Von der Erleuchtung überzeugt werden

Die Wichtigkeit, eine korrekte Vorstellung von der Erleuchtung zu haben 

In Bezug auf Bodhichitta – hier geht es um relatives Bodhichitta – ist es überaus wichtig, eine korrekte geistige Repräsentation der Erleuchtung zu haben, eine korrekte Vorstellung davon, was Erleuchtung ist. Ansonsten ist es, als würden wir etwas anderes anstreben. Hätten wir beispielsweise das Ziel, nach Litauen zu fahren und haben aber Estland im Geist, würden wir eine andere Straße nehmen und in die falsche Richtung fahren. Haben wir also kein korrektes Bild davon, was Erleuchtung ist, streben wir eine auf Fantasie beruhende Sache an, die wir unmöglich erreichen können. Fahren wir von Lettland nach Litauen oder Estland, könnten wir natürlich in einem dieser beiden Orte ankommen, aber wenn wir eine falsche Sicht auf die Erleuchtung haben, kann es entweder etwas sein, das möglich ist, oder etwas, das unmöglich ist. Ist es möglich, werden wir sie nicht erlangen und machen uns nur etwas vor, wenn wir sie erlangen; und wenn es unmöglich ist, können wir sie niemals erlangen. Es ist also wirklich wichtig, dass sie korrekt ist. Dafür muss man sie studieren – eine Beschreibung dazu hören, sie verstehen und so weiter. 

Wie wir von unserer eigenen persönlichen Erleuchtung überzeugt werden 

Um Erleuchtung zu erlangen – diese zukünftige Erleuchtung, die noch nicht stattgefunden hat – ist es notwendig, eine feste Absicht zu haben, sie zu erlangen. Um diese feste Absicht des Erlangens haben zu können und damit sie wirklich ernsthaft und fundiert ist, muss sie auf der Überzeugung beruhen, dass es tatsächlich möglich ist, sie zu erlangen, und nicht nur, weil wir vielleicht davon überzeugt sind, dass es möglich ist, etwas Unmögliches zu erreichen. Wir müssen also überzeugt davon sein, dass sie etwas tatsächlich Gültiges ist. Es ist jedoch nicht so leicht, zu der Überzeugung zu gelangen, dass meine persönliche Erleuchtung möglich ist. Es ist erforderlich, dass wir es ausgiebig überprüfen, studieren und darüber nachdenken. Diesen Punkt sollten wir nicht auf die leichte Schulter nehmen. Streben wir Befreiung oder Erleuchtung an, ist unser gesamter spiritueller Pfad, wie gesagt, ziemlich instabil, wenn wir nicht überzeugt davon sind, dass wir diese Dinge erreichen können. 

Wie können wir also zu dieser Überzeugung gelangen? „Nun, mein Lehrer hat gesagt, es wäre möglich; Buddha sagte, es wäre möglich; und ich glaube ihnen, weil sie gültige Quellen der Information sind. Es gibt keinen Grund, warum sie lügen sollten, besonders was den Buddha betrifft.“ Auf dieser Grundlage könnten wir akzeptieren und glauben, dass es wahr ist. Glauben wir es auf dieser Basis – „ich habe mich auf eine gültige Informationsquelle, den Buddha, gestützt“ – kann uns das auf den Pfad bringen, auf dem wir auf die Befreiung und Erleuchtung hinarbeiten, ohne zu meinen, es wäre völlig verrückt. Doch wenn unser Glaube von Freunden und Verwandten herausgefordert wird, die keine Buddhisten sind und sagen: „Ach komm schon, das ist doch nur Propaganda. Wenn du das glaubst, wurdest du einer Gehirnwäsche unterzogen“, fangen wir an, etwas unsicherer zu werden. Wie würden wir denn darauf antworten? Sagen wir: „Ich glaube an Buddha, er würde mich nicht anlügen“, dann ist das ist nicht wirklich fundiert, oder? 

Folgen man jedoch dem spirituellen Pfad des Buddhismus nur um zu lernen, wie man ein netter Mensch ist, mit anderen in diesem Leben besser klarkommt und weniger Schwierigkeiten im Umgang mit Lebenssituationen hat, muss man kein Buddhist sein, um das zu tun. Zahlreiche Religionen und Philosophien lehren uns das. Vielleicht ist die buddhistische Herangehensweise attraktiv, doch das ist nicht wirklich Buddhismus. Im Buddhismus geht es darum, Befreiung und Erleuchtung zu erlangen. Das ist es, was buddhistisch daran ist. 

Doch was ist Befreiung? Befreiung ist die Befreiung von unkontrollierbar sich wiederholender Wiedergeburt – Samsara. Nun, wenn wir nicht an die Wiedergeburt glauben, wie können wir dann anstreben, von ihr befreit zu werden? Und wie können wir die Erleuchtung anstreben, mit der wir in der Lage sein werden, allen anderen zu helfen, sich davon zu lösen wiedergeboren zu werden? Fast alle indischen Religionen und Philosophien – Hinduismus, Jainismus usw. – streben Befreiung von Samsara an. Es ist also für sich nichts ausdrücklich Buddhistisches. Buddhistisch ist das Verständnis darüber, was die Ursachen von Samsara sind – unkontrollierbar sich wiederholende Wiedergeburt – und was die Befreiung davon tatsächlich bedeutet. Streben wir also nur Befreiung an, muss sie unmissverständlich sein. Wir müssen uns bewusst darüber sein, was Buddha dazu lehrte und wir müssen überzeugt davon sein, dass es möglich ist – ansonsten streben wir eine andere Art der Befreiung an. 

Aus diesem Grund betonen Seine Heiligkeit der Dalai Lama und so viele der großen Meister die Notwendigkeit des Studierens, Lernens und Verstehens der verschiedenen Lehren. Folgen wir dem spirituellen Pfad lediglich auf der Ebene der Emotion und der Hingabe, wird er nicht stabil sein. Widmen wir uns hingegen ausschließlich dem Lernen, ohne der emotionalen und hingebungsvollen Seite, wird das auch nicht funktionieren, weil wir nicht die Energie dafür haben werden. Wir benötigen ein Gleichgewicht von allem und können nicht einfach etwas weglassen. 

Um also Bodhichitta, relatives Bodhichitta, zu entwickeln, ist es notwendig die Überzeugung zu haben, dass es möglich ist nicht nur Befreiung sondern auch Erleuchtung zu erlangen. Wir müssen also eine klare Vorstellung davon haben, was Befreiung, was Erleuchtung ist, dass es möglich ist sie zu erlangen und das ich in der Lage bin, sie zu erlangen. Wie gesagt, gibt es also viele Dinge, die wir verstehen und von denen wir überzeugt sein müssen, dass sie wahr sind und das sollte nicht nur darauf beruhen, jemandem zu glauben, der uns das sagt. Vielmehr sollte es auch auf der Grundlage von Logik und Überlegung einen Sinn für uns ergeben. Wir können es nicht durch bloße Wahrnehmung erkennen, bevor wir es wirklich erfahren. 

Die Kontinuität der geistigen Aktivität 

Eines der ersten Dinge, die wir verstehen und von denen wir überzeugt sein sollten, ist, dass individuelle Geisteskontinua, die wir als „Geist“ bezeichnen, weder Anfang noch Ende haben, was dann natürlich die Wiedergeburt voraussetzt. Das ist keine einfache Sache, ganz und gar nicht. Das Erlangen der Erleuchtung geschieht fast nie innerhalb eines Lebens, obwohl gesagt wird, dass es möglich ist. Es gibt ein letztes Leben, in dem sie stattfindet, doch wenn wir nicht in vergangenen Leben ein enormes Maß an Ursachen angesammelt haben, wird sie nicht in diesem Leben stattfinden. Wir müssen also in der Lage sein etwas anzustreben, was in der weit entfernten Zukunft stattfinden wird. Daher ist es notwendig wirklich zu verstehen und zu der Überzeugung zu gelangen, dass es eine Kontinuität gibt, denn ansonsten ist es hoffnungslos. Wir haben dann das Gefühl, es nicht in diesem Leben zu schaffen, weil wir zu viel zu tun haben, arbeiten müssen und all diese anderen Verpflichtungen haben. Warum sollten wir uns also bemühen? Sind wir jedoch von dem anfangs- und endlosen Geist überzeugt, ist der Anfang, der einmal gemacht wurde, nicht ohne Nutzen, wie es in der allgemeinen indischen Philosophie heißt. Tatsächlich stammt das aus einer der Upanishaden, einer frühen prähinduistischen Schrift. Auch wenn wir erst im hohen Alter mit dem Studium und der Praxis beginnen, werden sich diese Gewohnheiten und Instinkte in zukünftigen Leben fortsetzen. 

Dies ist nicht der Ort, die Zeit oder die Gelegenheit, in eine ausführliche Diskussion über den anfangs- und endlosen Geist zu gehen, aber das grundsätzliche Argument, das wir erforschen sollten, ist das Verständnis der Kontinuität von etwas. Und hier reden wir, wie bereits gesagt, über eine Kontinuität dieser subjektiven, individuellen geistigen Aktivität und das Verständnis, dass es in Bezug auf Ursache und Wirkung überhaupt keinen Sinn ergibt. Wie kann es durch absolut nichts oder durch ein allmächtiges Wesen mit den Worten „So sei es!“ beginnen? Das ist völlig unlogisch. Und wenn es eine Kontinuität gibt, die nicht von einem Augenblick zum nächsten immer schwächer wird, sondern sich gleichmäßig fortsetzt... Das erfordert natürlich ein Verständnis darüber, was wir unter geistiger Aktivität verstehen. Sie ist nicht wie der Körper, der sich abnutzt; das geistige Kontinuum nutzt sich nicht ab. Gibt es also eine Kontinuität von etwas, das sich nicht abnutzt, ist es völlig unlogisch, dass sie zu einem Ende kommt, weil sie stets von Dingen beeinflusst wird. Wir kann sie also ganz plötzlich von etwas beeinflusst werden, das sie zu einem Ende bringt? Es ist viel Arbeit erforderlich, um das zu verstehen. Worüber wir hier reden, ist eine Kontinuität dieser geistigen Aktivität und daher ist es notwendig zu verstehen, was diese geistige Aktivität, wie wir sie beschrieben haben, ist und sich die Qualitäten und das anzusehen, was sie begleitet. 

Mangelndes Gewahrsein gegenüber der Realität 

Was verhindert unsere Befreiung? Anders ausgedrückt ist das, was all unsere störenden Emotionen verursacht, das mangelnde Gewahrsein gegenüber der Realität, im Grunde unsere Unwissenheit. Abhängig von dem indischen Text, den wir dazu betrachten, bedeutet es entweder, ich weiß es einfach nicht oder verstehe es auf falsche Weise. Eine der grundsätzlichen Eigenschaften der Allwissenheit besteht darin, in der Lage zu sein, alles gleichzeitig zu wissen und was diese Allwissenheit verhindert, was Erleuchtung verhindert, sind die Gewohnheiten dieser Unwissenheit. Diese Gewohnheiten führen dazu, dass Dinge auf unmögliche Weise zu existieren scheinen. Diese unmögliche Existenzweise ist, als wären die Dinge von sich aus gültig erkennbar, als gäbe es von Seiten des Objektes eine dicke, solide Linie um sie herum, oder sehen wir es dreidimensional, als wären sie von einer festen Plastikschicht umschlossen, die sie von allem anderen trennen und zu individuellen, gültig erkennbaren Dingen machen. Durch dieses Hervorbringen von Erscheinungen ist es dann, als würden wir Dinge wie durch das Periskop eines U-Bootes wahrnehmen. Wir schauen einfach durch ein kleines Gerät und sehen nur, was sich direkt vor unserer Nase befindet. Wir sind nicht in der Lage zu erkennen, wie absolut alles miteinander verbunden ist, weil wir alles einkapseln und alles als dieses erkennbare Ding und jenes erkennbare Ding sehen, ganz für sich, isoliert und völlig begrenzt in seinem Wirkungsbereich. 

Sogar wenn wir wissen, dass Dinge nicht wirklich so existieren, wie der Geist sie erscheinen lässt – der begrenzte Geist lässt sie erscheinen – entsteht dennoch diese begrenzte Art der Erscheinung; und dies verhindert, dass wir erkennen, wie all das Karma, alle Wesen und alle Dinge miteinander verbunden sind. Aus diesem Grund können wir niemandem vollständig helfen. Warum ist das so? Weil wir nicht all die möglichen Ursachen aller Wesen seit anfangsloser Zeit kennen, die mit jemandem zu tun hatten, um zu erklären, warum eine Person so ist, wie sie ist. Und wir wissen nicht, was die Auswirkungen davon, was wir jemandem beibringen, in Bezug auf das zukünftige Leben dieses Wesens oder aller anderen sein werden, die diese Person jemals trifft oder mit der sie Austausch hat. Ein Buddha hingegen ist sich darüber bewusst. Doch weil wir Dinge eingekapselt und wie durch ein Periskop betrachten, sind wir ziemlich begrenzt und können all das nicht sehen. 

Es sind also diese Gewohnheiten der Verwirrung, des mangelnden Gewahrseins, die zu dieser Begrenztheit führen. Wir müssen somit zu der Überzeugung gelangen, dass diese Unwissenheit, die all die störenden Emotionen und die Gewohnheiten der Unwissenheit verursacht, etwas ist, dass, auch wenn sie anfangslos sein mag, ein Ende haben kann. Es ist möglich, sie zu beseitigen – davon müssen wir überzeugt sein, um zu der Überzeugung zu gelangen, dass es möglich ist, Befreiung und Erleuchtung zu erlangen. 

Mangelndes Gewahrsein beseitigen 

Wenn wir von diesem mangelnden Gewahrsein frei werden, beseitigen wir die störenden Emotionen. Mangelndes Gewahrsein kann nicht zusammen mit Gewahrsein auftreten. Entweder man versteht etwas oder man versteht es nicht. Könnten wir Gewahrsein und Verständnis entwickeln und dies fortwährend bewahren, gäbe es kein mangelndes Gewahrsein mehr. 

Die Frage ist also, was stärker ist: Gewahrsein und Verständnis oder mangelndes Gewahrsein. Und wir müssen davon ausgehen, dass Gewahrsein stärker ist. Es kann sich über dieses mangelnde Gewahrsein hinwegsetzen, weil es auf Vernunft gründet, erhärtet werden kann und so weiter. Außerdem sind wir mit Gewahrsein glücklicher, während mangelndes Gewahrsein Leiden hervorruft. Je mehr wir es erforschen, desto mehr sehen wir auch, dass dieses mangelnde Gewahrsein einfach nicht wahr ist; es gibt nichts, was es stützt. Dieses mangelnde Gewahrsein ist nicht Teil der Natur der geistigen Aktivität. Obgleich wir dieses mangelnde Gewahrsein beenden und loswerden können, weil es etwas gibt, das dem entgegensteht, was sich gegenseitig mit ihm ausschließt, gibt es nichts, was sich gegenseitig mit dieser geistigen Aktivität ausschließt und ihr entgegensteht. Wir haben ja bereits das Argument des anfangs- und endlosen Geistes angeführt. Es kann keinen Moment in der Kontinuität geben, in der diese geistige Aktivität nicht mehr existiert. Somit kann man geistige Aktivität nicht keiner geistigen Aktivität entgegensetzen und sie somit loswerden. Geistige Aktivität kann man nicht beenden, sie setzt sich ewig fort – doch mangelndes Gewahrsein kann beendet werden. 

Die negativen Eigenschaften, die störenden Eigenschaften – von ihnen können wir frei werden. Die positiven Eigenschaften, wie Liebe und Mitgefühl, sind nicht etwas, dem das Gegenteil entgegengesetzt werden kann. Liebe ist der Wunsch, andere mögen glücklich sein. Nun, das Gegenteil davon wäre Hass, der Wunsch, jemand möge leiden. Das gründet jedoch auf Unwissenheit, darauf, die Natur der Menschen nicht wirklich zu verstehen, wie wir miteinander in Beziehung stehen und dass alle glücklich sein wollen. Die positiven Eigenschaften werden, je mehr wir sie erforschen, durch Gewahrsein gestützt; und die negativen Eigenschaften – hinter ihnen steht nur Unwissenheit, die keine feste Grundlage hat. Die positiven Eigenschaften sind also etwas, das immer mehr verstärkt werden kann, wohingegen die negativen Eigenschaften etwas sind, was man beseitigen kann. Das ist etwas, woran wir wirklich arbeiten und was wir versuchen müssen zu verstehen. Somit ist es möglich Befreiung zu erlangen, wenn man auf dieses Gewahrsein, dem Verständnis der Leerheit, ausgerichtet bleiben kann. 

Was ist nun mit den Gewohnheiten der Unwissenheit, die diese trügerische Erscheinung von Dingen mit so genannter „wahrer Existenz“ verursachen, die wie von Linien umzogen sind? Es funktioniert durch die Tatsache, dass ich in diesem Moment eine begrenzte Ausstattung, eine begrenzte Hardware habe. Die Ebene des Geistes ist grob, oder man nennt sie subtil, doch es handelt sich nicht um die subtilste Ebene, und daher ist sie begrenzt. Und die Ebene des Körpers ist begrenzt – ich bin von diesen Augen, dem Gehirn usw. abhängig, die begrenzt sind. Betrachten wir jedoch nur die Natur der geistigen Aktivität selbst, welche Erscheinungen und Wissen hervorbringt – nun, sie muss nicht durch die Hardware begrenzt sein. Das führt uns zur höchsten Tantra-Klasse – da gibt es diese Ebene des klaren Lichts der geistigen Aktivität, was im Grunde das ist, was sich von einem Leben zum nächsten ohne Unterbrechung der Kontinuität weiter fortsetzt. Der grobe Körper, das grobe Bewusstsein eines Menschen, einer Fliege oder was auch immer endet zum Zeitpunkt des Todes. Doch diese zugrunde liegende subtilste Ebene, welche die reine geistige Aktivität ist, geht weiter und ist nicht unbedingt begrenzt. Sie muss nicht begrenzt sein und wenn sie nicht begrenzt ist, bringt diese subtilste geistige Aktivität, diese subtilste Ebene der geistigen Aktivität, keine Erscheinungen hervor, die wie eingekapselt und von Linien umzogen sind. Sie ist subtiler als das. 

Worum es uns geht, ist, zu dieser Ebene zu gelangen und sie fortwährend zu bewahren; wir wollen nicht, dass die gröberen Ebenen wirken. Könnten wir also auf diese Ebene des klaren Lichts gelangen und sie ohne das Stattfinden der gröberen Ebenen bewahren, kann man nicht mehr sagen, dass es noch eine Gewohnheit der Unwissenheit, diese Gewohnheit des Hervorbringens von trügerischen Erscheinungen gibt. Wir können nur sagen, dass es möglicherweise noch eine Gewohnheit gibt, sie in der Zukunft stattfinden zu lassen. Ist es nicht mehr möglich, dass in der Zukunft noch einmal ein Resultat dieser Gewohnheit, dieses Hervorbringens von trügerischen Erscheinungen, stattfindet, war es eine vergangene Gewohnheit. Man kann nicht mehr sagen, dass es eine gegenwärtige Gewohnheit ist, denn sonst würde sie eine weitere Instanz dieser Gewohnheit erzeugen können. Betrachten wir es auf diese Weise, können wir zu der Überzeugung zu gelangen, dass es möglich ist, auch von den Gewohnheiten dieser Unwissenheit frei zu werden. 

Dann stellt sich folgende Frage: Sogar wenn die Ebene des klaren Lichts der geistigen Aktivität unbegrenzt ist und keine Erscheinungen von Dingen hervorbringt, als wären sie selbst-begründet, wie ist die Allwissenheit dann möglich? Hier ist eine Analogie des großen Physikers Richard Feynman ausgesprochen hilfreich. Im Raum, in dem man sich befindet, gibt es jedes nur erdenkliche elektromagnetische Signal, bis hin zur anfangslosen Zeit. Jede Webseite, jede Textnachricht, jeder Radio- und jeder Fernsehsender, sowie die elektromagnetischen Wellen eines jeden Sterns sind anwesend. Weil das so ist, kann sich unser Computer, unser Mobiltelefon, Fernseher, Radio oder astronomisches Gerät mit all dem verbinden, wenn wir die korrekte URL, Frequenz oder den korrekten Kanal kennen. Das zeigt, dass die Signale dieser Informationen alle gegenwärtig und zugänglich sind. 

Unser Gehirn ist wie diese begrenzten Geräte. Aufgrund der begrenzten Hardware und unserer begrenzten Körper ist es ebenfalls begrenzt. All die Informationen des gesamten Universums im Laufe der Zeit sind verfügbar, doch wir haben eine begrenzte Ausstattung, unser Gehirn. Unser Gehirn kann sich immer nur auf eine Sache konzentrieren und sie für sich betrachten, als würde das, mit dem wir uns verbinden, getrennt von allem anderen existieren. Unser Geist wird also durch unser Gehirn und den Sinnesapparat unserer Körper begrenzt. 

Die Ebene des klaren Lichts der geistigen Aktivität funktioniert jedoch auf der Basis der subtilsten lebenserhaltenden Energie. Diese subtilste Ebene der geistigen Aktivität kann allerdings den gröberen Ebenen des Bewusstseins und den anderen Aggregaten während einer samsarischen Wiedergeburt zugeschrieben werden. Wenn wir ein Arhat sind, muss sie sich nicht auf die begrenzten Grundlagen, sondern kann sich auf die subtilste lebenserhaltende Energie allein stützen. Um allwissend zu werden ist es daher notwendig, die Begrenztheit der Biologie und unseres zwanghaften Annehmens eines begrenzten Körpers zu überwinden; wir müssen über die bloße Befreiung eines Arahts hinausgehen. Es ist wichtig, zur Ebene des klaren Lichts der geistigen Aktivität zu gelangen und von ihr die Gewohnheiten zu beseitigen, trügerische Erscheinungen selbst-begründeter Existenz hervorzubringen. Mit einer wahren Beendigung all dieser Gewohnheiten – den kognitiven Schleiern – erreicht unser Geist des klaren Lichts Allwissenheit. Diese Allwissenheit ist möglich, weil all die Signale von allen Informationen des Universums überall gegenwärtig und zugänglich sind. 

Und weil somit diese geistige Aktivität des klaren Lichts nicht mit einem begrenzten Körper oder einem begrenzten gröberen Geist verbunden sein muss, kann sie die Grundlage für all die verschiedenen Aspekte eines Buddhas sein. Sie wird die so genannten drei Körper, die drei Körper eines Buddhas, haben. Es wird den Dharmakaya geben, welcher der Alles umfassende Körper oder mit anderen Worten der allwissende Geist ist. Weil wir hier über das Hervorbringen von Erscheinungen und das Kennen sprechen: es gibt keine Grenzen, was diese Ausstattung – den Körper usw. – betrifft, wenn es nichts gibt, das ihn davon abhalten wird, eine Erscheinung von allem hervorzubringen. Er bringt also eine Erscheinung von allem hervor, er ist allwissend. Und die Qualität von Mitgefühl und Liebe – all das ist für absolut alle gleich. Es gibt keine Begrenztheit und bezieht sich nicht nur auf diesen oder jenen. 

Es ist auch eine der definierenden charakteristischen Merkmale der geistigen Aktivität des klaren Lichts, Erscheinungen hervorzubringen – sie lässt also nicht nur Erscheinungen dessen hervorbringen, was sie kennt, sondern auch Erscheinungen von sich selbst. Somit lassen wir sie subtile und gröbere Erscheinungen hervorbringen, und aus der Sichtweise des Sutra nennt man das Sambhogakaya und Nirmanakaya. Oder wir betrachten Sambhogakaya aus einer höchsten Tantra-Sicht, dass Kommunikation oder subtile Vibrationen hervorgebracht werden, die kommunizieren. Und weil sie nicht mit einem begrenzten Körper oder irgendetwas anderem Begrenzten verbunden sind, können sie mit allen auf eine Weise kommunizieren, die verständlich ist, und in Millionen von Formen gleichzeitig erscheinen. Es gibt also Sambhogakaya und Nirmanakaya. Jeder verfügt über eine individuelle Kontinuität des Klaren-Licht-Gewahrseins, des Klaren-Licht-Bewusstseins, des Klaren-Licht-Geistes. 

Schlussfolgerung 

Auf dieser Basis können wir über äußerst stabiles Bodhichitta verfügen, weil wir überzeugt davon sind, dass es möglich ist Befreiung und Erleuchtung zu erlangen, und dass dies auch für uns möglich ist. Es ist jedoch nur möglich, wenn wir uns bemühen. Wir müssen also auch den Pfad kennen, der dorthin führt, sowie die verschiedenen Schritte, die dorthin führen. Und dann ist es notwendig, den Nutzen zu kennen, dies zu erreichen. Warum möchte ich es erreichen? Und was werde ich damit anfangen? Dann können wir Bodhichitta durch die Stufen entwickeln, auf denen es darum geht, wie wir uns dorthin durcharbeiten, um dies tatsächlich anzustreben. Das sind also die Schritte, die wir nehmen müssen, wenn wir es wirklich gründlich und mit einer stabilen Ebene von Bodhichitta, diesem relativen Bodhichitta, tun wollen.

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