Wege des Erkennens der zwei Wahrheiten: Gelug Prasangika

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Die Wahrnehmung eines Objekts

Alle tibetischen Traditionen akzeptieren, dass die geistige Aktivität (sems, Geist) bei der Wahrnehmung eines gültig erkennbaren Phänomens (shes-bya) zugleich ein kognitives Objekt (yul) in Erscheinung treten lässt (shar-ba, hervortreten lassen) und sich kognitiv damit befasst (‘jug-pa). Der Aspekt, dass die geistige Aktivität ein kognitives Objekt in Erscheinung treten lässt, wird in der Definition des Geistes als „Klarheit“ (gsal) bezeichnet und der Aspekt, dass sie sich damit befasst, als „Gewahrsein“ (rig).

Wenn man zum Beispiel ein rechteckiges weißes Handtuch sieht, dann bringt die geistige Aktivität das Bild eines rechteckigen weißen Handtuchs hervor und sieht es. Was wir sehen, sind jedoch nicht nur Sinnesdaten (ein weißes Rechteck). Um nicht mit der Konvention (tha-snyad) in Widerspruch zu geraten, müssen wir sagen, dass wir auch das Handtuch selbst sehen – ein so genanntes „allgemein verständliches (‘jig-rten-la grags-pa)“ Handtuch. Die Wahrnehmung des Handtuches erschafft aber nicht das Handtuch.

Ein kognitives Objekt hervorzubringen und sich kognitiv damit zu befassen sind zwei Aspekte derselben geistigen Aktivität – zwei Arten, dasselbe Phänomen zu beschreiben. Es ist nicht so, dass zuerst das Bild hervorgebracht und dann einen Augenblick später das Sehen dieses Bildes erfolgen würde.

Außerdem erfolgt die geistige Aktivität, ohne dass ein Handelnder zu finden wäre – ein „Ich“ oder einen „Geist“ -, der unabhängig und getrennt von der Aktivität existiert und dafür sorgt, dass die Aktivität durchgeführt wird, etwa wie eine Person, die einen Computer benutzt, um Bilder auf einem Bildschirm erscheinen zu lassen. Die geistige Aktivität (Geist) wird deshalb als „bloßes“ Entstehen und Wahrnehmen von Objekten bezeichnet, mit anderen Worten: „bloße Klarheit und Gewahrsein“ (gsal-rig-tsam).

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