Gemäß den Abhidharma-Systemen von Vasubandhu und Asanga können Phänomene in befleckte (tib. zag-bcas, Skt. sashrava, verschmutzte) und unbefleckte (tib. zag-med, Skt. anashrava, unverschmutzte) Phänomene unterteilt werden. Im Allgemeinen machen befleckte Phänomene das aus, was „Samsara“ genannt wird, die sich unkontrollierbar wiederholenden Situationen von Wiedergeburt unter dem Einfluss von Impulsen (Karma) und störenden Emotionen und Geisteshaltungen, die Leid mit sich bringen. Unbefleckte Phänomene sind entweder frei von diesen Situation oder führen zu einer derartigen Freiheit.
Vasubandhus Präsentation gemäß dem Vaibhashika-System
In seinem Werk „Ein Schatzhaus spezieller Themen des Wissens“ (tib. Chos mngon-pa'i mdzod, Skt. Abhidharmakosha), definiert Vasubandhu befleckte Phänomene als jene, die dazu führen, befleckte Phänomene weiter zunehmen zu lassen. Die befleckten Phänomenen, die weiter zunehmen, sind die grundlegenden und zweitrangigen störenden Emotionen und Geisteshaltungen.
[Siehe: Primärbewusstsein und Geistesfaktoren]
Alle befleckten Phänomene, die als Ursachen oder Bedingungen dafür dienen, störende Emotionen und Geisteshaltungen weiter zunehmen zu lassen, sind nichtstatische (vergängliche) Phänomene, außer den Arten des wahren Pfadgeistes. Bei dem wahren Pfadgeist (den wahren Pfaden), den vier edlen Wahrheiten, handelt es sich um die unbegriffliche Wahrnehmung der vier edlen Wahrheiten und der Identitätslosigkeit der Person, die sie wahrnimmt. Alle nichtstatischen Phänomene, außer den Arten des wahren Pfadgeistes, führen dazu, dass störende Emotionen und Geisteshaltungen weiter zunehmen, weil sie entweder deren Objekte der Ausrichtung oder das Primärbewusstsein mit den begleitenden Geistesfaktoren sind, die mit ihnen übereinstimmen.
[Siehe: Kongruente und nichtkongruente Einflussvariablen]
Alle wahren Pfade des Geistes und alle statischen Phänomene, wie die wahre Beendigung (das wahre Aufhören), die dritte edle Wahrheit, sind unbefleckt.
Asangas Präsentation gemäß dem Chittamatra-System
In seinem Werk „Eine Anthologie spezieller Themen des Wissens“ (tib. Chos mngon-pa kun-las btus-pa, Skt. Abhidharmasamuccaya), definiert Asanga befleckte Phänomene als jene, die mit einem der sechs Pforten der Befleckung verbunden sind. Daher beschreibt Asanga sechs Kategorien von befleckten Phänomenen:
1. Phänomene, die in ihrer Identitätsnatur eine Befleckung sind (tib. zag-pa'i bdag-nyid) – die grundlegenden und zweitrangigen störenden Emotionen und Geisteshaltungen.
2. Phänomene, die mit Befleckungen verbunden sind (tib. zag-pa-dang 'brel-ba) – das Primärbewusstsein und andere Geistesfaktoren, die in Bezug auf fünf Variablen kongruent mit den grundlegenden und zweitrangigen störenden Emotionen und Geisteshaltungen sind, sowie die kognitiven Sensoren (tib. dbang-po), wie die lichtempfindlichen Zellen der Augen, die die dominanten Bedingungen (tib. bdag-rkyen) für ihr Entstehen sind.
3. Phänomene, die einen mit Befleckungen binden (tib. zag-pas bcings-pa) – die konstruktiven Phänomene, die einen in eine zukünftige samsarische Wiedergeburt werfen.
4. Phänomene, die die Folge von Befleckungen sind (tib. zag-pa'i rjes-su 'brel-ba) – die gewöhnlichen Wesen auf der Ebene der ätherischen Formen (Formbereich) und der Ebene der formlosen Wesen (formloser Bereich), die durch befleckte karmische Vermächtnisse (tib. sa-bon, karmische Samen, karmische Tendenzen), die sie auf der Ebene der begehrenswerten Objekte (Bereich der Begierde) aufgebaut haben, in derartige Wiedergeburtszustände geworfen werden.
5. Phänomene, die mit den Befleckungen in Einklang sind (tib. zag-pa'i rjes-su mthun-pa) – Objekte, die, wenn man sich auf sie fokussiert, störende Emotionen oder Geisteshaltungen auslösen können.
6. Phänomene, die das Ergebnis von befleckten Ursachen sind (tib. zag-pa'i rgyu-las byung-ba) – die herangereiften Aggregate eines befreiten Wesens (tib. arhat), die die herangereiften Resultate (tib. rnam-smin-gyi 'bras-bu) von befleckten Ursachen sind, wie von Verlangen (tib. sred-pa). Dies bezieht sich auf Körper, Geist und so weiter eines Arhats während des verbleibenden Lebens, in der die Person Befreiung erlangt hat. Es bezieht sich auch auf die Aggregate jedes Wesens mit weniger Errungenschaften als ein Arhat. Unterscheidet man zwischen befleckten Aggregaten (tib. zag-bcas-kyi phung-po) und herbeiführenden Aggregaten (tib. nyer-len-gyi phung-po), wird „befleckt“ mit dieser Bedeutung benutzt. Herbeiführende Aggregate sind jene, die die Ursachen einschließen, durch die für die Person eine weitere karmische Wiedergeburt herbeiführen werden, wohingegen befleckte Aggregate jene sind, die aus samsarischen Ursachen herangereift sind. Daher sind Aggregate der zuvor erwähnten Arhats zwar befleckte, aber nicht herbeiführende Aggregate.
Asanga definiert unbefleckte Phänomene als jene, die nicht mit einer der sechs Pforten der Befleckung verbunden sind. Daher fallen unbefleckte Phänomene ebenfalls in sechs Kategorien. Eingeschlossen sind wahre Arten von Pfadgeist, wahre Beendigungen und alle statischen Phänomene wie der Raum, sowie die mit ihnen verbundenen Aggregate.
The Gelug-Prasangika-Präsentation
Gelug-Prasangika erklärt befleckte Phänomene als jene, die mit einer Erscheinung wahrer, auffindbarer Existenz vermischt sind. Die, die nicht mit einer solchen Erscheinung vermischt sind, wie die Aggregate von jemandem, der vollkommen unbegrifflich in die Leerheit wahrer auffindbarer Existenz versunken ist, sind unbefleckt.