Die Notwendigkeit Asangas Darstellung des Karmas zu überdenken

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Rückblick

Wir machen nun mit unserer Diskussion darüber weiter, was Karma tatsächlich bedeutet. Wir haben bereits über die weniger komplexe Darstellung des indischen Meisters Asanga gesprochen, die im Kontext des Chittamatra-Lehrsystems präsentiert wird. Die wörtliche Übersetzung von Chittamatra lautet „nur Geist“. Wir haben gesehen, dass sich Karma in diesem System nur auf den Geistesfaktor eines Dranges bezieht. Ein Drang ist der Geistesfaktor, der, während er sich auf ein Objekt fokussiert, unser Bewusstsein und dessen begleitende Geistesfaktoren dazu bringt, eine bestimmte Handlung gegenüber diesem oder einem anderen Objekt auszuführen. Im Einklang mit der Betonung des Chittamatra auf „nur Geist“ sind alle drei Arten von Karma – das Karma, das mit Handlungen des Körpers, der Rede und des Geistes verbunden ist – der Geistesfaktor eines Dranges. 

Das geistige Kontinuum eines Buddhas würde natürlich durch die Kraft seines Mitgefühls dazu geneigt sein, für ein oder mehrere Wesen etwas Nutzbringendes tun. Betrachtet den Fall aller begrenzter Wesen: Dies wird normalerweise mit „fühlenden Wesen“ übersetzt, bezieht sich aber auf Wesen, die nicht nur einen begrenzten Geist, sondern auch einen begrenzten Körper haben, also keine Buddhas sind. Wir können uns nicht in unzählige Formen erweitern und wir leben auch nicht ewig. Ein Buddha ist also kein fühlendes oder begrenztes Wesen. Würde sich die Übersetzung lediglich auf „fühlende Wesen“ beziehen, wäre es vielleicht nicht so einfach zu verstehen, warum ein Buddha kein fühlendes Wesen mehr ist. Jedenfalls sind die Dränge, in unserer Situation als begrenzte Wesen, zwanghaft und das ist es, worum es beim Karma geht.

„Zwanghaft“ bedeutet, keine Kontrolle über etwas zu haben. Diese Dränge sind befleckt, da sie durch störende Emotionen und Geisteshaltungen herbeigeführt und auch von ihnen begleitet werden. Die störenden Faktoren werden als Faktoren definiert, durch die wir unseren geistigen Frieden und unsere Selbstbeherrschung verlieren, wenn sie auftauchen. In diesem System meinen wir mit Karma einen zwanghaften Geistesfaktor, der uns dazu bringt, auf bestimmte Weise zu denken, zu sprechen oder zu handeln. Auch das ist befleckt und vermischt mit störenden Emotionen usw. 

Karma bezieht sich nicht auf die Handlungen selbst, sondern auf den zwanghaften Drang, der unsere Gedanken, Worte oder Taten antreibt. Laut diesem System ist es keineswegs notwendig damit aufzuhören etwas zu denken, sagen oder zu tun, um uns von Karma zu befreien; wir müssen uns lediglich von der Zwanghaftigkeit unseres Verhaltens lösen. 

Wir haben auch gesehen, dass wir nicht einfach nur von Handlungen sprechen können und uns stattdessen auf Pfade des Karmas beziehen, die ein Komplex mehrerer Faktoren sind. Da gibt es eine Basis, auf die unser Verhalten gerichtet ist. Dann gibt es einen motivierenden Rahmen: eine Unterscheidung auf dieser Basis, ein Ziel oder eine Absicht, die auch erfordert, dass wir erkennen, was und wem gegenüber wir etwas tun wollen, sowie eine motivierende positive oder negative Emotion. Und dann gibt es die Anwendung dessen in unserem Verhalten, was bedeutet, eine Methode anzuwenden, um die Handlung auszuführen. In den Texten ist hier nicht von dem Wort „Handlung“ die Rede, sondern davon, etwas „anzuwenden“ – sprich, den motivierenden Rahmen in Bezug auf die Basis anzuwenden. 

Und schließlich brauchen wir Mittel, um das beabsichtigte Endziel zu erreichen. Wenn wir beispielsweise beabsichtigen, jemanden zu töten und auch schießen, aber daneben treffen, haben wir ganz offensichtlich niemanden getötet. Alles, was wir getan haben, ist, auf jemanden zu schießen, und unsere Tat ist zu etwas anderem geworden; es war kein Töten. Sagen wir etwas Unwahres und lügen jemanden mit der Absicht an, ihn zu täuschen und der andere glaubt uns nicht, dann haben wir ihn nicht wirklich getäuscht. Unsere Handlung wird zu sinnlosem Geschwätz und im Grunde machen wir uns nur lächerlich. 

Dieser gesamte Komplex durchläuft ein Kontinuum. Da gibt es jene Dinge, die mit dem Beginn der Handlung und dann mit dem Aufrechterhalten und Fortfahren der Handlung einhergehen und schließlich all das, was mit dem Beenden verbunden ist. Der Pfad des Karmas bezieht sich auf all diese Dinge. Karma ist das, was dazu führt: der Drang, zunächst etwas zu denken; der Drang, die physische Handlung auszuführen; der Drang, mit ihr fortzufahren und schließlich der Drang, sie zu beenden. Das Karma, das den gesamten Prozess antreibt, wird als getrennt vom eigentlichen Pfad betrachtet, und natürlich können sich all die Faktoren, die daran beteiligt sind, im Verlauf dieses ganzen Ereignisses ändern. Das ist ziemlich komplex, nicht wahr?

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