Gesunde Fürsorge für andere entwickeln

Rückblick

Das kostbare menschliche Leben und wie man daran arbeitet, sich vom Leiden zu befreien

Im Verlauf der aufeinanderfolgenden Stufen des Lam-rim haben wir die anfängliche und die mittlere Ebenen durchlaufen. Wir haben gesehen, dass es sehr wichtig ist, das konventionelle Selbst aufzubauen, mit anderen Worten, ein Gefühl für das konventionelle Selbst zu entwickeln, also die Existenz des konventionellen Selbst anzuerkennen und wertzuschätzen, bevor wir beginnen, das falsche Selbst auseinanderzunehmen. Wir machen uns bewusst, dass wir frei von schrecklichen Situationen und übermäßigen Hindernissen sind, und dass wir viele Möglichkeiten haben. Wir haben viele Gelegenheiten, in unserem Leben etwas Bedeutsames und Sinnvolles zu tun.

Eine der grundlegenden Annahmen im Buddhismus ist, dass jeder glücklich sein und niemand unglücklich sein möchte. Es ist so, als würde sich alles dem Leben und Wachstum zuwenden. Man möchte nicht zugrunde gehen, man möchte wachsen. Und jeder möchte glücklich sein. Mit der Wertschätzung des menschlichen Lebens wird uns klar, dass es möglich ist, darauf hinzuwirken, dass wir glücklicher werden. Das verschafft uns die Wertschätzung unserer Fähigkeit, etwas zu tun. Mit anderen Worten: Zunächst müssen wir uns um uns selbst kümmern, uns selbst ernst nehmen – ernst nehmen in Bezug darauf, dass wir existieren und glücklich sein möchten. Daran ist nichts verkehrt. Wir kümmern uns darum, was wir erleben. Das ist ein gesundes Selbstgefühl.

Einstweilen sind wir frei von wirklich schlimmem Leiden, doch wenn wir nichts dafür tun, ist es sehr wahrscheinlich, dass wir später wieder schreckliches Leid erleben, und das wollen wir verhindern. Auch das ist eine sehr gesunde Einstellung. An der Entwicklung von Kindern wird deutlich: Sie müssen lernen, dass Vieles gefährlich ist und ihnen Schmerzen und Leiden einbringt – etwa, wenn sie die Hand ins Feuer halten oder auf eine viel befahrene Straße laufen. Indem das Kind ein gesundes Gefühl für das eigene Selbst entwickelt, lernt es, die Ursachen für Leiden zu vermeiden. Hier im Verlauf der Entwicklung im Rahmen des Lam-rim tun wir das auf erwachsener Ebene.

Wir erkennen: Um Leiden loszuwerden, müssen wir die Ursache für das Leiden loswerden. Zuerst arbeiten wir daran, Selbstbeherrschung zu entwickeln, um destruktives Verhalten zu vermeiden, weil wir erkennen, dass solches Verhalten dazu führt, dass wir unglücklich sind. Wir versuchen daher, eine Beendigung der Ursachen des Leidens zu erreichen, indem wir einen bestimmten Mangel an Gewahrsein beheben. Es geht dabei um das mangelnde Gewahrsein in Bezug auf Ursachen und Wirkungen unseres Verhaltens. Wir üben Selbstbeherrschung und setzen unsere Willenskraft ein, um uns von destruktiven Handlungen zurückzuhalten, und das führt zu unserem gewöhnlichen Glück. Aber dieses gewöhnliche Glück dauert nicht an; es stellt nicht zufrieden usw.

Unmögliche Arten zu existieren: Das falsche „ich“ im Gegensatz zum konventionellen „ich“

Wir verstehen, dass das Problem darin besteht, dass wir im Sinne eines feststehenden „ich“ denken, das Kontrolle ausübt und das ungezogene Selbst beherrscht. In dieser Denkweise ist eine Art Fehler enthalten hinsichtlich unserer Vorstellung von uns selbst, die wir Selbstdisziplin üben. Selbstdisziplin, Willenskraft, Selbstbeherrschung und dergleichen sind notwendig. Sie beruhen auf dem konventionellen „ich“, nicht auf etwas, das wir verwerfen wollen. Vielmehr wollen wir die falsche Vorstellung von dem „ich“ loswerden, das all dies tut. Dafür müssen wir natürlich das mangelnde Gewahrsein beheben, einen Zustand, in dem uns unklar ist, wie wir existieren, d.h. wie dieses konventionelle „ich“ tatsächlich existiert, und den Glauben widerlegen, wir würden auf eine Art und Weise existieren, die in Wirklichkeit unmöglich ist. Diesen Glauben müssen wir loswerden.

Nun stellt sich die Frage, welches diese unmöglichen Arten zu existieren sind, die wir projizieren. Wir beginnen, sie zu widerlegen, und stellen allmählich fest, dass sie sich nicht auf irgendetwas Reales beziehen. Unsere Überlegungen dazu greifen immer tiefer. Und das alles beruht auf jenem gesunden Gefühl für das konventionelle „ich“, das glücklich sein möchte. Wir möchten nicht leiden. Und was wir erleben, liegt in unserer Verantwortung. Es ist nicht allein unsere Verantwortung; es ist nicht so, dass wir selbst der einzige ursächliche Faktor dafür sind, denn es gibt zahlreiche andere Faktoren die beeinflussen, was wir erleben. Aber dennoch spielen wir eine wichtige Rolle in Bezug darauf, was wir tun, und deswegen müssen wir in gewisser Weise in die Hand nehmen, was geschieht, und auf die Situation einwirken – allerdings nicht im Sinne eines großen Steuermanns, der irgendwo in unserem Kopf sitzt.

Die Entschlossenheit, frei zu sein

Probleme werden nicht von selbst verschwinden; wir müssen etwas dafür tun. Die Situation ist folgende:

  • Ich möchte das Leiden loswerden, das darin besteht, dass ich unglücklich bin.
  • Das gewöhnlichen Glück, das ich erreiche und erlebe, ist nie zufriedenstellend, und ich bekomme nie genug davon. Deswegen möchte ich auch diese Art problematischer Situation loswerden.
  • Und ich möchte verhindern, dass sich all das ständig wiederholt; ich möchte dieses zwanghafte Auf und Ab loswerden, die Grundlage dafür.

Wir sind also fest entschlossen, frei zu sein. Es ist das konventionelle „ich“ das frei sein möchte, es ist stark und gesund und imstande, klar zu erkennen, was von großem Nutzen ist, und es hat die Willenskraft, entsprechend zu handeln. Aber das wird ihm nicht gelingen, wenn wir das auf eine Art und Weise versuchen, die wir in den westlichen Ländern als großen Ego-Trip bezeichnen würden, nämlich im Sinne eines großen, starken, eigenständig existierenden Selbst: Ich werde mich jetzt selbst befreien.“ Das wird nicht gelingen. Was versuchen wir zu befreien? Wenn man versucht, ein falsches Selbst – wie wir es zuvor beschrieben haben – zu befreien – nun, solch ein Selbst gibt es nicht; das ist also zwecklos. Wir müssen das konventionelle Selbst befreien.

Mit der Willenskraft und Entschlossenheit des konventionellen Selbst üben wir uns in ethischer Selbstdisziplin, im Einhalten von Gelübden usw., die unserem Verhalten eine Struktur geben, und basierend auf dieser Disziplin sowie auf Vergegenwärtigung und Wachsamkeit, die wir mit der höheren ethischen Selbstdisziplin beim Einhalten von Gelübden immer stärker entwickeln, gewinnen wir das angemessene Werkzeug, um wirklich höhere Konzentration zu erlangen. Mit dieser höheren Konzentration sind wir in der Lage, das unterscheidende Gewahrsein aufrechtzuerhalten, mit dem wir jeglichen Glauben an eine unmögliche Existenzweise des „ich“ widerlegen, weil wir erkennen, dass diese sich nicht auf etwas Reales bezieht. Das ist die Bedeutung von Leerheit: die völlige Abwesenheit eines Objekts, auf das die Projektion von etwas Unmöglichem sich bezieht.

Und was ist noch unmöglich im Hinblick auf das Selbst? Es ist unmöglich, dass wir völlig getrennt von allen anderen existieren und leben. Es ist nicht nur so, dass es kein „ich“ gibt, das von der Grundlage eines Körpers und Geistes, von Emotionen, Empfindungen usw. völlig getrennt wäre, sondern es gibt auch kein „ich“, das von allen anderen getrennt wäre. Natürlich sind wir Individuen; wir sind also im konventionellen Sinne getrennt von anderen – ich bin nicht du. Wenn Sie etwas essen, füllt das nicht meinen Magen. Im konventionellen Sinne sind wir also getrennt und individuell, aber nicht in dem falschen Sinne, dass wir völlig beziehungslos und unabhängig von allen anderen existieren würden.

Liebe und Mitgefühl für uns selbst und jeden anderen entwickeln, und zwar auf emotionale und rationale Weise

Wenn wir wirklich ein gesundes Selbstgefühl im Sinne einer gesunden Entwicklung unserer selbst mittels des Lam-rim erlangen wollen, müssen wir uns auch um alle anderen Gedanken machen – um das konventionelle Selbst aller anderen. Wir haben erkannt, dass unsere gesamte Existenz von der Arbeit anderer Menschen abhängig ist, davon, dass andere Menschen uns aufgezogen haben usw. usw. Wie entwickeln wir nun eine gesunde Anteilnahme an anderen? Dafür möchten wir die Reichweite unserer Denkweise, die aufbauende Fürsorge, die wir empfinden, nicht nur auf dieses begrenzte „ich“, sondern auf alle ausdehnen. Was wir nun entwickeln wollen ist die Einsicht: Genauso wie ich glücklich und nicht unglücklich sein möchte, so geht es auch allen anderen. Wir möchten nicht nur den Wunsch entwickeln, das ich glücklich und nicht unglücklich werde – also im Grunde Liebe und Mitgefühl für mich selbst -, sondern dass jeder glücklich sein und nicht leiden möge, also Liebe und Mitgefühl für alle.

Nur, wenn wir Liebe und Mitgefühl für uns selbst haben, ist es überhaupt möglich, dass wir diesen Wunsch aufrichtig auch für andere hegen. Wir möchten ihn ausdehnen. Man fängt also bei sich selbst an und dehnt dann die Liebe und das Mitgefühl auf andere aus. Wenn wir hingegen denken: „Ich habe es nicht verdient, glücklich zu sein“ oder so etwas, warum sollte es denn jemand anderes verdienen, glücklich zu sein? Eine solche Einstellung ist sehr unausgewogen und ungesund.

Wenn wir Liebe und Mitgefühl entwickeln, können wir das auf zweierlei Art tun, und es ist sehr wichtig, beide einzusetzen:

  • die eine ist eine emotionale Art, Liebe und Mitgefühl zu entwickeln,
  • und die andere ist eine rationale Art, diese zu entwickeln.

Die beiden Arten verstärken sich gegenseitig. Wenn man nur eine davon einsetzt, fehlt etwas. Auf der mittleren Ebene haben wir darauf hingearbeitet, die störenden Emotionen loszuwerden, aber wir haben nicht unbedingt den ganzen Weg bis hin zum Zustand eines Arhats, eines befreiten Wesens, zurückgelegt, in dem wir völlig frei davon wären. Die meisten von uns sind so vorgegangen, dass wir eine Mahayana-Einstellung zu entwickeln versuchen, bevor wie einen solchen Zustand erreichen. Das heißt nicht, dass man die anfängliche und mittlere Ebene auslassen würde. Es bedeutet nur, dass man nicht den ganzen Weg bis zum Ende der mittleren Ebene zurücklegt. Alle Lam-rim-Lehren sind auf diese Weise aufgebaut.

Unsere Aufgabe ist nun, uns zu öffnen und Fürsorge für absolut jeden zu entwickeln, nicht nur für uns selbst. Das ist das Ausmaß der Mahayana-Einstellung. Es ist riesig; es umfasst alle. Verhindert wird das dadurch, dass wir uns zu einigen Wesen hingezogen und von anderen abgestoßen fühlen, während wir wieder anderen gegenüber gleichgültig sind. Das sind die drei so genannten „giftigen störenden Emotionen“:

  • sehnsüchtiges Verlangen,
  • Ärger oder Abscheu
  • und Gleichgültigkeit, Naivität – wir sind naiv in Bezug auf die Tatsache, dass eine andere Person existiert; also ignorieren wir sie.

Wenn wir bedenken, dass das Selbst keinen Anfang und kein Ende hat, so trifft das für ausnahmslos alle zu. Zu irgendeiner Zeit ist jeder schon einmal mein Freund gewesen, manchmal ist jeder auch schon mein Feind gewesen, und ein jeder war mir manchmal fremd; es ist nur eine Frage der Zeit, wann das gewesen ist. Diese drei Arten von Beziehungen haben ständig gewechselt. Daher haben wir diese Methode zur Entwicklung von Gleichmut gegenüber allen. Sie ist der mittleren und der fortgeschrittenen Ebene gemeinsam, da wir mit ihr auf die grundlegenden störenden Emotionen Einfluss nehmen: Anziehung, Abscheu, Gleichgültigkeit.

Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis: dass dies eine Gemeinsamkeit mit der mittleren Ebene ist, und dass es auf den groben störenden Emotionen basiert. Es basiert auf der Vorstellung von einem festen „ich“, das in unserem Kopf sitzt, und darauf, dass wir uns zu anderen hingezogen fühlen, um glücklich zu werden. „Wenn ich einige Menschen für „mich“ gewinnen kann und sie meine Freunde werden, mich mögen, mir Aufmerksamkeit schenken usw. – das wird dieses feststehende „ich“ glücklich machen. Wenn ich etliche andere von „mir“ fernhalten kann, wird „mich“ das ebenfalls glücklich machen. Und wenn ich manche einfach ignoriere und nichts mit ihnen zu tun haben muss, wird es mir gutgehen. Ich bin dann sicherer.“ All das hat mit der Vorstellung zu tun, man könne durch solche nutzlosen Versuche jenem Selbst, das vermeintlich am Schaltpult sitzt, Sicherheit verschaffen.

Doch jeder ist irgendwann einmal nett zu mir gewesen; jeder ist irgendwann gemein zu mir gewesen und hat mich verletzt, und jeder hat manchmal mir gegenüber gar nichts getan. Es gibt also keinen Grund, jemand Bestimmten zu mögen oder nicht zu mögen oder ihm gegenüber gleichgültig zu sein, denn jeder hat sich mir gegenüber auf alle drei Arten verhalten.

Und wenn das der Fall ist – wenn wir das erst einmal erkennen, haben wir einen gewissen Gleichmut gegenüber jedem -, dann ist jeder nicht nur irgendwann mein Freund und mein Feind und ein Fremder für mich gewesen, sondern jeder ist auch irgendwann meine Mutter gewesen – diejenige Person, die mir am meisten Güte erwiesen hat.

Sie sehen: So haben wir die störenden Emotionen gegenüber jedem zur Ruhe gebracht, und jetzt wollen wir gegenüber jedem positive Emotionen entwickeln. Das geschieht auf der Grundlage, dass jeder so gut zu mir gewesen ist, wie überhaupt nur jemand im Leben sein kann, und der klassische Prototyp dafür ist die Mutter. Wenn das für Sie nicht die Mutter war, sondern vielleicht Ihr Vater oder Ihr bester Freund, so ist das auch in Ordnung. Es geht um diejenige Person, die uns am meisten Gutes erwiesen hat; und zumindest hat unsere Mutter uns nicht abgetrieben und somit das Leben geschenkt.

Nun konzentrieren wir uns auf die Güte, die wir erfahren haben. Unsere Mutter mag uns gegenüber auch unfreundlich gewesen sein, aber es bringt keinen Nutzen, sich darauf zu konzentrieren; deswegen konzentrieren wir uns auf die Güte, die wir erfahren haben. Das Gefühl, das dadurch hervorgerufen wird, ist Dankbarkeit. Wir sind wirklich dankbar für all die Güte, die wir erfahren haben. Wir können diese Überlegungen ergänzen, indem wir daran denken, wieviel wir anderen zu verdanken haben, auch wenn sie nicht unsere Mutter waren. Sie haben die Nahrungsmittel angebaut, die wir essen, sie haben sie transportiert, sie haben die Straßen dafür gebaut, sie haben das Elektrizitätsnetz geschaffen – alles, was wir benutzen, entspringt der Arbeit von anderen. Ob sie das nun absichtlich zu unserem Nutzen getan haben, ist unwichtig. Weil sie diese Arbeit getan haben, die uns zugute kommt, sind wir sehr dankbar. Und weil wir all das zu schätzen wissen und so dankbar dafür sind, ist es nur natürlich, dass wir andere unterstützen möchten. Wir möchten etwas tun, um eine Art Ausgleich dafür zu schaffen – nicht aus einem Schuldgefühl heraus, sondern aus Dankbarkeit.

Das ist etwas sehr Wichtiges, was wir in dieser ganzen Erörterung beachten müssen, in der es um das Erwidern der Güte anderer geht. Es geht nicht darum, sie zu erwidern, weil wir Schulden bei ihnen haben und daher schuldig sind, wenn wir diese nicht zurückzahlen, und das deshalb wohl oder übel tun müssen. So ist es nicht. Wir möchten gern alles beheben und uns um alles kümmern, was mit jemand anderem nicht in Ordnung ist. Das ist der Sinn des Wortes, das hier im Tibetischen verwendet wird: dass wir so dankbar sind, dass wir uns ganz selbstverständlich gern nützlich machen würden, um jemand anderem zu helfen, weil wir das Gefühl haben, dass eine positive Verbindung vorhanden ist. Das ruft auf natürliche Weise eine herzliche Zuneigung hervor, die dazu führt, dass wir uns wirklich freuen, wenn wir jemandem begegnen, und es schrecklich fänden, wenn ihm etwas passiert.

Sehen Sie, im Text heißt es, dass man dafür keine gesonderte Meditation durchführen muss. Dieses Gefühl wird ganz von selbst aufkommen. Es wird tatsächlich automatisch aufkommen, wenn man wirklich dankbar für die Güte ist, die man erfahren hat. Wenn wir hingegen das Gefühl haben: „Ich bin ihnen das schuldig und muss das nun zurückzahlen“, werden wir uns sicherlich nicht freuen, wenn wir jemandem begegnen: „Ach du liebe Güte, jetzt muss ich freundlich zu dem sein, weil er vor fünf Millionen Leben nett zu mir war.“ Wir versuchen vielmehr, den Sinn der Lehren zu verstehen.

Diese Methode führt zur gefühlsmäßigen Entwicklung von Liebe – wir möchten, dass die anderen glücklich sind und dass sie die Ursachen dafür erlangen – und Mitgefühl: Wir möchten, dass sie frei von Leiden sind und die Ursachen dafür loswerden. Und wir werden tatsächlich versuchen, ihnen zu Glück zu verhelfen und zur Freiheit von Unglücklichsein und Leiden. Diese Abfolge finden wir z.B. auch in den Schritten zur Entwicklung der vier unermesslichen Geisteshaltungen: unermessliche Liebe, unermessliches Mitgefühl, unermessliche Freude und unermesslicher Gleichmut:

  • „Wie wunderbar wäre es, wenn jeder glücklich wäre“ – das ist der erste Schritt.
  • „Mögen sie alle glücklich sein“ – der zweite Schritt.
  • „Möge ich imstande sein, ihnen zu Glück zu verhelfen; ich werde etwas dafür tun.“
  • Und dann: „O spiritueller Meister, spirituelle Lehrer, Buddhas – lasst mir die Inspiration zukommen, sodass ich imstande bin, das zu tun.“

Eine gewisse Verantwortung zu übernehmen, etwas dafür zu tun, ist also Bestandteil von Liebe und Mitgefühl.

Gut, das ist also die emotionale Entwicklung dessen; doch sie muss noch verstärkt werden. Etwas nur auf bloßen Emotionen aufzubauen schafft keine stabile Basis.

Bitte verdauen Sie zunächst, was ich über diese emotionale Entwicklung von Liebe und Mitgefühl gesagt habe, mit der man erst einmal daran arbeitet, etwaige Rückstände der groben störenden Emotionen (Anziehung, Abscheu, Gleichgültigkeit) zu überwinden. Räumen Sie diese aus und entwickeln Sie dann das positive Gefühl von Liebe und Mitgefühl.

Es ist natürlich das konventionelle „ich“, das Liebe und Mitgefühl verspürt. „Andere sind gut zu mir gewesen“ – zu wem sind sie gut gewesen? Zum konventionellen „ich“. Wenn man nicht der Meinung wäre, dass es ein konventionelles „ich“ gibt, könnte man nicht einmal richtig über die Freundlichkeit nachdenken, die andere einem erwiesen haben. Wem hätten sie sie denn sonst erweisen sollen? Einem Niemand? – Diese Meditationen bestätigen also die Existenz des konventionellen „ich“.

Gut. Nun gibt es auch eine Darstellung subtiler störender Emotionen. Es gibt grobe störende Emotionen und subtile störende Emotion. Jetzt müssen wir uns anschauen, was die subtilen störenden Emotionen sind. Subtile störende Emotionen sind das, was übrig bleibt, wenn wir die anfängliche Ebene dessen widerlegt haben, was bezüglich des Selbst unmöglich ist. Wir haben erkannt, dass ein Selbst nicht auf die Art und Weise existieren kann, dass es von allem unbeeinflusst wäre, keine Teile hätte, unabhängig von irgendeiner Grundlage wäre, ganz für sich allein existieren und befreit werden könnte und ganz allein für sich erkannt werden könnte. Nachdem wir das widerlegt haben, müssen wir noch weitergehen; es reicht noch nicht aus, um alle störenden Emotionen zu beseitigen. Einigen Theorien zufolge wird es uns dazu verhelfen, die groben störenden Emotionen zu beseitigen, aber dann bleiben uns immer noch die subtilen übrig.

Nun müssen wir genau nachdenken und versuchen herauszufinden, was um alles in der Welt denn diese subtilen störenden Emotionen sind, die noch übrig bleiben. Sie beruhen nicht darauf, dass man denkt, dieses „ich“ sei eine Art Steuermann, der in unserem Kopf sitzt und andere Menschen dazu bringen möchte, „mich“ zu mögen, und diejenigen, die mir nicht gefallen, dazu, sich von „mir“ fernzuhalten. So denken wir nicht mehr, wenn wir an „mich“ denken. Wir wissen, dass eine derartige Existenzweise ein Fantasiegebilde ist, eine Fiktion. Wir haben keine Anhaftung oder Abscheu oder Gleichgültigkeit in Bezug auf andere mehr, aber was bleibt noch übrig an falschem „ich“? Es bleibt immer noch eine falsche Vorstellung von einem „ich“ übrig, nämlich dass das „ich“ getrennt von allem anderen existiert, so, als wäre es von Plastik umhüllt. Gut, wir verstehen, dass es den Aggregaten zugeschrieben ist und nur im Zusammenhang mit den Aggregaten erkannt werden kann und all das; aber es ist, weil es ja etwas Individuelles ist, wie von Plastik umhüllt, und ebenso ist auch jeder andere von Plastik umhüllt etwa so wie ein Tischtennisball.

Wenn ich es mir wie eine Art Tischtennisball vorstelle, ist es nicht so, dass ich von einem dieser anderen Tischtennisbälle angezogen oder abgestoßen würde, aber ich habe immer noch das Gefühl, dass einige mir nahe und andere mir fern sind. Das sind die subtilen störenden Emotionen: das Gefühl, dass manche mir nahe sind und ich ihnen zuerst helfen muss, und andere sind fern, weit weg. Wir machen diese Art von Unterscheidung. Das ist es, woran wir arbeiten müssen, um Liebe und Mitgefühl auf eine Art und Weise zu entwickeln, die rational ist und die diese subtilen störenden Emotionen überwinden wird. Es sind nicht die groben störenden Emotionen die hier zu überwinden sind.

Die emotionale Entwicklung von Liebe und Mitgefühl ist darauf ausgerichtet, die groben störenden Emotionen zu überwinden, und die rationale Art, Liebe und Mitgefühl zu entwickeln zielt darauf, die subtilen störenden Emotionen zu überwinden. Gemäß dem emotionalen Entwicklungsverlauf gibt es keinen Grund, von anderen angezogen oder abgestoßen oder ihnen gegenüber gleichgültig zu sein, da jeder gut zu uns gewesen ist, und wir entwickeln eine warmherzige emotionale Empfindung. Doch da wir immer noch einige als uns nahe und andere als uns fern betrachten, brauchen wir nun eine rationalere Vorgehensweise, um allen gegenüber die gleiche Einstellung zu entwickeln. Wir tun das auf der Grundlage der ganz rationalen Argumentation, dass wir alle gleichwertig sind. Alle gleichermaßen möchten glücklich sein und alle gleichermaßen möchten nicht unglücklich sein. Es gibt also rationale Argumente dafür, jedem gegenüber eine gleichwertige Einstellung zu haben, nicht nur den emotionalen Grund, der darauf beruht, „dass ja jeder gut zu mir war“.

Es gibt neun verschiedene Gesichtspunkte, die wir ganz rational einsetzen können um diese Gleichheit aufzuzeigen. Wir haben keine Zeit, sie alle durchzugehen, aber ich möchte darauf hinweisen, dass es neun Gesichtspunkte gibt, um zu zeigen, dass jeder gleichwertig ist. Mittels dieser Gesichtspunkte entwickeln wir den Gleichmut, der uns dazu verhilft, die subtilen störenden Emotionen zu überwinden. Auf durchaus rationale Weise erkennen wir dann, dass Unglücklichsein aus Selbstbezogenheit entspringt und Glück daraus, dass uns am Wohl der anderen gelegen ist. Wir haben bereits ein gesundes Selbstgefühl; es ist also nicht so, dass wir kein positives Gefühl uns selbst gegenüber haben und dann das negative Gefühl hinzufügen: „Es ist schrecklich, dass ich so selbstsüchtig und selbstbezogen bin.“ Damit würde man noch mehr Negativität auf das Selbst häufen. Der Austausch der Einstellung, der darin besteht, die Selbstbezogenheit zu beseitigen und das Wohl der anderen in den Vordergrund zu stellen, muss auf der Grundlage eines gesunden Gefühls für das konventionelle Selbst erfolgen.

Auf ganz rationale Weise erkennen wir, dass dieser Körper aus Teilen der Körper zweier anderer Menschen – Samen- und Eizelle der Eltern – zustande gekommen ist, genauso wie der Körper eines jeden anderen auch. Was macht es also für einen Unterschied, ob ich mir meine eigene Nase putze oder die Ihre? Da gibt es keinen Unterschied. Es ist die Nase eines Körpers, der aus anderen Menschen entstanden ist. Beide sind gleich. Ob ich mir das Hinterteil abwische, einem Baby das Hinterteil abwische, dem Baby von jemand anderem das Hinterteil abwische, Ihnen das Hinterteil abwische – was macht das für einen Unterschied? Man wischt ein Hinterteil ab. So, wie ich mich um diesen Körper kümmern kann, kann ich mich auch um den Körper von jemand anderem kümmern. Es ist einfach ein Körper. Das ist keine emotionale Art, Fürsorge für andere zu entwickeln, nicht wahr? Es ist eine sehr rationale Art, sie zu entwickeln.

So geht das also, und es gibt Übungen, unsere Einstellung uns selbst gegenüber und anderen gegenüber zu vertauschen, und es gibt die Übung von „tonglen“ - mit Liebe und Mitgefühl geben und nehmen: „Mögen sie glücklich sein; mögen sie frei von Leiden sein.“ Es ist sehr wichtig, diese doppelte Entwicklung von Liebe und Mitgefühl zu üben. Wenn man sie nur rational entwickelt, fehlt die emotionale Qualität. Und wenn man sie nur emotional entwickelt, sind sie nicht stabil. Die beiden Vorgehensweisen ergänzen einander.

Dann entwickeln wir den außergewöhnlichen Entschluss: „Ich werde den anderen nicht nur helfen im Sinne von ‚Mögen sie glücklich sein; mögen sie frei von Leiden sein‘“ – das bezieht sich auf die ersten beiden Arten von Leiden: das Leiden an deutlichem Unglücklichsein und das Leiden, auf gewöhnliche Weise glücklich sein zu wollen -, sondern, und darin besteht der außergewöhnliche Entschluss: „Ich möchte, dass sie das alles durchdringende Leiden loswerden und das, was die zwanghaft immer wieder auftretenden Wiedergeburten für sie verursacht.“ Dieser Entschluss besteht darin, dass ich Ihnen dazu verhelfen werde, die Hindernisse zu überwinden, die ihrer Befreiung im Wege stehen. „Ich werde ihnen helfen, Befreiung und sogar Erleuchtung zu erlangen.“ Das ist der außergewöhnliche Entschluss: wir entschließen uns, tatsächlich dafür zu sorgen, und es nicht bei der guten Absicht zu belassen.

Wir sehen also, wie wir ein immer stärkeres gesundes Selbstgefühl erlangen, sodass wir schließlich sagen können: „Ich werde jedem helfen. Möge jeder glücklich sein; möge ich imstande sein, jedem zu Glück zu verhelfen. Das werde ich tun.“ Diese Aussage bezieht sich auf das konventionelle Selbst. Und nun noch: „Nicht nur das werde ich tun, sondern ich werde jedem dazu verhelfen, Befreiung und Erleuchtung zu erlangen.“ Wir können also einen Prozess erkennen, beginnend mit der Entwicklung von Willenskraft und Selbstbeherrschung: „Ich werde mich von destruktivem Verhalten zurückhalten; und dann werde ich Konzentration entwickeln usw. und Befreiung erlangen; und nun werde ich jedem helfen.“ Man entwickelt also ein sehr kraftvolles, gesundes Selbstgefühl.

Bodhichitta und die Qualitäten des konventionellen Selbst

In demselben Prozess müssen wir jedoch die unmögliche Art und Weise widerlegen, wie wir uns die Existenz dieses Selbst vorstellen, das all das tut. Es ist nicht ein Steuermann, der in meinem Kopf sitzt; und es ist kein „ich“, das einem Tischtennisball gleicht. Wir sehen nun, dass wir, um jedem zu Befreiung und Erleuchtung verhelfen zu können, selbst erleuchtet sein müssen, und so entwickeln wir Bodhichitta. Mit Bodhichitta sind wir auf unsere eigene, persönliche Erleuchtung ausgerichtet – nicht auf Buddha Shakyamunis Erleuchtung, nicht auf Erleuchtung im allgemeinen, sondern auf unsere eigene, individuelle Erleuchtung, die noch nicht stattgefunden hat, die aber stattfinden kann, und zwar beruhend auf den ursächlichen Faktoren dafür, die es ermöglichen, dass sie stattfindet. Dazu gehören die beiden so genannten „Netzwerke positiver Kraft und tiefen Gewahrseins“, die üblicherweise als „die zwei Ansammlungen“ bezeichnet werden. Es sind so genannte Faktoren der Buddha-Natur.

Die positive Kraft ist das, was den Formkörper eines Buddha bewirkt; das tiefe Gewahrsein ist das, was den Geist eines Buddha bewirkt. Wir haben jetzt nicht die Zeit für einen detaillierten Vortrag über die Buddha-Natur. Es geht dabei auch um die Natur des Geistes, seine Leerheit, die die Transformation ermöglicht, und die Tatsache, dass das Geisteskontinuum emporgehoben und inspiriert werden kann. Auch das sind Faktoren der Buddha-Natur.

All das sind Qualitäten unseres konventionellen Selbst. Das Selbst kann diesen Faktoren zugeschrieben werden. Und es ist eine gewisse positive Kraft vorhanden. Woher wissen wir, dass wir überhaupt eine gewisse positive Kraft besitzen? Wenn wir je glücklich waren – überhaupt irgendwann, ganz gleich, auf welcher Ebene -, so ist das etwas, das aus positiver Kraft entspringt. Wir haben also eine so genannte Ansammlung von Verdienst. Wir haben etwas positive Kraft, sonst hätten wir noch nie Glück erlebt. Und wir haben etwas Verständnis, andernfalls würden wir noch nicht einmal wissen, was Nahrung ist, wie wir uns ernähren sollen oder sonst irgendetwas. Wir haben ein gewisses Ausmaß von Verständnis, es ist also ein Netzwerk tiefen Gewahrseins vorhanden. Dieser Grundlage können wir die Bezeichnung „ich“ zuschreiben – der Grundlage, welche das geistige Kontinuum ist, dem auch diese Netzwerke zugeschrieben werden.

Es ist wichtig zu verstehen, dass es nicht folgendermaßen ist: „Ich bin bereits ein Buddha, ich bin schon erleuchtet, dieser Zustand ist bereits in meinem Geist vorhanden und ich muss es nur erkennen.“ Das ist eine falsche Betrachtungsweise in Bezug auf das Selbst. Das ist das eine Extrem; und das andere Extrem lautet: „Ich kann nie Erleuchtung erlangen.“ Wenn wir jedoch verstehen, dass man dem geistigen Kontinuum rational und logisch die Ursachen zuschreiben kann, die uns befähigen, Erleuchtung zu erlangen, dann wird ersichtlich, dass es möglich ist. Aber es geschieht auf der Grundlage des konventionellen „ich“. Die individuelle Erleuchtung, die wir anstreben, findet jetzt noch nicht statt. Etwas, das noch nicht stattfindet, gibt es; wir können daran denken. Der morgige Tag findet jetzt, heute, noch nicht statt. Es ist der morgigen Tag. Gibt es einen morgigen Tag? Ja.

Gut, aufgrund dieses Bodhichitta ist also eine starke Bestätigung des konventionellen „ich“ vorhanden: „Ich werde das tun. Es ist möglich, das zu tun. Ich beabsichtige, Erleuchtung zu erlangen.“ Das ist der wünschende bzw. anstrebende Zustand von Bodhichitta und die Stufe des Versprechens: „Ich werde mich nie davon abwenden.“ Rufen Sie sich ins Gedächtnis, dass wir über die Zustände der Gewissheit gesprochen hatten:

  • „Ich bin mir dessen sicher. Ich werde daran arbeiten, Erleuchtung zu erlangen“;
  • dann, noch stärker, die feste Überzeugung – „Nichts wird mich davon abbringen“;
  • und dann: „Ich werde mich auf die Praktiken einlassen, die mich zur Erleuchtung bringen werden.“

Es ist interessant, dass das Wort, das wir hier mit „einlassen“ übersetzen, im Sanskrit „Avatara“ lautet – auf Hindi „Avatar“; wir werden also zum Avatar eines Bodhisattvas. Mit den weit reichenden Geisteshaltungen werden wir versuchen, das etwas selbst zu verkörpern. Und was tun wir als Avatar, der sich auf das Bodhisattva-Verhalten einlässt? Wir legen die Bodhisattva-Gelübde ab. Das gibt unserem Avatar als Bodhisattva die Form, die Struktur. Um die Gelübde einzuhalten, die die Grenzen der Form unseres Verhaltens bestimmen, die wir nicht überschreiten werden, üben wir die sechs weit reichenden Geisteshaltungen, die so genannten „Vollkommenheiten“ (Skt. paramita), und das Verhalten, das dadurch herbeigeführt wird.

Die sechs weit reichenden Geisteshaltungen

Die sechs weit reichenden Geisteshaltungen stärken ebenfalls das gesunde Gefühl eines konventionellen „ich“.

  • Großzügigkeit ist die Geisteshaltung des Gebens. Wir sind also überzeugt: „Ich habe etwas zu geben“ – das konventionelle „ich“ hat etwas zu geben. Wenn man etwas zu geben hat, erkennt man an „Ich bin etwas wert; ich habe einen Wert. Es ist etwas vorhanden, das ich geben kann.“
  • Auch ethische Selbstdisziplin stärkt das konventionelle „ich“. „Ich werde Selbstbeherrschung üben; ich werde mich von destruktiven Handlungsweisen zurückhalten; ich werde mich mit konstruktiven Dingen beschäftigen.“
  • Geduld: Es wird lange Zeit in Anspruch nehmen, Erleuchtung zu erlangen. Es ist sehr schwierig, anderen zu helfen. Wir können diese Ziele also nur beruhend auf dem konventionellen „ich“ erreichen, nicht auf der Grundlage eines „ich“, das meint: „Alles kann sofort geschehen“ und dergleichen. Deshalb wird man nicht ärgerlich, sondern kann die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, aushalten. Auch Geduld erfordert also das gesunde Gefühl eines konventionellen „ich“, das ausharren kann.
  • Ausdauer – das Sanskrit-Wort „Virya“ ist schwer zu übersetzen. „Virya“ hat etwas mit dem Wort „Vira“ zu tun, das im Sanskrit so etwas wie „Held“ oder „heldenhaft“ bedeutet. Damit steht das lateinische Wort „Vir“ in Verbindung, das „Mann“ bedeutet bzw. „männlich“ im Sinne von heroischem Mut. Den können natürlich auch Frauen haben, man sollte diese Bedeutung nicht auf sexistische Weise verstehen. Was hier in unserem Zusammenhang wirklich heroisch ist, ist die Geisteshaltung: „Ich werde die Kraft und die Energie dafür aufbringen.“ Das Unterfangen, Erleuchtung zu erreichen, erfordert eine Menge Mut. „Ich werde es tun; nichts wird nicht davon abbringen.“ Diese Qualität hilft uns auch, Trägheit zu überwinden. Es gibt verschiedene Geisteszustände, die dieses Virya, diese starke Ausdauer, die wir bewahren müssen, unterstützen, und zwar mit der Einstellung „Ich mache das gern. Ich möchte das machen.“ Shantideva weist darauf hin, dass einer der unterstützenden Faktoren ein gewisser Stolz ist, eine Selbstachtung – das tibetische Wort dafür lautet „nga-rgyal“ – „ich werde gewinnen“; „nga“ ist das konventionelle „ich“, und „rgyal“ beinhaltet die Bedeutung „Sieg“ – „ich werde siegen“, also ein Gefühl von Selbstvertrauen. Um diese mutige Kraft zu haben, uns heroisch auf dieses Unterfangen einzulassen, brauchen wir Selbstvertrauen. Das ist es, worum es bei diesem Stolz geht. Wenn im Tantra von göttlichem Stolz die Rede ist, wird dafür genau dasselbe Wort verwendet. „Ich werde das tatsächlich tun, ich bin in der Lage dazu – ein Buddha zu sein.“ Im Grunde verwenden wir dabei das konventionelle „ich“ als Bezeichnung für all die Aggregat-Faktoren eines jeden Moments, die den Geistesfaktor dieses Virya aufweisen – „Ich werde das machen“ -, und alles Verhalten, das damit verbunden ist. Das bin „ich“, das konventionelle „ich“.
  • Auch geistige Stabilität beinhaltet wiederum nicht nur Konzentration, sondern auch emotionale Stabilität.
  • Unterscheidendes Gewahrsein beinhaltet, zu unterscheiden, wie wir und alles andere existieren und wie nicht, und zu negieren, wie alles nicht existiert, also: was unmöglich ist. Sowohl um Befreiung als auch um Erleuchtung zu erreichen, müssen wir wirklich erheblich tiefer in unserem Verständnis dessen gehen, was unmöglich ist, mit anderen Worten, welche unmöglichen Existenzweisen wir auf das Selbst und alles andere projizieren.

Wodurch wird erwiesen, dass wir existieren?

Wir haben – hoffentlich – bereits verstanden, dass es kein Selbst gibt, das von nichts beeinflusst würde und keine Teile hätte; solch ein Selbst ist also keine Basis für die Zuschreibung oder Benennung „ich“. Es ist auch nicht etwas, das man befreien kann und das dann völlig getrennt von all den Faktoren und Bestandteilen wäre. Das haben wir schon verstanden, und wir haben verstanden, dass das Selbst nicht ganz für sich allein wahrgenommen werden kann. Dann verstehen wir also, was den Aggregaten, der Grundlage – Körper, Geist, Empfindungen, Emotionen, allem, was wir erleben – zugeschrieben werden kann. Das haben wir inzwischen begriffen. Es handelt sich nicht um ein feststehendes „ich“, das ihnen zugeschrieben wird, und das dann davon getrennt werden und für sich existieren könnte.

Dann überlegen wir: Wieso kann es diesen Momenten der Erfahrung zugeschrieben werden? Wir denken: „Es muss irgendwelche charakteristischen Merkmale des Selbst geben, die erweisen, dass ich „ich“ bin.“ Nun, wo sind diese charakteristischen Merkmale? „Ich“ – diese Bezeichnung wird dem Körper, dem Geist usw. zugeschrieben; wir könnten also denken, dass diese charakteristischen Merkmale auf Seiten der Grundlage für diese Bezeichnung vorhanden sind. Normalerweise denken wir dabei an unser Bewusstsein, unseren Geist: dass irgendetwas auf Seiten des Geistes vorhanden sein müsste, welches das charakteristische Merkmal ist, das ihn zu „meinem Geist“ macht, das meine Individualität beweist, das meine Existenz als „ich“ beweist.

Denken Sie darüber nach. Ich meine, das ist wirklich sehr subtil. Man denkt „ich“ – natürlich kann man auch „ich“ denken, ohne dabei an den eigenen Geist zu denken, doch normalerweise verbinden wir den Gedanken „ich“ mit unseren Geist, weil wir es für die Stimme halten, die uns durch den Sinn geht usw. Daher denken wir, der Geist sei „ich“, und das Individuelle, das charakteristisch für „mich“ ist, müsse sich im Geist befinden. „Klar, ‚ich‘ werde dem zugeschrieben, aber dieses charakteristische Merkmal muss im Geist zu finden sein, auf Seiten des Geistes, der die Grundlage für die Bezeichnung ‚ich‘ ist.“ Doch man kann diese Charakteristika nicht finden. Das, was den Geist zu „mir“ macht, zu „meinem Geist“, kann man auf Seiten des Geistes nicht finden. Das ist es also, was wir auf der subtileren Ebene widerlegen müssen: Das ist das falsche „ich“ – ein „ich“, das irgendwie mit seinen charakteristischen Merkmalen irgendwo auf Seiten des Geistes zu finden wäre.

Wenn wir ein bisschen tiefer gehen mit unserer Erforschung, wird ersichtlich, dass wir diese falsche Vorstellung von einem Geist haben, der sich selbst begründet. Darum geht es bei diesem ganzen Thema. Wenn wir uns die Sanskrit-Begriffe und auch die tibetischen Begriffe anschauen, wird deutlich, dass darin nicht von wahrer Existenz die Rede ist, sondern von wahrhaft erwiesener Existenz. Wodurch wird etwas erwiesen? Das ist der Schlüsselbegriff tib. sgrub, Skt. siddha. Es geht nicht so sehr darum, was bewirkt, dass ich existiere, oder wie ich erkenne, dass ich existiere, sondern wodurch es quasi bewiesen wird – was hat die Kraft dazu? Das Wort „erweisen“ wird auch im Sinne von „beweisen“ verwendet. Und was inkorrekt ist, ist die Annahme, es gäbe etwas auf Seiten des „ich“, das aus eigener Kraft beweist, dass ich existiere, oder dass es auf Seiten der Grundlage für die Zuschreibung, in diesem Fall auf Seiten des Geistes, etwas gibt, das meine Existenz beweist. Doch es gibt nirgends etwas, das man finden könnte und das aus eigener Kraft beweisen würde, dass ich existiere.

Die Vorstellung von einem Selbst, das sich aus eigener Kraft selbst erweisen würde, bezieht sich auf nichts Reales. Die Abwesenheit eines solchen Selbst ist das, wovon in den Lehren über die Leerheit die Rede ist: die völlige Abwesenheit eines tatsächlichen Bezugsobjektes für das, was wir uns vorstellen, nämlich ein „ich“, das sich einfach aus eigener Kraft selbst beweist – „Ich bin „ich“ - hier bin ich, aus eigener Kraft erwiesen, der Beweis, dass es „mich“ gibt – he, da bin ich!“ – oder etwas in meinem Geist, das erweist, dass ich existiere: „He – das ist Alex.“ Das ist eine Fantasievorstellung.

Geistige Benennung

Was erweist tatsächlich, dass es „uns“ gibt? Die geistige Benennung. Was bedeutet das? Es bedeutet nicht, dass ich nur existiere, wenn ich die Benennung verwende – „Alex, Alex, Alex“ „ich, ich, ich“ -, und nicht mehr existiere, wenn ich aufhöre, das zu benennen. Das bedeutet es natürlich nicht. Die geistige Benennung erschafft nichts. Wie begründen wir, dass es „mich“ gibt, dass „ich“ existiere? Nun, es gibt die Benennung, es gibt den Namen, es gibt das Wort, das damit verbunden ist, und die Tatsache, dass es sich im Sinne der Benennung auf irgendetwas bezieht. Dadurch wird erwiesen, dass etwas existiert. Worte, Begriffe usw. beziehen sich auf etwas, aber das, worauf sie sich beziehen, besteht nicht durch sich selbst aus eigener Kraft von seiner Seite aus und beweist, dass es existiert. Die Formulierung, die dafür verwendet wird, lautet, dass es nichts gibt, was es von hinten abstützt, wie ein Stützpfeiler.

Das ist der Grund dafür, warum ich die Unterscheidung zum Ausdruck gebracht habe – die es auch im Tibetischen gibt -, dass unsere Wörter und Begriffe, unsere Bezeichnungen sich auf etwas beziehen, aber dass es kein „Ding“ gibt, das diesen Wörtern entspricht. Was Wörter und Begriffe betrifft – bitte denken Sie daran, dass es da um Kategorien geht, so etwas wie geistige Schubladen. Wörter beinhalten Schubladen; da gibt es beispielsweise die Schublade „Liebe“ oder die Schublade „rot“ oder die Schublade „ich“. Aber die Welt existiert nicht in Schubladen. Das wäre es, was den Wörtern und Begriffen entsprechen würde: dass die ganze Welt – „ich“ und jeder andere – in dieser oder jener Schublade existiert. Man findet das alles hier im Wörterbuch unter diesem und jenem Eintrag. Doch die Dinge existieren nicht in Schubladen; also gibt es nichts, das unseren Bezeichnungen entspricht. Dennoch beziehen sich die Bezeichnungen auf etwas – denn ich übe ja Tätigkeiten aus, tue etwas usw. Das ist eine sehr subtiler Unterschied. Im Tibetischen gibt es dafür zwei Wörter btags-chos und btags-don.

Das ist ziemlich fein differenziert; es ist also etwas, womit wir uns wirklich beschäftigen müssen. Aber wie überträgt man das in unsere ganz gewöhnlichen Erfahrungen? Es läuft auf unseren altbekannten und geliebten Leitsatz „nichts Besonderes“ hinaus. Es gibt nichts Besonderes an „mir“, nichts auf meiner Seite, das mich so besonders macht, das mich zu „mir“ macht. Diesen Ausspruch „nichts Besonderes“ kann man auf vielen Ebenen von unterschiedlicher Tiefgründigkeit verstehen; aber alles fällt unter dieses Verständnis, dass nichts Besonderes an „mir“ vorhanden ist. Ich bin nur einer von vielen, und daher ist nichts da, weswegen ich mich unsicher fühlen müsste. Es gibt nichts, das ich sichern muss, nichts, das bedroht wird. Man macht einfach weiter im Leben, insbesondere damit, zu versuchen, die eigene Situation und die aller anderen zu verbessern. Man tut es einfach. Es ist nichts Besonderes daran, nicht Besonderes an „mir“. Tun Sie es einfach.

Fazit

So viel also zum Thema „Gesunde Entwicklung des Selbst durch Lam-rim“, den Prozess der Bestätigung und Stärkung dieses gesunden Ichgefühls, im Verlauf dessen man, sobald man es in einem gewissen Grade aufgebaut hat, dann anfängt, die falschen Vorstellungen darüber auszuräumen, wie das konventionelle „ich“ existiert, zu erkennen auf welche Art man das missversteht, nämlich als das falsche „ich“, und allmählich immer tiefer geht und immer subtiler wird in dem Verständnis, was dabei widerlegt wird.

Fragen

„Nichts Besonderes“ im Gegensatz zu Gleichgültigkeit

Die erste Frage bezieht sich auf „nichts Besonderes“: Wie zieht man die Grenzlinie zwischen, sagen wir, Selbstbezogenheit und einer bestimmten Art von Selbstdisziplin, die eigentlich etwas forciert?

„Nichts Besonderes“ ist sehr verschieden von „ach, nichts, ist doch egal“. Mit der Einstellung „nichts Besonderes“ machen wir keine große Sache aus dem, was wir tun. Man muss es nicht kundtun, man braucht keinen Dank dafür – nichts dergleichen. Ich will Ihnen ein Beispiel geben: Wir leben in einem Mietshaus und am Eingang im Hausflur liegt eine Menge Papier und Abfall am Boden. Also: „nichts Besonderes“, wir heben das Papier auf und tun es in die Mülltonne. Wie Shantideva sagt: Probleme haben keinen Besitzer; es ist also nicht mein Problem, es ist nicht Ihr Problem; es ist einfach ein Problem. Es muss eben gelöst werden, weil es ein Problem ist. Da liegt allerlei Papier auf dem Boden und jemand muss es aufheben, daran ist nicht Besonderes, und es ist nichts Besonderes daran, dass ich es tue. Man tut es einfach. Ohne dass man ein Schild an die Wand heften muss mit der Aufschrift „Dieses Papier wurde aufgelesen von …“ und dann mit dem Namen unterschreibt, und nicht mit dem Gefühl: „Ich bin das Opfer; alle im Haus sind so schrecklich nachlässig; warum muss ich immer allen etwas nachräumen“ und mit entsprechendem Groll auf all die anderen. „Ich bin etwas Besonderes, ich bin hier die Reinemachefrau“ oder der Reinemachemann. Man tut es einfach, wissen Sie, keine große Sache. Man hebt das Papier auf – na und? Man tut es, weil es getan werden muss. Das ist die Einstellung „nichts Besonderes“. Es ist nicht so, dass man nichts tut, und auch keine Selbstbezogenheit – „Nun, ich hab das Papier da nicht hingeworfen, warum sollte ich es also aufheben?“ Man tut eben, was getan werden muss.

So arbeitet man an der Grundlage für ein gesundes Gefühl des konventionellem „ich“, nicht des falschen „ich“, das herumlaufen und jedem hinterherräumen muss und meint „Ich bin ja so gut“, und „Ich bin ja so vollkommen“ und „Alle anderen sind einfach schrecklich“, „Ich bin der buddhistische Bodhisattva und werde hinter jedem saubermachen.“ So nicht.

Und wenn wir denjenigen sehen, der das Altpapier da hingeworfen hat?

Wenn Sie sehen, wie diese Person das Altpapier dort hinwirft, dann kommt es darauf an, ob sie empfänglich ist für Ihren Ratschlag. Da muss man sein Urteilsvermögen einsetzen.

Ob der andere stärker ist als ich …

Ob die Person stärker ist als ich usw. Da gibt es sehr schwierige Situationen. In der U-Bahn-Station in Berlin zum Beispiel, wo ich wohne, gilt die Regel „Rauchen verboten“. Aber manchmal rauchen dort einige von diesen ausgesprochen stark und aggressiv aussehenden jungen Männern. Wenn ich, ein alter weißhaariger Mann, zu ihnen hingehe und sage: „He, ihr dürft hier nicht rauchen“, kann es gut sein, dass ich eins auf die Nase kriege. In so einem Fall übt man also besser Geduld. Es ist nicht gar so schlimm, dass sie rauchen; das wird niemanden umbringen. Versuchen Sie, nicht auf die geistige Schiene zu geraten, alles zu kritisieren – „Ach, diese jungen Leute …“ blah, blah, blah und diese ganze destruktive Denkweise. Im Grunde erzeugt das nur ein unglückliches Gefühl in uns selbst, das ist alles, was dabei herauskommt.

Aber es gibt auch wirklich gefährliche Situationen. Schreitet man ein, wenn jemand einen anderen verletzt oder verprügelt usw.? Dann muss man einschätzen, ob man in der Lage ist, dem Einhalt zu gebieten oder nicht, oder ob man jemand anderen rufen kann, um dem Einhalt zu gebieten. Wenn man dazu fähig ist, tut man es, wenn nicht, versucht man, eine andere Möglichkeit zu finden, um dem ein Ende zu setzen. Das ist sehr heikel, sehr schwierig. Das ist der Grund, warum wir gern ein Buddha wären.

Ich kann mich an einen Vorfall erinnern, in dem ein Paar in der U-Bahn herumschrie und sich gegenseitig anbrüllte, richtig schlimm und sehr aggressiv. Jemand wollte einschreiten und sagte zu dem Mann: „He, lassen Sie die Frau doch in Ruhe.“ Und da wandten sich alle beide gegen diese Person, weil sie ja ein Paar sind und eben Streit miteinander haben und sich anschreien. Das ist einfach die Art und Weise, wie sie miteinander umgehen, und das geht niemanden etwas an. – Das sind Gründe, warum man ein Buddha werden muss, damit man weiß, was in der jeweiligen Situation wirklich vor sich geht.

Ich habe selbst solche Nachbarn. Es handelt sich um ein altes türkisches Ehepaar, und ich höre sie durch die Wand, manchmal schreien sie sich an, so laut sie nur können. Und trotzdem sind sie, wenn ich sie besuche und sie mich einladen, ein überaus glückliches und liebevolles Ehepaar. Das ist nur ihre Art, wie sie sich verständigen und wie sie etwas hervorheben wollen und Unstimmigkeiten haben. – Allwissenheit wäre durchaus nützlich.

Ein anderer interessanter Ansatz wäre, wenn man sieht, wie jemand das Altpapier hinwirft, dann hinzugehen, es aufzuheben und hinauszubringen, während die andere Person das sieht.

Naja, da muss man sehr aufpassen, dass man das nicht als „Seht mal, wie gut ich bin“ durchführt, mit der Absicht, dass die andere Person sich dann schuldig fühlt. Ich weiß nicht, so etwas ist sehr schwierig. Ich denke gerade an das Beispiel eines einjährigen Babys, das auf seinem Kinderstuhl sitzt und immer alles, was es in die Hand bekommt, auf den Fußboden wirft. Wie bringt man einem Einjährigen bei, das bleibenzulassen? Gar nicht so einfach. Das erfordert eine Menge Geduld. Das Baby einfach anzuschreien und es dafür zu schlagen – das wird das Baby nicht verstehen. Und Erwachsene können sich auch sehr babyhaft benehmen. Das ist der Ausdruck, den Shantideva immer verwendet: Die Menschen sind kindisch. Es hilft uns, Geduld zu entwickeln, wie wir das gegenüber einem Kleinkind tun würden – hoffentlich.

Merkmale eines gesunden konventionellen „ich“

Zum Teil ist diese Frage wahrscheinlich schon beantwortet, denn in der Frage hier ging es um die Merkmale des gesunden konventionellen „ich“.

Die Merkmale eines gesunden konventionellen „ich“: Ein gesundes konventionelles „ich“ ist eines, das

  • Verantwortung für die eigenen Handlungen übernimmt,
  • die Folgen unserer Handlungen für uns selbst und andere in Betracht zieht,
  • auf realistische Weise daran arbeitet, die Qualität des eigenen Lebens und desjenigen von anderen zu verbessern, in welchem Ausmaß auch immer es dazu fähig ist,
  • stark genug ist, Selbstbeherrschung üben zu können, um sich zurückzuhalten von etwas, das schädlich wäre,
  • und die Willenskraft hat, sich mit etwas zu beschäftigen, das konstruktiv und förderlich ist.

Das wäre es, was ein gesundes Gefühl von „ich“ ausmacht und das „ich“ nicht zu etwas übersteigert, was völlig unmöglich ist – zu jemandem, der stets Herr der Lage ist, stets perfekt ist, dem stets von allen Aufmerksamkeit gezollt wird und den immer alle mögen.

Ich finde immer die Aussage sehr hilfreich: „Nicht jeder mochte den Buddha. Was erwarten wir also – dass jeder uns mag?“ Und wenn wir Fehler machen: „Was erwarten wir denn von Samsara?“ Wir sind kein befreites Wesen – was erwarten wir also? Natürlich werden wir Fehler machen, und solange wir noch kein befreites Wesen sind, werden wir ärgerlich werden. Also kein Grund, Schuldgefühle zu haben. An sich arbeiten, sicher, aber wir brauchen keine Schuldgefühle zu haben, wenn wir etwas vermasseln. Schuldgefühl bedeutet, dass wir das, was wir getan haben, als überaus schlimm identifizieren und „mich“ aufgrund dessen als überaus schlecht, und daran halten wir fest und lassen es nicht mehr los. Das ist Schuld. Dabei denkt man an sich selbst ganz und gar im Sinne dieses falschen „ich“, dieses feststehenden „ich“, das ganz schlecht ist. Doch: „Ich habe einen Fehler gemacht; ich bin unter den Einfluss von störenden Emotionen und Verwirrung geraten. Na klar, ich bin ja noch kein befreites Wesen, aber ich arbeite dran.“ Und dann wenden wir verschiedene Gegenmittel an. Wir tun das – nichts Besonderes.

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