Die Praxis des tiefsten Bodhichittas

Rückblick

Gestern haben wir mit dem „Geistestraining in sieben Punkten“ des Kadampa-Geshe Chekawa begonnen und den ersten der sieben Punkte behandelt: die vorbereitenden Übungen. Der zweite Punkt, den wir heute besprechen werden, ist das eigentliche Training in Bodhichitta.

Der Text befasst sich zunächst mit dem tiefsten Bodhichitta. Wie ich in unserer letzten Sitzung bereits erklärt habe, gibt es das tiefste Bodhichitta (tib. don-dam-pa’i byang-sems), das Leerheitsverständnis, und das relative, konventionelle oder oberflächliche Bodhichitta (tib. kun-rdzob-kyi byang-sems), wo es hauptsächlich um Erscheinungen geht. Unser Ziel ist es, drei Dinge zu erlangen: (1) ein Verständnis der Leerheit des allwissenden Geistes, (2) dieses Verständnis zusammen mit einem allwissenden Geist zu haben, und (3) dass wir gleichzeitig damit in verschiedenen Formen erscheinen können, um allen Wesen zu helfen. Um anderen am besten nutzen zu können, müssen wir uns von all unseren eigenen Problemen und Begrenzungen befreien, was wir durch ein richtiges Verständnis und eine nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit erreichen können. Ebenso ist es notwendig, zu verstehen, was die Wesen dazu veranlasst, zu handeln, wie sie es tun, und was die Konsequenzen unserer Unterweisungen wären, die wir ihnen geben – mit anderen Worten, wir müssen allwissend sein: wir benötigen ein vollkommenes Wissen über Ursache und Wirkung.

Zusammenfassend können wir sagen, dass wir mit Bodhichitta darauf abzielen, Erleuchtung zu erlangen – unsere Erleuchtung, die noch nicht stattgefunden hat –, um allen Wesen zu helfen. Wenn wir dieses Bodhichitta in zwei Aspekte unterteilen, haben wir das tiefste Bodhichitta, mit dem wir uns auf die nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit des allwissenden Geistes ausrichten, und das relative, konventionelle oder oberflächliche Bodhichitta, wo es darum geht, uns in verschiedenen Formen zu manifestieren, mit denen wir das in die Tat umsetzen, von dem wir wissen, dass es anderen helfen wird. Dies erfordert einen allwissenden Geist, den wir ebenso bei der Praxis des relativen Bodhichitta anstreben. 

Wie bereits erwähnt gibt es mehrere Ausgaben bzw. Versionen unseres Textes. In der ältesten Version von Togme Sangpo – derjenigen, der wir hier folgen – wird das tiefste Bodhichitta zuerst erklärt und das relative Bodhichitta im Anschluss. Im „Geistestraining, das den Sonnenstrahlen gleicht“ (tib. Blo-sbyong nyi-ma’i ’od-zer), verfasst von Hortön Namkha Pel (1373–1447), einem Schüler von Tsongkhapa, ist es genau umgekehrt: zuerst kommt ein Vers über relatives Bodhichitta, und dann folgt unmittelbar darauf das tiefste Bodhichitta. In der Ausgabe, die in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts von Pabonka Rinpoche erstellt wurde, steht der Vers über tiefstes Bodhichitta ganz am Ende des Textes.  

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