Vergänglichkeit für das Überwinden des zuversichtlichen Glaubens „ich werde nicht sterben“

Was ist der Tod? 

Wenn wir über die Vergänglichkeit reden, kommen wir immer ganz automatisch auf das Thema Tod. Warum Tod? Wie definiert man den Tod? Irgendwelche Freiwilligen?

Ein Ende des Lebens.

Gut.

Wenn diese körperliche Erfahrung vorbei ist.

Gut.

Wenn das Bewusstsein den Körper verlässt.

Gut. Sehr gut. Ihr alle habt zweifellos eine 1 bekommen! Wenn das Bewusstsein den Körper verlässt, können wir natürlich sagen, dass die Person tot ist. Hier gibt es ein paar Schwierigkeiten, denn wir müssen an das Bewusstsein glauben, und daran, dass dieses Bewusstsein in der Lage ist, den Körper zu verlassen. Wie war das?

Ein Ende des Lebens.

Gut, aber das klingt ein wenig so, wie das Auflösen der „Seele“, das Auflösen der groben Elemente. Für mich ist der Tod ein Zustand, in dem man nicht mehr in der Lage ist, die Erscheinungen dieses Lebens zu genießen. Unsere Familie ist nicht mehr unsere Familie. Etwas, das uns gehört hat, befindet sich nicht mehr in unserem Besitz. Wir sagen: „Das ist mein Recht.“ Aber dann haben wir keine Rechte mehr. Das ist etwas, das jeder Mensch akzeptieren kann. Es gibt keine Rechte mehr.

Vielleicht habt ihr Belehrungen über Lama Tsongkhapas Drei Hauptaspekte des Pfades gelesen oder gehört. Lama Tsongkhapa sagt darin: „Die Freiheiten und Möglichkeiten dieses Lebens sind selten und wir sollten keine Zeit vergeuden. Denkt immer wieder aufs Neue darüber nach, um die Anhaftung an dieses und zukünftige Leben zu beseitigen. Betrachtet wiederholt die unfehlbaren Auswirkungen des Karmas und der Leiden Samsaras.“

Kurzum gilt es, die Anhaftung an dieses und nächste Leben zu überwinden. Ich bin mir nicht sicher, vielleicht kennt ihr euch besser mit dem Englischen aus: Wenn wir ganz allgemein über „attachment“ (Anhaftung) reden, ist das immer negativ oder kann es auch positiv sein? Normalerweise negativ? Man kann darüber streiten. Im Tibetischen ist das Wort döpa, der Wunsch, an sich nicht negativ. Es braucht auch chag, das tibetische Wort für „Klammern“, was es zu einer klammernden Anhaftung macht, die negativ ist. Stimmt ihr dem zu? Ein bisschen?

Daher solltet ihr alle Dinge, die ihr in diesem Leben besitzt, genießen! Man kann sie besitzen, wenn man nicht an ihnen festhält und klammert! Seine Heiligkeit der Dalai Lama liebt Uhren. Einige meiner engen Freunde, die Rinpoches sind, lieben digitale Gadgets. Und dann reden diese großen Meister über die Kehrseite der Anhaftung und all das, während sie selbst so viele Dinge benötigen! Zuweilen ist das verwirrend. Wir sollten versuchen zu erkennen, ob sie diese klammernde Anhaftung haben oder nicht. Sind sie traurig oder hegen sie Erwartungen gegenüber Dingen? Und drehen sie völlig durch, wenn sie etwas bekommen? Sind sie traurig, wenn sie es verlieren oder nicht mehr haben? Das sind die Verhaltensweisen, die wir sehen und an denen wir messen können, ob jemand klammernde Anhaftung hat oder nicht. Wenn nicht, können wir sicher sein.

Den Gedanken „ich will nicht sterben“ überwinden 

(7) Vergangene Freunde, die so alt und stark waren, wie wir, wurden ganz plötzlich vom Herrn des Todes entführt. Wie können wir da sicher sein und behaupten, keine Angst zu haben, wenn die Zeit des Todes kommt?

Eine der negativsten Konsequenzen daraus, nicht an den Tod zu glauben, ist übermäßiges Selbstvertrauen. Wegen ihm tun wir so viele negativen Dinge. Manchmal, wenn große Meister davon hören oder erfahren, dass enge Freunde oder Meister gestorben sind, sorgen sie sich. Für sie ist es ein Signal, ihre Praxis zu verstärken. Wenn Menschen sterben, machen wir unterstützende Gebete. Ich lege eine kleine Opfergabe auf den Altar und bete. Auf mich hat es keine große Auswirkung und auf euch wahrscheinlich auch nicht.

Ihr habt vielleicht die gleiche Erfahrung. Ihr schaltet den Fernseher an und seht einen Terrorangriff, bei dem unschuldige Menschen ums Leben gekommen sind, und denkt: „Oh, wie traurig.“ Irgendwo da draußen ist es traurig, aber nicht in uns. Wir denken nicht: „Vielleicht wird mir auch irgendetwas Furchtbares passieren. Wahrscheinlich nicht durch diesen Angriff, aber vielleicht, wenn ich unterwegs und auf Reisen bin.“ Dieser Gedanke kommt nicht in uns auf, weil wir übermäßiges Selbstvertrauen haben.

Aus diesem Grund gab Könchog Tenpe Drönme dieses sehr gute Beispiel: den Vergleich mit jenen, die so alt und vielleicht sogar gesünder waren, als wir, und gestorben sind. Vielleicht sind wir im Geist recht friedvoll, doch dann plötzlich stirbt jemand. Wir sind schockiert, diese Nachrichten zu hören. Was ist passiert? Er war gesünder als ich. All das geht uns dann durch den Kopf. Die Menschen sagen, Leerheit wäre wirklich tiefgreifend, aber die großen Kadampa-Meister behaupten das von der Vergänglichkeit. Wenn gewöhnliche Menschen, wie wir, hören, dass starke, gesunde Leute, die in unserem Alter oder jünger waren, plötzlich gestorben sind, reagieren wir von Natur aus schockiert und sagen: „Das kann nicht sein. Das ist unglaublich.“

Ganz automatisch haben wir diese innere Erwiderung. Daher kann die Vergänglichkeit als tiefgreifend bezeichnet werden. Stimmt ihr dem zu? Es ist ein großer Unterschied warum die Leerheit und warum Vergänglichkeit als tiefgreifend bezeichnet werden. Morgen können wir darüber reden, warum die Leerheit tiefgreifend ist. Wenn wir davon hören, dass sich irgendwo in der Welt etwas Furchtbares ereignet hat, ist es äußerst wichtig, nicht zu meinen, es wäre ja weit weg. Es ist inspirierend, wie die großen Kadampa-Meister praktiziert haben. Wenn sie solche Nachrichten hörten, war ihre Erwiderung darauf nicht gewöhnlich. Sie betrachteten ihren eigenen Körper aus Fleisch und Blut, und sagten: „Natürlich wird das passieren, denn wir bestehen aus diesem nutzlosen groben Zeug. Es ist ganz klar, dass ich mich unwohl und krank fühle, denn dieses Gasthaus, der Körper, den ich habe, ist die Quelle allen Leidens. Natürlich werde ich leiden.“ Das ist eine fundierte Weise, die Realität zu akzeptieren! Gewöhnliche Wesen, wie ich, können diese Reaktion nur imitieren, doch wenn die Zeit wirklich kommt, können wir es vergessen!

Einer meiner Freunde in Kanada war in seinen Neunzigern. Er war ein ehemaliger Mönch und hatte so viele Belehrungen von großen Meistern wie Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama, Kyabje Ling Rinpoche, Trijang Rinpoche und all diesen großen Meistern bekommen. Und er war so stolz ein Tibeter zu sein. All seine Pflichten führte er ohne viel Wissen aus. Als wir über den Buddhismus redeten, wollte ich etwas aus ihm herausholen. Er sah wie ein echter Praktizierender aus und war so stolz. Ich stellte ihm viele Fragen und schließlich sagte er: „Ich habe keine genauen Antworten darauf, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass ich stolz mit dem Segen Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama und anderer sterben werde. Ich habe großes Glück. Sogar wenn ich heute Nacht sterbe, werde ich es mit einem Lächeln tun.“ Ich dachte: „Gut, nun das ist eine Art zu sterben.“ Ohne Sorgen, ohne Anhaftung, ganz sanft.

Zwei Jahre später habe ich von seinen Verwandten gehört, dass er im Krankenhaus in einem kritischen Zustand war und nicht mehr sprechen konnte. Wenn jemand zu ihm kam, begann er zu weinen und ich bin mir nicht sicher, ob es vor Freude war. Vielleicht nicht. Manchmal haben wir übermäßiges Selbstvertrauen.

Aus diesem Grund sollten wir, wenn wir im täglichen Leben Nachrichten hören oder jemand in unserer Familie stirbt, an dieses Beispiel denken. Es ist ein Segen für unsere Praxis. Wir brauchen so ein Beispiel und daher hat Könchog Tenpe Drönme es angeführt.

Den Tod nutzen, um ein Gefühl der Dringlichkeit in die Dharma-Praxis zu bringen 

(8) Sogar Schafe, die zu den Dümmsten unter den Tieren gehören, sind alarmiert, wenn sie sehen, wie ihre Gefährten geschlachtet werden. Sind wird dann nicht noch unsensibler als sie, wenn wir ihr Beispiel nicht auf uns anwenden?

Warum Schafe? Habt ihr eine Ahnung? Warum werden Schafe als einige der dümmsten aller Tiere betrachtet?

Weil sie blind folgen?

Gut, sie folgen blind.

Sogar wenn andere Schafe getötet werden, wird das Schaf, obwohl es weiß...

Es fürchtet sich nicht? Nein, das ist es nicht. Es ist ein Beispiel, dass sogar Schafe Angst haben. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob einige der Beispiele für Nicht-Tibeter einen Sinn ergeben. Ich sehe Schafe als ziemlich dumm, wegen ihrer Art und Weise, wie sie kämpfen. Wenn sie kämpfen, stoßen sie mit den Köpfen zusammen, gehen wieder auseinander und stoßen wieder zusammen. Das ist ihre Art des Kämpfens. Für uns sieht das ziemlich dumm aus. Ich weiß nicht, ob das für euch einen Sinn ergibt oder nicht, aber aus diesem Grund werden Schafe als ein Beispiel benutzt.

Tiere sind sich ohne jeden Zweifel bewusst darüber, wenn andere geschlachtet werden. Einmal habe ich das in Manali erlebt, als ich meine Familie besuchte. Ich wollte Hühnchen essen, doch meine Eltern und mein Bruder waren mit anderen Dingen beschäftigt und daher sagte ich ihnen: „Ich will gern Hühnchen essen, daher werde ich losgehen und eins kaufen.“ Ich ging zum Schlachter und es war das erste Mal, dass ich an so einem furchtbaren Ort war. Dort befanden sich gerade vier oder fünf Schafe ohne Kopf, aus denen noch das Blut tropfte. Daneben stand ein Käfig voller Hühner. Da man sie direkt dort einfror, dachte ich, man hatte sie bereits getötet. Als ich nähertrat, sah ich, wie sie mit den Augen zwinkerten. Ich konnte nicht mit leeren Händen wieder gehen. Ich bin zwar voller Mitgefühl, aber ich wollte etwas essen! Also sagte ich zu dem Schlachter: „Haben sie auch Fleisch, das nicht frisch ist?“ „Ja, haben wir.“ Er ging zum Tiefkühlschrank und nahm ein Hühnchen heraus. Ich nahm das Hühnchen und rannte davon! Ich betrachtete dieses Fleisch und dachte: „Es ist bereits tot und daher ist es okay, es zu essen.“ Aber das Augenzwinkern dieser armen Hühner war noch immer in meinem Kopf. Für mich war es ein ziemlicher Schock.

Meine Mutter kochte das Hühnchen und fragte, woher ich es hatte, denn sie bemerkte, dass es weiblich war und es ein Ei im Innern gab. Es war eine ziemlich eindrückliche Erfahrung, aber ich esse nach wie vor Hühnchen! Ich sehe noch immer das Zwinkern der Augen dieser Hühner und wann immer ich über Hühner rede, kommt das Bild in mir hoch. Das gleich trifft hier zu. Wenn Tiere eins nach dem anderen geschlachtet werden, haben sie nicht die Weisheit, aus lauter Angst nach Hilfe zu rufen. Es sind Tiere und sie sind nicht so clever wie wir. Wir gehen zum Begräbnis von Freunden und Familienangehörigen und sagen: „Möget ihr in Frieden ruhen.“ Im Westen tragen wir einen Anzug und in Indien ist die Kleidung, mit der man Respekt zeigt, weiß. Ist das Begräbnis vorbei, liegt auf der Familie des Gestorbenen die Last der Traurigkeit, doch auf uns nicht so sehr.

Der Autor möchte, dass wir einen Vergleich anstellen, wer feinfühliger ist. Sind die dummen Tiere sensibler oder wir? Werden wir von einem Terroristen als Geisel genommen, werden wir zweifellos ein Gefühl der Dringlichkeit haben. Solange wir nicht merken, dass unsere Zeit vorbei ist, werden wir immer wichtigere Dinge zu tun haben.

Einmal gab Seine Heiligkeit im „Upper Tibetan Children’s Village“ für die tibetische Jugend eine Einführung in den Buddhismus. Ein Schüler stellte eine Frage: „Ihre Heiligkeit, ich bin ziemlich glücklich und habe nicht wirklich viele Probleme in meinem Leben. Ist es für mich notwendig zu praktizieren?“ Ich dachte, Seine Heiligkeit würde antworten: „Ja, natürlich!“ Doch stattdessen sagte er: „Nein, das brauchst du nicht. Wenn du aber studieren oder praktizieren willst, solltest du es ernsthaft machen.“ Das war der Rat Seiner Heiligkeit und für mich war er ziemlich tiefgründig. Ein Praktizierender ist jemand, der die Sachen wirklich ernst nimmt. Anfänger können es langsam angehen lassen, aber Menschen, die den Buddhismus bereits genauer studiert haben, müssen sich viel ernsthafter mit ihm befassen. Für mich war das eine direkte Anweisung Seiner Heiligkeit an mich, der ich diese Veranstaltung von Kanada aus live verfolgte. Durch die Angst vor dem Tod können wir so viele Qualitäten entwickeln. Ohne diese Angst würden wir nicht weiter praktizieren. Das ist der Vorteil der Angst vor dem Tod.

Es liegt in der Natur des Körpers zu sterben 

(9) Ohne Referenz und Quellenangaben können wir verstehen, dass es in der Natur des Körpers liegt, zu unbestimmter Zeit zu sterben. Können wir dies jedoch auch mit bloßen Sinnen nicht erkennen, müssen wir als „Narr“ bezeichnet werden!

Reden wir über die Leerheit, benötigen wir so viel Logik und Überlegung. Ohne Bodhichitta benötigen wir ebenfalls viel Logik und Überlegung. Um Shamatha zu entwickeln, sind große Untersuchungen und harte Arbeit vonnöten. Doch hier zeigt der Autor, dass dies eine Praxis ist, die keine Logik durch Referenzen oder schriftliche Quellenangaben benötigt. Wir brauchen sie nicht, um unser Verständnis darüber zu stützen, dass wir alle sterben werden und der Zeitpunkt des Todes völlig ungewiss ist. Haben wir trotz allem die Haltung: „Darüber weiß ich nichts und es ist mir auch egal“, müssen wir, wie hier gesagt wird, Narren sein. Im Tibetischen heißt es wörtlich, dass wir jemand sind, der von Geburt an blind ist. Diese Menschen, die blind geboren werden, sehen aus, als würden sie sehen können, tun es aber nicht. Es sieht aus, als würden sie Objekte betrachten, sehen jedoch nichts. Das sollte die richtige Übersetzung sein.

Es liegt in der Natur des Zusammenkommens, sich zu trennen 

(10) Dieses Zusammentreffen von Verwandten, Freunden und Begleitern ist wie ein Haufen Blätter, die vom Baum gefallen sind – ein Windstoß wird sie durch die Hügel und Täler wehen, und wenn sie sich einmal verteilt haben, werden sie nie wieder zusammenkommen.

Wenn Seine Heiligkeit vor vielen Menschen Belehrungen gibt, sagt er immer, dass im Moment des Zusammenkommens die Trennung schon mit inbegriffen ist. Ich seid alle hier und ich bin auch hier. Manche haben geplant zu kommen und andere sind wie die Blätter gekommen, die der Wind zusammengetrieben hat. Dann kommt noch ein Windstoß und ihr geht euren Weg und ich gehe meinen. Unsere Angehörigen und Vorfahren habe diese Welt und die Familie verlassen. Sie sind zusammengekommen und haben sich dann wieder voneinander getrennt. Wir mögen sagen: „Hoffentlich können wir uns wiedersehen“, aber dafür gibt es keine Garantie. Das kann Menschen helfen, eine gute Beziehung mit ihrer Familie zu bewahren.

Sobald man das akzeptiert, wird man eine friedlichere Beziehung zur eigenen Familie haben, wenn man die Gelegenheit bekommt, sie zu treffen. Man hat jedoch diese Angst, eines Tages die Familie zu verlieren. Man weiß nicht, wohin man gehen wird und auch nicht, wohin die Schwestern, Brüder und Eltern gehen werden, nicht nur in Bezug auf den Tod. Im Westen ist es üblich, dass eine Familie in der Regel nicht zusammenbleibt. Wenn das Kind einen Job bekommt, nimmt es sich eine eigene Wohnung. In Tibet bleiben die Familien zusammen und auch in Indien leben sie alle miteinander. Dann ist es wirklich schwer, sich zu trennen. Doch im Westen ist es, glaube ich, nicht so eine schmerzhafte Sache, oder? Für Tibeter ist es allerdings wirklich traurig, sich von der Familie zu trennen.

Die Vergänglichkeit des alltäglichen Lebens 

Der nächste Vers enthält einen sehr eindrücklichen Rat, den wir meiner Meinung nach besonders im Westen benötigen.

(11) Menschen aus verschiedenen Orten, die sich auf dem Marktplatz zusammenfinden, sind wie die Bienen, die sich am Ende des Herbstes sammeln und gleich darauf wieder auseinander fliegen: für die Verständigen ist dies ist eine Lehre in Vergänglichkeit.

Diese Praxis habe ich in New York am Times Square gemacht. Im Jahr 2005 war ich am Times Square. Dort gab es so viele Menschen und es war ziemlich viel los. Diese Art der Energie macht einen auch stark und energetisch, sogar in der Nacht. Ich blieb an einer Ecke stehen und versuchte mich an diesen Vers zu erinnern. Ich blieb nicht sehr lang dort, sondern lief weiter zum Hauptplatz, wo es ein paar Punjabis gab, die Musik hörten und verrückte Dinge taten. Nach 2 Uhr morgens war das schöne Gefühl vorbei und übrig blieb nichts, außer Müll, Becher und Flaschen. Die ganze schöne Energie war verschwunden.

Das gleiche gilt für den Nachtklub, stimmts? Einmal bin ich dort hingegangen. Das ist eines meiner dunklen Geheimnisse! Einer meiner Freunde hatte mich eingeladen. Er sagte: „Serkong, du musst zu einer Party mitkommen.“ Ich sagte zu und dachte, sie würde bei jemandem zu Hause stattfinden. Zusammen mit unseren Studienkollegen gingen wir, irgendwo in Calgary, zu einem großen Gebäude, vor dem zwei starke Männer standen. Ich hatte das nicht erwartet. Bei uns waren auch zwei koreanische Mädchen, die ebenfalls Studienkollegen waren, und sie hatten freien Eintritt und konnten gleich reingehen. Wir Jungs mussten draußen, in der Eiseskälte, bei Minus 20 Grad warten. Wir standen draußen und zitterten, und mussten mehr als eine halbe Stunde warten. Schließlich erlaubten sie uns hineinzugehen und ich dachte: „Ja, wir haben es geschafft!“ Es fühlte sich so gut drinnen an, weil es draußen so kalt war.

Dann gab es einen weiteren großen Mann vor einer riesigen Tür. Er öffnete sie und was ich dann erblickte, was das Verrückteste, was ich je gesehen hatte. Ich konnte meine Freunde nicht mehr verstehen und auch wenn ich etwas direkt in ihr Ohr sagte, konnten sie es nicht hören. Die Musik war so laut. Und die Menschen schienen sich nicht wirklich gut zu kennen, aber alle waren so vertraut miteinander. Das war erstaunlich! Die Leuten sagten mir, ich solle Bier trinken, aber ich antwortete: „Tut mir leid, aber ich trinke kein Bier.“ Dann schrieb ich meinem Gastgeber, mich doch bitte abzuholen. Ich kann sagen, dass ich in der Hölle gewesen bin! Ich rannte schnellstmöglich weg von dieser Party.

In dem Moment konnte ich diesen Vers nicht praktizieren. Wenn ihr wieder nach Hause geht, besucht ihr vielleicht einen Nachtklub. Wenn ihr das tut, versucht bitte euch diese Gedanken durch den Kopf gehen zu lassen. Meditiert vielleicht darüber, nachdem ihr euren Kater überstanden habt. Das ist eine wirklich mächtige Belehrung.

Beispiele der Unbeständigkeit 

(12) Nimm dir die äußere Welt der Elemente als Beispiel – lass dich nicht von Bezeichnungen wie „Sommer“ und „Winter“ täuschen – auch sie dauern nicht an und nach zehn Tagen ändern die Berge und Flusstäler ihre Farben.

Für uns ist das eigentlich keine Belehrung. Die meisten von uns denken: „Lasst uns einfach genießen.“ Der Sommer ist da und im Herbst fallen die Blätter, eine Jahreszeit, die in Kanada wunderschön ist. Doch sogar die Elemente und Jahreszeiten sind unbeständig. Das ist ebenfalls eine großartige Unterweisung.

(13) Blaues Quellwasser plätschert dahin wie ein Tänzer und ist schön anzuhören, kann jedoch im eisigen Winter nur flüstern, als würde es in Trauer schluchzen.

Das ist eine weitere schöne Beschreibung der Unbeständigkeit und dazu muss ich nichts weiter sagen.

(14) Wie bezaubernd tanzen die Blumen auf der Wiese zum Gesang der Bienen, doch all das wird trostlos und öde, wenn der Herbst seinen Frost und Hagel schickt.

Auch zu diesem Vers gibt es nichts weiter zu sagen.

(15) Der Faden des Lebens ist so brüchig wie ein Seil aus Stroh, an dem zwei Mäuse – Tag und Nacht – nagen; und mit jedem Augenblick, der vergeht, nähert sich unser Treffen mit dem Feind, unseren Tod.

Wiederum gibt es hierzu nichts Besonderes zu sagen. Es handelt sich um ein Gedicht und es ist ziemlich hilfreich. Wenn ihr mitsingen wollt, ergibt das eine wunderschöne Energie. Ich denke, so funktioniert es.

Jung und alt, arm und reich: alle können jeden Moment dem Tod begegnen 

(16) Wenn ein Kind, das jung und strahlend ist, todkrank und von den Eltern beweint werden kann, deren Haar so weiß wie eine Muschel ist und deren Rücken die Form einen Bogens haben, wer wagt dann zu sagen, die Alten würden als erstes gehen?

Wir können nichts garantieren. Wenn wir etwas kaufen, wollen wir immer eine Garantie haben, doch für unser Leben gibt es so eine Garantie nicht. Deswegen brauchen wir eine Lebensversicherung! Wenn uns etwas passiert, können wir ein wenig Geld für unsere Familie bekommen. So denken die Menschen, doch das wird uns nicht helfen, unser Leben zu verlängern. Es ist etwas, das jeder weiß.

Die meisten Menschen halten es für selbstverständlich, dass jemand, der ziemlich alt ist, bald sterben wird. Und Kleinkinder, Jugendliche sowie jene, die in ihren 30iger und 40igern sind, haben jede Menge Energie. Wir denken: „Momentan habe ich so viel zu tun. Ich bin noch nicht bereit zum Sterben.“ Die meisten Menschen denken so, oder nicht? Das ist übermäßiges Selbstvertrauen. Daher ist es notwendig, diese Art des Gewahrseins zu haben. Laut Seiner Heiligkeit sollten wir das Beste hoffen und uns auf das Schlimmste vorbereiten. Das sagt er immer zu den Leuten.

(17) Vom Unglück getroffen, wie die Ernte vom Hagel, mag der Reiche seinen Verlust betrauern und seine Situation beklagen, doch seine Hilferufe werden wohl nicht einmal die armen Gehilfen erwidern, um die er sich einst kümmerte.

Für Menschen mit übermäßigem Selbstvertrauen, die Reichtum, Freude, ein gutes Ansehen und somit ein großes Ego haben, ist es ein erhebliches Problem, wenn sie ihr Ansehen verlieren, bankrott gehen, in eine unerwartete Situation kommen oder von den Menschen anders betrachtet werden. Sie können es nicht ertragen, wenn diese Dinge passieren. Sie waren völlig überzeugt von ihrem guten Namen, ihrem Ruhm und Reichtum. Doch wenn sie nicht mehr reich sind und keinen Respekt mehr bekommen, werden andere Menschen so tun, als würden sie sie nicht mehr kennen.

Auf so eine Situation werden wir vorbereitet sein, wenn wir verstehen, dass ein guter Name und Reichtum unbeständig und vergänglich sind. Was uns hilft, uns darauf vorzubereiten, ist ein ständiges Rezitieren des Wortes: „vergänglich, vergänglich.“ Dann können wir uns in der Zukunft mit der Realität konfrontieren. Nicht nach Beständigkeit zu greifen, ist etwas, an das wir uns stets erinnern sollten. Ich denke, diese Lehre ist wirklich mächtig.

(18) Heute noch unser Verbündeter, kann jemand morgen schon unser Feind sein, da unvorsichtige Worte oft falsch verstanden werden; dies kann jedoch auch eine Lehre sein, um falsche Vorstellungen von engen Freunden und entfernten Feinden zu beenden.

Ich habe diese Erfahrung gemacht und wahrscheinlich haben das die meisten von euch auch. Ich braucht nicht mit dem Kopf zu nicken – ich weiß, dass es so ist. Es gibt jene, die wir als Freunde bezeichnen, und ganz ohne Absicht machen wir einen dummen Witz, der sich schädlich auf unsere Freundschaft auswirkt.

Unsere Freundschaft befindet sich auf ganz dünnem Eis und es gibt keine Garantie dafür, auch wenn wir genau zu wissen scheinen, wer unsere Freunde und wer unsere Feinde sind. Meist mache ich ganz feinfühlige Witze und manchmal ist mir nicht klar, warum sie sie so ernst nehmen. Wahrscheinlich weil es sie irgendwie stört. Ich kann es an ihrem Blick sehen. Das kann dazu führen, diese Freundschaft zu verlieren. Ich versuche, wirklich vorsichtig zu sein. Kadampa-Meister geben den Rat: „Wenn ihr draußen mit Menschen zusammen seid, solltet ihr auf euren Mund achten. Und wenn ihr drinnen für euch seid, solltet ihr eure Aufmerksamkeit auf die eigene Denkweise richten.“ Das ist eine eindrückliche Botschaft.

Wir alle lieben Klatsch und Gerede. Man erzählt einem Freund ein wohl gehütetes Geheimnis und bittet ihn, es niemandem weiterzuerzählen: „Du bist mein enger Freund und ich werde dir das sagen, weil ich dir vertraue.“ Dann geht unser Freund zum nächsten und wiederholt, was wir ihm gesagt haben mit der gleichen Bitte. Und irgendwann kommt das Geheimnis dann wieder zurück zu uns.

Es ist besser, sich bewusst darüber zu sein, was wir sagen werden, wenn wir unsere Freundschaft rein halten wollen. Natürlich ist auch das keine Garantie, da wir mit oder ohne Absicht Freunde verlieren können. Menschen, die sich wirklich in Vergänglichkeit üben, können die Realität ganz leicht akzeptieren, wenn sie in solche Situationen kommen. Es gibt keinen großen Schock. Vielleicht kämpfen wir auch gegeneinander und werden Feinde. Einige meiner Freunde sagen: „Wenn man erst mal einen großen Kampf mit jemandem gehabt hat und sich dann befreundet, ist diese Freundschaft wirklich stark.“ Dafür gibt es jedoch keine Garantie.

Ruhm und Reichtum sind im Moment des Todes keine Hilfe. 

(19) Samsarische Reichtümer gelten als Glück in Hülle und Fülle; doch so, wie einer Motte eine brennende Lampe als Palast erscheint, sind die verlockenden Erscheinungen nur dazu da, uns zu täuschen und von echtem dauerhaftem Glück zu trennen.

Es gibt überall viele hilfreiche Aussagen, doch diese ist besonders nützlich. Ich kann sie auswendig und sie ist eine große Hilfe für mich. Steve Jobs hat das erkannt, bevor er starb. Er sagte, dass er sein ganzes Leben mit so vielen Dingen beschäftigt gewesen ist und schließlich sein Leben genießen wollte. Doch dann erkannte er, dass der Tod kam, bevor er die Zeit dazu haben würde, das Erschaffene zu genießen.

So ist das für die meisten von uns. Wir sind so davon eingenommen, Geld zu verdienen und uns einen guten Namen zu machen, dass wir nicht in der Lage sein werden, all das Geld zu nutzen, das wir verdient haben. Den guten Ruf, an dem wir so schwer gearbeitet haben, nutzen wir auf keine gute Weise. Wir vertun so viele Gelegenheiten und verbringen unser Leben damit, Geld zu verdienen, uns einen Namen zu machen und dann sterben wir.

Genauso ist es mit den Insekten und Motten. Sie tanzen vor einer Butterlampe herum und lieben es, wie sie durch sie getäuscht werden. Dann sterben sie in ihr, während wir mit unserem Reichtum und unserem Namen sterben. Wir arbeiten an diesen Dingen und das war's. Sogar große Leute, wie Mutter Theresa oder Martin Luther King Jr., die sich einen großen Namen gemacht haben, sterben und alles, was sie der Welt hinterlassen haben, ist ein gutes Beispiel.

Mao Zedong sagte in einer seiner Vorlesungen an einer Universität: „Ihr müsst sehr hart studieren und wirklich erfolgreich werden. Erfolg muss nicht notwendigerweise immer positiv sein, er kann auch negativ sein. Aber ihr müsst in die Geschichtsbücher eingehen, damit die Menschen wissen, dass es euch gab. Ansonsten werdet ihr nur geboren und sterbt dann.“ Dem einen Teil seiner Vorlesung stimme ich zu. Allerdings sollten wir erfolgreich und ein gutes Beispiel für andere sein. Andernfalls leben wir, essen und sterben dann. Das ist alles. Ein Insekt stirbt und ein Mensch stirbt – es ist praktisch dasselbe. Damit meine ich nicht, dass wir in den Augen der ganzen Welt mit unserem Beispiel erfolgreich sein müssen – vielleicht nur in New York oder innerhalb unserer Familie oder in den Augen von einem oder zwei Freunden, die unseren Wert erkennen. Das ist genug. Das unterscheidet uns von der Motte.

Im Augenblick des Todes können wir nichts mit uns nehmen 

(20) Kurzum, der Herr der Todes wird bald kommen – das ist sicher – auch wenn der Zeitpunkt ungewiss ist. Und wenn er kommt, wird es keinen Ausweg geben, denn wir werden in seinen furchbaren Fängen landen.
(21) Der Körper, den wir so lange kannten, muss in seinem Bett bleiben, denn wir gehen allein und können nicht einmal mehr einen Blick auf unseren Reichtum, unsere Freunde und Begleiter werfen.

Das klingt wie eine Horrorgeschichte, oder? Es ist jedoch wahr, ob wir es nun auf schöne oder furchtbare Weise ausdrücken. Im Moment des Todes können uns weder Reichtümer noch Freunde helfen. Landen wir im Gefängnis, können wir vielleicht unseren Chef anrufen und kommen wieder frei. Doch wenn die Menschen auf die Realität des Todes stoßen, werden all jene, die so überzeugt zu sein scheinen, ganz blass und sprachlos. Es ist eine große Herausforderung: ich nenne sie die letzte Prüfung. Zum Zeitpunkt des Todes sollte ein wahrer Praktizierender ganz ruhig bleiben und die Situation als Teil des Lebens akzeptieren. Das ist es, was Seine Heiligkeit sagt. Der Tod ist ein Teil des Lebens. Wenn wir ihn leugnen, wird er zu einem Problem.

(22) Jegliches Helfen von Verbündeten und Übertreffen von Feinden, was in diesem Leben so unermüdlich vorangetrieben wird, muss für die letzte Reise aufgegeben werden. Das einzige Gepäck sind unsere Tugenden und Mängel.
(23) Auf ungewohntem Pfad des Übergangs werden wir auf die Armee des gefürchteten Herrn des Todes stoßen; und, getäuscht vom Glück Samsaras werden wir verloren sein, denn auch wenn wir unsere Fehler dann erkennen, nützt es nichts, sie zu bedauern.

In diesem Zusammenhang möchte ich eine Geschichte mit euch teilen. Es geht um den Vater einer meiner Freunde in Nepal, der ein Spieler war. Tibeter schlafen normalerweise nicht im Zimmer, in dem sich der Altar befindet, sondern haben einen abgesonderten Raum für all ihre heiligen Objekte. Doch dieser alte Mann hatte keine Hingabe und sagte: „Ihr habt diesen Altar-Raum so schön eingerichtet, daher werde ich in ihm wohnen.“

Das ist nicht gut, doch er wohnte trotz allem in diesem Schreinraum und tat dort viele Dinge, die er nicht tun sollte. Und seine Familie kam aufgrund seines herrschsüchtigen Verhaltens nicht gegen ihn an. Eines Tages begann er plötzlich schwer zu atmen und wurde bewusstlos. Es war nicht sicher, ob er tot war oder nicht. Seine Familie versammelte sich um ihn herum und weitere Angehörige kamen dazu, die alle begannen zu weinen.

Nach ein paar Augenblicken wachte er auf. Sie waren ganz erschrocken und wussten nicht, was sie tun sollten. Sie fragten ihn: „Was ist passiert?“ Er antwortete: „Ich war eine Minute lang tot.“ Sie konnten es einfach nicht glauben. Langsam teilte er dann seine Erfahrung: „Meine Todeserfahrung war wirklich erstaunlich. Ich musste ständig husten, weil etwas in meinem Hals steckengeblieben war. Ich wollte nicht aufgeben, doch dann ging das Aufgeben ganz leicht und ich wurde bewusstlos. Da war nichts. Es fühlte sich an, als würde ich laufen und nach Hilfe suchen, doch es war ganz dunkel und plötzlich erkannte ich, dass mein physischer Körper nicht bei mir war. Ich hatte aber weiter den Drang nach Hilfe zu suchen. Ich konnte ein Schreien hören und wurde von jemandem gejagt. Ich traute nicht, mich umzudrehen und hatte das Gefühl, einfach nur rennen zu müssen. Ich dachte, da müsste es doch irgendwo ein kleines Mauseloch geben und wenn ich es finde, könnte ich mich darin verstecken. Ich war so müde und rief ganz spontan den Dalai Lama an. Dann erschien ein Licht, was immer heller wurde und dann wachte ich auf.“

Von diesem Augenblick an schlief der arme Kerl weiter im Schreinraum, doch auf andere Weise. Er spielte nicht mehr und verbrachte seine Zeit stattdessen damit, zu lesen, zu praktizieren und die Belehrungen der großen Meister in Vorbereitung auf den Tod zu hören. Das war eine Erfahrung, die ich mit euch teilen wollte.

Heute hören wir hier auf. Damit beenden wir die zwei Kategorien der Faulheit, sich mit weltlichen Dingen zu befassen und nichts tun zu wollen. Es ist eure Aufgabe herauszufinden, ob sich diese Aussagen in der korrekten Kategorie befinden. Für mich sind diese zwei Kategorien damit beendet. Morgen werden wir über die Faulheit der Entmutigung oder des Gefühls der Wertlosigkeit sprechen. Morgen können wir diesen Text beenden.

Top