Ausführliche Erklärung der Bodhisattva-Gelübde 4 bis 10

Wir haben über die Bodhisattva-Gelübde gesprochen und über ihre Rolle auf dem buddhistischen Pfad. Wir haben gesehen, dass wir bereits eine Entwicklung auf dem buddhistischen Pfad durch die verschiedenen Stufen des Lam-rim, der aufeinanderfolgenden Stufen des Pfadgeistes, durchlaufen haben müssen, bevor wir sie ablegen können. Wir müssen uns geschult haben, um Bodhichitta zu entwickeln. Wenn wir uns in Bodhichitta üben, entwickeln wir zunächst die erste Stufe des anstrebenden Bodhichitta, auf der wir lediglich den Wunsch hegen, Erleuchtung zum Wohl aller anderen zu erlangen; und dann gibt es die Stufe, auf der wir versprechen, niemals aufzugeben und wir sind die Übungen in Bezug auf diese Stufe des Versprechens durchgegangen. Dann haben wir uns kurz angesehen, wie man die Bodhisattva-Gelübde ablegt und was die Natur eines Gelübdes ist. 

Als nächstes haben wir mit der Erörterung der Bodhisattva-Gelübde begonnen und haben über die ersten drei Gelübde gesprochen. Bei dem Ersten ging es darum, sich selbst zu loben und/oder andere herabzusetzen. Das heißt, entweder beides zu tun, oder nur eins von beiden. Wir haben außerdem gesehen, dass sich die Person, zu der wir solche Worte sagen, in einer untergeordneten Position befinden muss. Wenn wir uns selbst loben, ist unsere Motivation Verlangen oder Gier; wir möchten von dieser Person in der untergeordneten Position etwas bekommen – also entweder materiellen Profit oder Lob, Liebe oder Respekt. Und die Motivation, andere herabzusetzen, wäre Eifersucht – wir sind also eifersüchtig auf diese Person. Und was wir sagen, kann entweder wahr oder falsch sein; das ist egal.

Es gibt ein Nebengelübde des Bodhisattvas, welches diesem ähnelt (sich selbst zu loben und/oder andere herabzusetzen), aber bei diesem ist die Motivation eine andere. In diesem Fall wäre sie Stolz: wir sind stolz auf uns selbst und wir sind überheblich – mit anderen Worten machen wir uns wichtig. Wir loben uns selbst und denken: „Ich bin so wunderbar,“ usw. Das wäre also die Motivation dafür, sich selbst zu loben, anstatt etwas von den Menschen haben zu wollen, denen gegenüber wir uns loben. Und die Motivation, jemanden herabzusetzen wäre Ärger (wir mögen den anderen einfach nicht), anstatt eifersüchtig auf ihn zu sein.

Wir können also sehen, dass es bei der ersten Motivation des Wurzel-Gelübdes darum geht, sich selbst zu loben, weil man etwas von der Person haben möchte, gegenüber der man es tut und damit beutet man sie aus. Wir versuchen ihr nicht wirklich zu helfen, sondern versuchen, etwas von ihr zu bekommen. Was unser Bodhisattva-Verhalten betrifft, ist das viel schädlicher, als wenn wir uns nur loben würden, weil wir so stolz und eingebildet sind. Und wenn wir die andere Person herabsetzen, weil wir eifersüchtig auf sie sind, dann hat das wiederum etwas damit zu tun, etwas haben zu wollen, was die andere Person hat, wie beispielsweise viele Anhänger. Das wirkt sich dann schädlich in Bezug auf andere Menschen aus, denen wir möglicherweise helfen könnten. Wenn wir jemanden jedoch einfach nur deswegen herabsetzen, weil wir ihn nicht mögen oder wütend auf ihn sind, betrifft das nicht unbedingt die anderen, denen wir versuchen zu helfen. Wir können also sehen, warum es sich bei dem einen um ein Wurzelgelübde der Bodhisattvas und bei dem anderen um Nebengelübde handelt. Es ist gravierender, wenn es einen Einfluss darauf hat, anderen behilflich zu sein.

Beim zweiten Bodhisattva-Gelübde ging es darum, Dharma-Lehren, sowie unseren Besitz, Reichtum und unsere Zeit, nicht mit anderen zu teilen. Hier war die Motivation Anhaftung und Geiz, also wenn wir alles für uns selbst behalten wollen und das wirkt sich äußerst schädlich auf unsere Fähigkeit aus, anderen zu helfen. Es gibt ein Nebengelübde der Bodhisattvas, welches diesem sehr ähnelt und es heißt: „den Dharma nicht jenen zu geben, die ihn lernen wollen.“ Die Motivation ist hier nicht, alles für sich behalten wollen, sondern wir sind vielmehr wütend auf die andere Person oder mögen sie nicht und wollen ihr deswegen nichts beibringen. Oder sie hat etwas getan, was uns nicht gefallen hat und aus Boshaftigkeit heraus wollen wir auch ihr gegenüber gemein sein. Vielleicht sind wir auch eifersüchtig und denken, diese andere Person wird sich vielleicht besser entwickeln und berühmter werden als wir, wenn wir ihr etwas beibringen. Außerdem könnte die Motivation auch Faulheit oder Gleichgültigkeit sein; es ist uns also egal. Wenn wir nun den Dharma aus diesen Motivationen heraus nicht mit anderen teilen wollen, liegt das im Grunde an unseren eigenen störenden Emotionen und wenn wir ihn nicht mit anderen teilen, weil wir ihn für uns selbst behalten wollen, liegt das an unserer Selbstsucht. Wenn es geschieht, weil wir selbstsüchtig sind und alles für uns behalten wollen, steht dies am stärksten im Gegensatz zum Bodhisattva-Verhalten, bei dem es darum geht, anderen zu geben.

Das dritte Gelübde bezog sich darauf, die Entschuldigung anderer nicht anzunehmen oder sie zu schlagen und die Motivation ist bei beiden in erster Linie Wut. Hier geht es um die Situation, in der wir jemanden anschreien oder schlagen und entweder bittet uns die Person, ihr zu vergeben und damit aufzuhören, oder jemand anderes tut es für sie, aber wir hören nicht auf, sondern machen weiter. Das Nebengelübde bezieht sich darauf, die Entschuldigung anderer zu einem späteren Zeitpunkt nicht anzunehmen, wenn wir Groll gegen sie hegen und sie uns um Vergebung bitten oder sich entschuldigen. Das erste ist als das Wurzelgelübde der Bodhisattvas schwerwiegender, denn es ist wichtig, in dem Moment damit aufzuhören, wenn wir wütend sind und der anderen Person wehtun. Später, wenn wir Groll gegen sie hegen, tun wir der Person nicht körperlich weh oder beleidigen sie und daher handelt es sich dabei um ein Nebengelübde und ist nicht so gravierend. Mit anderen Worten tun wir der Person in der ersten Situation tatsächlich weh, während wir sie in der zweiten Situation wahrscheinlich nur ignorieren.

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