Resultate der karmischen Hinterlassenschaft

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Schwierigkeiten mit der Terminologie beim Studium des Karmas

Eine der Schwierigkeiten beim Studium des Karmas besteht in der tibetischen Terminologie, die unterschiedliche Bedeutungen hat. Im Tibetischen kann man beispielsweise Potenziale und Tendenzen auch als Gewohnheiten bezeichnen. Es ist sehr verwirrend, dass man tibetische Begriffe auch für viele unterschiedliche Dinge, über die wir gesprochen haben, benutzen kann. Ich habe mich bei den Fachausdrücken für Potenzial, Tendenz und Gewohnheit jeweils auf nur eine Bedeutung beschränkt. Wenn ihr die Texte lest, ist es wahrscheinlich ziemlich verwirrend, da die Begriffe oft abwechselnd benutzt werden. Man muss sich die Definitionen einer bestimmten Sache ansehen, die auf vielerlei unterschiedliche Weise bezeichnet werden kann.

Karmische Resultate entstehen aus einer komplexen Verbindung

Kommen wir zu den karmischen Resultaten, die aus den karmischen Kräften und Tendenzen heranreifen. Wenn ihr euch erinnert, beeinflussen nichtoffenbarende Formen unser Verhalten, wobei diese Resultate nicht aus diesen Formen hervorgehen. Da nichtoffenbarende Formen, wenn wir sie aufgeben, eine Phasenumwandlung durchlaufen und zu karmischer Kraft werden, welche dann wiederum reift, werden nichtoffenbarende Formen manchmal als „Ursachen der Ursachen“ dieser Resultate bezeichnet. Auch wird der Prozess, bei dem ständige karmische Gewohnheiten Erscheinungen in sich selbst begründeter Existenz entstehen lassen, nicht als Reifung bezeichnet. Wenn wir also von verhaltensbezogener Ursache und Wirkung sprechen, beziehen wir uns speziell auf das Reifen der karmischen Kräfte und Tendenzen, welche die Hinterlassenschaft unserer karmischen Impulse und Pfade des Karmas sind. 

Es gibt vier Arten von karmischen Resultaten. Eigentlich sind es nur drei, aber da eins von ihnen zwei Teile hat, handelt es sich im Grunde um vier. Es gibt (1) die gereiften karmischen Resultate; (2) die karmischen Resultate, die der Ursache im eigenen Verhalten ähneln; (3) die karmischen Resultate, die der Ursache in der eigenen Erfahrung ähneln; und (4) die dominanten karmischen Resultate.

Zunächst sollten wir erst einmal verstehen, dass es sich bei Ursache und Wirkung um eine höchst komplizierte Thematik handelt, die nur ein Buddha vollkommen verstehen kann. Jedes Resultat wird aus einer Vielzahl von Kombinationen, einer komplexen Verbindung zahlreicher Ursachen und Bedingungen, hervorgebracht. Nichts ist auf nur eine Ursache zurückzuführen, und ein Phänomen kann als viele verschiedene Ursachen für zahlreiche unterschiedliche Dinge wirken. Es ist kein linearer Prozess, bei dem eine Ursache nur eine Auswirkung hervorbringt, und sich ein Resultat aus nur einer Ursache ergibt. Vielmehr handelt es sich um eine unfassbar komplexe Verbindung, und damit etwas stattfinden kann, sind zahlreiche Ursachen notwendig. 

Gereifte karmische Resultate

Lasst uns nun die Definitionen dieser vier Arten von karmischen Resultaten anschauen. Gereifte karmische Resultate, also die erste Art des karmischen Resultats, sind die nicht-behindernden unspezifischen Dinge, die mit unserem geistigen Kontinuum als begrenztes Wesen verbunden sind. Der Begriff „unspezifisch“ heißt, dass sie weder konstruktiv noch destruktiv sind, gleichwohl sie entweder konstruktive oder destruktive Phänomene begleiten können. Sie bleiben von Natur aus unspezifisch, aber sie können in Verbindung konstruktiv oder destruktiv werden. 

Einige gereifte karmische Resultate verhindern die Befreiung und andere nicht. Unser Körper und auch unser Geist verhindern die Befreiung nicht, gleichwohl wir mit unserem Körper oder Geist befleckt-konstruktives oder destruktives Verhalten ausüben mögen. Hingegen ist beispielsweise das Greifen nach in sich selbst begründeter Existenz oder das Greifen nach einem unmöglichen „Ich“ unspezifisch und kann entweder so genannte befleckt-konstruktive oder destruktive Phänomene begleiten und die Befreiung verhindern.

Worum geht es hier? Hier geht es um gereifte karmische Resultate, also den Körper, das Bewusstsein und die Gefühle von Glück und Leid, welche alle in den fünf Aggregaten enthalten sind. Was die anderen Geistesfaktoren betrifft, wären nur die unspezifischen von ihnen gereifte karmische Resultate, wie Konzentration, Unterscheidungsvermögen und Aufmerksamkeit. Konstruktive und destruktive Geistesfaktoren, wie Wut oder Liebe, sind keine gereiften karmischen Resultate. Sie haben ihre eigenen Tendenzen und ihre eigenen Kontinua, aus denen sie stammen.

Reifende karmische Ursachen

Gereifte karmische Resultate stammen aus reifenden karmischen Ursachen. Solche Ursachen sind auch mit unserem geistigen Kontinuum verbunden. In Vasubandhus System gibt es sechs Arten von Ursachen und vier Arten von Resultaten, sowie noch einigen mehr, die nicht in dieser Liste enthalten sind. Im Prasangika-System wird diese Darstellung akzeptiert. Bei Asanga ist eine dieser sechs Ursachen in zwanzig weitere Arten von Ursachen aufgeteilt. Die Analyse der Kausalität und die verschiedenen Arten von kausalen Faktoren ist sehr komplex und ausgefeilt.   

Eine reifende karmische Ursache ist eine Ursache, die mit unserem geistigen Kontinuum verbunden ist und entweder befleckt-konstruktiv oder destruktiv sein muss. Das bedeutet, dass nur karmische Kraft als reifende karmische Ursache wirken kann. Konstruktive oder destruktive karmische Kräfte, wie auch reifende Ursachen, bringen also die unspezifischen gereiften Resultate hervor, welche in unserem Körper und Bewusstsein usw. bestehen.  

Aber um der Definition noch etwas hinzuzufügen, sind reifende Ursachen nicht frei von der Feuchte des Dürstens. Dieses Wort, das ich aus dem Sanskrit-Begriff mit „Durst“ übersetze, wird aus dem Tibetischen normalerweise mit „Begierde“ übersetzt. Aber das ursprüngliche Sanskrit-Wort bedeutet „Durst“, und daher passt es zu dem Begriff „Feuchte“: Durst ist durch eine niedrige Ebene der Feuchte charakterisiert. Der Ausdruck „Feuchte des Dürstens“ ist trotzdem etwas merkwürdig. 

Beim Dürsten (tib. sred-pa, Skt. tṛṣṇā) handelt es sich um das achte Glied der zwölf Glieder des anhängigen Entstehens. Zusammen mit einer herbeiführenden störenden Emotion bzw. Geisteshaltung (tib. len pa, Skt. upādāna), welche gewöhnlich mit „Greifen“ übersetzt wird, ist das Dürsten eines von zwei Gliedern der zwölf Glieder des anhängigen Entstehens, das karmische Kraft aktiviert und zu dem wird, was man einen „werfenden karmischen Impuls“ nennt. Ein solcher karmischer Impuls „wirft“ das Bewusstsein in eine zukünftige Wiedergeburt, zum Beispiel als Mensch oder als Hund. Ich glaube, dass diese beiden Verbindungen auch die vervollständigenden karmischen Impulse aktivieren, die zu den spezifischen Einzelheiten dieser Wiedergeburt heranreifen, beispielsweise zu einer Wiedergeburt in einer freundlichen oder grausamen Familie, oder mit oder ohne körperliche Behinderung. Das bedeutet also, dass die karmische Kraft aktiviert werden muss, um als reifende Ursache wirken zu können, und das lediglich von nicht-behindernden, unspezifischen, nichtstatischen Phänomenen einer zukünftigen Wiedergeburt. Die karmischen Kräfte werden durch die störende Emotion des Dürstens aktiviert. Lasst mich euch eine Definition dazu geben und beschreiben, was Dürsten in diesem Zusammenhang bedeutet. 

Wenn wir wirklich durstig sind und uns nur ein klein wenig Wasser zur Verfügung steht, dürsten wir danach, nicht von diesem Wasser getrennt zu werden, und wir wollen mehr. In gleicher Weise, wenn wir beflecktes Glück erfahren, dürsten wir danach, nicht von diesem Gefühl getrennt zu werden. Wir dürsten nach immer mehr und wollen es nicht verlieren. Sind wir unglücklich und erfahren ein Gefühl des Unglücklichseins, ist es als wären wir durstig und würden danach trachten, von dem unangenehmen Gefühl des Durstes getrennt zu werden. Haben wir ein neutrales Gefühl, was sich auf diese tiefen Zustände der Meditation auf den höheren Ebenen der Existenz bezieht, dürsten wir danach, dass sie sich nicht zurückziehen oder abschwächen. Dürsten ist dann auf ein Gefühl von beflecktem Glücklich- oder Unglücklichsein oder auf ein neutrales Gefühl gerichtet.

Dieses achte Glied, verbunden mit dem neunten, einer herbeiführenden Emotion oder Geisteshaltung, kann karmische Kraft aktivieren. Es ist nicht nötig, die herbeiführende Emotion bzw. Geisteshaltung näher zu beschreiben. Es kann einer von mehreren verschiedenen Geistesfaktoren sein, wie das Greifen nach einem unmöglichen Ich, bei dem man nicht von einer Glückserfahrung loslassen, Unglücklichsein loswerden, und neutrale Gefühle nicht abnehmen lassen möchte. Erinnert euch daran, dass das Dürsten auf das Gefühl selbst gerichtet ist.

Der Begriff für diese Gruppe von störenden Emotionen und Geisteshaltungen heißt wörtlich „herbeiführen“ und bezieht sich auf das, was die nächste Wiedergeburt herbeiführt. Es ist nicht das gleiche Wort wie beim Greifen, wie es oft übersetzt wird, obwohl das Greifen nach einem unmöglichen Ich eine der Varianten ist. Es handelt sich vielmehr um einen völlig anderen Begriff als Greifen und umfasst vier weitere Varianten, beispielsweise das sehnsüchtige Verlangen nach dem Objekt, auf das wir unsere Aufmerksamkeit richten, wenn wir ein Gefühl von beflecktem Glücklichsein etc. empfinden. Daher ist es verwirrend, es als „Greifen“ zu übersetzen. Das führt zu Missverständnissen, denn es handelt sich nicht um dieses Wort.

Fahren wir also fort. Gereifte Resultate sind das, was aus reifenden Ursachen heranreift, und reifende Resultate sind nicht-behindernde, unspezifische Phänomene, während ihre reifenden Ursachen konstruktive oder destruktive karmische Kräfte sind. Diese karmischen Kräfte sind die karmischen Hinterlassenschaften der konstruktiven oder destruktiven karmischen Potenziale von konstruktiven oder destruktiven karmischen Impulsen und karmischen Pfaden. Auf der anderen Seite sind karmische Tendenzen unspezifisch und sie wirken nicht als reifende karmische Ursache. 

Was sind nun die reifenden Resultate der karmischen Kräfte? Im Allgemeinen beziehen sie sich, wie ich bereits erwähnt habe, nur auf die nicht-behindernden, unspezifischen Phänomene, die mit einer zukünftigen Wiedergeburt auftreten. Es sind also die karmischen Kräfte, welche in den reifenden Ursachen bestehen, die einen Körper, Bewusstsein, Gefühle und Dinge wie Konzentration und Aufmerksamkeit als gereifte Resultate hervorbringen. Auch die Gefühle von Glücklichsein, Unglücklichsein oder neutrale Gefühle, die wir in jedem Moment dieser Wiedergeburt erleben, sind die gereiften Resultate unserer karmischen Kräfte. 

Wir haben das alle schon tausende Male gehört: beflecktes Glück reift aus positiver karmischer Kraft oder Verdienst, und Unglück aus negativer karmischer Kraft heran. Das geschieht durch den Mechanismus der reifenden Ursachen und gereiften Resultate. Beflecktes Glück und Unglücklichsein sind unspezifische Phänomene. Wir können glücklich oder unglücklich sein, während wir etwas Konstruktives oder etwas Destruktives tun.

Was heißt es, wenn wir sagen, der Körper wäre ein reifendes Resultat? In Bezug auf die zwölf Glieder geht es darum, einen Körper in einem zukünftigen Leben zu bekommen, sowie darum, welche Art von Körper wir bekommen werden. Wird es beispielsweise der Körper eines Tieres, eines Geistes oder eines Menschen sein? Wird er besonders groß sein oder eher klein; wird man blind oder taub sein; wird man von Natur aus ein starkes oder schwaches Immunsystem haben etc.? Der Körper selbst ist im Fall eines Menschen auf Same und Eizelle der Eltern zurückzuführen. Same und Eizelle sind nicht die reifenden Ursachen. Die Rede ist davon, was diese Art der Wiedergeburt verursacht und nicht woraus der Körper und seine genetischen Komponenten bestehen. 

Im Buddhismus werden die Bestandteile des Körpers als gleichzeitig auftretende Ursachen bezeichnet, da sie gleichzeitig mit dem Körper entstehen, welcher deren Resultat ist. Sie sind keine reifenden Ursachen, die ihrem Resultat vorausgehen. Die festen und flüssigen Bestandteile des Körpers – zum Beispiel unsere inneren Organe und das Blut – existieren nicht zuerst für sich allein und machen dann plötzlich unseren Körper aus. Andere genetische Faktoren wie Intelligenz, natürliche Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit usw. sind ebenfalls gereifte Resultate der karmischen Kraft.

Die Systeme von Vasubandhu und Nagarjuna sind nicht wie das Nur-Geist-System, dem Chittamatra. Sie behaupten nicht, dass die Formen der physischen Phänomene, die in einem Wahrnehmungsmoment entstehen, sowie das Bewusstsein, Empfindung und andere begleitende, unspezifische Geistesfaktoren alle als gereifte Resultate ein und derselben karmischen Kraft entstehen. 

Karmische Tendenzen als Ursachen des gleichen Status

Welche Rolle spielen dann hier die karmischen Tendenzen? Sie sind unspezifische Phänomene und daher nicht die reifenden Ursachen von Körper, Bewusstsein und Gefühlen. Sie werden als Ursachen des gleichen Status bezeichnet. Das ist eine andere Art von Ursachen und sie haben eine andere Auswirkung auf Körper, Bewusstsein und Gefühle. 

„Gleicher Status“ heißt, dass sie eine Art von Ursache sind, dessen Resultate spätere Momente in derselben Kategorie von Phänomenen sind, wie sie selbst. In diesem Fall sind sie unspezifisch, denn Körper, Bewusstsein und Gefühle sind unspezifisch. Karmische Potenziale sind konstruktiv oder destruktiv und können daher nur die reifenden Ursachen dieser unspezifischen Phänomene sein. Karmische Tendenzen sind unspezifisch, weswegen sie lediglich zum kausalen Prozess ihres Entstehens beitragen können, indem sie als Ursachen des gleichen Status für sie fungieren. Jede Art von karmischer Hinterlassenschaft wirkt auf etwas andere Weise im Komplex der Kausalität.

Karmische Resultate, die der Ursache im eigenen Verhalten ähneln

Die nächste Art des karmischen Resultats ist das karmische Resultat, das seiner Ursache im eigenen Verhalten ähnelt. Das bezieht sich auf den Geistesfaktor einer Intention – unser Wunsch oder unsere Absicht, eine vorher begangene karmische Handlung zu wiederholen. Vielleicht erinnert ihr euch daran, wie wir mit der Abfolge der Entfaltung des Karmas begonnen haben. Zunächst gab es den Geistesfaktor einer Intention, sich zu wünschen etwas zu tun, mit dem wir denken: „Dies würde ich gern tun und ich bin darauf bedacht, es zu tun“. Dieser Geistesfaktor ist das karmische Resultat, das seiner Ursache im eigenen Verhalten ähnelt. Wir würden gern eine bestimmte Handlung, gerichtet auf ein bestimmtes Objekt, erneut ausführen, ähnlich wie bei einem karmischen Pfad, den wir zuvor ausgelöst haben. Beruhend darauf haben wir dann den karmischen Drang, diese Handlung auszuführen, und tun es auch. 

Wenn ich gern jemanden anschreien würde, heißt das nicht, dass ich ihn auch anschreien muss. Ich könnte mich ebenso entscheiden, es nicht zu tun, und das ist der Moment, an dem wir die Sequenz beenden und uns beherrschen. Wenn der zwingende Drang erst einmal da ist, kann man ihn schwer davon abhalten, das Bewusstsein und dessen begleitende Geistesfaktoren zu der Handlung zu drängen, welche dessen karmischer Pfad sind. Wir können die Abfolge an einem früheren Zeitpunkt unterbinden, wenn uns danach ist, eine frühere Handlung zu wiederholen; beispielsweise wenn wir den Wunsch haben, zum Kühlschrank zu gehen, oder wenn wir beim Bäcker vorbeigehen und den Wunsch nach einem Schokoladenkuchen haben. Es bedeutet keineswegs, zwangsläufig hineingehen zu müssen und ihn zu kaufen. 

Aber der Wunsch, eine gewisse Handlung zu wiederholen, wird weiterhin auftreten, und das manchmal solange man, wie im Geisteskontinuum deren karmische Ursachen vorhanden sind. Wenn wir beispielsweise mit dem Rauchen aufhören, haben wir vielleicht immer noch den Wunsch nach einer Zigarette, aber das heißt nicht, dass wir sie auch rauchen werden. Dieser Wunsch, bei dem man darauf bedacht ist, etwas zu tun oder zu sagen, das dem ähnelt, was wir bereits zuvor getan bzw. gesagt haben, ist das karmische Resultat, das der Ursache im eigenen Verhalten ähnelt. Darum geht es hier.

Was sind also die karmischen Ursachen für diese Resultate, die den Ursachen in unserem Verhalten entsprechen, nämlich unserem Wunsch und unserer Absicht, eine frühere Handlung zu wiederholen? Einige entstehen als Resultat karmischer Kräfte und andere als Resultat karmischer Tendenzen. Der Wunsch, etwas Destruktives zu tun, wie jemanden anzuschreien, entsteht durch die negative karmische Kraft, welche die karmische Folge davon ist, dass wir in der Vergangenheit andere angeschrien haben. Der Wunsch, etwas Konstruktives zu tun, wie jemandem zu helfen, entspringt der positiven karmischen Kraft, welche dadurch entsteht, dass man zuvor anderen geholfen hat. Der Wunsch, etwas Unspezifisches zu tun – etwas Neutrales, wie ein Eis zu essen – entsteht aus einer unbestimmten karmischen Tendenz, zuvor ein Eis gegessen zu haben. 

Alle drei Fälle sind das Ergebnis von zuvor aufgebauten karmischen Hinterlassenschaften als deren Ursachen des gleichen Status. Erinnert euch: Eine Ursache gleichen Status ist eine Ursache, deren Resultat, das darauf folgt, den gleichen ethischen Status hat. Eine konstruktive oder destruktive Absicht, etwas zu tun, das dem ähnelt, was wir zuvor getan haben, ist also das Ergebnis einer Ursache des gleichen Status, die entweder konstruktiv oder destruktiv, also eine karmische Kraft ist. Sie kann kein gereiftes Resultat dieser karmischen Kräfte sein, denn gereifte Resultate sind ausschließlich unspezifische Phänomene. 

Auf der anderen Seite kann eine Absicht, etwas Unspezifisches zu tun, das dem ähnelt, was wir in der Vergangenheit getan haben, nicht das gereifte Resultat einer positiven oder negativen karmischen Kraft sein, da eine unspezifische Handlung nicht der konstruktiven oder destruktiven karmischen Handlung ähnelt, die zu dieser karmischen Kraft führte. Außerdem kann eine unspezifische Absicht, eine zuvor begangene unspezifische Handlung zu wiederholen, nicht das gereifte Resultat einer karmischen Tendenz aus jener früheren Handlung sein, weil gereifte Resultate nur aus reifenden Ursachen entstehen und reifende Ursachen entweder konstruktiv oder destruktiv sein müssen. 

Die karmische Ursache für den Wunsch oder die Absicht, eine Handlung zu wiederholen, die dem entspricht, was wir zuvor getan haben, ist also eine Ursache des gleichen Status. Im Falle des Wunsches, eine konstruktive oder destruktive Handlung zu wiederholen, muss die Ursache des gleichen Status eine karmische Kraft sein, und bei dem Wunsch, ein unspezifische Handlung zu wiederholen, muss die Ursache des gleichen Status eine karmische Tendenz sein. 

Karmische Resultate, die den Ursachen in der eigenen Erfahrung ähneln

Dann gibt es karmische Resultate, die den Ursachen in unserer eigenen Erfahrung ähneln. Wir erleben, dass uns etwas geschieht, das dem ähnelt, was wir anderen gegenüber getan oder gesagt haben. Es gibt verschiedene Arten dieser Resultate. Wenn wir zum Beispiel anderen das Leben nehmen, können wir erleben, dass wir mit einem schwachen Körper geboren werden, immer krank sind und einem frühen Tod ausgesetzt sind. Oder wenn wir den Reichtum anderer stehlen, werden wir vielleicht in eine extrem arme Familie hineingeboren. Solche Geschehnisse sind nicht-behindernde, unspezifische Phänomene, und sie sind die gereiften Resultate destruktiver oder konstruktiver karmischer Kraft, die zum Zeitpunkt des Todes aktiviert werden und als ein vervollständigender karmischer Impuls wirken. 

Erinnert euch daran, dass wir zum Zeitpunkt des Todes die karmische Kraft durch unser Dürsten und eine herbeiführende Emotion bzw. Geisteshaltung aktivieren, so dass ein aktivierter werfender karmischer Impuls unser Bewusstsein in die nächste Wiedergeburt wirft. Aktivierte vervollständigende karmische Impulse vervollständigen dann die Umstände dieser Wiedergeburt. Die karmische Kraft, die als werfender karmischer Impuls aktiviert wird, hat als gereiftes Resultat ein menschliches Bewusstsein und einen menschlichen Körper in der nächsten Wiedergeburt. Die karmischen Kräfte, die als vervollständigende karmische Impulse aktiviert werden, haben als gereiftes Ergebnis einen schwachen Körper, der häufig krank wird, oder einen Körper, der im nächsten Leben die Auswirkungen von Armut erfährt. Solche Erfahrungen sind weder konstruktiv noch destruktiv; sie sind unspezifisch.

Eine weitere Art von karmischem Resultat, das seiner Ursache in unserer Erfahrung entspricht, ist zum Beispiel die Erfahrung, von einem Auto angefahren zu werden, nachdem man in der Vergangenheit getötet hat oder nachdem man gestohlen und betrogen hat, da unser Geschäft gescheitert ist. Die Tatsache, dass wir solche Dinge erfahren, ergibt sich aus einem großen Geflecht zahlreicher Ursachen und Bedingungen, von denen viele äußerlicher Natur sind, wie z.B. der Fahrer des Autos, das uns angefahren hat, der nicht vorsichtig war, oder sogar die Tatsache, dass diese Person mit ihrem Auto an der Stelle fuhr, an der sie uns angefahren hat, oder starke Konkurrenz, die unsere Kunden abwirbt. Die karmische Kausalkomponente wirkt sich hier darauf aus, warum uns danach war, die Straße genau in dem Moment zu überqueren, in dem das Auto da war, oder warum uns danach war, schlechte geschäftliche Entscheidungen zu treffen, die dazu beitrugen, dass unser Unternehmen der starken Konkurrenz nicht standhalten konnte. Natürlich gibt es neben dem Karma noch viele andere innere und äußere Gründe, warum wir die Straße überquert haben und warum wir diese geschäftlichen Entscheidungen getroffen haben. Manche Menschen werden jedoch unter den gleichen Umständen nicht angefahren und andere schon, und die Geschäfte mancher sind erfolgreich und die anderer wiederum nicht. Der Unterschied ist auf das Karma zurückzuführen. 

Wie wir bei den karmischen Resultaten, die ihrer Ursache in unserem Verhalten ähneln, gesehen haben, entsteht der Wunsch oder die Absicht, etwas zu tun, wie etwa die Straße zu überqueren – was dazu führt, dass wir ein unmittelbares Resultat erleben, das mit seiner Ursache übereinstimmt –, ebenfalls aus einer karmischen Kraft oder Tendenz als Ursache des gleichen Status, je nachdem, ob dieser Wunsch destruktiv, befleckt-konstruktiv oder unspezifisch war. Unsere Absicht, die Straße zu überqueren, könnte darin bestanden haben, jemanden auf der anderen Straßenseite zu verletzten oder jemandem zu helfen, oder einfach nur in ein Geschäft zu gehen. Es war also eine vorläufige Handlung für eine destruktive, konstruktive oder unspezifische Haupthandlung. Vorläufige Handlungen haben denselben ethischen Status wie die darauffolgenden Haupthandlungen. 

Bitte bedenkt, dass sich diese Art von Resultat nur darauf bezieht, wie wir etwas erleben und nicht darauf, was jemand uns antut. Es bezieht sich auf unser Erfahren von etwas, das uns jemand antut. Was andere tun ist das Resultat ihrer eigenen karmischen Tendenzen oder Potenziale, und nicht das, unserer karmischen Tendenzen und Potenziale. Unsere karmischen Tendenzen und Potenzialen führen lediglich dazu, dies zu erfahren. Das Karma des anderen ist beispielsweise dafür verantwortlich, dass er uns mit seinem Auto anfährt, während wir nur dafür verantwortlich sind, es zu erleben. Wir sind nicht schuld daran, dass der andere uns mit seinem Auto angefahren hat. 

Das ist ausgesprochen wichtig in Bezug auf unser ganzes westliches Syndrom der Schuld. Uns trifft keine Schuld, wenn der andere uns mit seinem Auto anfährt. Das Karma des anderen ist verantwortlich dafür, uns mit seinem Auto anzufahren, während unser Karma nur dafür verantwortlich ist, von einem Auto angefahren zu werden. Wäre es nicht dieses Auto gewesen, hätte uns jemand anderes angefahren, insofern wir das Karma dafür hatten, angefahren zu werden. 

Beherrschende Wirkungen

Kommen wir zu den beherrschenden Wirkungen (tib. bdag-po’i ’bras bu). Sie beziehen sich auf unser Erfahren der Umgebung oder des Umfeldes, in dem wir geboren wurden oder in das wir eingetreten sind, wie beispielsweise eine sehr wohlhabende oder arme Gesellschaft, oder eine gewalttätige oder friedliche. Das sind unspezifische Resultate, die eine große Gruppe von Individuen betreffen – nicht nur uns –, und sie beherrschen bzw. dominieren unsere Erfahrung in einem bestimmten Leben. In solchen Fällen ist unser Erleben davon das gereifte Resultat karmischer Kräfte, die zum Zeitpunkt des Todes als vervollständigendes Karma aktiviert werden, ähnlich dem, was wir zuvor besprochen haben. 

Beherrschende Wirkungen können sich auch darauf beziehen, dass wir irgendwann im Laufe unseres Lebens den Wunsch haben, in eine solche Umgebung zu gehen. Sie können sich ebenfalls darauf beziehen, dass wir den Wunsch oder die Absicht haben, einen Gegenstand zu kaufen, der schnell kaputt geht oder der ein Leben lang hält. Wie in dem Beispiel der Erfahrung, von einem Auto angefahren zu werden, als wir die Straße überquerten, entstehen diese Arten von beherrschenden Wirkungen aus karmischen Potenzialen und Tendenzen als deren Ursachen des gleichen Status.

Die Umgebung entsteht natürlich aus allen möglichen äußeren Ursachen, wie z.B. bei Umweltverschmutzung Der karmische Aspekt davon ist unsere Erfahrung dieser Umgebung. Natürlich könnten wir beispielsweise an der Umweltverschmutzung beigetragen haben. Das ist etwas anderes und wird als ein von Menschenhand geschaffenes Resultat bezeichnet. Hier geht es jedoch um den Grund, warum wir erfahren, in dieser Umgebung zu sein. 

Herbeiführende Ursachen

Neben diesen vier Arten von karmischen Resultaten und deren verschiedene karmische Ursachen haben wir auch die so genannten herbeiführenden Ursachen. Wie wir zuvor besprochen haben, ist die herbeiführende Ursache das, von dem man etwas als sein Nachfolger erhält und das dann aufhört zu existieren, wenn der Nachfolger in Erscheinung tritt oder wenn eine Reihe von Nachfolgern in Erscheinung getreten sind. Der Same ist die herbeiführende Ursache für den Keimling. Wenn der Keimling in Erscheinung tritt, gibt es den Samen nicht mehr. Der Keimling ist der Nachfolger des Samens, der nach ihm kommt. 

Als wir eine Hypothese aufstellten, warum Tsongkhapa Vasubandhus Auffassung von physischem und verbalem Karma im Kontext von Nagarjunas System anstelle von Asangas Darstellung wählte, haben wir darüber gesprochen, wie Nagarjuna und Asanga als Mahayana-Gelehrte die Formkörper eines Buddhas und dessen herbeiführende Ursache, das erleuchtungsbildende Netzwerk positiver Kraft, erklären. Indem wir dies im Kontext der Chittamatra- und Prasangika-Darstellung der Buddha-Natur und ihrer Auffassung der Leerheit analysiert haben, kamen wir zu dem Schluss, dass die Form eines physischen Phänomens als herbeiführende Ursache der Formkörper weitaus mehr Sinn ergibt als eine nichtkongruente beeinflussende Variable. Wir müssen diese ganze Diskussion jetzt nicht noch einmal wiederholen, aber wir können diesen Punkt jetzt vielleicht ein bisschen besser nachvollziehen. 

In Nagarjunas System besteht das erleuchtungsbildende Netzwerk positiver Kraft nicht nur aus positiver Kraft – eine nichtkongruente beeinflussende Variable –, sondern auch aus den nichtoffenbarenden Formen der Bodhisattva-Gelübde und konstruktiven Handlungen, die mit Bodhichitta unternommen und damit gewidmet werden. Diese nichtoffenbarenden Formen sind offensichtlich Formen physischer Phänomene, und solange wir sie nicht aufgeben, setzen sie sich in unserem Geisteskontinuum bis zur Erleuchtung fort. Aus diesem Grund wird so viel Wert darauf gelegt, Bodhichitta und damit auch die Bodhisattva-Gelübde niemals aufzugeben, selbst wenn es uns das Leben kostet. Wenn wir sie aufgeben, verlieren wir ihre nichtoffenbarende Form und haben nicht länger das, was die Formkörper eines Buddhas hervorbringen wird, und das wäre eine Katastrophe. 

Ursachen der gleichen Art

Es gibt noch eine weitere Art von Ursache, die wir erwähnen müssen: die Ursache der gleichen Art (tib. rigs-’dra’i rgyu). Sie bezieht sich auf etwas, das als Modell für ein Resultat dient, das dieselbe wesentliche Natur hat wie diese Ursache. Konstruktive Handlungen, die von mühelosem Bodhichitta motiviert und damit auch gewidmet wurden, werden als Ursache der gleichen Art für die „32 hervorragenden Zeichen und 80 vorbildlichen Merkmale des höchsten Nirmanakaya“ bezeichnet. Was ist beispielsweise die Ursache der gleichen Art dafür, dass ein Buddha eine lange Zunge oder irgendeines der großen oder kleinen Merkmale eines Buddhas hat? Der Grund ist, dass Buddha sich beispielsweise als ein Bodhisattva um andere mit solcher Güte gekümmert hat, wie eine Mutter, die ihr Junges ableckt. 

Das positive Potenzial dieser tatsächlichen Handlung nennt man Ursache der gleichen Art. Es ist wie ein Vorbild der physischen Merkmale eines höchsten Nirmanakaya. Für mich macht es deshalb Sinn, dass die unmittelbar vorausgehende Ursache – das, was unmittelbar vor dem Entstehen der Formkörper eines Buddhas im Geisteskontinuum vorhanden ist – ebenfalls als Ursache der gleichen Art die Form eines physischen Phänomens ist. Deshalb denke ich, dass die herbeiführende Ursache und die Ursache der gleichen Art für die Formkörper eines Buddhas nichtoffenbarende Formen sind. 

Das, so glaube ich, ist der wesentlichste Vorteil des Systems von Vasubandhu und Nagarjuna und auch der Grund, weshalb Tsongkhapa dieses System vertritt anstelle jenes von Asanga. Es liegt daran, dass es eine unmittelbar vorangehende Ursache für die Formkörper eines Buddhas als herbeiführende Ursache und Ursache der gleichen Art anbietet, welche auch Formen physischer Phänomene und Teil des gesamten Netzwerks positiver Kraft sind. Unser grobstofflicher, befleckter Körper, der zwar all die subtilen Kanäle, Winde usw. aufweist, kann sich nicht in den physischen Körper eines Buddhas umwandeln. Die Formkörper eines Buddhas sind etwas ganz anderes.

Im Prasangika-System sind befleckte Phänomene diejenigen, die man wahrnimmt, wenn man nicht völlig nichtkonzeptuell in die Leerheit versunken ist, wohingegen unbefleckte Phänomene wahrgenommen werden, wenn man sich in eben diesem Zustand befindet. Solange wir nicht die Erleuchtung erlangen, haben wir noch einen befleckten Körper, da wir nicht immer vollkommen und auf nichtkonzeptuelle Weise in die Leerheit versunken sind. Als Buddha sind wir jedoch zu jeder Zeit völlig darauf konzentriert. Bei diesem Punkt würde man im Anuttarayoga-Tantra-System dann auch darüber reden, aus was die nichtoffenbarenden Formen bestehen, und man würde die subtilsten Winde des unbefleckten Geistes des klaren Lichts behandeln. Das ist eine weitere Präzisierung für ein anderes Mal.

Schlussfolgerung und Widmung

Das war eine ziemlich ausführliche Erklärung, obwohl man natürlich noch weiter ins Detail gehen könnte. Wir müssen damit arbeiten, und wie ihr gesehen habt, hilft uns Tsongkhapas Prasangika-Version des Karmas, viele andere Dinge in den Dharma-Lehren zu verstehen. All das ergibt einen Sinn. 

Wenn wir nun die Widmung aussprechen, bezieht sich der Abschnitt: „Möge jegliches Verständnis, jegliche positive Kraft“ auf das positive Potenzial und das tiefe Gewahrsein. Wenn wir sagen: „Möge es als Ursache dafür wirken, die Erleuchtung aller zu erreichen“, stärken wir damit unser erleuchtungsbildendes Netzwerk, denn es geschieht mit Bodhichitta. Auch wenn unser Bodhichitta noch erarbeitet ist und nicht automatisch entsteht, so bauen wir doch durch die Widmung mit dieser Ebene des Bodhichitta das auf, was man als „Faksimile der erleuchtungsbildenden Netzwerke“ bezeichnet.

Wir haben mit der Motivation begonnen und nun bauen wir unser erleuchtungsbildendes positives Potenzial auf und stärken es immer mehr, indem wir es der Erleuchtung widmen. Das geschieht sowohl mit den nichtkongruenten beeinflussenden Variablen der positiven Kraft, welche das Ergebnis der Phasenumwandlung unserer Gedanken und der offenbarenden Formen unserer Äußerungen dieser Worte darstellen, als auch mit den nichtoffenbarenden Formen dieser Äußerungen. Diese Dinge werden jedes Mal gestärkt, wenn wir eine angemessene Widmung machen. Das erleuchtungsbildende Netzwerk wird bis hin zur Erleuchtung fortgesetzt und wird auf sehr komplexe Weise für die Formkörper eines Buddhas verantwortlich sein.

Wir denken also: Mögen die positive Kraft und das Verständnis, die hier aus all dem entstanden sind, sich immer weiter vertiefen und als Ursache nicht nur für mich, sondern für alle wirken, die Erleuchtung eines Buddhas zu erlangen. Vielen Dank.

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