Bodhichitta entwicklen und in die Praxis umsetzen

Liebe

Liebe ist die Geisteshaltung, mit der wir uns wünschen, alle mögen glücklich sein. Wir alle wünschen uns, glücklich zu sein. Aber die meisten Menschen wissen nicht, wie sie glücklich werden können und bringen sich daher in schwierige und in unkontrollierbar sich wiederholende Situationen, die jede Menge Probleme mit sich bringen und daher sind sie nicht so glücklich, wie sie es gerne wären. Daher ist es überaus wichtig, das starke Gefühl und die Geisteshaltung zu entwickeln, mit der wir uns wünschen, andere mögen glücklich sein. Wir üben uns darin, indem wir zuerst einmal uns selbst wünschen, glücklich zu sein. Dann wünschen wir unserer Mutter glücklich zu sein, dann unserem Vater und wir üben uns weiter, indem wir an unsere Freunde und an unsere Feinde denken und schließlich allen wünschen, glücklich zu sein. Auf diese Weise meditieren wir über die Liebe.

Außergewöhnlicher Entschluss

Zusätzlich ist es notwendig, eine Art universales Verantwortungsgefühl zu entwickeln, also Verantwortung zu übernehmen und zu denken: „Ich werde tatsächlich etwas tun, um alle glücklich zu machen. Ich versuche im Grunde, die Probleme aller zu lösen und sie aus ihren schwierigen Situationen zu befreien, in denen sie sich befinden.“ Dafür benötigen wir diesen besonders starken Geisteszustand, den so genannten außergewöhnlichen Entschluss; wir entschließen uns, es selbst umzusetzen.

Bodhichitta

Auch wenn wir diesen außergewöhnlichen Entschluss entwickeln, mit dem wir denken: „Ich werde allen Glück bringen. Ich werde allen helfen, ihre Probleme zu beseitigen,“ wird es dennoch so sein, dass wir, wenn wir es genauer betrachten, nicht wirklich die Fähigkeit haben werden, dies zu tun. Wir können nicht allen Glück bringen und wir können nicht wirklich die Probleme von allen lösen. Wenn wir uns fragen, wer die Fähigkeit dazu hat, ist die Antwort, dass es nur jemandem möglich ist, der einen vollkommen klaren Geist hat, voll entwickelt ist und der sein vollstes Potenzial erlangt hat, also ein Buddha. Wenn wir daher selbst die Ebene eines Buddhas erreichen, wird es uns vollends möglich sein, allen zu helfen.

Das ist etwas, was wir in der Tat auf der Grundlage unseres kostbaren Menschenlebens verwirklichen können. Wir können wirklich ein voll-erleuchteter Buddha werden. Daher nennt man die Geisteshaltung, mit der wir uns selbst völlig den anderen hingeben und die Ebene eines Buddhas erreichen, um allen nützlich sein zu können, das hingebungsvolle Bodhichitta-Herz. Wenn wir diese Geisteshaltung eines hingebungsvollen Herzens, mit dem wir uns wünschen, Erleuchtung zum Nutzen aller zu erlangen, tatsächlich entwickeln, werden große Vorteile daraus erwachsen.

Die Vorteile des Entwickelns von Bodhichitta

Es wird gesagt, dass das Entwickeln dieses hingebungsvollen Herzens, und sei es auch nur für einen Moment, weit größeren Nutzen bringt, als wenn wir die gesamte Welt voller Juwelen, Gold und Diamanten dem Buddha darbringen würden. Wenn wir einfach eine Blume mit einem hingebungsvollen Herzen darbringen und es mit der Absicht tun, Erleuchtung zum Nutzen aller zu erlangen, wird das positive Potenzial, das dadurch entsteht, so groß wie das Ziel sein, da wir es zum Wohle aller Wesen tun. Der Nutzen ist so groß, wie die Anzahl aller Wesen.

Unsere Bodhichitta-Motivation bekräftigen

Wenn wir am Morgen aufwachen, denken wir zuerst einmal darüber nach, wie glücklich wir uns schätzen können, dass wir in der Nacht nicht gestorben, sondern aufgewacht und immer noch am Leben sind. Als nächstes widmen wir uns selbst, unser Herz, diesem Tag mit der Einstellung: „Mögen alle Arten von positiven Dingen, die ich tue, allen anderen von Nutzen sein.“ Auf diese Weise werden alle positiven Handlungen und konstruktiven Dinge, die wir während des Tages tun, durch die Kraft dieser positiven Energie und der Widmung am Morgen begleitet werden. Auch wenn wir diese Gedanken zu anderen Tageszeiten nicht haben, wird der ganze Tag von dieser großartigen positiven Energie, die wir am Morgen mit einer starken Absicht geschaffen haben, geprägt sein. Deshalb ist es überaus wichtig, als Motivation ein hingebungsvolles Herz zu haben.

Am Ende des Tages sollten wir unser Verhalten und all die Dinge, die wir an dem Tag getan haben, nochmals überprüfen und wenn wir beispielsweise während des Tages sehr positiv und konstruktiv gehandelt haben, sollten wir sehr glücklich darüber sein. Wir sollten dann das Potenzial, das daraus entstanden ist, dem Erlangen unserer Erleuchtung und der Fähigkeit, anderen zu helfen, widmen. Wir widmen die positive Energie dem Nutzen aller Wesen. Wenn wir dann schlafen gehen, bekräftigen wir die feste Absicht, dass wir auch am nächsten Tag auf sehr positive Weise handeln werden und dass wir auf die Erleuchtung hinarbeiten werden, um allen Wesen damit von Nutzen sein zu können. Gehen wir mit dieser Einstellung schlafen, wird uns diese positive Energie während der gesamten Zeit des Schlafens begleiten und das wird an sich auch etwas Positives sein.

Wenn wir das gesamte positive Potenzial, das wir angesammelt haben, als Wurzel widmen, aus der das Erlangen der Erleuchtung heranreift, wird dieses Potenzial weiter bestehen bleiben, bis diese Erleuchtung tatsächlich erreicht ist. Es wird so lange anhalten und sich nicht erschöpfen, bis wir das Ziel der Widmung, nämlich die Erleuchtung zum Nutzen aller, erreichen. Es ist wichtig, das positive Potenzial auf weitreichende Weise zu widmen.

Die zwei Ebenen von Bodhichitta

Das hingebungsvolle Herz des Bodhichitta hat im Grunde zwei Ebenen. Haben wir einfach den Wunsch oder streben wir an, den Zustand der Erleuchtung zu erreichen und ein Buddha zu werden, um allen helfen zu können, nennt man dies die anstrebende Art des hingebungsvollen Herzens. Es gibt sowohl eine anstrebende, als auch eine ausübende Art des hingebungsvollen Herzens.

Die ausübende Art des hingebungsvollen Herzens ist ein Geisteszustand, bei dem man das Gefühl hat, es reicht nicht, einfach nur Erleuchtung zum Nutzen aller anzustreben. Vielmehr möchte man all die Praktiken eines hingegebenen Wesens oder Bodhisattvas ausüben, die einen tatsächlich auf diese Ebene führen werden. Unser Herz hat sich gänzlich auf die Praktiken eingelassen, die uns zur Erleuchtung führen und dadurch allen von Nutzen sein werden. Kurz gefasst sind dies die so genannten sechs weitreichenden Geisteshaltungen oder Vollkommenheiten und die vier Arten, auf andere einen positiven Einfluss zu haben. Die Geisteshaltung, mit der man den Wunsch hegt, sich in all dem zu schulen, nennt man die ausübende Art des hingebungsvollen Herzens.

An einem Beispiel können wir den Unterschied zwischen diesen zwei Arten des Herzens sehen. Wenn wir darüber nachdenken, nach Indien zu gehen, wäre der Wunsch, dies zu tun, die anstrebende Art des Herzens. Es ist jedoch nicht genug, sich einfach nur zu wünschen, nach Indien zu gehen. Wir müssen tatsächlich gewisse Schritte in diese Richtung unternehmen. Es ist notwendig, ein Visa zu beantragen, ein Flugticket zu buchen, eine Reservierung vornehmen usw. Dieser Prozess ähnelt dann der ausübenden Art des Herzens.

Freigebigkeit

Um uns in dieser Geisteshaltung zu schulen, ist es zunächst wichtig, eine gebende Haltung zu entwickeln. Großzügigkeit oder eine gebende Geisteshaltung ist die Einstellung, mit der wir bereit sind, anderen alles zu geben. Alles, was wir in diesem Leben genießen, all unser Besitz und all die anderen Dinge sind das Resultat von Großzügigkeit, die wir in vergangenen Leben praktiziert haben. Im Allgemeinen gibt es viele Objekte, denen wir etwas geben können. Wir können Dinge geben, indem wir sie den Buddhas darbringen und wir können anderen etwas geben, die es gerade benötigen; beispielsweise den Kranken, Armen und Bedürftigen. Wir können auch jemandem etwas geben, der sich gerade in einer sehr schwierigen und unangenehmen Situation befindet und versuchen, ihn damit zu erfreuen.

Da gibt es das Beispiel aus einem der vergangenen Leben des Buddha, der, als er auf eine hungrige Löwin traf, die sich mit ihren Jungen in einer schwierigen Situation befand, bereit war, seinen Körper der hungrigen Löwen zur Verfügung zu stellen. Im Grunde ist der Körper das, was wir am meisten schätzen und der Buddha hatte solch ein gebende Haltung, dass er bereit war, sich selbst als Nahrung für die hungrige Löwin darzubringen. Das ist eine sehr berühmte Geschichte.

Ethische Selbstdisziplin

Die zweite der weitreichenden Geisteshaltungen ist das Wahren einer strikten moralischen Disziplin. Das bezieht sich auf die ethische Disziplin, mit der man beispielsweise davon ablässt zu töten oder anderen Wesen das Leben zu nehmen und es unterlässt, irgendeine der zehn schädlichen Handlungen zu begehen. Fehlt es uns an jeglicher ethischen Selbstdisziplin, wird es uns nicht möglich sein, eine Wiedergeburt als ein Mensch oder als ein Gott zu erlangen. Daher ist es äußerst wichtig, eine strikte ethische Selbstdisziplin zu wahren, wenn wir weiterhin an einer guten Wiedergeburt interessiert sind.

Wenn wir Großzügigkeit praktizieren, jedoch kein bisschen ethische Selbstdisziplin haben, werden wir nicht als Mensch wiedergeboren werden, sondern vielleicht als ein Tier, dem großer materieller Besitz zur Verfügung steht. Durch die gebende Haltung werden wir materielle Besitztümer bekommen, aber weil wir keine Selbstdisziplin und keine Ethik hatten, werden wir nicht als Mensch, sondern als Tier wiedergeboren werden und es gibt unzählige Tiere, die über großen Besitz verfügen und Dinge hamstern.

Geduld

Die dritte Geisteshaltung ist, Toleranz und Geduld als eine nützliche Gewohnheit im Geist zu entwickeln. Wenn wir keine Toleranz und keine Geduld haben, werden wir wütend und Wut zerstört gänzlich das positive Potenzial und die positive Energie, die wir aufgebaut haben. Zuerst sammeln wir positives Potenzial an, aber dann werden wir zornig und zerstören alles, so, als würden wir einen belichteten Film am Flughafen durch die Röntgenkontrolle geben und ihn somit löschen. Wenn wir erst einmal wütend sind, ist es recht schwierig, sich sofort wieder zu beruhigen. Wir sollten uns jedoch darin üben, an all die Nachteile zu denken, die daraus folgen würden und das wird uns helfen zu verhindern, die Fassung zu verlieren.

Es gibt manche Menschen, die durch in der Vergangenheit geschaffene Gewohnheiten und Neigungen, eine starke Veranlagung dazu haben, immer unglücklich und trübselig zu sein, ständig ihre Fassung zu verlieren und dauernd wütend zu werden. Solche Menschen gibt es tatsächlich. Sind wir in einer bestimmten Situation immer wütend und frustriert, beispielsweise wenn wir mit gewissen Personen oder Objekten in Berührung kommen, die uns ständig nerven, kann es manchmal sehr hilfreich sein, diesen Ort zu verlassen und das, was uns wütend macht, vollkommen zu meiden. Es kann sehr hilfreich sein, einfach nicht mit den Dingen in Kontakt kommen, die uns immer wütend machen, um solch eine Haltung zu überwinden.

In ähnlicher Weise gibt es verschiedene Gründe, warum wir wütend werden und es ist am besten, nicht darüber nachzudenken. Auch sollten wir nicht darin herumstochern und ständig versuchen, die Gründe unserer Wut zu erforschen, sondern einfach versuchen es zu vergessen und keine Gedanken daran zu verlieren. So, wie wir bestimmte Dinge, die wir gelernt haben, vergessen, wenn wir nicht darüber nachdenken, vergessen wir auch unsere Wut, wenn wir uns nicht den Kopf darüber zerbrechen.

Wenn wir unsere Wut auf diese Weise überwinden können, nie wütend werden und in keiner Situation unsere Fassung verlieren, werden wir sehen, dass uns alle mögen und bewundern werden. Sie werden sagen: „Was für ein wunderbarer Mensch, er verliert niemals die Fassung.“ Wenn wir es nicht schaffen unsere Wut unter Kontrolle zu bringen, sondern ihr immer freien Lauf lassen, werden wir irgendwann sogar wegen winzigen Kleinigkeiten wütend werden. Jemand sagt uns, wir hätten eine komische Nase, worauf wir sofort einen Wutanfall bekommen.

Wenn wir wütend werden, können wir keine Harmonie und Balance mit anderen wahren und werden nichts erreichen, was wir uns vorgenommen haben. Es ist notwendig, mit anderen harmonische Beziehungen zu pflegen, um unsere Ziele zu verwirklichen und wir werden das nie schaffen, wenn wir ständig wütend auf andere sind. Ist es uns jedoch möglich, harmonisch mit jenen umzugehen, mit den wir zusammen arbeiten, werden wir Großes erreichen können. Durch eine harmonische Beziehungen werden wir zusammen mit anderen qualitativ gute Arbeit leisten können.

Ausdauer

Die nächste weitreichende Geisteshaltung ist die Ausdauer mit positivem Enthusiasmus, bei der wir voller Beharrlichkeit, Eifer und Freude etwas Positives tun. Arbeiten wir einfach nur sehr hart und bemühen wir uns intensiv um gewöhnliche, weltliche Angelegenheiten ist das kein positiver Enthusiasmus. Vielmehr geht es darum, große Anstrengungen in Bezug auf spirituelle Angelegenheiten und Übungen zu unternehmen.

Das Gegenteil der Ausdauer mit positivem Enthusiasmus ist das, was wir unter Faulheit verstehen. Es gibt drei Arten von Faulheit. Die erste Art der Faulheit ist das Gefühl der Unzulänglichkeit. Wir sehen uns beispielsweise all diese wunderbaren Taten der hingegebenen Wesen, der Bodhisattvas, an, wie sie ihren Körper anderen als Nahrung zur Verfügung gestellt haben und Ähnliches. Daraufhin fühlen wir uns völlig nutzlos und denken: „So etwas könnte ich nie tun.“ Das bezeichnet man als Gefühl der Unzulänglichkeit. Dies ist eine Art von Faulheit, denn wenn wir uns üben und praktizieren, können wir tatsächlich an einen Punkt gelangen, an dem wir solche Dinge tun können.

Die zweite Art der Faulheit ist die Faulheit des Aufgebens. Wir beabsichtigen beispielsweise, etwas Positives zu tun, arbeiten wie ein Fanatischer für ein paar Wochen und Monaten daran, aber dann erreichen wir nicht, was wir uns vorgenommen haben und geben auf. Das ist eine Form der Faulheit und es ist wichtig, nicht diese Art von Einstellung zu haben, sondern mit stetiger Bemühung beharrlich daran festzuhalten und nicht aufzugeben.

Die nächste Art der Faulheit ist die Faulheit des Aufschiebens, wenn wir ständig Dinge auf den nächsten Tag verschieben. Dann denken wir: „Ach, das mache ich einfach morgen,“ und so schieben wir es ständig auf. Hierbei handelt es sich um eine äußerst schlechte Geisteshaltung. Wenn jemand faul ist, wird es wirklich schwierig für ihn sein, irgendwelche guten Eigenschaften zu entwickeln, etwas zu erlernen oder zu beherrschen. Faulheit scheint von Natur aus etwas zu sein, dem nicht wirklich etwas Schlechtes anhängt. Tatsächlich ist es aber eine überaus negative Sache, denn wir vergeuden unser ganzes Leben auf diese Weise. Daher ist es von enormer Wichtigkeit, eine enthusiastische Geisteshaltung zu entwickeln.

In der Vergangenheit gab es einen großen Meister namens Dromtönpa, der eine Emanation von Chenrezig (Avalokiteshvara) war. Gegenüber seinem spirituellen Meister Setsünpa fühlte er sich aus ganzem Herzen verpflichtet und diente ihm mit großer Ernsthaftigkeit. Seine Praxis bestand darin, dass er mit seinen Füßen die Lederhäute seines Meisters weich machte, mit seinen Händen die Milch zu Butter stampfte und seine Rücken hin und her bewegte, um Joghurt zu machen. Und während er all dies tat, lagen seine Lehrbücher neben ihm und auf diese Weise studierte er mit großem Enthusiasmus und enormer Ausdauer. Er trat mit den Füßen auf den Lederhäuten herum, um sie weich zu machen. Mit seinen Händen machte er aus der Milch Butter und um Joghurt herzustellen, bewegte er seinen Rücken vor und zurück. Als Atisha nach Tibet kam und Dromtönpa traft, fragte er ihn, was er in der Vergangenheit getan hatte und Dromtönpa erklärte es ihm. Daraufhin antwortete er: „Von allen spirituellen Praktiken, die du geübt hast, war diese Art des Dienstes, diese Art der Handlung, die Positivste.

Ist man fähig und kompetent, wird man sowohl weltliche, als auch spirituelle Aktivitäten gut meistern können; ist man jedoch inkompetent, wird einem keines von beiden gelingen. Aus diesem Grund bin ich sehr glücklich, Menschen wie Sie zu sehen, die Jobs haben und tagsüber einer Arbeit nachgehen, und dann am Abend an verschiedenen spirituellen Unterweisungen und Aktivitäten teilnehmen. Dies zu sehen, macht mich überaus glücklich.

Geistige Stabilität

Die nächste weitreichende Geisteshaltung ist die geistige Stabilität, also die Beständigkeit des Geistes. Es ist notwendig, einen Geisteszustand zu entwickeln, mit dem wir Konzentration und geistige Stabilität haben. Dies bedarf einer bestimmten Methode, um den Geist zur Ruhe kommen zu lassen, indem wir uns auf ein Objekt der Konzentration richten. Dafür wählen wir ein Objekt und praktizieren eine Art der Meditation, indem wir uns auf dieses Objekt fixieren und unsere Aufmerksamkeit darauf richten. Dieses Objekt sollten wir mit Sorgfalt auswählen und es dann nicht wechseln, sondern versuchen, unseren Geist zur Ruhe kommen zu lassen und auf das Objekt zu fokussieren. Praktizieren wir auf korrekte Art und Weise, können wir innerhalb von sechs Monaten einen gelassenen beruhigten und zur Ruhe gekommenen Geist (Shamatha) mit vollkommener Konzentration erreichen.

Wenn wir mit der Meditation beginnen oder versuchen, hilfreiche Gewohnheiten zu schaffen, indem wir lernen uns zu konzentrieren, sollten wir sehr kurze, aber häufige Sitzungen haben. Es könnten beispielsweise täglich achtzehn kurze Sitzungen sein und auf diese Weise wird unsere Praxis erfolgreich sein. Wir rezitieren jedoch alle möglichen Praxistexte für die verschiedenen Gottheiten; wir versuchen Visionen von ihnen zu bekommen und die Gottheiten zu realisieren, sind aber nicht erfolgreich. Der Grund dafür ist, dass wir keinen still gewordenen und zur Ruhe gekommenen Geisteszustand entwickelt haben. Uns fehlt es an Konzentration. Wir setzen uns hin und versuchen, eine Mala OM MANI PADME HUM zu rezitieren. Doch obwohl unser Körper da ist, sind wir mit unseren Gedanken während der gesamten Rezitation ständig woanders.

Es gab jemanden, der ständig vergaß, was er tat. In seinen geschäftlichen Angelegenheiten vergaß er alles und wenn das passierte, sagte er zu den anderen: „Wartet einen Moment, ich setze mich kurz hin und spreche meine Gebete, dann werde ich mich erinnern.“ Es ist wichtig, sehr stark und entschlossen zu sein und sich beispielsweise vorzunehmen, eine gesamte Mala OM MANI PADME HUM zu rezitieren und während dieser gesamten Zeit den Geist nicht abschweifen zu lassen. Wenn man das tun kann, wird man großen Nutzen aus dieser Praxis ziehen können.

Wenn wir einen gelassen beruhigten und zur Ruhe gekommenen Geist entwickeln können, wird es uns sofort möglich sein, unseren Geist in die positive Richtung zu lenken, in der wir unsere Energie investieren wollen. Ist es uns möglich, diesen still gewordenen und zur Ruhe gekommenen Geisteszustand hervorzubringen, werden wir auf dieser Grundlage außersinnliche Wahrnehmung entwickeln können. Das wird uns jedoch nicht gelingen, solange unser Geist nicht still geworden und zur Ruhe gekommen ist.

Wenn wir diesen Geisteszustand jedoch hervorbringen können, ist es, als stünde uns ein riesiges Flugzeug zur Verfügung. Auf welche positive Sache wir unseren Geist auch ausrichten, es wird uns sofort möglich sein, mit großer Kraft und Energie dorthin zu gelangen. Und wenn wir unseren Geist auf etwas fokussieren möchten, wird er einfach dort bleiben und völlig unbeweglich sein.

Aber auch wenn wir einen still gewordenen und zur Ruhe gekommenen Geisteszustand entwickeln, wird das allein nicht ausreichen. Zusätzlich ist es zudem notwendig, einen Geisteszustand von außergewöhnlicher Wahrnehmungsfähigkeit, den Geisteszustand von Vipashyana, zu kultivieren, denn unser Geist sollte sowohl still geworden und zur Ruhe gekommen, als auch von außergewöhnlicher Wahrnehmungsfähigkeit und auf die Realität ausgerichtet sein.

Unterscheidendes Gewahrsein

Es ist notwendig, unterscheidendes Gewahrsein zu entwickeln, mit dem wir ein Verständnis von der Realität, der Leerheit, der Abwesenheit aller eingebildeten Existenzweisen haben und das bringt uns zu der sechsten weitreichenden Geisteshaltung, nämlich dem unterscheidenden Gewahrsein oder der Weisheit. Dieses unterscheidende Gewahrsein ist das Gewahrsein, mit dem wir verstehen, das es nicht so etwas wie eine wahre Identität gibt, weder in Bezug auf uns selbst, noch irgendeinem anderen Selbst.

Wenn diese Aussage gemacht wird, sollten wir das Verständnis haben, dass hiermit etwas geleugnet wird, was wir uns nur eingebildet haben, nämlich das Menschen oder wir selbst eine wahre, auffindbare Identität besitzen. Wir leugnen nicht die Existenz von Personen oder einem Selbst im Allgemeinen, sondern nur, eine wahre, auffindbare, konkrete Identität.

Hier ist es sehr wichtig, zwischen zwei Arten des „Ichs“ oder „Selbst“ zu unterscheiden. Zum einen gibt es das konventionelle, gewöhnliche Selbst und zum anderen das Selbst, welches wir uns nur eingebildet haben und welches widerlegt werden muss; und wenn wir zwischen diesen zwei nicht mit großer Sorgfalt unterscheiden, werden wir große Probleme bekommen.

Das konventionelle Selbst ist das Selbst, welches sich hin und her bewegt. Ich esse, ich gehe, ich tue negative Dinge und erfahre die daraus resultierenden Probleme. Ich tue positive Dinge und bin glücklich. Das ist einfach dieses reguläre „Ich,“ ein konventionelles Selbst. Zusätzlich dazu gibt es aber auch eine eingebildete Form des „Ichs.“ Hierbei handelt es sich um ein „Ich,“ welches ganz konkret aus sich selbst heraus existiert. Es existiert nicht nur als etwas, dass den Aggregat-Faktoren unserer Erfahrung zugeschrieben werden kann, sondern es scheint ganz für sich selbst zu stehen, unabhängig von allem anderen. Hierbei handelt es sich um bloße Einbildung, die widerlegt werden muss; jedoch widerlegen wir nicht das konventionelle, gewöhnliche „Ich,“ welches sich hin und her bewegt und Dinge tut.

Daher sollten wir auf der Grundlage dieses kostbaren Menschenlebens, das uns zur Verfügung steht, versuchen, dieses unterscheidende Gewahrsein zu entwickeln, mit dem wir verstehen können, dass es nicht so etwas wie wahre, auffindbare Identitäten gibt. Darüber hinaus sollten wir auch versuchen, ein hingebungsvolles Bodhichitta-Herz entstehen zu lassen. Auf diese Weise haben wir ein gütiges und warmes Herz gegenüber anderen, wir widmen uns ihnen vollständig und wir widmen uns dem Erlangen der Erleuchtung. Diese Dinge sollten wir auf der Grundlage unseres kostbaren menschlichen Lebens versuchen, in die Tat umzusetzen.

Wenn wir dieses unterscheidende Gewahrsein haben, mit dem wir Leerheit, die völlige Abwesenheit aller eingebildeter Existenzweisen, verstehen, können wir all unsere Probleme beseitigen und die Ebene der Befreiung von allen Schwierigkeiten erreichen. Haben wir, zusätzlich dazu, ein Herz, welches vollends anderen gewidmet ist, sowie dem Erreichen eines Zustands völliger geistiger Klarheit und der vollen Entfaltung, um die Ebene eines Buddhas zu erlangen, wird es uns tatsächlich möglich sein, diese Ebene eines Buddhas zu erlangen. Da uns dieses kostbare Menschenleben zur Verfügung steht, sollten wir unser Bestes geben und so gut wie möglich versuchen, diese zwei Dinge zu praktizieren.

Abschließender Ratschlag

Wenn wir unser Leben einfach nur dazu nutzen, materiellen Dingen hinterherzulaufen und immerfort nach noch mehr materiellen Besitztümern in diesem Leben trachten, werden wir das Gefühl haben, nie genug zu bekommen und wir werden einfach immer unzufrieden sein. Daher ist es von großer Wichtigkeit, eine Geisteshaltung zu entwickeln, bei der wir zufrieden mit dem sind, was wir haben und nicht endlos nach mehr und mehr streben. Wir sollten wissen, wann wir genug haben. Wenn wir kein Konzept oder Gefühl dafür haben, wann es genug ist, würden wir, auch wenn uns der Besitz und Reichtum der ganzen Welt zur Verfügung stehen würde, meinen, wir hätten nicht genug und würden noch mehr haben wollen.

Vielleicht gibt es eine bestimmte Speise, wie wir für unglaublich lecker halten und sie so sehr mögen, dass wir nicht wissen, wann wir mit dem Essen aufhören sollten. Dann essen wir so viel davon, bis wir krank werden und uns übergeben müssen. Wir sollten also lernen, zufrieden zu sein, zu wissen, wann wir genug haben und wir sollten daran denken, anderen zu helfen, niemandem wehzutun und unser Bestes geben, indem wir OM MANI PADME HUM rezitieren und auf diese Weise praktizieren, um ein warmes und gütiges Herz zu entwickeln. Diese Art der Praxis wird unserem Leben einen Sinn geben. Wir sollten unser Leben nicht damit vergeuden, zu versuchen, triviale Dinge zu erreichen, sondern danach trachten, Großes zu bewirken.

Es ist wichtig, daran zu arbeiten, auch für all unsere zukünftigen Leben Verdienste anzusammeln. Der entscheidende Punkt in der Praxis ist, immer ein gütiges und warmes Herz zu haben und uns immer glücklich mit anderen zu fühlen. Immer, wenn wir jemanden treffen, sollten wir glücklich sein, uns freuen und stets freundlich sein; das ist wirklich der zentrale Punkt. Wir sollten nie irgendwelche Gefühle oder Gedanken hegen, jemanden verletzten oder schaden zu wollen. Die grundlegenden Punkte der Praxis bestehen darin, alle schädlichen Gedanken zu beseitigen und Gedanken der Güte und des Wunsches, anderen zu helfen, zu entwickeln.

Wenn wir auf diese Weise für andere tätig sind und darauf hinarbeiten, sie auf eine hohe Stufe zu erheben, werden wir selbst dadurch Erleuchtung erlangen. Wir selbst werden zuerst Buddhaschaft erreichen. Üben wir uns beispielsweise selbst darin, alle guten Eigenschaften zu entwickeln und uns zu bilden und Wissen anzueignen, werden wir selbst erst einmal eine hohe Position bekommen. Haben wir diesen einflussreichen Status erlangt, wird es uns möglich sein, anderen effektiv helfen zu können. Daher ist es wichtig, diese Art des hingebungsvollen Herzens als unsere grundlegende Praxis zu betrachten, denn mit ihr engagieren wir uns, anderen zu helfen und für diesen Zweck unser vollstes Potenzial zu erreichen. Wenn wir jeden Tag, immer wieder aufs Neue, unser Herz anderen widmen könnten, uns immer wieder vornehmen würden, unser höchstes Potenzial zu erreichen und uns stets wünschen würden, dass alle von ihren Problemen frei und glücklich wären, würde das von enormen Nutzen sein.

Wir sollten diese verschiedenen Unterweisungen über Liebe und das hingebungsvolle Herz als einen persönlichen Ratschlag annehmen und versuchen, ihn umgehend in die Praxis umzusetzen, anstatt zu denken, es wäre etwas für die ferne Zukunft oder etwas sehr Fortgeschrittenes, was wir wahrscheinlich nie hinbekommen werden. Wenn wir mit der Schule beginnen, fangen wir beispielsweise sofort damit an zu lernen, das Alphabet zu schreiben und beginnen mit dem Buchstaben A und bauen dann darauf auf. In gleicher Weise sollten wir in unserer spirituellen Praxis damit beginnen, unser Herz anderen und dem Erlangen unseres vollsten Potenzials zu widmen. Widmen wir unser Herz immer wieder aufs Neue in dieser Weise, werden wir so eine sehr nützliche Gewohnheit in unserem Geist schaffen, so dass dieses hingebungsvolle Herz etwas ganz Natürliches und Stabiles in uns ist. Aus diesen Grund sollten wir versuchen, das Austauschen unserer geistigen Einstellungen gegenüber uns selbst und anderen zu praktizieren.

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