Buddhistische Analyse: Subjekte und Objekte

Definitionen 

Das nächste Thema befasst sich mit Subjekten und Objekten. Ist hier die Rede von „Subjekten“, könnte man das Wort natürliche auf vielerlei Weise interpretieren, aber wörtlich geht es um etwas, das ein Objekt hat. Wir reden hier von wirksamen Phänomenen (tib. dngos-po), die Objekte haben (tib. yul-can), und von den Objekten (tib. yul), die sie haben. Damit werden wir uns hier beschäftigen. 

Wenn ein funktionierendes Phänomen ein Objekt hat, heißt das, dass es fortwährend und aktiv mit einem ihm entsprechenden Objekt versehen ist, wann immer und solange das funktionierende Phänomen auftritt bzw. existiert. Dieses Subjekt ist also etwas, das, solange es existiert, ein Objekt hat. Hier gibt es einige, die ein Objekt kognitiv aufnehmen, dzinpa (tib. ’dzin-pa) und andere, die es nicht kognitiv aufnehmen, sondern immer ein Objekt haben. Worum geht es hier? Unter den Dingen, die immer ein Objekt haben, nehmen Personen (tib. gang-zag) und Weisen, sich etwas gewahr zu sein (tib. shes-pa) immer ein Objekt kognitiv auf; sie erfassen das Objekt. Und kommunikative oder kommunizierende Töne (tib. rjog-byed-kyi sgra) haben immer ein Objekt, aber sie kennen das Objekt nicht; das Objekt, das sie immer haben, ist ihre Bedeutung. Hier gibt es also diese Unterteilung. 

Personen 

Personen beziehen sich, wie in unserem Beispiel, darauf zu denken, ich wäre ein völliger Idiot oder ich sehe den Computer. Auf der einen Seite können wir sagen, das geistige Bewusstsein denkt: „Ich bin ein Idiot“, aber es ist auch so, dass ich das denke, ein Idiot zu sein, nicht wahr? Es ist nicht so, dass nicht ich, sondern nur mein geistiges Bewusstsein das denkt. Das ergibt keinen Sinn und genauso wäre es, wenn wir sagen würden, nur mein Sehbewusstsein sieht den Computer und ich sehe ihn nicht. Das wäre doch albern.

Hier geht es also um eine Person – in diesem Fall um mich – denn eine Person, ein Ich oder ein Selbst, ist immer einem geistigen Kontinuum zugeschrieben. Eine Person, oder ein „Ich“, ist etwas, das einem geistigen Kontinuum – eigentlich einem Kontinuum der fünf Aggregate – zugeschrieben ist. Da gibt es ein Kontinuum von Erfahrungen, die von einem Augenblick zum nächsten stattfinden. Sogar den Tod und die Wiedergeburt erfahren wir von einem Augenblick zum nächsten und das geht immer weiter, ohne Anfang und ohne Ende. Dieses geistige Kontinuum besteht aus zahlreichen Dingen – aus all diesen Arten des Bewusstseins, der Geistesfaktoren und den Dingen, die wir hören, sehen usw. – und all das ändert sich ständig mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Es gibt bestimmte Dinge, die wir dem gewissermaßen zuschreiben können; wir können Dinge integrieren oder zusammenfassen. 

Und auch sie ändern sich von einem Augenblick zum nächsten. Wenn wir beispielsweise älter werden, sind wir erst ein Jahr alt, dann zwei, drei, vier usw. Es ist etwas, das diesem Kontinuum innerhalb eines Lebens in gewissem Sinne zugeschrieben werden kann und es ändert sich. Von einem Augenblick zum nächsten wird man älter. So wie das Älterwerden, können wir diesem geistigen Kontinuum auch ein „Ich“ zuschreiben und das zu verstehen ist wirklich wichtig. Es mag nicht einfach sein, aber im buddhistischen Studium ist es von entscheidender Bedeutung zu verstehen, was mit dem „Ich“ gemeint ist. 

Das Altern ist keine Form eines physischen Phänomens (tib. gzugs). Es ist nicht etwas, wie ein Computer, und es ist auch keine Weise, sich etwas gewahr zu sein. Vielmehr ist es etwas Abstrakteres. Wir können nicht sagen, so etwas wie das Älterwerden gäbe es nicht, aber es ist auch nichts Solides. Genauso verhält es sich mit dem „Ich“. Wir können nicht sagen, es gäbe kein „Ich“, aber es ist auch nichts Solides, es ist keine Form eines physischen Phänomens und es ist keine Weise, sich etwas gewahr zu sein. Aber obwohl nicht so etwas wie das Bewusstsein, die Wut, eine Emotion oder Ähnliches ist, kann es dennoch Dinge kennen, denn der Geist kennt Dinge, das Bewusstsein kennt Dinge und so kenne auch ich Dinge. Könnt ihr dem folgen? Es ergibt einfach keinen Sinn zu sagen, nicht ich, sondern nur das Sehbewusstsein würde etwas sehen. Was bedeutet es zu sagen, ich sehe etwas, ich höre etwas oder ich denke etwas? Es bedeutet, dass wir auf der Grundlage des geistigen Bewusstseins, des Hörbewusstseins oder des Sehbewusstseins, dem „Ich“ das Denken, Hören oder Sehen zuschreiben können. 

Die Person ist also das erste Element dieser Unterteilung, das ein Objekt kognitiv aufnimmt und es umfasst Wesen, wie ich, du, der Wurm, einfach alle. 

Weisen, sich etwas gewahr zu sein 

Bei der zweiten Unterteilung geht es um Weisen, sich etwas gewahr zu sein und das kann sich entweder auf das Primärbewusstsein (tib. rnam-shes), wie das Sehbewusstsein, das Hörbewusstsein, das Riechbewusstsein usw., beziehen, oder auf die Geistesfaktoren (tib. sems-byung), die damit einhergehen. Da gibt es all diese Geistesfaktoren, wie aufmerksam zu sein, zu unterscheiden, wütend, glücklich oder unglücklich zu sein. Sie haben immer ein Objekt; sie erfassen dieses Objekt stets kognitiv, sie erkennen es also. 

Obwohl wir sagen, ein Objekt zu haben bedeute, es immer zu haben, solange es existiert, gibt es übrigens auch einige Dinge, die zwar ein Objekt haben, es jedoch nicht aktiv, also die ganze Zeit, haben. Mein Lieblingsbeispiel hierzu ist die Schneeschaufel. Welches Objekt wird mit der Schneeschaufel in Verbindung gebracht? Der Schnee. Wird das Objekt Schnee von der Schneeschaufel aktiv aufgenommen, wenn sie im Sommer in der Garage steht? Nein. Anders ist es mit dem Bewusstsein, das immer tätig ist, ob nun wir schlafen oder nicht. Der Geist erlebt Tiefschlaf oder Träume und daher erlebe ich Tiefschlaf und ich erlebe Träume. 

Wenn nun sowohl das Bewusstsein, als auch das „Ich“ etwas erfahren oder etwas erkennen, sprechen wir von manifester Wahrnehmung (tib. shes-pa mngon-gyur-ba). Aber was geschieht, wenn wir schlafen und was ist das Objekt in diesem Fall? Vielleicht die Dunkelheit, denn ich erlebe auch eine Dunkelheit oder eine Abwesenheit von Denkprozessen. Aber was ist mit dem Hörbewusstsein, wenn wir schlafen? Es ist so, dass wir mit dem Hörbewusstsein eine unterbewusste Wahrnehmung haben, denn es ist immer noch aktiv. „Unterbewusst“ (tib. bag-la nyal) heißt, das Hörbewusstsein nimmt in dem Moment ein Objekt kognitiv auf, aber ich, die Person, tue das nicht. Denken Sie einmal darüber nach. Während ich schlafe, nimmt mein Hörbewusstsein das Ticken des Weckers wahr, wohingegen ich es nicht höre. Wenn der Wecker jedoch klingelt, nehmen es beide wahr, das Hörbewusstsein und die Person. Würde das Hörbewusstsein auf dieser unterbewussten Ebene nicht aktiv sein, während wir schlafen, wären wir nie in der Lage, den Wecker zu hören. Das ist eine interessante Frage, wenn wir einmal darüber nachdenken, wie wir während dem Schlafen den Wecker hören können oder wie wir fühlen können, wenn uns jemand an den Füßen kitzelt. 

Konzeptuelle und nichtkonzeptuelle Weisen, sich etwas gewahr zu sein 

Nun gibt es unterschiedliche Weisen, sich etwas gewahr zu sein: nichtkonzeptuell (tib. rtog-med) und konzeptuell (tib. rtog-bcas). Nichtkonzeptuell heißt, es ist nicht mit einer Kategorie (tib. spyi) verbunden, während konzeptuell bedeutet, dass es mit einer Kategorie verbunden ist. Nichtkonzeptuell wäre zum Beispiel Folgendes: Was sehe ich hier? Ich sehe eine farbige Form auf dem Tisch. Ich sehe eine farbige Form, aber auch ein konventionelles Objekt, einen Computer. Ich sehe sowohl eine farbige Form, als auch einen Computer. Das ist nichtkonzeptuell. Konzeptuell wäre, wenn ich es durch die Kategorie „Computer“ betrachten und erkennen würde: „Das ist ein Computer.“ Man könnte also sagen, wir haben eine Art Konzept davon; es handelt sich um eine Kategorie, quasi um die Allgemeinheit „Computer“. Darüber werden wir in einem anderen Vortrag noch ausführlicher sprechen. 

Ist die Rede von Sinneswahrnehmung oder Sinnesbewusstsein, ist es nichtkonzeptuell. Geistiges Bewusstsein kann entweder konzeptuell oder nichtkonzeptuell sein. Denken ist etwas Konzeptuelles, und nichtkonzeptuell wäre, wenn wir beispielsweise träumen und etwas lediglich in unserem Traum wahrnehmen. Natürlich kann man in einem Traum auch etwas denken; das ist dann etwas anderes. Beim Träumen gibt es also entweder nichtkonzeptuell oder konzeptuell, aber hier geht es um geistiges Bewusstsein, um eine Weise, sich etwas gewahr zu sein und es gibt ein Objekt. Nehmt euch einen Moment Zeit. 

Nichtkonzeptuell bezieht sich also einfach nur darauf, eine farbige Form auf dem Tisch wahrzunehmen. Was sehen wir nun tatsächlich? Wir sehen einen Computer; wir denken zwar nicht „Computer“, aber wir nehmen einen Computer wahr. Konzeptuell würden wir es mit dem geistigen Bewusstsein wahrnehmen und uns gedanklich auf einen Computer beziehen. Wir müssen es nicht im Gedanken verbal formulieren, aber wir sehen ihn durch diese Kategorie, durch diese Filter „Computer“. In unseren westlichen Sprachen würden wir sagen, dass wir natürlich eine Vorstellung davon haben, was ein Computer ist. Das gleiche gilt, wenn wir dieses Objekt durch den Filter oder die Kategorie „mein Eigentum“ betrachten. Das wäre konzeptuell. 

Gültige und ungültige Weisen, sich etwas gewahr zu sein 

Weisen, sich etwas gewahr zu sein oder etwas zu kennen, können entweder gültig (tib. tshad-ma, gültige Wahnehmung) oder ungülitg (tib. mtshad-min, ungültige Wahrnehmung) sein. Es gibt also eine gültige Weise, etwas zu kennen und eine ungültige Weise, etwas zu kennen. Es hängt davon ab, welchem Lehrsystem wir folgen, aber für gewöhnlich wird gültig als frisch (tib. gsar-tu) und untrügerisch (tib. mi-bslu-ba) definiert. Mit anderen Worten ist es jeden Augenblick frisch und es ist untrügerisch, also fehlerfrei und ohne Unentschlossenheit. 

Welche Arten der Wahrnehmung sind gültig? In der Regel gibt es eine Liste von sieben Arten der Wahrnehmung, wobei zwei davon gültig und fünf ungültig sind. 

Gültige bloße Wahrnehmung

Es gibt die bloße Wahrnehmung (tib. mngon-sum tshad-ma). Sie ist gültig, findet also nicht durch das Medium einer Kategorie statt. Sie ist nicht konzeptuell; buchstäblich befindet sich „nichts dazwischen“. Es ist wie mit dem Sehen, wenn ich den Computer auf dem Tisch stehen sehe. Das betrifft nicht die Brille; hier geht es um geistige Dinge. Die Rede ist nicht davon, etwas durch das Medium der Brille oder etwas ohne eine Brille zu sehen. Allerdings könnte die Wahrnehmung dadurch verzerrt werden und dann sehen wir alles verschwommen, wenn wir die Brille absetzen. Auf dem Tisch gibt es nichts Verschwommenes. Ich nehme das, was erscheint, korrekt wahr und es ist verschwommen Auf dem Tisch gibt es jedoch nichts Verschwommenes oder? 

Sehen wir uns das an unserem Beispiel an. Ich komme nach Hause und habe den falschen Computer dabei. Es ist nicht mein Computer. Ich sitze am Tisch, sehe ihn mir an und rege mich auf. Ich werde wütend und bin ziemlich genervt. Ich sehe ihn mir also an und hierbei handelt es sich um bloße Wahrnehmung, die gültig ist. Ich sehe eine farbige Form und ich sehe einen Computer. Das ist eine gültige Wahrnehmung. 

Gültige schlussfolgernde Wahrnehmung

Als nächstes haben wir die gültige schlussfolgernde Wahrnehmung (tib. rjes-dpag tshad-ma), es geht also um eine Art Schlussfolgerung. Was wissen wir? Wir wissen: „Das ist nicht mein Computer.“ Und es ist abhängig von einer Argumentationskette: Warum ist es nicht mein Computer? Was ist der Grund dafür? Es ist nicht mein Computer, weil er grau und weil es ein Apple-Computer ist. Betrachten wir es einmal umgekehrt: Dieser Computer ist grau und es ist ein Apple; mein Computer ist schwarz und es ist ein Dell-Computer; weil er also nicht schwarz und von Dell ist, kann ich schlussfolgern, dass es sich nicht um meinen Computer handelt. Wenn es mein Computer wäre, müsste er schwarz und von Dell sein, aber das ist er nicht. 

Wie kann ich wissen, dass es nicht mein Computer ist? Wir müssen es schlussfolgern und das nennt man Schlussfolgerung auf der Grundlage von Argumentationsketten. Nun werden wir diesen Syllogismus natürlich nicht Schritt für Schritt durchgehen. Wir wissen eigentlich sofort, dass es nicht unser Computer ist, nicht wahr? Aber wir wissen es durch einen Prozess der Schlussfolgerung. Denken wir einmal darüber nach. Wie wissen wir, dass es nicht „unser Computer“ ist? Wir erkennen so viele Dinge durch Schlussfolgerung. Beispielsweise eine Blume, oder wenn wir in ein Geschäft gehen, wissen wir: „Das ist es nicht, was ich kaufen will.“ Wie können wir das wissen? „Was ich kaufen will, ist so und nicht so. Dies ist nicht so und daher will ich es nicht kaufen.“ Beispielsweise eine Frucht auf dem Markt oder was auch immer. 

Es ist nicht so, als würden wir etwas unterscheiden (tib. ’du-shes). Ich kann eine Sache von einer anderen unterscheiden; das ist keine Schlussfolgerung. Ich kann ein Stück Papier von dem Tisch unterscheiden; dabei handelt es sich nicht um eine Schlussfolgerung. Diese Unterscheidung findet durch einfaches Sehen statt, durch nichtkonzeptuelle Wahrnehmung und im Grunde geht es darum, ein Element in einem Sinnesbereich vom Rest des Sinnesbereiches zu unterscheiden, also eine bestimmte farbige Form von den farbigen Formen ringsherum. 

Nachfolgende Wahrnehmung

Was sind nun ungültige Arten der Wahrnehmung? Die erste bezeichnet man als nachfolgende Wahrnehmung (tib. bcad-shes) und hierbei handelt es sich um spätere Augenblicke der bloßen oder schlussfolgernden Wahrnehmung. Sie sind nicht gültig, weil sie (laut dieser Definition) nicht frisch sind, also bereits an Frische verloren haben. In anderen Systemen gibt es bei dieser Unterteilung die Kategorie der nachfolgenden Wahrnehmung nicht, denn in gewisser Hinsicht ist jeder Augenblick frisch und neu. Hier gibt es jedoch diese nachfolgende Wahrnehmung. 

Vermutende Wahrnehmung

Als nächstes geht es um die Vermutung (tib. yid-dpyod), bei der wir etwas annehmen oder mutmaßen. Der Faktor, den es hier nicht gibt, ist das entscheidende Gewahrsein (tib. nges-shes) und das ist eine weitere Variable. Ist eine Wahrnehmung sowohl korrekt, als auch eindeutig, also wirklich entschieden – es ist dieses und nicht jenes – dann bezeichnen wir es als Begreifen oder Verstehen (tib. rtogs-pa). 

Wenn ich hingegen etwas vermute, bin ich mir nicht sicher. Es handelt sich um eine Annahme und könnte eine fundierte Vermutung sein oder auch nicht. In unserem Beispiel nehme ich an, dass ich meinen Computer wiederbekommen werde. Ich weiß es nicht, aber vermute es. Es kann auch ein schlussfolgernder Vorgang stattfinden, bei dem ich denke: „Nun, ich bin in Österreich. Die Menschen hier sind ehrlich,“ usw. Ich vermute, dass ich ihn wiederbekommen werde, aber ich kann mir nicht wirklich sicher sein. 

Was ist Intuition? 

Intuition ist auch eine Form der Vermutung. Sie könnte korrekt oder fehlerhaft sein. Ich habe eine Intuition, dass es regnen wird, aber es regnet nicht. Nur weil es eine Intuition ist, heißt das nicht, sie wäre korrekt. Ich habe eine Intuition, dass die Aktien steigen werden, aber vielleicht tun sie es auch nicht. Es gibt eigentlich keinen tibetischen Begriff für das, was die meisten von uns unter Intuition verstehen würden. Es könnte eine Annahme sein, bei der wir uns ziemlich sicher sind und die spontan, ohne nachzudenken und ohne etwas zu analysieren, erscheint. 

Eine Vermutung könnte hingegen auf einer Analyse beruhen, bei der wir denken: „Ich bin in Österreich und die Menschen hier sind ehrlich.“ Ich vermute, dass ich ihn wiederbekommen werde, aber ich bin mir nicht wirklich sicher. Ich hoffe jedenfalls, dass ich ihn wiederbekomme. 

Das sind verschiedene Arten, bei denen wir ein Objekt erfassen, sowohl ich, als auch das geistige Bewusstsein. 

Unentschiedene Wahrnehmung

Das Nächste wird für gewöhnlich, so auch hier, als unaufmerksame Wahrnehmung übersetzt, aber die wörtliche Übersetzung ist „unentschiedene Wahrnehmung“ (tib. snang-la ma-nges-pa). Etwas erscheint, aber wir sind uns nicht sicher. Das ist die eigentliche Bedeutung; es ist also unentschieden. 

Es geht hier nicht um etwas, was wir innerhalb eines Sinnesbereiches wahrnehmen und daher es eine breitere Bedeutung. Ich betrachte beispielsweise eine Gruppe von Menschen vor mir und richte meine Aufmerksamkeit auf eine Person. Ich achte nicht so sehr auf die anderen, obwohl ich sie auch sehe. Das wäre etwas, was wir als „unaufmerksam“ bezeichnen würden, aber darum geht es hier nicht. Vielleicht sehe ich eine Person an und betrachte sie, neben all den anderen, aber dann achte ich nicht darauf, was diese Person anhat. Danach kann ich mich nicht erinnern, welche Farbe der Pulli oder das T-Shirt hatte, das die Person getragen hat. Darum geht es also nicht. 

Hier handelt es sich um Dinge, die mit verschiedenen Sinnen wahrgenommen werden. Beispielsweise mache ich mir meinen Kaffee. Ich schaue auf die Maschine und bin sehr beschäftigt damit, aber gleichzeitig höre ich die Unterhaltung zwischen zwei Personen neben mir. Ich nehme sie war, aber diese Wahrnehmung ist unentschieden. Ich kann nicht wirklich sagen, ob jemand über dieses und nicht über jenes gesprochen hat. Hier geht es um zwei verschiedene Arten des Sinnesbewusstseins – während wir uns auf eine Sache richten, sind wir nicht so ganz bei der anderen; unsere Aufmerksamkeit ist nicht dort. Es ist also ein Unterschied, ob es um einen oder um zwei Sinnesbereiche geht. 

Auf dem Flughafen höre ich beispielsweise eine Lautsprecherdurchsage oder ich höre der Person zu, mit der ich mich unterhalte. Mit meiner visuellen Wahrnehmung sehe ich zwei Taschen auf dem Boden stehen und nehme die falsche. Das war eine unentschiedene Wahrnehmung. Ich habe nicht korrekt und entschieden gesehen, dass es sich um meine und nicht um die andere Tasche gehandelt hat, weil meine gesamte Aufmerksamkeit darauf gerichtet war, der anderen Person zuzuhören. Ich habe nicht mit Entschiedenheit festgestellt, dass es meine Tasche und nicht die eines Anderen war, ob es also meine oder nicht meine war.

Bei dieser spezifischen Art des Wissens geht es nur um das Sinnesbewusstsein und nicht um den Bereich des geistigen Bewusstseins. Rezitieren wir beispielsweise ein paar Verse, ohne uns darüber bewusst zu sein, was sie bedeuten, ist das keine unaufmerksame Wahrnehmung. Vielmehr hat es etwas mit konzeptueller Wahrnehmung zu tun und das ist etwas anderes. 

Unentschlossenes Schwanken

Die nächste Art der Wahrnehmung nennt man Zweifel (tib. the-tshoms), aber wörtlich handelt es sich um unentschlossenes Schwanken: dem Hin- und Her-Schwanken zwischen zwei Möglichkeiten. Denken wir darüber nach, ob jemand unseren Computer genommen hat oder ob die Leute vom Flughafenpersonal ihn gefunden und im Fundbüro abgegeben haben, ist unser Denken unschlüssig. Wir wissen es nicht und schwanken hin und her: Handelt es sich um dieses oder jenes? Es ist wichtig zu verstehen, was hier mit „Zweifel“ gemeint ist. 

Verzerrte Wahrnehmung

Dann gibt es die verzerrte Wahrnehmung (tib. log-shes), bei der es darum geht, dass ich die Tasche des Anderen sah und sie für meine hielt. Das war eine verzerrte Wahrnehmung, die schlichtweg falsch war. 

Es gibt also all diese verschiedenen Arten des kognitiven Erfassens von Objekten. Es gibt Personen; es gibt Arten, sich über Dinge gewahr zu sein; es gibt Objekte, die sie haben und die sie kognitiv erfassen. 

Kommunikative Töne 

Dann gibt es kommunikative Töne, die sich auf Objekte beziehen, die sie jedoch nicht kognitiv erfassen. Die Objekte, auf die sie sich beziehen, sind ihre Bedeutung – sie beziehen sich also auf etwas. Es gibt drei verschiedene Arten. 

Wörter

Zunächst haben wir die Wörter (tib. ming). 

Handelt es sich dabei um Namen? 

Ja, Namen oder Wörter. Hier beziehen wir uns nicht nur auf Substantive, also Objekte, sondern auch auf Verben und Adjektive. Daher umfassen „Wörter“ meiner Meinung nach einen breiteren Bereich als nur die Namen. 

Nehmen wir das Wort „Computer“, das man benutzt, um sich auf eine Kategorie, eine Allgemeinheit von Dingen zu beziehen. Es gibt eine ganze Reihe von Objekten, die in die Kategorie oder Allgemeinheit „Computer“ passen und es gibt ein Wort dafür: „Computer.“ Das Wort ist nicht dasselbe, wie die Kategorie. Oder das Wort „Idiot“: wir sagen vielleicht, wir wären ein Idiot, aber dann gibt es auch Beinamen (tib. btags-ming) oder zusätzliche Bezeichnungen. Das eigentliche Wort (tib. dngos-ming), der eigentliche Name, wäre Idiot und die zusätzliche Bezeichnung vielleicht Trottel, was soviel bedeutet, wie „kompletter Idiot“ und das würde man als zusätzliche Bezeichnung für einen Idioten benutzen. 

Offensichtlich gibt es diesbezüglich also eine Vielzahl von Kategorien, aber lasst uns hier nicht allzu sehr in die Einzelheiten gehen. 

Phrasen

Darüber hinaus gibt es Phrasen (tshig). „Phrasen“ kann sich auf eine Gruppe von Wörtern oder auch auf ganze Sätze beziehen, wie beispielsweise: „Ich bin ein Idiot.“ Es geht also nicht nur um das Wort „Idiot“, sondern auch um die Phrase: „Ich bin ein Idiot.“ Und so wie das Wort „Idiot“ oder das Wort „Computer“ eine Bedeutung hat, so hat auch die Phrase: „Ich bin ein Idiot“ eine Bedeutung; es gibt also ein Objekt. Die Art und Weise die Bedeutung verstehen zu können, ist ein sehr komplexer Prozess, der etwas mit konzeptueller Wahrnehmung zu tun hat, denn schließlich hören wir immer nur ein Wort. Während wir das zweite Wort wahrnehmen, hören wir das erste nicht mehr – es ist nicht mehr gültig; es findet nicht mehr statt. Das hat etwas mit unserem alten Freund, dem geistigen Hologramm, zu tun. Aber dazu später. 

Silben

Dann gibt es das, was hier als „Buchstaben“ bezeichnet wird. Tatsächlich sollten wir jedoch verstehen, dass es sich in Bezug auf Sanskrit um Silben (tib. yi-ge) handelt und schließlich bezieht sich alles auf Sanskrit. Eine Silbe besteht aus einem Konsonanten und einem Vokal oder einfach nur einem Vokal. Einen Konsonanten für sich kann man eigentlich nicht aussprechen und hier ist die Rede von etwas, das man auch aussprechen kann. Es geht auch nicht darum, Dinge zu buchstabieren. Im Russischen gibt es beispielsweise verschiedene Präpositionen, die nur aus einem Konsonanten bestehen und einen Klang haben, obwohl man keinen Vokal dazuschreibt. Ein Beispiel wäre der Buchstabe K, der „von“ bedeutet. 

Worum geht es hier nun? Es geht um die Silben I-di-ot des Wortes „Idiot“. Interessant ist, dass die Silben „di“ und „ot“ noch nicht stattfinden, wenn wir die erste Silbe „I“ hören. Während wir „di“ hören, findet die Silbe „I“ nicht mehr und die Silbe „ot“ noch nicht statt und trotzdem können wir alles zusammenfügen. Das ist schon recht erstaunlich, nicht wahr? 

All diese Dinge kommunizieren miteinander. Es sind kommunikative Töne und sie haben ein Objekt, eine Bedeutung. 

Hier gibt es jedoch etwas, worüber ich mir nicht so ganz sicher bin, denn man könnte den Eindruck bekommen, dass es sich immer um verbale, gesprochene Sprache handeln muss. Dazu könnte man Geshe-la befragen. Ich habe da so meine Zweifel, denn was ist mit den Leuten im Dschungel, die durch Trommelschläge Botschaften vermitteln. Oder was ist mit den Morsezeichen? Dabei handelt es sich auch um Töne, die tatsächlich etwas vermitteln, jedoch nicht verbal, also keine Wörter, sind. Ich glaube, man müsste sie hier mit einbeziehen, aber ich bin mir nicht sicher, ob es vielleicht noch eine vierte Kategorie gibt, in die man sie einordnen sollte. 

Das alles ist sehr spannend je tiefer man geht. Der Klang selbst hat keine ihm innewohnende Bedeutung. Du hattest beispielsweise ein Problem, das Wort „subliminal“ (unterbewusst) auf Deutsch zu übersetzen. Hätte dieses Wort eine ihm innewohnende Bedeutung, würdest du es auch verstehen, wenn ich es auf Englisch sage und du kein Englisch kannst. Obwohl das Wort „subliminal“ eine Bedeutung hat, musst du sie erst gelernt haben. Sie ist nicht einfach so da und erscheint ganz offensichtlich. 

Ich könnte die Trommeln im Dschungel hören, aber solange ich die Sprache nicht verstehe, kann ich auch die Bedeutung der Nachricht nicht erkennen; sie sagt mir einfach nichts. Oder wie ist es mit der Zeichensprache? Es sind keine kommunikativen Töne, sondern Handzeichen und da stellt sich die Frage, wo wir sie hier einordnen können. Denn wenn ich jemanden sehe, der Zeichensprache verwendet, habe ich keine Ahnung, was er sagen möchte. Aber jenen, die diese Sprache kennen, sagt es etwas. 

In all diesen Dingen – den Sprachen, Worten, Namen, Sätzen und den Teilen und Silben, aus denen sie bestehen – muss man sich gemäß einer Konvention einig sein. Eine Gruppe von Menschen legt diese Dinge fest – sie weist bedeutungslosen Tönen eine Bedeutung zu und erstellt Wörter – und daraus entsteht dann eine Konvention, der jeder zustimmt und die jeder annimmt und lernt. 

Das sind also Dinge, die Objekte haben; so genannte Subjekte. 

Objekte 

Wie sieht es nun mit Objekten aus? Hier geht es um kognitive Objekte (tib. yul), also um Objekte, die sich darauf beziehen, etwas zu kennen. Vielleicht legen wir hier eine kleine Pause ein, bevor wir damit weitermachen, denn dieses Thema ist ebenso komplex. 

In dieser Situation, in der wir den falschen Computer genommen haben und wütend auf uns waren, war der wesentliche Punkt, dass es hilfreich ist, zwischen gültigen und ungültigen Denkweisen zu unterscheiden. 

Es handelt sich um eine Tatsache, wenn ich einen Computer sehe und erkenne, dass es nicht meiner ist. Das ist also eine gültige Wahrnehmung. Wenn ich aber hoffe und meine, dass ich ihn zurückbekommen werde, aber nicht weiß, ob ihn jemand genommen hat oder ob er im Fundbüro gelandet ist, dann handelt es sich hier um Dinge, die ungewiss sind. Wie kann uns das nun weiterhelfen? Es kann uns helfen zu verstehen, dass es keinen Sinn hat, sich Sorgen darüber zu machen. Denn wie kann man wissen, ob ihn jemand genommen hat oder ob er sich im Fundbüro befindet, ohne dort anzurufen. Warum sollte ich mir also Sorgen machen, denn es ist jenseits dessen, was ich in diesem Moment wissen könnte. Sich Sorgen zu machen, wird uns nicht weiterhelfen, sondern uns nur noch unglücklicher machen. 

Wenn ich beim Flughafen anrufe, möchte ich außerdem in der Lage sein, vernünftig mit den Leuten reden zu können. Ich werde darauf achten müssen, welche Worte ich wähle, damit die Person am anderen Ende versteht, worum es geht. Es wird hier nicht wirklich erwähnt, aber es ist ziemlich interessant, wie Menschen manchmal verschiedene Worte völlig anders verstehen. Ich mag denken, dass ich mich klar ausgedrückt habe, aber dann vermitteln meine Worte nicht wirklich das, was ich sagen wollte. Ich bin mir sicher, dass wir alle das schon einmal erlebt haben. Was ist die tatsächliche Bedeutung des Wortes und was sagt es wirklich aus? 

Aber machen wir weiter mit den Objekten. In unserer Darlegung müssen wir hier, in Bezug auf die kognitiven Objekte, zwischen jenen unterscheiden, die mit nichtkonzeptueller Wahrnehmung und jenen, die mit konzeptueller Wahrnehmung verbunden sind, denn sie werden etwas anders analysiert. Sehen wir uns zunächst die nichtkonzeptuelle Wahrnehmung an. 

Objekte, die mit nichtkonzeptueller Wahrnehmung verbunden sind

Ich sehe eine farbige Form und im Grunde sehe ich den Computer dort auf dem Tisch. Ich sehe einen Computer, erkenne ihn und unterscheide ihn beispielsweise von dem Tisch. Ich muss ihn nicht unbedingt als „meinen Computer“ oder „nicht mein Computer erkennen“, aber ich kann ihn vom Tisch unterscheiden. Dieser Begriff: etwas zu unterscheiden oder auseinanderzuhalten (tib. ’du-shes) wird normalerweise mit „erkennen“ übersetzt, aber dieses Wort weist, zumindest im Englischen (to recognize), eher darauf hin, sich an etwas zu erinnern. Um nun etwas, wie eine farbige Form, sehen zu können, muss man zwischen dieser farbigen Form und jener anderen farbigen Form unterscheiden, die sich in unserem Blickfeld befindet. Diese farbige Form ist ein Computer und jene farbige Forme ist der Tisch. Ohne jedoch etwas zu unterscheiden und Grenzen festzulegen, können wir nicht erkennen, was wir sehen. Wir könnten die farbigen Formen auf merkwürdige Weise zusammensetzen. 

Beteiligte Objekte

Zunächst haben wir hier ein beteiligtes Objekt (tib. ’jug-yul). Was ist das eigentliche Objekt, mit dem wir, mit dem das Bewusstsein, es hier zu tun hat? Es ist der Computer, das Objekt, das durch diese spezifische Wahrnehmung erkannt wird. Die farbigen Formen und der Computer sind das, womit unser visuelles Bewusstsein beschäftigt ist. 

Objekte der Ausrichtung

Und obwohl es nicht hier in unserer Liste der Objekte auftaucht, gibt es auch ein Objekt der Ausrichtung (tib. dmigs-yul). Beim Objekt der Ausrichtung geht es darum, worauf sich dieses Bewusstsein richtet. Hier bezieht es sich ebenfalls auf den Computer und diese farbigen Formen. 

Erscheinende Objekte

Kommen wir zu dem erscheinenden Objekt (tib. snang-yul). Hier handelt es sich um das eigentliche Objekt, das in der Wahrnehmung erscheint, als würde es sich direkt vor dem Bewusstsein befinden und das wäre dann ein geistiges Hologramm. Der Fachbegriff dafür ist „geistiger Aspekt“ oder „Nampa“ (tib. rnam-pa). Das bezieht sich auf eine völlig transparente geistige Ableitung eines allgemein bekannten, äußeren Objektes. Ein allgemein bekanntes Objekt (tib. ’jig-rten-la grags-pa) ist ein normales Objekt, wie ein Computer. Hier handelt es sich also um eine geistige Repräsentation dieses Objektes. Diese Repräsentation, durch die wir dieses äußere Objekt sehen, ist völlig transparent und daher bezeichnen wir es als ein geistiges Hologramm. 

Auch aus westlicher Sichtweise ergibt das einen Sinn, denn durch die Lichtstrahlen, die von dem äußeren Objekt ausgehen, findet in den Augen und im Nervensystem eine Übertragung statt. Diese Lichtstrahlen wandeln sich zu elektrischen Impulsen und chemischen Reaktionen, die zwischen den Neuronen stattfinden und all das trifft auf einen bestimmten Bereich im Gehirn. Schließlich wird es dann zu einem geistigen Hologramm, das wir sehen können. Es ist auf das Objekt, auf den Computer, zurückzuführen und ist daher eine geistige Ableitung. Es repräsentiert den Computer und ist das, was tatsächlich erscheint, als würde es sich direkt vor dem Bewusstsein befinden. Durch dieses geistige Hologramm sehen wir das beteiligte Objekt, auf das wir uns fokussieren: den eigentlichen Computer. Lassen wir das für einen Moment einwirken. So funktioniert es und es ergibt auch, aus unserer westlichen Sichtweise betrachtet, einen Sinn. Und es ist das gleiche in Bezug auf all unsere Sinne. 

Objekte, die mit konzeptueller Wahrnehmung verbunden sind

Kommen wir zur konzeptuellen Wahrnehmung. Ich denke also „Computer“, „mein Computer“. Darüber ob wir in unserem Geist das Wort „Computer“ hören oder nicht, werden wir in einem anderen Vortrag sprechen. Natürlich können wir auch „Computer“ denken, ohne das Wort „Computer“ in unserem Geist zu formulieren. Ihr könnt an euren Computer denken, ohne das Wort auszusprechen, nicht wahr? Nicht jeder Gedanke ist verbal. Ist es verbal, sich den Computer im Geiste vorzustellen? Wenn wir den Computer anschalten und wissen, welche Tasten wir betätigen müssen, sagen wir uns nicht die Anweisungen dazu im Geiste auf – wir wissen es einfach. Nun, das ist konzeptuell. Es geschieht durch die allgemeinen Kategorien: „nun drücke ich diese Taste“ und „nun drücke ich jene Taste.“ 

Das Wort „denken“, das wir im Westen benutzen, ist an sich nicht sehr präzise. Was bedeutet es, etwas zu denken? Es gibt verbales und nichtverbales Denken und oft betrachten wir das nichtverbale nicht einmal als Denken. Aus buddhistischer Sicht gibt es jedoch zwei Arten. Wie finden wir etwas heraus? Da gibt es einen Denkprozess, aber wir formulieren das Ganze nicht unbedingt. Oder wenn wir einen Tanz aufführen, haben wir eine Vorstellung davon, wie wir unsere Beine bewegen wollen, aber sagen es uns nicht auf, damit wir jedes Mal die gleichen Schritte tun. Es ist also notwendig, unser Verständnis dieser Dinge etwas zu erweitern. 

Beteiligte Objekte und Objekte der Ausrichtung

Uns bleiben nur noch fünf Minuten und dieses Thema ist sehr kompliziert. Wir sind bei der konzeptuellen Wahrnehmung. Bei welchem handelt es sich um das beteiligte Objekt und bei welchem um das Objekt der Ausrichtung? hier ist es genauso, wie bei der nichtkonzeptuellen Wahrnehmung. Ich denke „mein Computer“, das beteiligte Objekt ist also der Computer, die farbige Form des Computers – die farbige Form und der Computer. Ob ich nun „Computer“ denke, während ich den Computer betrachte oder ihn nicht sehe, während ich „Computer“, „mein Computer“ denke, ist egal; das beteiligte Objekt, das Objekt der Ausrichtung, ist das gleiche – es muss nicht anwesend sein. Aber das ist es, worum es hier geht. Das ist das eigentliche Objekt, mit dem wir uns, mit dem sich unsere spezifische Wahrnehmung beschäftigt. Es muss nicht anwesend sein, wenn es konzeptuell ist. 

Erscheinende Objekte

Was ist nun das erscheinende Objekt? Das, was direkt vor unserem Bewusstsein erscheint? Hier haben wir das, was in diesen Fachbegriffen als eine Allgemeinheit (tib. spyi) bezeichnet wird, aber ich würde von einer Kategorie sprechen. Hier ist es die Kategorie, die allgemeine Kategorie eines „Computers“. Das ist es, was tatsächlich da ist. Es ist eine geistige Ableitung (tib. gzugs-brnyan, eine geistige Widerspiegelung) von individuellen, objektiven Computern, von all den einzelnen Computern. Wir ordnen sie alle einer Kategorie zu. Sie resultiert aus all diesen einzelnen Elementen und beruht auf bestimmte definierende Eigenschaften – beispielsweise würden wir nicht die Blumenvase in diese Kategorie „Computer“ miteinbeziehen. Und sie ist halb-transparent, nicht völlig transparent und das heißt nicht, sie wäre irgendwie unscharf. 

Es ist nicht einfach zu verstehen, was wir wirklich darunter verstehen, wenn von transparent und halb-transparent die Rede ist. Wenn wir ein Blatt Wachspapier oder eine Plastikfolie haben, würden wir sagen: „Nun, das ist halb-transparent.“ Wir können hindurchsehen, aber die Dinge nicht so klar erkennen. Darum geht es hier nicht, sondern darum, dass halb-transparente Dinge mit dem vermischt sind, was wir dadurch sehen oder erkennen können. Es entsteht so etwas wie eine Überblendung oder eine Projektion. Womit ist dieses erscheinende Objekt nun vermischt? Hier haben wir das erscheinende Objekt. Das erscheinende Objekt ist die Kategorie und diese Kategorie ist ein statisches Phänomen – es hat keine Gestalt oder Form. Es ist keine Form eines physischen Phänomens. Es sieht nicht wie irgendetwas aus. Es sieht nicht wie irgendetwas aus. 

Begrifflich isolierbare Elemente (Spezifizierer)

Das nächste ist etwas kompliziert und ich habe mich wirklich gefragt, ob ich es erwähnen soll oder nicht. Aber warum eigentlich nicht. Die erste Sache, die dadurch, sozusagen auf der anderen Seite der Kategorie, erscheint, ist ein begrifflich isolierbares Element (tib. ldog-pa), oder ein Spezifizierer. Ein Spezifizierer ist einfach nur eine andere Übersetzung dafür und es handelt sich um „nichts anderes als ein Computer.“ Dieses „nichts anderes als“ ist eine Art von Phänomen. 

Es geht darum, wie wir in unseren Gedanken einen Computer darstellen. Ein einfacheres Beispiel, das ich oft benutze, ist ein Hund. Stellen Sie sich einen Hund vor. Jeder wird ein anderes Bild davon in seinem Geist haben, wie ein Hund aussieht. Wir müssen uns irgendwie von dieser Allgemeinheit, diesem „Computer“ lösen, die Sache spezifizieren und alle anderen Dinge eliminieren: „nichts anderes als ein Hund“ (und auch das hat keine Form; es ist auch eine statische Sache). Und dadurch entsteht dann eine Art geistiges Hologramm davon, was ein Hund für uns darstellt. Jeder von uns wird auf seine Weise festlegen, was ein Hund, an den er gerade denkt, für ihn darstellt. 

Ich denke „Computer“. Es handelt sich um die Kategorie „Computer“, aber eigentlich will ich an „meinen Computer“, an meinen schwarzen Dell-Computer denken, nicht an diesen grauen von Apple. Wenn ich also an meinen Computer denken will, ist es notwendig, etwas innerhalb dieser großen Kategorie „Computer“ festzulegen. Dieses „nichts anderes als“ wird zu „nichts anderes als mein Computer.“ Das „nichts anderes als“ eliminiert alle anderen Dinge in der Kategorie, um zu dem zu gelangen, was es für mich ein „Computer“ repräsentieren soll, nämlich ein schwarzer von Dell. Ich möchte also meinen schwarzen Dell-Computer festlegen. In gewisser Weise ist dieses „nichts anderes als“ fast so etwas wie ein Werkzeug. Es ist ein Spezifizierer. Ich denke da an diese riesigen Teleskope, durch die alles so eingegrenzt und verkleinert wird, bis nur noch ein winziger Punkt übrigbleibt. Das ist in etwa damit vergleichbar. Durch „nichts anderes als“ das, was ein Computer für mich darstellt, haben wir nun eine Art geistiges Hologramm, einen geistigen Aspekt, der meinen Computer repräsentiert und er ist vollkommen transparent. Er hat eine farbige Form und eine Gestalt und auch sie sind völlig transparent. Durch diesen Aspekt könnte ich entweder dieses Objekt auf dem Tisch ansehen und als meinen Computer betrachten oder, wenn mein Computer nicht da ist, könnte ich es mir einfach nur vorstellen und trotzdem würde etwas, dieses geistige Hologramm, erscheinen. All das ist konzeptuell, es findet durch diese Kategorie „Computer“ statt und es könnte mit dem Wort in Verbindung gebracht werden oder auch nicht (das ist eine andere Variable). Es ist wirklich etwas kompliziert. 

Betrachten wir es grafisch, gibt es hier das Bewusstsein, davor die Kategorie, die halb-transparent ist und davor ein vollkommen transparentes „nichts anderes als mein Computer“. Alles wird von einem geistigen Hologramm, das transparent ist, also von dem, wie mein Computer aussieht, durchdrungen und dadurch kann ich dann dieses Ding auf dem Tisch betrachten, das mein Computer ist. 

Begrifflich implizierte (begrifflich erfasste) Objekte

Als nächstes haben wir ein begrifflich impliziertes Objekt (tib. zhen-yul); in euren Fachbegriffen handelt es sich um ein Objekt, das durch die Denkweise festgelegt wird. Dieses Wort müssen wir hier auf Deutsch dekonstruieren. Es geht darum, dass unsere Gedanken es zu dem machen, was es ist. Das, was es begrifflich impliziert – worauf man begrifflich schließen kann oder was dadurch festgelegt wird – ist mein Computer, mein tatsächlicher Computer. Das könnte entweder korrekt oder schlichtweg falsch sein. 

Ich betrachte diesen Computer, der vor mir steht und denke, „das ist mein Computer.“ Nun, das begrifflich implizierte Objekt wäre im Grunde mein Computer; gedanklich lege ich es so fest. Als was lege ich es gedanklich fest? Begrifflich lässt sich darauf schließen, dass es sich um meinen Computer handelt. Nun projiziere ich das auf dieses Objekt hier. Handelt es sich tatsächlich um meinen Computer, dann ist es das, was begrifflich impliziert wird, auch das, was ich betrachte. Ich fokussiere mich darauf, es ist hier und ich denke, dass es sich um meinen Computer handelt. Nun könnte es mein Computer sein oder auch nicht. Ich betrachte immer noch das Objekt, das hier vor mir steht. Wenn ich an „meinen Computer“ denke, könnte das tatsächlich auf dieses Objekt vor mir hindeuten, wenn es sich wirklich um meinen Computer handelt. Oder ich liege falsch: es handelt sich nicht um meinen Computer, ich betrachte den Computer eines anderen und denke, es wäre meiner. Diese zwei Möglichkeiten gibt es. 

Vielleicht war das nicht sehr klar. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder ich betrachte meinen Computer und denke, es ist mein Computer oder ich betrachte den Computer eines anderen und denke, es wäre meiner. Was ich also gedanklich festlege, könnte entweder richtig oder falsch sein. Es könnte mit dem übereinstimmen, was ich vor mir sehe oder nicht. Dies gilt es hinsichtlich des Objektes zu unterscheiden.

Schlussfolgerung 

Damit haben wir über das Thema von Subjekten und Objekten gesprochen. In der Tat ist es nicht wirklich einfach. In Tibet wird diese Thematik ein oder zwei Jahre studiert und wir sind es in eineinhalb Stunden durchgegangen. Aber vielleicht habt ihr einen kleinen Geschmack davon bekommen, dass es etwas sehr Nützliches in Bezug auf das Analysieren sein könnte: Was denke ich denn wirklich? Was sehe ich wirklich? Ist es korrekt, oder nicht? Was geschieht da tatsächlich, insbesondere, wenn wir die Analyse all der verschiedenen Geistesfaktoren, über die wir bereits gesprochen haben, mit hinzufügen? Einige von ihnen könnten korrekt funktionieren und andere eher nicht. 

Wir könnten an den Punkt gelangen, an dem wir den Computer betrachten und denken, es wäre unserer oder es wäre nicht unserer und wir könnten glücklich oder unglücklich sein, wir könnten wütend sein oder daran hängen, aber was damit? Darauf kommt es an, sich zu fragen: „Was damit?“ Handelt es sich wirklich um meinen Computer oder nicht? Das Wesentliche ist nicht, was ich empfinde, sondern ob es mein Computer ist oder nicht, und sich zu fragen, ob meine Sichtweise korrekt ist, damit ich dann einen klaren Gedanken fassen kann, um herauszufinden, wie ich ihn wiederbekomme. „Bin ich mir sicher? Nun, ich weiß es nicht. Hat ihn ein anderer genommen? Ist er im Fundbüro gelandet? Ich hoffe ich werde ihn wiederbekommen.“ 

Dann kommt die schlussfolgernde Wahrnehmung: „Wenn ich ihn wieder zurückhaben will, muss ich beim Flughafen anrufen und dort nachfragen, und ich werde darauf achten müssen, welche Worte ich wähle, um es klar und deutlich zu erklären.“ All das ist damit verbunden. Und wenn er dort ist, werde ich zum Flughafen fahren müssen, um ihn abzuholen und wahrscheinlich einen ganzen Tag verlieren. Aber was damit? Ob mir das gefällt oder nicht, spielt keine Rolle. Das ist die schlussfolgernde Wahrnehmung – es ist das, was darauf folgt, was ich daraufhin tun werden muss. Es geht um darauffolgende Resultate: Welches Resultat folgt darauf, wenn sie mir sagen, dass er sich dort befindet? Ich werde ins Auto steigen müssen, ich werde dorthin fahren müssen usw. All diese Dinge ergeben sich daraus, ob wir es nun mögen oder nicht. 

Diese komplexen Analysen sind in der Tat wirklich praktisch, denn dadurch sind wir in der Lage, mit herausfordernden Situationen in unserem Leben umgehen zu können. Es dauert jedoch eine Weile, sich mit diesem Schema vertraut zu machen und daher ist es notwendig, Geduld zu haben. Aber es funktioniert. Die Menschen nutzen es seit Tausenden von Jahren und es funktioniert.

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