Vaibhashika
Gemäß der Gelug-Darstellung des Vaibhashika
- Die grobe Selbstlosigkeit (Identitätslosigkeit, Nichtvorhandensein einer unmöglichen „Seele“) von Personen ist die Tatsache, dass Personen – ich und du – keine statischen, teilelosen Entitäten sind, die unabhängig von einem Körper und Geist existieren können, die den Körper und Geist bewohnen, besitzen und kontrollieren. Mit anderen Worten sind sie nicht das Atman, das von den nicht-buddhistischen Lehrsystemen Indiens vertreten wird. Personen sind Zuschreibungen der gesamten Ansammlung der fünf Aggregate. Allerdings sind sie oberflächliche Phänomene. Werden sie geistig in ihre Teile (ihre individuellen Bestandteile der Aggregate) zerlegt, verlieren Personen ihre konventionelle Identität.
- Die grobe Selbstlosigkeit von Phänomenen ist die Tatsache, dass Objekte nicht der Besitz eines statischen, teilelosen, unabhängig existierenden Atmas sind, das sie benutzt.
Die Unwissenheit über diese grobe Selbstlosigkeit von Personen und Phänomenen ist doktrinär bedingt: sie beruht auf dem Erlernen und Annehmen von Lehren einer nicht-buddhistischen indischen Schule der Philosophie, die das Atman betreffen. Diese Unwissenheit bezieht sich auf das Atman als Ganzes, mit all seinen Merkmalen. Obwohl dies so ist, können wir sowohl eine doktrinär bedingte und automatisch auftretende fehlerhafte Betrachtung hinsichtlich eines jeden Merkmals solch eines Atmans haben – zum Beispiel die fehlerhafte Betrachtung von etwas Nicht-Statischem als statisch.
Jede der folgenden Übungen basiert auf der fehlerhaften Betrachtung und Unwissenheit bezüglich jedes Merkmals solche eines Atmans – also statisch zu sein, teilelos zu sein und unabhängig zu existieren. Obgleich die Merkmale tatsächlich miteinander verbunden und voneinander abhängig sind, ist es hilfreich, sie individuell zu betrachten.
[1] Denkt daran, wie es ist, euch selbst als eine statische Entität zu sehen, die sich niemals geändert hat, sich niemals ändern wird und wie es ist, sich nicht bewusst darüber zu sein, dass sie nicht-statisch ist – sich ständig ändernd und fähig, sich weiter zu ändern.
- Identifiziert (a) störende Emotionen, wie Unnachgiebigkeit, die aus diesem mangelnden Gewahrsein entstanden sind, (b) destruktives körperliches, verbales und geistiges Verhalten, das auf diese störenden Emotionen zurückzuführen ist, und (c) Leiden, die ihr aufgrund solchen Verhaltens erfahren hat.
- Denkt an einen glücklicheren Geisteszustand, den ihr haben würdet, wenn ihr erkennt, dass ihr nicht-statisch seid, euch ändert und in der Lage seid, euch weiter zu ändern.
- Bringt die Entschlossenheit hervor, frei von den Leiden zu sein, die dieses mangelnde Gewahrsein hervorbringt, sowie frei von dessen Ursache, diesem mangelnden Gewahrsein, zu sein.
- Betrachtet euch selbst als nicht-statisch, erinnert euch daran, wie ihr euch selbst im Laufe eures Lebens verändert habt, und versteht, dass ihr euch in der Zukunft weiter ändern werdet.
- Praktiziert Tonglen (Geben und Nehmen) auf euch selbst gerichtet, indem ihr dieses mangelnde Gewahrsein und das Leid entfernt und euch das korrekte Verständnis schenkt, nicht-statisch zu sein (euch ständig zu ändern).
- Denkt an das Leid, welches andere aufgrund dieses Problems erfahren, und daran, dass sie glücklicher wären, wenn sie sich davon befreien könnten.
- Bringt das Mitgefühl hervor, sie mögen frei davon sein.
- Praktiziert auf sie gerichtetes Tonglen.
- Wiederholt den gesamten Vorgang, indem ihr zunächst andere als statische Entitäten betrachtet und dann erkennt, wie andere auf dieselbe fälschliche Weise denken.
[2] Denkt daran, wie es ist, euch selbst als eindimensionale, monolithische, teilelose Entität zu betrachten – euch nur mit einer Facette, einem Lebensabschnitt oder einer Beziehung zu ihm zu befasse – und euch nicht bewusst zu sein, dass sie aus vielen Teilen besteht (aus vielen Facetten und Lebensabschnitten).
- Identifiziert störende Emotionen, destruktives Verhalten und Leiden, die ihr erfahren habt und die auf dieses mangelnde Gewahrsein zurückzuführen sind, wie euch selbst von anderen Facetten des Lebens oder anderen Beziehungen abzutrennen.
- Wiederholt dann all die Schritte der vorangegangenen Übung.
[3] Denkt daran, wie es ist, euch selbst als eine eigenständige Entität zu betrachten – unabhängig von einem Körper, einem Geist, Gefühlen und Emotionen zu existieren und sie nur als dessen Besitzer und Benutzer zu bewohnen – und euch nicht bewusst darüber zu sein, dass ihr abhängig von einem Körper, Geist, Gefühlen und Emotionen als eine Zuschreibung dessen als Basis existiert.
- Identifiziert störende Emotionen, destruktives Verhalten und Leiden, die ihr erfahren habt und die auf dieses mangelnde Gewahrsein zurückzuführen sind, wie Entfremdung vom eigenen Körper oder Gefühlen.
- Wiederholt dann all die Schritte der vorangegangenen Übung.
[4] Obwohl ihr euch in diesem Moment nur so sehen könnt, wie ihr gerade erscheint, denkt an die Leiden, die darauf zurückzuführen sind, euch selbst nicht als eine Zuschreibung des gesamten Lebens zu betrachten – und anderer Leben, wenn ihr an die Wiedergeburt glaubt – wie zum Beispiel euch ausschließlich damit zu identifizieren, krank, alt, arbeitslos oder jemand zu sein, dessen Partner sich gerade von euch getrennt hat.
- Denkt an einen glücklicheren Geisteszustand, den ihr hättet, wenn ihr euch selbst als eine Zuschreibung eures gesamten Lebens betrachten würdet.
- Denkt an all die Änderungen, die ihr durchgemacht habt und erkennt, dass sie sich in die Grundlage der Zuschreibung dessen einfügen, wer ihr jetzt seid. Fügt dieser Grundlage der Zuschreibung auch all die Änderungen hinzu, die ihr in der Zukunft durchgehen werdet, wie älter zu werden und zu sterben.
- Wiederholt dann all die Schritte der vorangegangenen Übung.
[5] Obgleich ihr euch momentan vielleicht nur mit einem Aspekt eures Lebens befasst – wie eurem spirituellen Leben oder eurer Beziehung mit einer Person oder einer Gruppe von Menschen – denkt an das Leid, das darauf zurückzuführen ist, andere Aspekte eures Lebens zu ignorieren oder nicht zu beachten – wie euer Familienleben, euer sportliches Leben, euer Studentenleben usw., sowie andere Beziehungen in eurem Leben, sowohl gegenwärtige als auch vergangene, und deren Einfluss auf euch.
- Denkt an einen glücklicheren Geisteszustand, den ihr hättet, wenn ihr euch selbst in Bezug auf all die Aspekte eures Lebens betrachten würdet.
- Denkt an all die Aspekte und Einflüsse in eurem Leben, die vergangenen und gegenwärtigen, und erkennt, dass sie sich in die Grundlage der Zuschreibung dessen einfügen, wer ihr jetzt seid. Fügt dieser Grundlage der Zuschreibung auch all die Aspekte und Einflüsse hinzu, die ihr in der Zukunft haben werdet.
- Wiederholt dann all die Schritte der vorangegangenen Übung.
[6] Obwohl es momentan so aussehen mag, dass ihr euch nur mit einem Aspekt der Grundlagen für die Zuschreibung von euch selbst befasst – eurem Körper, euren Sinneswahrnehmungen, euren Emotionen, eurem Intellekt etc. – denkt an das Leid, das darauf zurückzuführen ist, zu meinen, ihr würdet unabhängig vom Rest der Grundlagen für die Zuschreibung existieren – wie beispielsweise euch nicht um einen Körper zu kümmern und ihn fit zu halten, während ihr euch um euren Geist und eure Emotionen kümmert und sie schult.
- Denkt an einen glücklicheren Geisteszustand, den ihr hättet, wenn ihr euch selbst in Bezug auf alle fünf Aggregate betrachten würdet, welche die Grundlage für die Zuschreibung von euch als eine Person sind, und an euch selbst als ein Ganzes arbeiten würdet.
- Denkt an all eure fünf Aggregate – euren Körper, eure Sinneswahrnehmungen, euren Geist, euer Gedächtnis, eure Konzentration, euren Intellekt, eure Emotionen, euer Empfinden eines Grades an Glücklichsein und Unglücklichsein etc. – und erkennt, dass sie sich in die vollständige Grundlage der Zuschreibung dessen einfügen, wer ihr jetzt seid.
- Wiederholt dann all die Schritte der vorangegangenen Übung.
[7] Denkt an Objekte oder Dinge – wie euer Zuhause, euren Beruf, euren Partner, den Zustand eures Körpers und Geistes – und erinnert euch daran, wie es ist, sie als den Besitz von euch als statische Personen zu betrachten, euch also mit ihnen zu identifizieren und zu meinen, sie immer so zu haben, wie sie jetzt sind.
- Erinnert euch daran, wie es ist, euch nicht bewusst darüber zu sein, dass sie sich, wenn ihr euch verändert, ebenfalls ändern, und dass sich eure Beziehungen und Einstellungen ihnen gegenüber gleichermaßen ändern und auch weiter ändern werden.
- Wiederholt dann all die Schritte der vorangegangenen Übung.
[8] Denkt an Objekte oder Dinge – wie die Aktivitäten, die ihr ausführt, die Orte, an denen ihr sie ausführt, die Personen und Dinge, mit denen ihr sie ausführt – und erinnert euch daran, wie es ist, sie als den Besitz von euch als teilelose monolithische Personen zu betrachten, euch also nur mit einem der Dinge, die ihr tut, als „eurem Beruf“, nur einem der Orte, an dem ihr sie tut, als „eurem Ort“ und nur einer der Personen oder Gruppe von Personen als jene, mit denen ihr alles teilt, zu identifizieren.
- Denkt daran, wie es ist, euch nicht bewusst darüber zu sein, viele Facetten zu haben und daher auch viele verschiedene Dinge an verschiedenen Orten und mit verschiedenen Menschen zu tun, mit denen ihr sie teilt.
- Wiederholt dann all die Schritte der vorangegangenen Übung.
[9] Denkt an Dinge – wie eure Gesundheit, eure Sicht und Gehör, euer Gedächtnis, die Schnelligkeit eures Denkens, eure Kapazität zu lernen – und denkt daran, wie es ist, sie als Besitz von euch zu betrachten, die ihr unabhängig von eurem Körper und Geist existiert, abgetrennt und entfremdet von ihnen.
- Erinnert euch daran, wie es ist, euch nicht bewusst darüber zu sein, dass auch ihr altert, wenn euer Körper und Geist altern. Ihr existiert nicht abgetrennt und entfremdet von ihnen.
- Wiederholt dann all die Schritte der vorangegangenen Übung.
Sautrantika
Gemäß der Gelug-Darstellung des Sautrantika:
- Die grobe Selbstlosigkeit einer Person besteht darin, dass es so etwas wie eine Person, die als eine statische, teilelose Entität, unabhängig von einem Körper und Geist existiert, nicht gibt.
- In ähnlicher Weise besteht die grobe Selbstlosigkeit von Phänomenen darin, dass es etwas, wie den existierenden Besitz solch einer unmöglichen existierenden Person, nicht gibt.
- Die subtile Selbstlosigkeit einer Person besteht darin, dass es keine Person gibt, die als eine eigenständig erkennbare Entität existiert – erkennbar, ohne dass gleichzeitig auch ein Aspekt der Grundlage für die Zuschreibung erscheint und wahrgenommen wird.
- In ähnlicher Weise besteht die subtile Selbstlosigkeit von Phänomenen darin, dass es etwas, wie den existierenden Besitz solch einer unmöglich existierenden Person, nicht gibt.
- Alle Phänomene haben die individuell definierenden charakteristischen Merkmale, die als die Grundlage dafür dienen, nicht nur ihre Existenz als gültig erkennbare Phänomene zu begründen, sondern auch zu passenden Kategorien zu gehören und die Bedeutung und Bezeichnung für passende Namen und Worte zu sein.
[1] Denkt daran, wie es ist, euch selbst als eine eigenständig erkennbare Entität zu betrachten – eine Person, die ganz für sich selbst erkannt werden kann, ohne gleichzeitig auch an einen Aspekt euer fünf Aggregate zu denken, welche die Grundlage für die Zuschreibung von euch selbst sind – und euch zu sorgen, was andere Leute über euch denken, was ihr in der Zukunft tun solltet, was für ein Mensch ihr seid usw.
- Identifiziert die störenden Emotionen, destruktiven Verhaltensweisen und Leiden, die ihr durch solche Sorgen, wie Ängste, Stress, Einsamkeit und dergleichen, erlebt.
- Denkt daran, euch nicht bewusst darüber zu sein, dass solche Sorgen nur einen Sinn ergeben, wenn ihr euch selbst in Bezug auf die gegenwärtige Situation eures Körpers, Geistes, eurer Emotionen und so weiter betrachtet. Es ist nicht möglich, sich mit diesen Dingen nur in Bezug auf das „Ich“ zu befassen.
- Stellt euch vor, wie viel besser ihr mit solchen Dingen umgehen könntet, wenn ihr euch selbst zusammen mit einem Aspekt eurer Aggregate, wie eures Verhaltens, betrachten würdet. Macht ihr euch Sorgen, was andere Menschen über euch denken, könnt ihr deren Sicht auf euch ändern, indem ihr euer Verhalten ihnen gegenüber ändert. Es ist nicht möglich, euch zu ändern, ohne etwas von euch, wie euer Verhalten, zu ändern.
- Bringt die Entschlossenheit hervor, frei von den Leiden zu sein, die dieses mangelnde Gewahrsein hervorbringt, sowie frei von dessen Ursache, diesem mangelnden Gewahrsein, zu sein.
- Betrachtet euch selbst als zugeschrieben erkennbar zusammen mit einem Aspekt eurer Aggregate und erinnert euch, dass es notwendig ist, euch mit den verschiedenen Aspekten eurer Aggregate zu befassen, wenn ihr euch mit euch selbst auseinandersetzen wollt.
- Praktiziert Tonglen (Geben und Nehmen) auf euch selbst gerichtet, indem ihr dieses mangelnde Gewahrsein und das Leid entfernt, und euch das korrekte Verständnis schenkt, zugeschrieben erkennbar zu sein.
- Denkt an das Leid, welches andere aufgrund dieses Problems erfahren, und daran, dass sie besser mit ihrem Leben umgehen könnten, wen sie frei davon wären.
- Bringt das Mitgefühl hervor, sie mögen frei davon sein.
- Praktiziert auf sie gerichtetes Tonglen.
- Wiederholt den gesamten Vorgang, indem ihr andere als eigenständig erkennbare Menschen betrachtet.
[2] Identifiziert die konventionellen Kategorien, zu denen ihr faktisch gehört – zum Beispiel Geschlecht, ethnische Herkunft, sexuelle Ausrichtung, Altersgruppe, Herkunft, Familienstand, Nationalität, Wohnort, ursprüngliche Religion, gegenwärtige Religion, Beruf, usw. – und denkt daran, wie es ist, eure ganze Identität nur auf eine oder zwei dieser Kategorien zu beschränken.
- Identifiziert die störenden Emotionen, destruktiven Verhaltensweisen und Leiden, die ihr erfahrt, weil ihr euch selbst auf diese begrenzte Weise betrachtet – beispielsweise mit dem Behaupten eurer Identität aggressiv oder defensiv zu sein.
- Denkt daran, euch nicht bewusst darüber zu sein, die definierenden Eigenschaften zu haben, faktisch zu vielen dieser Kategorien zu gehören.
- Identifiziert die störenden Emotionen, destruktiven Verhaltensweisen und Leiden, die ihr erfahrt, weil ihr eine dieser Kategorien leugnet, abwertet, ignoriert oder ablehnt, zu der ihr faktisch gehört.
- Unterscheidet die Kategorien, zu denen ihr wirklich gehört, von denen, zu denen ihr nur meint zu gehören, was jedoch nicht der objektiven Realität entspricht.
- Identifiziert die störenden Emotionen, destruktiven Verhaltensweisen und Leiden, die ihr erfahrt, weil ihr euch falschen Kategorien zuordnet – wie jemand zu sein, den niemand liebt.
- Hört damit auf, euch selbst Kategorien zuzuordnen, in die ihr nicht gehört. Betrachtet sie als Unsinn.
- Denkt an all die Kategorien, zu denen ihr wirklich gehört, und erkennt, dass sie zu dem passen, der oder die ihr objektiv seid.
- Wiederholt dann all die Schritte der vorangegangenen Übung, einschließlich des Tonglen, und denkt an andere, die sich genauso unbewusst darüber sind.
Chittamatra
Gemäß der Gelug-Darstellung des Chittamatra:
- Die groben und subtilen Arten der Selbstlosigkeit von Personen gleichen denen des Sautrantika.
- Im Chittamatra vertritt man keine grobe Selbstlosigkeit von Phänomenen, sondern vielmehr zwei Arten der subtilen Selbstlosigkeit von Phänomenen. Die erste besteht darin, dass es, wenn abhängige (nicht-statische) Phänomene in der Form von geistigen Hologrammen in nicht-konzeptueller Wahrnehmung erscheinen, unmöglich ist, deren Existenz in dieser Wahrnehmung als aus externen Ursprungsquellen stammend zu begründen, die getrennt von dem karmischen Samen sind, der die Ursprungsquelle des Bewusstseins und der Geistesfaktoren ist, die sie wahrnehmen.
- Die zweite Art der subtilen Selbstlosigkeit von Phänomenen besteht in Folgendem: Wenn abhängige (nicht-statische) Phänomene in der Form von geistigen Hologrammen in konzeptueller Wahrnehmung erscheinen, ist es unmöglich, dass das definierende charakteristische Merkmal, das sie als erkennbare Objekte begründen, auch die Kraft hat, sie als zu den Kategorien gehörend zu begründen, mit denen sie geistig bezeichnet werden, und die Bedeutung und Bezeichnung der Namen und Worte zu sein, mit denen sie benannt werden. Sie werden lediglich durch die Kraft des geistigen Bezeichnens und Benennens als solche begründet.
[1] Denkt daran, wie es ist, zu hören, was jemand zu euch gesagt hat und anzunehmen, dass die Person dieselben Geräusche gehört hat wie ihr, weil sie objektive Realität waren.
- Stellt euch vor, wie es ist, euch nicht bewusst darüber zu sein, dass das, was euch und der anderen Person erschienen ist – in diesem Fall die Laute dessen, was sie gesagt hat, euer Hörbewusstsein, mit dem ihr sie gehört habt und die begleitenden Emotionen – alle von einem karmischen Samen in eurem eigenen Geist stammen würde, wenn ihr beispielsweise etwas anderes gehört habt, als das, was sie laut späteren Angaben gesagt hat, weil ihr abgelenkt, müde oder verärgert wart.
- Identifiziert die störenden Emotionen, destruktiven Verhaltensweisen und Leiden, die ihr aufgrund solch eines mangelnden Gewahrseins erfahrt – wie euch zu ärgern und darüber zu streiten, ob die andere Person wirklich gesagt hat, was ihr gehört habt, oder nicht.
- Denkt darüber nach, dass die Laute, die erschienen, als ihr beide etwas gehört habt, ihre eigene subjektive Gültigkeit hatten, dass es nicht eine objektive Realität gab und dass jede dieser Erscheinungen in Betracht gezogen werden muss, wenn Missverständnisse und Probleme auf realistische Weise gelöst werden sollen.
- Wiederholt dann all die Schritte der vorangegangenen Übungen des Tonglen, und denkt an andere, die sich genauso unbewusst darüber sind.
[2] Denkt darüber nach, wie es ist zu meinen, die Laute dessen, was jemand zu euch gesagt hat, wären diese und jene Worte, mit dieser und jener Bedeutung und würden von dieser und jener Absicht und Emotion begleitet werden, und anzunehmen, die andere Person würde sie genauso verstehen wie ihr. Stellt euch auch vor, einige dieser Wortlaute Kategorien zuzuordnen, wie „Kritik“, „Beleidigung“ und „Ablehnung“, und anzunehmen, die andere Person würde sie denselben Kategorien zuordnen.
- Denkt daran, wie es ist, euch nicht bewusst darüber zu sein, dass die andere Person sie anders gemeint und verstanden hat: sie dachte, was sie sagte, wären andere Worte oder hätten eine andere Bedeutung, und ordnete sie anderen Kategorien zu, wie „kleiner Scherz“.
- Identifiziert störende Emotionen, destruktives Verhalten und Leiden, die ihr aufgrund solchen mangelnden Gewahrseins und Missverständnisses erfahren habt.
- Denkt darüber nach, dass die Worte und Bedeutungen, die ihr und sie den Erscheinungen der von euch gehörten Laute zugewiesen habt – und den Kategorien, denen ihr diese Erscheinungen zugeordnet habt – lediglich konzeptuell bezeichnet wurden. Die Laute hatten zwar die definierenden Eigenschaften von Lauten, besonders die Wortlaute mit einer Bedeutung, aber dennoch hatten diese definierenden Eigenschaften nicht die Macht, dass man den Klang als den Laut eines bestimmten Wortes mit einer bestimmten Bedeutung versteht, der zu einer bestimmten Kategorie, wie „Beleidigung“ oder „Scherz“ gehört. Zieht in Betracht, dass ihr, auch wenn die andere Person den Laut der Worte der Kategorie „Beleidigung“ zuordnen würde, nicht verletzt oder verärgert sein müsst, denn ihr könntet sie auch der Kategorie „Unsinn“ zuordnen.
- Wiederholt dann all die Schritte der vorangegangenen Übungen des Tonglen, und denkt an andere, die sich genau so nicht bewusst darüber sind.
Svatantrika
Gemäß der Gelug-Darstellung des Svatantrika, insbesondere des Sautrantika-Svatantrika:
- Die groben und subtilen Arten der Selbstlosigkeit von Personen gleichen denen des Sautrantika.
- Die Selbstlosigkeit von Phänomenen besteht darin, dass es unmöglich ist, dass ihre individuell definierenden charakteristischen Merkmale selbst die Kraft haben, ihre Existenz als gültig erkennbare Phänomene zu begründen, als zu einer bestimmten Kategorie gehörend oder als die Bedeutung oder Bezeichnung eines bestimmen Namens oder Wortes zu sein, und es ist ebenfalls unmöglich, sie durch die Kraft des geistigen Bezeichnens allein zu begründen.
- Die Existenz aller Phänomene als gültig erkennbare Phänomene, die bestimmten Kategorien angehören und die Bedeutung und Bezeichnung bestimmter Worte sind, kann nur in Bezug darauf begründet werden, dass sie die Bezugsobjekte der konzeptuellen Wahrnehmungen sind, die sie gültig mit diesen Kategorien bezeichnen und gültig mit diesen Worten benennen, beruhend darauf, dass ihre passenden charakteristischen Merkmale gültig als solche bezeichnet und benannt werden.
Denkt an eine Aufgabe, die ihr erfüllen musstet und die ihr als furchtbares Problem betrachtet habt, oder wie ihr dachtet, es wäre ein reines Hirngespinst, sie als Problem zu sehen, da es gar keins war.
- Erinnert euch daran, wie es war, euch nicht bewusst darüber zu sein, dass die Aufgabe die charakteristischen Merkmale hatte, entweder ein furchtbares Problem oder eine Herausforderung zu sein, die euch helfen würde zu wachsen; es hing alles von eurer Einstellung gegenüber der Aufgabe ab und davon, als was ihr sie bezeichnet habt und wie ihr an sie herangegangen seid.
- Identifiziert die störenden Emotionen, destruktiven Verhaltensweisen und Leiden, die ihr aufgrund solch eines mangelnden Gewahrseins erfahren habt – beispielsweise wie gelähmt oder unfähig zu sein, euch mit der Aufgabe zu befassen, weil ihr entweder glaubtet, sie wäre von sich aus ein furchtbares Problem oder weil ihr die Aufgabe für eine Bagatelle gehalten und sie nicht ernst genommen habt, weil ihr dachtet, es wäre ein reines Hirngespinst, sie für ein furchtbares Problem zu halten.
- Die Aufgabe hatte die definierende Eigenschaft dessen, was manche als ein furchtbares Problem und andere als eine Herausforderung zum Wachsen betrachten würden; denkt über den Nutzen nach, sie als eine Herausforderung zum Wachsen zu betrachten und sich auf diese Weise mit ihr zu befassen.
- Wiederholt dann all die Schritte der vorangegangenen Übungen des Tonglen, und denkt an andere, die sich genau so unbewusst darüber sind.
Prasangika
Gemäß der Gelug-Darstellung des Prasangika:
- Die grobe Selbstlosigkeit von Personen gleicht jener der subtilen Selbstlosigkeit von Personen, wie sie im Sautrantika vertreten wird.
- Die subtile Selbstlosigkeit von Personen ist die gleiche wie die Selbstlosigkeit aller Phänomene.
- Die Selbstlosigkeit der Phänomene besteht darin, dass es unmöglich ist, deren Existenz als gültig erkennbare Phänomene, als zu einer Kategorie gehörend oder als die Bedeutung oder Bezeichnung eines Wortes durch die Kraft des definierenden charakteristischen Merkmals zu begründen. Solch ein Merkmal ermöglicht es dem Geistesfaktor des auseinanderhalten Gewahrseins, ein Phänomen von allen anderen zu unterscheiden. Die konventionelle Existenz aller Phänomene, einschließlich Personen, kann nur durch die Kraft des geistigen Bezeichnens durch Kategorien und Benennens durch Worte begründet werden.
- Genauer gesagt kann die konventionelle Existenz aller Phänomene als gültig erkennbare Phänomene, die zu bestimmten Kategorien gehören und die Bedeutung und Bezeichnung bestimmter Worte sind, nur in Bezug darauf begründet werden, dass sie die Bezugsobjekte der konzeptuellen Wahrnehmungen sind, die sie gültig mit diesen Kategorien bezeichnen und gültig mit diesen Worten benennen – wie es von anerkannten Konventionen bekräftigt wird, und so lange es nicht im Widerspruch zur gültigen Wahrnehmung der konventionellen Wahrheit (was etwas zu sein scheint) und zur gültigen Wahrnehmung der tiefsten Wahrheit (wie etwas tatsächlich existiert) steht.
Denkt an eine Aufgabe, die ihr erfüllen musstet und die ihr als furchtbares Problem betrachtet habt, weil ihr meintet, sie hätte die charakteristischen Merkmale eines furchtbaren Problems, und die ihr deswegen der Kategorie „furchtbares Problem“ zugeordnet und sie als ein „furchtbares Problem“ bezeichnet habt.
- Erinnert euch daran, euch nicht bewusst darüber zu sein, dass es unmöglich ist, ein charakteristisches Merkmal auf Seiten der Aufgabe zu finden, welches die Kraft hat, sie als ein „Ding“ zu begründen, als zu einer bestimmten Kategorie gehörend oder als die Bedeutung oder Bezeichnung eines Wortes – auch in Verbindung mit geistigem Bezeichnen und Benennen.
- Identifiziert die störenden Emotionen, destruktiven Verhaltensweisen und Leiden, die ihr aufgrund solch eines mangelnden Gewahrseins erfahren habt – wie überfordert und genervt zu sein, weil ihr glaubtet, die Aufgabe wäre von Natur aus unmöglich, und euch über euren Chef zu ärgern, weil er euch damit beauftragt hat.
- Dekonstruiert die Aufgabe und erkennt, dass sie in Abhängigkeit von zahlreichen Ursachen und Bedingungen entstanden ist, sich auf viele Teile stützt und lediglich das Bezugsobjekt der geistig bezeichneten Kategorie „Aufgabe“ und des Wortes „Aufgabe“ ist. Es gibt kein auffindbares, selbst-begründetes Bezugs-„Ding“ – „DIE AUFGABE“ – das dieses Bezugsobjekt bekräftigt.
- Ohne eine große solide „Sache“ aus der Aufgabe zu machen, zieht in Betracht, wie viel glücklicher und leichter ihr euch fühlen würdet, wenn ihr euch einfach schrittweise und immer nur mit einem Teil der Aufgabe auf einmal befassen würdet.
- Wiederholt dann all die Schritte der vorangegangenen Übungen des Tonglen, und denkt an andere, die sich ebenfalls nicht bewusst darüber sind.