Bloße Wahrnehmung
Die Arten der Wahrnehmung, die objektive Entitäten und metaphysische Entitäten als ihre erscheinenden Objekte erfassen, sind jeweils die bloße Wahrnehmung und die konzeptuelle Wahrnehmung.
Gemäß der Sautrantika-Erklärung sind alle gültig erkennbaren Phänomene entweder objektive Entitäten (tib. rang-mtshan) oder metaphysische Entitäten (tib. spyi-mtshan). Erstere sind unbeständig: sie entstehen aus dem Einfluss von Ursachen und Bedingungen und haben die Fähigkeit, ein Resultat hervorzubringen. Letztere sind allesamt beständig: sie werden nicht durch Ursachen und Bedingungen beeinflusst und haben nicht die Fähigkeit, ein Resultat hervorzubringen. Die Existenz sowohl objektiver als auch metaphysischer Entitäten ist von sich aus begründet (tib. rang-ngos-nas grub-pa) und somit verfügen sie über eine selbst-begründete Existenz (tib.rang-bzhin-gyis grub-pa).
Objektive Entitäten haben eine substantiell begründete Existenz (tib. rdzas-su grub-pa). Sie haben die Fähigkeit, eine Funktion auszuüben und sind äußere Phänomene (tib. phyi-don), die als Ursprungsquellen (tib. rdzas) der Wahrnehmungen von ihnen dienen. Sie haben wahrhaft begründete Existenz (tib. bden-par grub-pa) und sind somit tiefste wahre Phänomene (tib. don-dam bden-pa). Metaphysische Entitäten besitzen hingegen keine substantiell begründete Existenz und können keine Funktion erfüllen. Sie haben keine wahrhaft begründete Existenz und so wird ihre Existenz lediglich begründet, indem Phänomene durch Konzepte geistig bezeichnet und durch Worte benannt werden. Auf diese Weise können sie nur konzeptuell erkannt werden und sind oberflächliche wahre Phänomene (tib. kun-rdzob bden-pa).
Weil die Existenz objektiver Entitäten nicht bloß durch Konzepte und Worte begründet wird, können sie außerhalb des Rahmens ihrer konzeptuellen Wahrnehmung erkannt werden. Somit können sie nicht-konzeptuell gültig durch bloße Wahrnehmung erkannt werden. In solch einer Wahrnehmung ist das erscheinende Objekt (tib. snang-yul) stets eine objektive Entität. Als ein erscheinendes Objekt entsteht ein Aspekt der objektiven Entität, nämlich eine geistige Ableitung (tib. gzugs-brnyan) dessen, in der Wahrnehmung, in etwa so, wie ein geistiges Hologramm. Es entsteht nur auf der Grundlage persönlicher Erfahrung, da die Ursprungsquelle der Wahrnehmung die objektive Entität sein muss, die äußerlich vor ihrer Wahrnehmung existiert.
Weil sich die Quelle einer bloßen Wahrnehmung, außer der bloßen Wahrnehmung durch reflexives Gewahrsein, außerhalb der Wahrnehmung befinden muss, kann man den Unterschied zwischen der Süße von Zucker und Schokolade jemandem nicht einfach durch Worte erklären. Die Person kann ihn nur kennen, wenn sie beides selbst probiert. Das gleiche gilt für die Liebe der Eltern für ihr Kind und dafür, wie es ist, Selbstmordabsichten zu haben oder verborgene Talente eines Genies zu besitzen. Es sind alles gültig erkennbare objektive Entitäten, die persönlich erfahren werden müssen, um sie als das erscheinende Objekt der bloßen Wahrnehmung gültig zu erkennen.
Metaphysische Entitäten sind beständig und können nur in konzeptueller Wahrnehmung (tib. rtog-pa, rtog-bcas kyi shes-pa) gültig erkannt werden. Ist etwas das erscheinende Objekt einer konzeptuellen Wahrnehmung, ist es demzufolge auch eine metaphysische Entität, also eine Kategorie, zum Beispiel eine Objekt-Kategorie (tib. don-spyi) wie die Kategorie „die körperliche Empfindung der Geburt“. Als das erscheinende Objekt einer konzeptuellen Wahrnehmung, ist die Kategorie eine geistige Ableitung aller Instanzen der körperlichen Empfindungen, die von jeder Frau erlebt werden, wenn sie ein Kind zur Welt bringt. Durch diese Kategorie kann man über diese körperliche Empfindung nachdenken, die man durch ein geistiges Hologramm solch einer Empfindung darstellen würde. In der westlichen Fachsprache würde man die Kombination der Kategorie und des geistigen Hologramms wahrscheinlich als eine „Vorstellung“ bezeichnen – eine Vorstellung davon, wie die körperliche Empfindung des Geburtsvorgangs ist.
Man muss die körperliche Empfindung nicht unmittelbar mit dem Körperbewusstsein erfahren, um konzeptuell darüber nachzudenken. Man muss diese Empfindung nicht einmal persönlich erlebt haben, um sich konzeptuell vorzustellen, wie sie ist. Das liegt daran, dass die beständige Kategorie keine äußerlich existierende Ursprungsquelle der konzeptuellen Wahrnehmung ist. Obgleich sich das unbeständige geistige Hologramm, welches die Kategorie repräsentiert, von einem Augenblick zum nächsten in seiner Intensität und Klarheit ändern oder durch eine zutreffendere Repräsentation, die auf persönlicher Erfahrung basiert, ersetzt werden kann, bleibt die Kategorie selbst als eine metaphysische Entität statisch und unbeeinflusst von Ursachen und Bedingungen.
Auch wenn demzufolge etwas, was das erscheinende Objekt einer konzeptuellen Wahrnehmung darstellt, eine metaphysische Entität ist, folgt daraus nicht, dass etwas das erscheinende Objekt einer konzeptuellen Wahrnehmung wie beispielsweise ein Raum und die grobe oder subtile Selbstlosigkeit einer Person ist, wenn es eine metaphysische Entität ist. Raum ist die Abwesenheit von allem Greifbaren, das die Existenz von etwas in drei Dimensionen behindern würde, und als solcher ist er ein beständiges Zuschreibungsphänomen auf der Grundlage eines physischen Objektes. Die Selbstlosigkeit einer Person ist die Abwesenheit eines statischen, teilelosen, unabhängig existierenden Selbst oder die Abwesenheit eines eigenständig erkennbaren Selbst und als solche ist sie ein beständiges Zuschreibungsphänomen auf der Grundlage eines individuellen Kontinuums der fünf Aggregat-Faktoren. Sowohl Raum als auch die zwei Ebenen der Selbstlosigkeit sind, da sie beständig sind, metaphysische Entitäten, doch keines von beiden ist das erscheinende Objekt der konzeptuellen Wahrnehmung von ihnen. Beide sind nur mit impliziten Begreifen des reflexiven Gewahrseins gültig erkennbar, das entweder die bloße Wahrnehmung begleitet, in der die Grundlage der Zuschreibung das erscheinende Objekt ist, oder die konzeptuelle Wahrnehmung, in der eine Objekt-Kategorie auf der Grundlage der Zuschreibung das erscheinende Objekt ist.
Zudem wird bloße Wahrnehmung als ein Gewahrsein definiert, das nicht trügerisch und frei von Konzepten ist. Wird es unterteilt, gibt es vier Arten: (1) bloße Sinneswahrnehmung, (2) geistige bloße Wahrnehmung und (3) bloße reflexive und (4) yogische (bloße) Wahrnehmung.
Da diese vier nicht trügerisch sind, ist es wichtig, zuerst die Gründe für die Täuschung (tib. ’khrul-rgyu) zu erkennen, von der sie frei sind.
Die vier Ursachen dafür, dass (eine bloße Wahrnehmung) trügerisch ist, sind (1) Vertrauen, (2) das Objekt, (3) die Situation und (4) die unmittelbar vorausgehende Bedingung.
[1] Eine Wahrnehmung kann täuschend sein durch Vertrauen (tib. rten) auf ein fehlerhaftes Organ. Wenn man schielt, sieht man zwei Monde. [2] Bewegt sich das Objekt (tib. yul) der Wahrnehmung sehr schnell, wie eine Fackel, mit der man im Dunkeln schnelle Kreise zieht, kann man getäuscht werden und einen Feuerring sehen. [3] Schaut man aus dem Fenster eines sich bewegenden Zuges, sieht man aufgrund der Situation (gnas), in der man sich befindet, Bäume schnell vorbeiziehen. [4] Ist der Geist heftig gestört und wütend, sieht man wegen dieser unmittelbar vorausgehenden Bedingung (tib. de-ma-thag rkyen) vielleicht rot oder mit krankhaftem Misstrauen bedrohliche Gestalten, obwohl niemand da ist. Bloße Wahrnehmungen werden nicht durch solche Ursachen der Täuschung beeinflusst.
Die bloße Wahrnehmung, die (lediglich) durch einen der körperlichen Sensoren der Wahrnehmung als dessen (einzige) vorherrschende Bedingung entsteht, ist die bloße Sinneswahrnehmung.
Die Worte „lediglich“ und „einzig“ müssen der Definition hinzugefügt werden, da die bloße Wahrnehmung durch reflexives Gewahrsein entweder durch einen körperlichen oder geistigen Sensoren der Wahrnehmung als dessen vorherrschende Bedingung (tib. bdag-rkyen) entstehen kann.
Es gibt fünf (Arten), von der bloßen Sinneswahrnehmung, die eine sichtbare Form (als ihr Objekt) erfasst, bis hin zur bloßen Sinneswahrnehmung, die eine körperliche Empfindung aufnimmt.
Somit gibt es bloße Sinneswahrnehmungen von Anblick, Klang, Geruch, Geschmack und körperlicher Empfindung.
Jede von ihnen hat ebenso drei (Unterarten): gültige, nachfolgende und unentschiedene Wahrnehmung.
Sieht man einen Tonkrug unentschieden und ohne ihn konzeptuell zu erfassen, ist der erste Moment die gültige bloße Wahrnehmung des Tonkruges. In der zweiten Instanz hat man eine nachfolgende visuelle Wahrnehmung, während der letzte Moment unentschieden ist. Diesen Tonkrug zu sehen, während man aufmerksam Musik hört, ist auch ein Beispiel einer unentschiedenen visuellen Wahrnehmung.
Die bloße Wahrnehmung, die (lediglich) durch einen geistigen Sensor als dessen (einzige) vorherrschende Bedingung entsteht, ist geistige bloße Wahrnehmung. Es gibt fünf (Arten), wie die geistige bloße Wahrnehmung, die eine sichtbare Form (als dessen Objekt) erfasst und so weiter.
Wenn man sich an einen Anblick, Klang, Geruch, Geschmack oder eine körperliche Empfindung erinnert, sie sich vorstellt oder davon träumt, ist das erscheinende Objekt der Wahrnehmung eine Kategorie solch eines Objektes, das durch ein geistiges Hologramm dieser Sinnesobjekte repräsentiert wird und das ist es, was tatsächlich erscheint. In diesen Fällen erkennt man eine metaphysische Entität durch eine konzeptuelle Wahrnehmung. Es handelt sich dabei nicht um geistige bloße Wahrnehmung.
Mit geistiger bloßer Wahrnehmung ist man sich jedoch einer objektiven Entität, einer dieser fünf tatsächlichen Arten von Sinnesobjekten, durch den Sensor der Wahrnehmung des Geistes ohne jegliche konzeptuelle Wahrnehmung dessen bewusst. Man hat solch eine geistige bloße Wahrnehmung eines Tonkruges beispielsweise unmittelbar nach seiner visuellen Wahrnehmung und direkt bevor man ihn konzeptuell erfasst. Sie dauert nur eine ganz kurze Zeit an.
Bloße Wahrnehmung durch reflexives Gewahrsein ist jene, die (lediglich) einen kognitiven Aspekt der kognitiven Erfasser (von Objekten in einer Wahrnehmung) hervorbringt, nicht trügerisch und frei von Konzepten.
Die kognitiven Erfasser (tib. ’dzin-pa) einer Wahrnehmung beziehen sich auf das Primärbewusstsein und die kongruenten Geistesfaktoren, welche die Objekte einer Wahrnehmung kognitiv erfassen. Das sind die Objekte der bloßen Wahrnehmung durch reflexives Gewahrsein. Das, was einen kognitiven Aspekt dieser kognitiven Erfasser (tib. ’dzin-rnam) hervorbringt, ist reflexives Gewahrsein.
Beide werden ebenfalls wie oben als Wahrnehmungen beschrieben, die jeweils drei (Unterarten) haben – gültige Wahrnehmung und so weiter.
Sowohl geistige bloße Wahrnehmung und bloße Wahrnehmung durch reflexives Gewahrsein haben gültige, nachfolgende und unentschiedene Phasen.
Was yogische bloße Wahrnehmung betrifft, so ist sie diesbezüglich die bloße Wahrnehmung im Geisteskontinuum eines Aryas, welche durch die Kraft entstanden ist, mit vertiefter Konzentration über ein verbundenes Paar von Shamatha und Vipashyana als dessen vorherrschende Bedingung meditiert zu haben.
Wie bereits erklärt, hat die yogische bloße Wahrnehmung nur anfängliche gültige und nachfolgende Momente. Sie ist niemals unentschieden. Sie tritt nur während dem Teil der völligen Vertiefung (tib. mnyam-bzhag) der Meditationssitzung eines Aryas auf, wenn der Arya völlig nicht-konzeptuell mit einem verbundenen Paar von Shamatha und Vipashyana vollständig auf subtile Unbeständigkeit oder die grobe oder subtile Selbstlosigkeit der Person gerichtet ist.
Wird sie vom Blickwinkel ihrer Grundlage unterteilt, gibt es drei (Arten: jene der) (1) Shravaka (Aryas), (2) Pratyekabuddha (Aryas) und (3) Mahayana-Aryas.
Sowohl Shravakas (Hörer) und Pratyekabuddhas (Alleinverwirklicher) arbeiten an ihrer persönlichen Befreiung von unkontrollierbar sich wiederholender Wiedergeburt (Samsara). Erstere verlassen sich darauf, während ihrer gesamten Ausbildung Lehren eines Lehrers zu hören, während Letztere dies während der letzten Stufen nicht tun. Bodhisattvas arbeiten auf der anderen Seite daran, die volle Erleuchtung der Buddhaschaft zu erlangen, um mithelfen zu können, alle anderen zu befreien. Gemäß der Sautrantika-Erklärung werden sie, wenn sie yogische bloße Wahrnehmung der Selbstlosigkeit der Person erlangen, ein Arya der Shravakas, Pratyekabuddhas oder Bodhisattvas, die der Mahayana-Klasse ihrer Motivation und ihres Praxisstils entsprechen.
Vom Blickwinkel ihrer Wesensnaturen gibt es für jede von ihnen ebenfalls drei (Unterarten: yogische bloße Wahrnehmung) mit (1) einem Pfadgeist des Sehens, (2) einem Pfadgeist des Sich-Gewöhnens und (3) einem Pfadgeist, der keines weiteren Trainings mehr bedarf.
Shravakas, Pratyekabuddhas und Bodhisattvas streben ihre Ziele durch einen fünffachen Pfad an, durch den sie schrittweise fünf Pfade des Geistes entwickeln, die zu ihren jeweiligen Zielen führen. Diese fünf Pfade des Geistes richten sich auf die sechzehn Aspekte der vier edlen Wahrheiten, die subtile Unbeständigkeit, sowie die grobe und subtile Selbstlosigkeit der Person, die sie erfahren. Darüber hinaus sind die subtile Unbeständigkeit sowie die grobe und subtile Selbstlosigkeit der Person Aspekte der ersten edlen Wahrheit, des wahren Leidens.
Wenn sie als Motivation eine mühelose Entschlossenheit entwickelt haben, frei von wahren Leiden und dessen Ursachen zu sein – also eine Entsagung, die entsteht, ohne dass sie durch eine Argumentationskette aufgebaut wurde – entwickeln Shravakas, Pratyekabuddhas und Bodhisattvas ihren ersten Pfadgeist. Sie alle haben die gleiche Motivation und alle drei folgen mit ihren Pfaden des Geistes ähnlichen Übungen und entwickeln das gleiche unterscheidende Gewahrsein (tib. shes-rab, Weisheit). Im Sautrantika geht man nicht davon aus, dass Bodhisattvas zum Erlangen der Erleuchtung eine Bodhichitta-Ausrichtung haben, damit sie bestmöglich allen begrenzten Wesen helfen können.
Mit dem erste Pfad des Geistes, einem Pfadgeist des Aufbauens (tib. tshogs-lam, Pfadgeist des Ansammelns), erlangen sie ein verbundenes Paar von Shamatha und Vipashyana. Haben sie einmal solch ein konzeptuelles verbundenes Paar erlangt, nutzen sie mit dem zweiten Pfad des Geistes, einem Pfadgeist der Anwendung (tib. sbyor-lam, Pfad der Vorbereitung), das konzeptuelle verbundene Paar, um einen nicht-konzeptuellen Zustand dessen zu erlangen. Damit haben sie dann den dritten Pfad des Geistes, einen Pfadgeist des Sehens (tib. mthong-lam, Pfad des Sehens), erlangt, mit dem sie die sechzehn Aspekte der vier edlen Wahrheiten nicht-konzeptuell „sehen“. Auf diese Weise werden sie zu Aryas ihrer entsprechenden Klassen und erlangen mit yogischer bloßer Wahrnehmung eine wahre Beendigung der doktrinär bedingten störenden Emotionen (tib. nyon-mongs kun-btags) – störenden Emotionen, die auf der Glaubensvorstellung beruhen, man selbst und alle anderen würden als ein statisches, teileloses, unabhängig existierendes Selbst (Atman) existieren, und die man von einem nicht-buddhistischen indischen Lehrsystem übernommen hat.
Mit dem vierten Pfad des Geistes, einem Pfadgeist des Sich-Gewöhnens (tib. sgom-lam, Pfad der Meditation), gewöhnen sie sich an diese yogische bloße Wahrnehmung, um schrittweise eine wahre Beendigung der automatisch auftretenden störenden Emotionen (tib. nyon-rmongs lhan-skyes) zu erlangen. Wenn sie die wahre Beendigung auch dieses Pfades erreichen, erlangen sie den fünften Pfad des Geistes, einen Pfadgeist, der keines weiteren Trainings mehr bedarf (tib. mi-slob lam, Pfad des Nicht-mehr-Lernens). Wegen dieser ganz unterschiedlichen Menge an positiver Kraft (tib. bsod-nams, Verdienst), die durch jeden aufgebaut wurde, erlangen Shravakas und Pratyekabuddhas mit diesem fünften Pfad des Geistes Befreiung als Arhats, während Bodhisattvas Erleuchtung als ein Buddha erlangen. So werden diese fünf Pfade des Geistes im Sautrantika-System erklärt.
Vom Blickwinkel ihrer Objekte gibt es zwei: (1) jene, die so viel erkennt, wie gültig erkannt werden kann und (2) (jene, die erkennt), wie Phänomene existieren.
Ist sie auf die fünf Aggregate gerichtet, kann yogische bloße Wahrnehmung explizit sowohl die Aggregate als auch deren subtile Unbeständigkeit begreifen. Indem sie das tut, kann sie so viel wahrnehmen, wie gültig erkannt werden kann (tib. ji-snyed-pa), obwohl die fünf Aggregate genau genommen nur nichtstatische Phänomene umfassen. Wenn sie auf die Aggregate gerichtet ist, kann die yogische bloße Wahrnehmung alternativ explizit die Aggregate begreifen, während die bloße Wahrnehmung durch reflexives Gewahrsein in einer konzeptuellen Wahrnehmung, die sie begleitet, implizit die grobe oder subtile Selbstlosigkeit der Person begreifen, wie Phänomene existieren (tib. ji-lta-ba).
Entsprechungen einer bloßen Wahrnehmung
Was die Entsprechungen einer bloßen Wahrnehmung betrifft, die das Gegenteil (einer bloßen Wahrnehmung) sind,
Die Entsprechung einer bloßen Wahrnehmung (tib. mngon-sum ltar-snang), die sich auf dasselbe bezieht, wie eine trügerische Wahrnehmung (tib. ’khrul-shes), wird als ein Gewahrsein definiert, das in Bezug auf ihr erscheinendes Objekt trügerisch ist. Sie erfasst das erscheinende Objekt als das eigentliche Objekt selbst. Verzerrte Wahrnehmung ist andererseits in Bezug darauf trügerisch, was tatsächlich existiert, und nicht bloß, was in der Wahrnehmung erscheint.
Sowohl die trügerische als auch die verzerrte Wahrnehmung kann konzeptuell oder nichtkonzeptuell sein. In einer konzeptuellen Wahrnehmung ist das erscheinende Objekt eine metaphysische Entität, nämlich eine Kategorie wie „Tonkrüge“. Ihr konzeptuell impliziertes Objekt (tib. zhen-yul) ist ein geistiges Hologramm eines allgemeinen Tonkruges, der die Mitglieder der Kategorie „Tonkrüge“ repräsentiert. Das konzeptuell implizierte Objekt ist eine objektive Entität, die nur durch geistiges Bewusstsein wahrgenommen werden kann, sowie das beteiligte Objekt der konzeptuellen Wahrnehmung. Konzeptuelle Wahrnehmungen sind insofern trügerisch, als dass sie eine Kategorie, die in diesem Fall alle Tonkrüge umfasst, mit diesem konzeptuell implizierten geistigen Hologramm eines allgemeinen Tonkruges vermischen und verwirren, als würden alle Tonkrüge aussehen, wie dieser. Entspricht das konzeptuell implizierte Objekt einer konzeptuellen Wahrnehmung nicht der Realität, ist es nicht nur trügerisch, sondern auch verzerrt. Ein Beispiel wäre, wenn das erscheinende Objekt, die Kategorie „Hasenhörner“, mit einem geistigen Hologramm verwechselt werden würde, das einen Satz Hasenhörner repräsentiert, obwohl es so etwas wie Hasenhörner nicht gibt.
Obgleich alle konzeptuellen Wahrnehmungen trügerisch sind, sind nicht alle verzerrt. Manche, wie die schlussfolgernde Wahrnehmung, sind insofern tatsächlich gültige Wahrnehmungen, als dass sie ein frisches, nicht betrügerisches Gewahrsein ihres beteiligten Objektes sind. Die schlussfolgernde Wahrnehmung „der Tonkrug ist kaputt“, die zum Beispiel auf der Argumentationskette „der Tonkrug ist kaputt, weil er undicht ist“ beruht, begreift ihr beteiligtes Objekt, das konzeptuell implizierte geistige Hologramm eines allgemeinen angebrochenen Tonkruges, korrekt und frisch. Sie ist gültig und somit nicht betrügerisch. Doch weil sie die Kategorie „Tonkrüge, die kaputt sind, weil sie undicht sind“ mit einer geistigen Repräsentation eines bestimmten angebrochenen Tonkruges verwirrt, als würden alle angebrochenen Tonkrüge so aussehen, ist sie trügerisch.
In einer nicht-konzeptuellen Wahrnehmung, wie beispielsweise einer gültigen bloßen Sinneswahrnehmung, die explizit einen Tonkrug begreift, sind sowohl das erscheinende als auch das beteiligte Objekt der Tonkrug selbst, eine äußere, existierende, objektive Entität. Hier gibt es kein konzeptuell impliziertes Objekt, da es nur in konzeptuellen Wahrnehmungen implizierte Objekte gibt. Wenn ein Kurzsichtiger diesen Tonkrug betrachtet, sieht er lediglich ein verschwommenes Objekt mit einer nicht-konzeptuellen Entsprechung einer bloßen Wahrnehmung. Seine Wahrnehmung, mit der er sich auf ein fehlerhaftes Sinnesorgan stützt, ist trügerisch, weil sie ihr erscheinendes Objekt, einen verschwommenen Tonkrug, mit dem verwirrt, was tatsächlich da ist, ein objektiver Tonkrug. Sie ist auch verzerrt, weil es so etwas, wie einen tatsächlichen verschwommenen Tonkrug, nicht gibt. Sie ist nicht-konzeptuell, weil sie den verschwommenen Tonkrug, der ihr erscheint, nicht mit der Kategorie „verschwommene Tonkrüge“ vermischt.
Es gibt sieben Arten von Entsprechungen einer bloßen Wahrnehmung, sechs konzeptuelle und eine nicht-konzeptuelle.
(in Dignagas „Kompendium gültiger Arten des wahrnehmenden Geists“) wird Folgendes gesagt:„Sie werden bezeichnet als (1) jene, die (völlig) trügerisch sind, (2) jene, die etwas als oberflächlich wahrnehmen, (3) jene in schlussfolgernder Wahrnehmung und jene von (4) etwas, das sich aus einer schlussfolgernden Wahrnehmung ergibt, (5) etwas Erinnertem und (6) etwas Erhofftem. Es gibt auch (7) die Entsprechung einer bloßen Wahrnehmung, die verschwommen ist.“ Die ersten sechs sind konzeptuelle Entsprechungen bloßer Wahrnehmungen, während die letzte, ein Erkennen von etwas Verschwommenem, die nicht-konzeptuelle Entsprechung einer bloßen Wahrnehmung ist. Um die Bedeutung (einer jeden) zu verstehen, sollte man (Texte) wie „Ein Filigranschmuck von Argumentationsketten (Eine erklärende Abhandlung von Dharmakirtis Kommentar zu [Dignagas Kompendium des] gültig wahrnehmenden Geistes“) zurate ziehen.
Gemäß Dignaga’s „Kompendium gültiger Arten des wahrnehmenden Geistes“ (tib. Tshad-ma kun-btus, Skt. Pramāṇasamuccaya):
[1] Die konzeptuelle Wahrnehmung, die (völlig) trügerisch ist (tib. ’khrul), ist auch verzerrt. Sie ist die konzeptuelle Entsprechung der bloßen Wahrnehmung von allem, das keinen Tatsachen entspricht, wie die falsche Annahme, dass Klang beständig ist. Zu dieser Klasse gehören auch die Träume und Fantasien gewöhnlicher Menschen, die Einbildung mit Realität verwechseln.
[2] Die konzeptuelle Wahrnehmung, etwas als oberflächlich wahrzunehmen (tib. kun-rdzob shes-pa) ist nicht verzerrt. Sie ist ein korrektes Begreifen von etwas, das aus Teilchen oder einer Reihe von Momenten besteht, wie ein Tonkrug oder ein Geisteszustand. Sie ist insofern trügerisch, da sie solch eine objektive Entität mit der metaphysischen Kategorie vermischt, ein oberflächliches Phänomen zu sein. Hier bezieht sich die Bedeutung von „oberflächlich“ darauf, wie sie im Vaibhashika-System gebraucht wird, und nicht im Sinne von Sautrantika auf ein oberflächliches wahres Phänomen. Ein Tonkrug oder ein Geisteszustand sind im Vaibhashika-Sinn oberflächlich, da der Tonkrug seine konventionelle Identität verliert, wenn er in seine Bestandteile und der Geisteszustand in seine einzelnen Momente zerlegt wird. Solche konzeptuellen Wahrnehmungen sind ungeachtet dessen nicht verzerrt, denn ihre konzeptuell implizierten Objekte entsprechen der Realität.
[3] Alle schlussfolgernden Wahrnehmungen (tib. rjes-dpag) sind konzeptuelle Wahrnehmungen, mit denen man etwas Verschleiertes (tib. lkog-gyur), etwas nicht Offensichtliches, erkennt, indem man sich auf eine gültige Argumentationskette stützt. Sie sind trügerisch, weil sie ihr erscheinendes Objekt, eine Kategorie, mit einem geistigen Hologramm eines repräsentierenden Mitglieds dieser Kategorie, dessen konzeptuell impliziertes Mitglied, verwechseln. So kann man beispielsweise gültig erkennen, dass Klang unbeständig ist, indem man sich auf folgende Logik stützt: weil es ein beeinflusstes Phänomen (tib. ’dus-byas-kyi chos) wie ein Tonkrug und nicht wie Raum ist. Man kommt auf korrekte Weise zu dieser Schlussfolgerung, weil die drei Faktoren der Anwendbarkeit auf den thematischen Gegenstand, der Durchdringung und der negativen Durchdringung erfüllt werden. (a) Ein beeinflusstes Phänomen zu sein ist eine Eigenschaft des Klanges, (b) wenn etwas ein beeinflusstes Phänomen ist, folgt daraus, dass es, wie ein Tonkrug, unbeständig ist, und (c) wenn etwas beständig ist, folgt daraus, dass es kein beeinflusstes Phänomen ist, wie beispielsweise ein Raum. Unsere konzeptuelle schlussfolgernde Wahrnehmung hat dann als erscheinende Objekte die Kategorien „Klänge“ und „beeinflusste Phänomene“ als ersten Faktor, „beeinflusste Phänomene“, „unbeständige Phänomene“ und „Tonkrüge“ als zweiten Faktor, und „unbeeinflusste Phänomene“, „beständige Phänomene“ und „Raum“ als dritten Faktor. Die erste Gruppe von Kategorien wird durch ein geistiges Hologramm eines Klanges als ein beeinflusstes Phänomen repräsentiert, die zweite durch einen Tonkrug, der sowohl ein beeinflusstes Phänomen als auch ein unbeständiges Phänomen repräsentiert und die dritte durch die eines Raumes, der sowohl ein unbeeinflusstes Phänomen als auch ein beständiges Phänomen repräsentiert. Obwohl diese konzeptuelle Wahrnehmung gültig ist, ist sie trügerisch, da sie diese Kategorien mit den konzeptuell implizierten Objekten vermischt, die ihre beteiligten Objekte, geistige Repräsentationen eines allgemeinen Mitglieds der Kategorien, sind.
Ein Buddha würde sich nicht auf solch eine konzeptuelle Wahrnehmung einer schlussfolgernden Wahrnehmung stützen müssen, um die Unbeständigkeit von Klang zu erkennen. Wenn ein Buddha eine bloße akustische Wahrnehmung hat, die explizit einen Klang erfasst, würde er auch explizit dessen Unbeständigkeit erfassen, ohne Logik zu benutzen.
Ein weiteres Beispiel dieser dritten Art der konzeptuellen Wahrnehmung ist, eine Auswirkung zu kennen und zu sagen, man sei sich dessen Ursache bewusst, wie die Wärme von Sonnenstrahlen zu spüren und durch schlussfolgernde Wahrnehmung zu wissen, dass die Sonne heiß ist. Außerdem beinhaltet es, den Namen einer Auswirkung dessen Ursache zu geben, wie einen Buddha einen Mitfühlenden zu nennen. In diesem Fall vermischt man die Auswirkung dessen, ein Buddha und somit mitfühlend zu sein, mit dessen Ursache, also ein Buddha zu sein. Ein weiteres Beispiel ist, Klang für etwas Erzeugtes zu halten, wodurch man ebenfalls eine Auswirkung mit dessen Ursache vermischt.
[4] Konzeptuelle Wahrnehmungen von etwas, die aus einer schlussfolgernden Wahrnehmung stammen (tib. rjes-su dpag-las byung) sind Wahrnehmungen unserer Schlussfolgerungen, die aus dem oben genannten Vorgang der schlussfolgernden Wahrnehmung stammen. Ein Beispiel ist unsere konzeptuelle Wahrnehmung, dass Klang unbeständig ist, die dies aus den drei Faktoren schlussfolgert.
[5] Eine konzeptuelle Wahrnehmung von etwas Erinnertem (tib. dran-pa) vermischt die Kategorie des Ereignisses oder Objektes mit einer geistigen Repräsentation des ursprünglichen Ereignisses oder Objektes..
(6) Eine konzeptuelle Wahrnehmung von etwas Erhofftem (tib. mngon-’dod) bezieht sich auf etwas, das noch nicht stattgefunden hat und von dem wir uns erhoffen, dass es entweder stattfinden oder nicht stattfinden wird, oder auf etwas, was gewesen sein könnte, wenn die Dinge anders gelaufen wären. Sie vermischt die Kategorie eines Planes oder einer Idee mit einem geistigen Hologramm, das repräsentiert, was wir stattzufinden hoffen. Somit sind alle sechs dieser konzeptuellen Arten der Wahrnehmung trügerisch, da sie ihr erscheinendes Objekt mit ihrem konzeptuell implizierten Objekt vermischen und verwirren.
[7] Eine nicht-konzeptuelle Entsprechung einer bloßen Wahrnehmung von etwas Verschwommenem (tib. rab-rib-can) ist ebenfalls trügerisch, denn das, was erscheint, ist in Wirklichkeit nicht so.
Eine nicht-konzeptuelle Entsprechung einer bloßen Wahrnehmung, ein Erkennen, in dem es eine klare Erscheinung von etwas Nicht-Existierendem gibt, was klar erscheint, und eine nicht-konzeptuelle Wahrnehmung beziehen sich auf dasselbe.
Bei einem Erkennen, in dem es eine Erscheinung von etwas Nicht-Existierendem gibt (tib. med-pa gsal-snang-can-gyi blo), ein tatsächliches nicht existierendes Element, wie ein Hasenhorn oder ein statisches, teileloses, unabhängig existierendes Selbst, erscheint nicht, da es nicht existiert. Das erscheinende Objekt in solch einer Wahrnehmung ist nur eine erdachte Entsprechung dessen, wie wir uns solch eine Sache vorstellen würden.