Betrachtungen abwesend sind, d.h. dass die Phänomene nicht auf inkorrekte Weise betrachtet werden – das ist die Bedeutung davon, frei von konzeptuellen Gedanken zu sein.
Die letzte Zeile in Vers 12 „die drei – Reinheit usw. – gleichen der Sonne“ bezieht sich auf die drei Eigenschaften aus Vers 10: das Reine, das Klärende, und die Gegenkraft, die diese bewirkt. Diese drei sind wie die Sonne, da der Dharma von all den geistigen Schleiern bereinigt ist.
Die emotionalen Schleier, die störenden Emotionen, werden in diesem Text „Schleier der Anhaftung“ genannt. Neben diesen gibt es noch die kognitiven Schleier bzgl. aller erkennbaren Phänomene. In diesem Text werden sie „Hindernisse, die darin bestehen, alle erkennbaren Phänomene wahrnehmen zu können“ genannt. Die dritte Art von Schleier wird manchmal als „Schleier derer mit bescheidenem Geist“ bezeichnet. Da der Dharma von all diesen Schleiern befreit ist, hat er eine Klarheit, die der Sonne gleicht, um andere Dinge zu erleuchten. Der Reinheitsaspekt des Dharma bezieht sich auf den Aspekt des Dharma-Juwels, die wahren Beendigungen bewirken zu können. Wenn im Vers von „Gegenkraft” die Rede ist, geht es dabei um die wahren Pfade des Dharma-Juwels.
Die acht Charakteristika des Sangha-Juwels
Die folgenden Verse, beginnend mit Vers 13, behandeln das Juwel des Sangha bzw. der Absichtsgemeinschaft.
(13) Ich verbeuge mich vor jenen, die sehen, dass störende Emotionen frei von essenzieller Natur sind, da Gewahrsein die Selbst-Natur klaren Lichts besitzt; vor jenen, die das Vollkommene realisiert haben – die Tatsache, dass alle wandernden Wesen ohne wahrhafte Identität sind und abseits aller Extreme ruhen – und somit sehen, dass alles von der vollkommenen Erleuchtung durchdrungen ist; vor jenen, welche eine ungehinderte Geisteshaltung und die Sicht des tiefen Gewahrseins, das die vollkommene Reinheit der unzähligen begrenzten Wesen zum Objekt hat, besitzen.
(14) Aufgrund ihrer Sicht tiefen Gewahrseins – welches sieht, wie die Dinge wirklich sind, das Ausmaß alles Existierenden und was innen liegt – und [aufgrund] ihrer Arten der Reinheit besitzt die Gemeinschaft jener mit der Geisteshaltung, niemals umzukehren, unvergleichliche gute Eigenschaften, welche Bereinigungen von Unzulänglichkeiten sind.
(15) Da sie erkennen, dass die tatsächliche Natur umherwandernder Wesen vollkommene Ruhe ist, ist dies die Natur von allem Existierenden; und dies aufgrund der Tatsache, da ihre störenden Emotionen von Beginn an erschöpft sind und ihre Selbstnatur vollkommen rein ist.
(16) Da die Gemeinschaft mit einer Geisteshaltung schaut, die das auf der letztendlichen Ebene zu Erkennende verwirklicht hat – die Präsenz der tatsächlichen Natur allwissenden Gewahrseins in allen Wesen mit begrenztem Gewahrsein –, hat sie das Ausmaß von allem Existierendem.
(17) Jede Verwirklichung wie diese ist von jedem selbst zu verstehen und zu erkennen. Da die makellose Sphäre frei von Anhaftung und Begrenzung ist, ist sie rein.
(18) Da sie aufgrund ihrer Sicht tiefen Gewahrseins und ihrer Arten der Reinheit das unvergleichliche tiefe Gewahrsein der Buddhas haben, ist die hoch verwirklichte [Gemeinschaft], die niemals umkehrt, eine Quelle der sicheren Zuflucht für alle Wesen mit ihren begrenzten physischen Körpern.
Wir haben nicht viel Zeit; deswegen werde ich nicht weiter darauf eingehen.
Die Quellen der resultierenden Zuflucht
(19) Die drei Quellen der sicheren Zuflucht werden in Bezug auf jene, die diese vorgeben, deren Lehren und jene, die sich auf dem Pfad befinden, dargestellt. Dies geschieht im Hinblick auf die drei Fahrzeuge des Geistes und auf jene mit inbrünstiger Beachtung für die drei Arten der Handlungen.
Hierbei geht es darum, warum es die drei Objekte der Zuflucht, die Drei Juwelen gibt.
Die Darstellung der drei Quellen der sicheren Richtung oder Zuflucht wird in Bezug auf die Quellen gemacht, die wir in Zukunft als Resultate erlangen werden. Zuvor haben wir von resultierender Zuflucht gesprochen, d.h. die sichere Richtung im Sinne der Resultate, die wir zukünftig erreichen werden, einzuschlagen. Aus dieser Perspektive werden die Drei Juwelen auch in Bezug auf die drei Arten von Schülern – jene, die den drei Fahrzeugen des Geistes folgen –, die Arten der Resultate oder die drei Arten der Handlungen, auf welche diese abzielen, dargestellt.
Die erste Art von Schülern sind die Shravakas, die Hörer der Lehren. Sie zielen mit ihrer Praxis darauf ab, in die Anwesenheit eines Buddhas zu kommen. Mit ihrer Weisheit, ihrem Verständnis und ihrer Motivation streben sie den Zustand eines Arhats, eines befreiten Wesens, an. Auf diese Weise können sie am Gefolge eines Buddhas teilhaben. So wird das Sangha-Juwel als das Resultat des Ziels der Shravakas dargestellt.
Nun haben wir die zweite Art der Schüler, die sich selbst Entwickelnden bzw. Pratyekabuddhas. Diese praktizieren zu einer Zeit, in der kein Buddha anwesend ist. In schwierigen Zeiten, beispielsweise einer Hungersnot, versuchen sie, durch die Praxis des Dharma für sich selbst den Zustand eines Arhats, die Befreiung, zu erlangen. Das letztendliche Ziel bzw. der Hauptpunkt, auf den der gesamte Pfad der Pratyekabuddhas abzielt, ist der Dharma selbst, das Dharma-Juwel. Auf diese Weise wird das Dharma-Juwel im Hinblick auf das Ziel der allein praktizierenden Pratyekabuddhas dargelegt.
Beim dritten Schülertyp, den Bodhisattvas – das sind jene mit einer Bodhichitta-Motivation –ist das Ziel der Zustand eines Buddhas, um allen begrenzten Wesen helfen zu können. Was deren Ziel betrifft, so gibt es die Darstellung der Buddhaschaft, das Buddha-Juwel.
Im Hinblick dieser drei Arten von Praktizierenden – Shravakas, Pratyekabuddhas und Bodhisattvas – stellen sich die Drei Juwelen, der drei Quellen der sicheren Richtung, aus der Perspektive der zukünftigen Resultate, auf die diese drei Arten von Schüler hinarbeiten, dar.
Die Buddhas allein sind die letztendliche Quelle der Zuflucht
Es gibt zwar provisorische Quellen der sicheren Richtung bzw. der Zuflucht, wenn wir aber auf der tiefsten Ebene sind, der letztendlichen Quelle der sicheren Richtung, sind dies allein die Buddhas. Der Grund dafür wird in den nächsten beiden Versen erläutert:
(20) Da man sie hinter sich lässt, sie etwas Trügerisches sind, sie etwas nicht Existierendes sind und sie mit Angst in Verbindung stehen, sind die vorbeugenden Maßnahmen in ihren beiden Aspekten und die hochverwirklichte Gemeinschaft nicht die fortwährenden, letztendlichen Quellen der sicheren Richtung.
„Da man sie hinter sich lässt” bezieht sich auf die schriftlichen Lehren der Buddhas; mit anderen Worten, wir verlassen uns zunächst auf die Schriftbelehrungen, aber sobald wir tatsächlich durch sie Verwirklichung erlangt haben, brauchen wir uns nicht länger auf sie zu stützen. Daher ist die Zuflucht zum Dharma keine letztendliche Zufluchtsquelle.
Die nächste Zeile von Vers 20 „da sie etwas Trügerisches sind“ bezieht sich auf die Verwirklichungen in den geistigen Kontinua der hochverwirklichten Arya-Bodhisattvas. Diese haben eine gewisse Ebene des tiefen Gewahrseins erreicht, sind jedoch noch nicht auf der höchsten Ebene angekommen, die man mit dem Zustand der Erleuchtung erlangt. Die Zuflucht zum Dharma als Verwirklichungsebene der Aryas ist deswegen auch keine letztendliche Zufluchtsquelle, denn sie ist etwas Trügerisches und nicht das letztendliche tiefe Gewahrsein.
Mit dem nächsten Grund „da sie etwas nicht Existierendes sind“ sind hier die wahren Beendigungen in den geistigen Kontinua des Sangha gemeint. In diesem Kontext sind der Sangha die befreiten Wesen, die Arhats, die das sogenannte Nirvana ohne Überrest erlangt haben; d.h. das Aufhören der wahren Probleme und wahren Ursachen dieser Probleme in ihren geistigen Kontinua – die ersten beiden der vier edlen Wahrheiten. Aus diesem Grund ist es etwas nicht Existierendes im Hinblick auf diese Beendigungen, und daher ist die Zuflucht zum Dharma im Sinne der wahren Beendigungen in den geistigen Kontinua der befreiten Arhats ebenso keine letztendliche Quelle der Zuflucht. Das liegt daran, dass sie nur eine Nichtexistenz von einem Teil dessen darstellen, was loszuwerden ist.
Auch das Sangha-Juwel ist keine letztendliche oder tiefste Quelle der sicheren Richtung, da es mit Angst in Verbindung steht. Damit sind die befreiten Hörer der Lehren, die Shravaka-Arhats gemeint. In ihren geistigen Kontinua befinden sich immer noch die kognitiven Schleier, welche deren Erkenntnis aller erkennbaren Dinge verhindern. In diesem Sinne haben sie Angst, sind deswegen begrenzt und können uns nicht die letztendliche sichere Richtung vorgeben.
Diese Verse schließen ab mit
(21) Im tiefsten Sinne sind also allein die Buddhas eine Quelle der Richtung für die wandernden Wesen, denn sie, die Fähigen, besitzen den alles umfassenden Dharmakaya und sind das höchste Ziel der Gemeinschaft des Sangha.
Wir sollten es vermeiden zu denken, dass die Drei Juwelen der Zuflucht in ihrer Gesamtheit nicht so wichtig sind und die anderen beiden, Dharma und Sangha, keine Rolle spielen, nur weil es hier heißt, dass allein die Buddhas die Quelle der Richtung für die wandernden Wesen sind. Denn wenn es heißt, dass die Fähigen den alles umfassenden Dharmakaya besitzen, dann sind zwar die Buddhas selbst die letztendliche Quelle der Richtung, aber sie schließen die anderen beiden Juwelen in dem Sinne ein, dass diese Fähigen selbst den alles umfassenden Dharmakaya besitzen. Dabei beinhaltet der Dharmakaya das Zufluchtsobjekt des Dharma, und die Erleuchtung der Buddhas stellt das letztendliche Ziel bzw. den Endpunkt dar, den die Sangha-Gemeinschaft zu erreichen beabsichtigt. Auf diese Weise argumentiert Ngulchu Thogme Sangpo in seinem Kommentar.
Buddha, Dharma und Sangha als die „seltenen und überragenden Juwelen“
Der nächste Vers erklärt dann, warum die Buddhas, der Dharma und der Sangha als „seltene und überragende Juwelen“ bezeichnet werden. Dies ist leicht zu verstehen; man muss es nur lesen:
(22) Da ihr Vorkommen selten ist, sie makellos sind, ihnen Stärke innewohnt, sie zum Schmuck jener mit vergänglicher Grundlage werden, sie das Überragende sind, und da sie unveränderlich sind – deshalb sind sie die seltenen und überragenden [Juwelen].
Dies schließt die Darstellung der ersten drei von vier diamantstarken Punkten bzw. Vajra-Punkten des „Weitestgehenden, immerwährenden Kontinuums“ ab.