Die Notwendigkeit Asangas Darstellung des Karmas zu überdenken

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Rückblick

Wir machen nun mit unserer Diskussion darüber weiter, was Karma tatsächlich bedeutet. Wir haben bereits über die weniger komplexe Darstellung des indischen Meisters Asanga gesprochen, die im Kontext des Chittamatra-Lehrsystems präsentiert wird. Die wörtliche Übersetzung von Chittamatra lautet „nur Geist“. Wir haben gesehen, dass sich Karma in diesem System nur auf den Geistesfaktor eines Dranges bezieht. Ein Drang ist der Geistesfaktor, der, während er sich auf ein Objekt fokussiert, unser Bewusstsein und dessen begleitende Geistesfaktoren dazu bringt, eine bestimmte Handlung gegenüber diesem oder einem anderen Objekt auszuführen. Im Einklang mit der Betonung des Chittamatra auf „nur Geist“ sind alle drei Arten von Karma – das Karma, das mit Handlungen des Körpers, der Rede und des Geistes verbunden ist – der Geistesfaktor eines Dranges. 

Das geistige Kontinuum eines Buddhas würde natürlich durch die Kraft seines Mitgefühls dazu geneigt sein, für ein oder mehrere Wesen etwas Nutzbringendes tun. Betrachtet den Fall aller begrenzter Wesen: Dies wird normalerweise mit „fühlenden Wesen“ übersetzt, bezieht sich aber auf Wesen, die nicht nur einen begrenzten Geist, sondern auch einen begrenzten Körper haben, also keine Buddhas sind. Wir können uns nicht in unzählige Formen erweitern und wir leben auch nicht ewig. Ein Buddha ist also kein fühlendes oder begrenztes Wesen. Würde sich die Übersetzung lediglich auf „fühlende Wesen“ beziehen, wäre es vielleicht nicht so einfach zu verstehen, warum ein Buddha kein fühlendes Wesen mehr ist. Jedenfalls sind die Dränge, in unserer Situation als begrenzte Wesen, zwanghaft und das ist es, worum es beim Karma geht.

„Zwanghaft“ bedeutet, keine Kontrolle über etwas zu haben. Diese Dränge sind befleckt, da sie durch störende Emotionen und Geisteshaltungen herbeigeführt und auch von ihnen begleitet werden. Die störenden Faktoren werden als Faktoren definiert, durch die wir unseren geistigen Frieden und unsere Selbstbeherrschung verlieren, wenn sie auftauchen. In diesem System meinen wir mit Karma einen zwanghaften Geistesfaktor, der uns dazu bringt, auf bestimmte Weise zu denken, zu sprechen oder zu handeln. Auch das ist befleckt und vermischt mit störenden Emotionen usw. 

Karma bezieht sich nicht auf die Handlungen selbst, sondern auf den zwanghaften Drang, der unsere Gedanken, Worte oder Taten antreibt. Laut diesem System ist es keineswegs notwendig damit aufzuhören etwas zu denken, sagen oder zu tun, um uns von Karma zu befreien; wir müssen uns lediglich von der Zwanghaftigkeit unseres Verhaltens lösen. 

Wir haben auch gesehen, dass wir nicht einfach nur von Handlungen sprechen können und uns stattdessen auf Pfade des Karmas beziehen, die ein Komplex mehrerer Faktoren sind. Da gibt es eine Basis, auf die unser Verhalten gerichtet ist. Dann gibt es einen motivierenden Rahmen: eine Unterscheidung auf dieser Basis, ein Ziel oder eine Absicht, die auch erfordert, dass wir erkennen, was und wem gegenüber wir etwas tun wollen, sowie eine motivierende positive oder negative Emotion. Und dann gibt es die Anwendung dessen in unserem Verhalten, was bedeutet, eine Methode anzuwenden, um die Handlung auszuführen. In den Texten ist hier nicht von dem Wort „Handlung“ die Rede, sondern davon, etwas „anzuwenden“ – sprich, den motivierenden Rahmen in Bezug auf die Basis anzuwenden. 

Und schließlich brauchen wir Mittel, um das beabsichtigte Endziel zu erreichen. Wenn wir beispielsweise beabsichtigen, jemanden zu töten und auch schießen, aber daneben treffen, haben wir ganz offensichtlich niemanden getötet. Alles, was wir getan haben, ist, auf jemanden zu schießen, und unsere Tat ist zu etwas anderem geworden; es war kein Töten. Sagen wir etwas Unwahres und lügen jemanden mit der Absicht an, ihn zu täuschen und der andere glaubt uns nicht, dann haben wir ihn nicht wirklich getäuscht. Unsere Handlung wird zu sinnlosem Geschwätz und im Grunde machen wir uns nur lächerlich. 

Dieser gesamte Komplex durchläuft ein Kontinuum. Da gibt es jene Dinge, die mit dem Beginn der Handlung und dann mit dem Aufrechterhalten und Fortfahren der Handlung einhergehen und schließlich all das, was mit dem Beenden verbunden ist. Der Pfad des Karmas bezieht sich auf all diese Dinge. Karma ist das, was dazu führt: der Drang, zunächst etwas zu denken; der Drang, die physische Handlung auszuführen; der Drang, mit ihr fortzufahren und schließlich der Drang, sie zu beenden. Das Karma, das den gesamten Prozess antreibt, wird als getrennt vom eigentlichen Pfad betrachtet, und natürlich können sich all die Faktoren, die daran beteiligt sind, im Verlauf dieses ganzen Ereignisses ändern. Das ist ziemlich komplex, nicht wahr?

Warum Tsongkhapa eine andere Erklärung in Bezug auf Karma vertrat

Was ist nun das Problem mit Asangas Formulierung? Warum hat Tsongkhapa sie abgelehnt und im Kontext der Gelug-Prasangika-Sichtweise eine unterschiedliche Darstellung vertreten? Der offensichtlichste Grund ist, dass er ein strenger Anhänger von Nagarjuna war, der nicht nur Vasubandhu, sondern auch Asanga zeitlich vorausging. Daher ist es vollkommen vertretbar, dass Tsongkhapa Nagarjunas Grundprämisse über das Karma physischer und verbaler Handlungen als Formen physischer Phänomene akzeptiert und Asangas Behauptung, dass sie Geistesfaktoren sind, zurückweist. Dies ist der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Erklärungen des Karmas. 

Da dies der Fall ist, denke ich, dass es auch einige tiefere Gründe dafür geben muss, dass Tsongkhapa an Nagarjunas Behauptung über das Karma von physischen und verbalen Handlungen festhielt, die von Vasubandhu ausgearbeitet wurde und die Tsongkhapa im Rahmen seiner Prasangika-Interpretation von Nagarjuna modifizierte. Persönlich halte ich es für äußerst wichtig, diesen Aspekt zu analysieren. Ansonsten lernen wir einfach nur, dass es da verschiedene Systeme gibt, aber was damit? Wir können mit dem einen oder dem anderen System arbeiten und es macht keinen großen Unterschied, außer dass eins von beiden komplizierter ist. 

Der Grund für die Modifikation ist, dass Tsongkhapa offensichtlich das Gefühl hatte, dass es in Asangas System ein Problem gibt – etwas, das widerlegt werden muss – und das gilt es zu analysieren. Obwohl Vasubandhu in seinem Eigenkommentar zum Abhidharmakosha und in seinen Chittamatra-Texten auf die Probleme hinweist, die sich mit seiner Vaibhashika-Erklärung vom Sautrantika-Standpunkt aus ergeben – wenn auch nicht so schwerwiegend wie die Kritik vom Prasangika-Standpunkt aus –, habe ich keine Prasangika-Widerlegung der Probleme mit Asangas Chittamatra-Erklärung gesehen oder gehört. Das, was ich präsentieren werde, stammt aus meiner eigenen Analyse – eine vorläufige Analyse, die weiterer Untersuchung bedarf. Auch wenn das Thema kompliziert ist und meiner Analyse ohne das Hintergrundwissen einer Dharma-Ausbildung vielleicht nicht leicht zu folgen ist, habt bitte Geduld mit mir und versucht, so gut wie möglich mitzukommen. Wir werden am Ende dieses Seminars noch darauf zurückkommen; zunächst möchte ich meine Analyse jedoch erst einmal vorstellen. 

Worin besteht nun das Problem in Asangas System? Wir sollten in Betracht ziehen, dass Asanga diese Sichtweise in Bezug auf Karma im Rahmen des Chittamatra-Lehrsystems präsentiert hat. Was sind also die problematischen Merkmale des Chittamatra-Systems, die hier von Bedeutung wären? Ich glaube, das Problem liegt in den Behauptungen des Chittamatra, dass alles, was mit Karma zu tun hat, substanziell erwiesene Existenz hat, sowie in seinen Formulierungen der Leerheit, der Buddha-Natur, den verschiedenen Ursachen und darin, wie all diese Merkmale die Chittamatra-Erklärung des Entstehens der Formkörper eines Buddhas beeinflussen. Aus diesem Grund habe ich davon gesprochen, wie wichtig es ist, ein sehr breit angelegtes Studium zahlreicher Aspekte des Dharmas zu haben, wenn wir uns einem bestimmten Thema im Dharma widmen. Auf diese Weise ist man dann in der Lage, Dinge miteinander zu kombinieren und zu einem Verständnis zu gelangen. Ansonsten hat man einfach nur zusammenhanglose Bruchstücke von Informationen. 

In Bezug auf Karma vertreten sowohl Chittamatra als auch Prasangika das Konzept des anhängigen Entstehens, jedoch ist das Chittamatra-Verständnis begrenzter als das des Prasangika. Da gibt es die zwölf Glieder des anhängigen Entstehens, aber darüber werden wir jetzt nicht reden. Sie werden von beiden Systemen, sowie auch vom Vaibhashika- und Sautrantika-System akzeptiert, aber die Funktionsweise wird in diesen auf verschiedenen Ebenen der Komplexität beschrieben. Wenn wir jedoch Karma und den Zusammenhang mit unkontrollierbar sich wiederholender Wiedergeburt auf einer tiefgreifenderen Ebene verstehen wollen, ist es notwendig die zwölf Glieder zu verstehen. Das ist jedoch nicht unser Thema an diesem Wochenende. 

Wenn im Chittamatra von abhängigem Entstehen philosophisch die Rede ist, wird abhängiges Entstehen von nichtstatischen Phänomenen im Sinne von Ursache und Wirkung dargestellt und das abhängige Entstehen aller Phänomene, sowohl statisch als auch nichtstatisch, im Sinne eines Ganzen und seiner Teile präsentiert. Auch die Prasangika-Schule akzeptiert diese beiden Darstellungen. Beim Karma gibt es offensichtlich Ursache und Wirkung, und ein Pfad des Karmas ist ein Komplex vieler Dinge. Daher haben wir das Ganze und seine Teile. 

Wie ihr euch vielleicht erinnert, haben wir in unserer letzten Sitzung über substanziell erwiesene Phänomene gesprochen. Die Definition dieses Begriffs lautet: „etwas, das eine Funktion erfüllt“. Im Chittamatra wird akzeptiert, dass alle nichtstatischen Phänomene substanziell erwiesene Existenz haben. In diesem System wird auch vertreten, dass solche Phänomene wahrhaft begründete Existenz besitzen, was bedeutet, dass ihre Existenz unabhängig von den geistigen Zuschreibungen für sie begründet ist, die in der konzeptuellen Wahrnehmung von ihnen auftreten. Darüber hinaus wird ihre Existenz von ihrer eigenen Seite durch ihre Selbstnatur begründet, fast so, als wären sie von sich aus in Plastik verpackt wie solide, auffindbare Entitäten.

Obwohl man komplexe Systeme dieser einzelnen statischen und nichtstatischen Phänomene haben kann, handelt es sich bei allen um individuelle Phänomene, als wären sie alle jeweils von sich selbst umhüllt. Auch das Ganze ist ein substanziell existierendes Ding, wie in dem Beispiel gestern, in dem ich darüber gesprochen habe, wie meine Reise nach Indien einen großen Eindruck auf mich hinterlassen hat. Meine Reise nach Indien bestand aus jeder Menge verschiedener Ereignisse und Dinge, aber als Ganzes hat es eine Funktion ausgeübt. Es ist etwas, das wir als „meine Reise nach Indien“ betrachten können.

Beispiele sind zwar nie wirklich präzise und sollten daher auch nicht bis ins kleinste Detail untersucht werden, aber ein weiteres Beispiel, das wir uns ansehen könnten, wäre ein Schachspiel. All die verschiedenen Bestandteile, die das Karma und die Pfade des Karmas umfassen, sind wie die diversen Figuren auf einem Schachbrett. Sie stehen dort, eine neben der anderen – hier der Bauer, dort der Läufer – als wären sie voneinander getrennt. Jede Schachfigur hat ihre eigene Funktion und Zugmöglichkeit und das Spiel entsteht in Abhängigkeit davon, wie diese Figuren ihre Funktionen ausüben. In diesem Beispiel können wir Ursache, Wirkung und anhängiges Entstehen im Ausgang des Spieles, in Abhängigkeit von all diesen Ursachen und Resultaten der Spielzüge, erkennen. Das Spiel als Ganzes ist in Abhängigkeit aller Teile und dessen, was in jedem Augenblick geschehen ist, entstanden. Außerdem ist das Spiel selbst seine eigene Entität, denn „ich habe das Spiel gewonnen“ oder „ich habe das Spiel verloren“. Es hat eine Funktion ausgeübt, indem es mich glücklich oder traurig gemacht hat – ich bin entweder weitergekommen oder nicht. Es ist ein substanziell existierendes Ding – „das Spiel“ – und es ist in Abhängigkeit aller Ursachen, Bedingungen und Teile entstanden, nicht wahr?

Wir können dieses Verständnis natürlich auch auf verschiedene Ereignisse in unserem Leben ausweiten, als wir beispielsweise diesen Job hatten, uns in jener Beziehung befanden usw. Da gibt es all die Elemente, die Interaktionen und die ganze Sache für sich, die es zu einer sehr interessanten Betrachtungsweise von Dingen machen, die sehr hilfreich ist. In Asangas Chittamatra-System System ist Karma ein kleiner Teil in dem ganzen Komplex unserer Erfahrung der so genannten „verhaltensbedingten Ursache und Wirkung“. Die Art und Weise, wie all die Figuren in diesem Beispiel eines Schachspieles funktionieren und in Erscheinung treten, wird in hohem Maße von der einen Figur im Schachspiel, dem Karma, beeinflusst. Der Fokus unserer Bemühungen wird so auf dieses eine individuelle Element gerichtet und unsere Strategie zum Erlangen von Befreiung oder Erleuchtung ist dadurch ziemlich fragmentiert. Es geht darum, sich von diesem Teil, dem Karma, und jenem Teil, der störenden Emotion, zu befreien. Es geht um all diese kleinen Elemente. Denkt einmal darüber nach.

Wir sollten verstehen, dass all diese verschiedenen Teile zu einem einheitlichen System werden. Wir haben die Chittamatra-Sichtweise des anhängigen Entstehens, der Ursachen, Bedingungen und der zwölf Glieder verstanden. All das ist schön und gut. Wir können sogar erkennen, dass dem Ganzen mangelndes Gewahrsein oder Unwissenheit zugrunde liegt und diese Dinge als etwas begreifen, woran wir arbeiten müssen, um uns davon zu befreien. Wenn wir allerdings behaupten, dass die Pfade des Karmas eine substanziell erwiesene Existenz als ganze, wahrhaft begründete Entitäten haben und dass auch die karmischen Tendenzen und sogar die Tendenz, die sich in den Formkörper und allwissenden Geist eines Buddhas transformieren und diesen hervorbringen wird, substanziell erwiesene, wahrhafte Existenz haben, dann haben wir ein Problem. Bei näherer Analyse erkennen wir, dass nichts wie in Plastik verpackt existiert, obwohl es so aussehen oder so erscheinen mag. Die Dinge existieren nicht auf diese Weise. 

Wie man die Existenz von karmischer Ursache und Wirkung begründet: die Prasangika-Sichtweise 

Im Prasangika begründet man die Tatsache, dass ein karmischer Drang, ein karmischer Pfad und eine karmische Tendenz als Ursachen wirken und somit Wirkungen hervorbringen, nicht die Existenz dieser nichtstatischen Phänomene als substanziell und wahrhaft erwiesene Phänomene mit in sich selbst begründeten Naturen, die auf deren Seite auffindbar wären. Nagarjuna argumentiert, dass, wenn ihre Existenz so begründet und somit jedes Phänomen wie in Plastik eingeschlossen wäre, das Prinzip von Ursache und Wirkung nicht funktionieren könnte. Nur weil keine der Komponenten im Nexus von karmischer Ursache und Wirkung wie in Plastik verpackt ist, können sie miteinander in Kontakt treten und interagieren. Und aus diesem Grund funktionieren auch Ursache und Wirkung. 

In dieser Prasangika-Analyse des Karmas sind all die verschiedenen Elemente immer noch wirksam und Ursachen und Wirkungen entstehen in Abhängigkeit voneinander, ebenso wie ganze Einheiten und deren Komponente. Ihre Existenz kann jedoch nur als das begründet sein, worauf sich die geistigen Bezeichnungen für sie beziehen – mit anderen Worten, nur als das, worauf sich die Worte und Konzepte für sie beziehen. Deren Existenz ist lediglich im Rahmen des so genannten „geistigen Benennens“ begründet.

Dieser Punkt ist von großer Wichtigkeit und muss präzise erklärt werden, denn es ist der ausschlaggebende Punkt. Es gibt all diese aktiven verschiedenen Elemente, die wir analysieren könnten. Da gibt es die karmischen Dränge und in den Pfaden der karmischen Dränge gibt es eine Basis, einen dreifachen motivierenden Rahmen, die Umsetzung einer Methode zur Ausführung einer Handlung und ein Endziel; dann gibt es noch die verschiedenen Arten karmischer Hinterlassenschaften und verschiedene Resultate. Im Prasangika-System wird nichts davon abgestritten, aber keines von diesen Dingen existiert, einfach ausgedrückt, ganz konkret und kompakt, wie in Plastik eingehüllt. Wie können wir jedoch die Existenz all dieser Elemente begründen und bestätigen?

Sie werden durch ein begriffliches Bezugssystem erklärt; ein begriffliches Bezugssystem, das Karma, Pfade, Basis, Motivation und all diese Dinge umfasst. Durch dieses begriffliche Bezugssystem wird keines dieser Elemente erschaffen; darum geht es nicht. Wir können deren Existenz jedoch wirklich nur auf diese Weise begründen. Wie kann ich wissen, dass es so ist? Da gibt es dieses begriffliche Bezugssystem und durch dieses begriffliche Bezugssystem kann ich es erklären und verstehen. Ganz einfach ausgedrückt ist es das, was es bedeutet zu sagen, dass alles in Abhängigkeit von geistigem Bezeichnen entsteht. 

Leerheit und abhängiges Entstehen in Bezug auf ein begriffliches Bezugssystem 

„Existenz, die lediglich im Rahmen geistigen Bezeichnens begründet ist“ ist natürlich ein Fachbegriff und es ist wichtig zu verstehen, was er bedeutet. Alle Aspekte im gesamten System des Karmas entstehen in Abhängigkeit, und das lediglich in Bezug auf die begrifflichen Rahmenstrukturen dieses Systems. Es hat nichts mit einer zeitlichen Abfolge zu tun; alles im System des Karmas tritt in Abhängigkeit, und das nur im Hinblick auf das begriffliche Bezugssystem, in Erscheinung. Einzig durch das begriffliche Bezugssystem können wir die Existenz der Dinge auf diese Weise begründen. Nichts auf Seiten des Objektes, wie mit Plastik umhüllte Schachfiguren, begründet eine Beteiligung all dieser Dinge. Es ist kein Schachspiel und so gibt es keine erkennbaren Figuren, Schachzüge und Dinge, die ihre eigene, individuelle Funktion innerhalb des Spieles haben. Man kann auf keins dieser Dinge einzeln hindeuten. Denkt einmal darüber nach. Wenn man es sich durch den Kopf gehen lässt, ergibt es einen Sinn.

Sehen wir uns das an einem Beispiel an: Ich mache vielleicht die Erfahrung, jemanden anzuschreien. Im Nachhinein will ich verstehen, was geschehen ist und aus diesem Grund gibt es diese ganze Analyse des Karmas und all der damit verbundenen Komponenten. Was ist nun also passiert? Gab es da diese Heliumballons, die irgendwo in meinem Gehirn aufgetaucht sind? Dieser Ballon war meine Motivation, jener meine Zwanghaftigkeit und dieser war die Person, die ich angeschrien habe. Ist es so geschehen? Es gibt keine Heliumballons in unserem Kopf, auf die wir zeigen und sie als Ballon unserer Motivation oder all die anderen Sachen benennen könnten. Diese Dinge waren damit verbunden, aber es waren keine Heliumballons, die, jeder für sich eingekapselt, miteinander agiert haben. 

Im Gegensatz dazu haben wir ein begriffliches Bezugssystem dieser ganzen Analyse, und durch die Begriffe und Konzepte dieses Bezugssystems wird die Existenz dieser Elemente als das begründet, worauf sich diese Begriffe und Konzepte beziehen. Sie bestätigen, dass es da solche Dinge gab. Es gibt da nichts auf der Seite irgendeiner der Komponenten karmischer Ursache und Wirkung, das die Existenz solcher Dinge begründen könnte, denn es gibt nichts auf der Seite der Objekte, das einer Analyse auf konventioneller oder tiefster Ebene standhalten könnte. Nur durch das begriffliche Bezugssystem des Karmas können wir begründen, dass diese Komponenten vorhanden waren und es erlaubt uns, sie zu verstehen. 

Wir können diese Komponenten begrifflich isolieren und jeden von ihnen einzeln besprechen, aber das ist ein begrifflicher Prozess, durch den wir sie lediglich verstehen können. Wenn etwas von allem anderen begrifflich getrennt betrachtet wird, bezeichnet man es als „Isolat“. Keine der Komponenten existieren jedoch wirklich auf diese Weise, isoliert von allem anderen. Wenn sie tatsächlich voneinander isoliert wären, könnten sie nicht interagieren. 

Wir können das Ganze also in Begriffe fassen und den Mechanismus von karmischer Ursache und Wirkung im Sinne von Worten und Konzepten besprechen. Keine dieser Komponenten ist jedoch eine für sich eingekapselte Entität. Da das gesamte System karmischer Ursache und Wirkung nicht im Sinne von für sich eingekapselten Komponenten existiert – denn nichts kann so als eingeschlossene Entität existieren –, können karmische Ursache und Wirkung auf abhängige Weise entstehen. 

Warum ist das so? Weil das gesamte System nur als begriffliches Bezugssystem in Abhängigkeit entstehen kann. Es ist frei von unmöglichen Existenzweisen und wir verstehen Leerheit und abhängiges Entstehen als gleichbedeutend. Wir können lediglich festschreiben, dass die Dinge nur in Abhängigkeit von einem begrifflichen Bezugssystem entstehen, weil sie nicht auf unmögliche Weise als individuelle auffindbare Elemente existieren. Daher ist das abhängige Entstehen auch das höchste Argument für den Beweis der Leerheit. Und am besten kann man sie anhand der Lehre des Karmas verstehen. 

Die Chittamatra-Sichtweise der Leerheit

Wenn im Chittamatra substanziell erwiesene, wahre Existenz nichtstatischer Phänomene vertreten wird, was ist dann deren Auffassung der Leerheit solcher Phänomene? Eine der wichtigsten Behauptungen des Chittamatra-Systems ist, dass in jedem Moment der Sinneswahrnehmung das Objekt, das Bewusstsein und alle begleitenden Geistesfaktoren für eine Wahrnehmung aus einem „Samen“ – einer karmischen Tendenz – entstehen. Die Leerheit aller nichtstatischen Phänomene in diesem System ist die vollständige Abwesenheit – sprich, Leerheit – von deren Entstehen aus verschiedenen Ursprungsquellen (tib. rdzas). 

Eine „Ursprungsquelle” ist das, woraus etwas entspringt, und Chittamatra widerlegt externe Ursprungsquellen für Objekte der Wahrnehmung, welche Formen physischer Phänomene sind. Das bedeutet, dass in jedem Moment alle Komponenten im Komplex eines karmischen Pfades aus ein und derselben karmischen Tendenz stammen. In jedem Moment entspringen die Erscheinung der Grundlage, auf die unsere karmische Handlung abzielt, unser auseinanderhaltendes Gewahrsein, unsere Absicht und begleitende motivierende Emotion, das Umsetzen einer Methode zur Durchführung einer Handlung von Körper, Rede oder Geist und nach abschließender Umsetzung einer Methode die Erscheinung, dass die Handlung ihr beabsichtigtes Endziel erreicht, alle demselben karmischen Samen. 

Laut Prasangika ist diese Auffassung inkorrekt. Chittamattra streitet die Existenz externer Phänomene ab, während Vasubandhus Vaibhashika-System und Prasangika behaupten, dass es externe Phänomene gibt. Sie entspringen aus ihren eigenen externen Ursprungsquellen, wie beispielsweise ihren Bestandteilen. Prasangika und Vaibhashika sagen auch, dass jede Komponente jedes Momentes der Wahrnehmung ebenfallas aus ihrer eigenen individuellen Tendenz kommt, anstatt gemeinsam aus nur einer Tendenz – der karmischen Tendenz für diese Wahrnehmung – zu entstehen. Vaibhashika behauptet, dass alle Phänomene dennoch substanziell erwiesene Existenz besitzen, wohingegen im Prasangika nichts dergleichen auf eine solche unmögliche Weise existiert.

  

Obwohl Tsongkhapa die von Asanga formulierte Liste der Bestandteile eines karmischen Pfades akzeptiert, lehnt er mit seiner Prasangika-Ansicht die von Asanga angenommene Existenzweise dieser Bestandteile ab. Jeder Bestandteil entstammt seiner eigenen Ursprungsquelle, und das Objekt, auf das eine physische Handlung gerichtet ist, entspringt einer Ursprungsquelle, die sich außerhalb des Geistes des Handelnden befindet. Dies wird relevant sein, wenn wir gleich die Buddha-Natur und die Ursachen des Formkörpers eines Buddhas behandeln. 

Diesbezüglich stellt Nagarjuna seine Sichtweise des Karmas in dem Kapitel seiner „Wurzelverse des mittleren Weges“ dar, in dem er auch die Beziehung zwischen Handelndem, Körper, Rede und Karma analysiert. Ohne ins Detail zu gehen, passt Nagarjunas Prasangika-Darstellung von Karma, wie sie auch Tsongkhapa vertritt, zur Prasangika-Sichtweise der Leerheit und des abhängigen Entstehens, allerdings nicht zu Asangas Chittamatra-Ansicht und auch nicht zu Vasubandhus Vaibhashika- bzw. Sautrantika-Ansicht. 

Die Chittamatra-Sichtweise der Buddha-Natur

Buddha-Natur bezieht sich auf jene Faktoren im Geist von begrenzten, fühlenden Wesen, die sich in den Körper eines Buddhas transformieren bzw. diesen ermöglichen. Ich nenne diese Faktoren „Buddha-Familieneigenschaften”. Insbesondere sind hier die sich entwickelnden Familieneigenschaften (tib. rgyas-’gyur-gyi rigs) relevant, jene nichtstatischen Faktoren, die sich in den Formkörper und den allwissenden Geist eines Buddhas transformieren. Darüber hinaus gibt es die natürlich andauernden Familieneigenschaften (tib. rang-bzhin gnas-rigs).  

Im Chittamatra-System sind die natürlich andauernden Familieneigenschaften Samen bzw. Tendenzen, die anfangslose Zuschreibungsphänomene auf Grundlage des befleckten Geistes eines jeden begrenzten Wesens sind. Dort dienen sie als Faktoren, die den Wesen die Möglichkeit eröffnet, einen der drei gereinigten Zustände zu erlangen: den eines Shravaka-Arhats, eines Pratyekabuddha-Arhats oder eines erleuchteten Wesens (sprich, eines Bodhisattva-Arhats bzw. eines Buddhas). Der relevante Same ist hier derjenige, der die Erlangung des Formkörpers und des allwissenden Geistes eines Buddhas ermöglicht. Ein solcher Same existiert seit jeher als ein Zuschreibungsphänomen auf der Basis des grundlegenden Bewusstseins (Skt. ālayavijñāna). Im Uttaratantra („Das weitestgehende, immerwährende Kontinuum“), einem Chittamatra-Text über die Buddha-Natur, welchen Maitreya an Asanga diktierte, wird dieser natürlich andauernde Same, eingebettet im grundlegenden Bewusstsein, mit einem in der Erde verborgenen Schatz verglichen. 

Bei den sich entwickelnden Familieneigenschaften handelt es sich um Samen bzw. Tendenzen, die durch Zuhören, Nachdenken und Meditieren über die Lehren des Buddha neu gewonnen werden und das Erreichen des Geistes eines Aryas auf dem Pfad des Sehens ermöglichen, der keine weitere Schulung als Shravaka, Pratyekabuddha oder Bodhisattva benötigt. Auch hier ist es so, dass das Zuhören, Nachdenken und Meditieren über den Dharma durch karmische Dränge verursacht werden. 

Bei Bodhisattvas bauen sich diese karmischen Tendenzen als erleuchtungsbildende Netzwerke positiver Kraft und tiefen Gewahrseins auf, gewöhnlich als „Ansammlungen von Verdienst und Weisheit“ bezeichnet. Ein Netzwerk positiver Kraft trägt entweder zu weiterem Samsara, wenn auch einem besseren und schöneren Samsara, zur Befreiung oder zur Erleuchtung bei, je nach Motivation und Widmung. Wenn unsere Motivation müheloses Bodhichitta ist und wir die positive Kraft unserer Erlangung der Erleuchtung widmen, wirkt sie als ein „erleuchtungsbildendes Netzwerk“. Wird sie nicht gewidmet, trägt sie lediglich zu einem schöneren Samsara bei. „Müheloses Bodhichitta” ist etwas, das automatisch entsteht, ohne dass man es mithilfe einer Argumentationskette aufbauen muss. 

Wenn diese beiden Netzwerke stark genug sind, wirken sie als Umstände für die Aktivierung der natürlich andauernden Familieneigenschaften, sodass diese den Formkörper, den allwissenden Geist und den Dharmakaya bzw. Dharma-Körper eines Buddhas hervorbringen. Diese Tendenz, die natürlich andauernde Familieneigenschaft, ist die Ursprungsquelle, aus der sowohl der Formkörper als auch der allwissende Geist hervorgehen. In Übereinstimmung mit der Chittamatra-Sichtweise der Leerheit entstehen diese beiden Buddha-Körper – der eine ein physisches Phänomen und der andere ein Bewusstsein mit begleitenden Geistesfaktoren – nicht aus unterschiedlichen, sondern aus einer Ursprungsquelle: dem natürlich andauernden Samen der Buddha-Natur. 

Im Prasangika lehnt man diese Chittamata-Darstellung der Buddha-Natur ab und behauptet stattdessen, dass die Formkörper und der allwissende Dharmakaya eines Buddhas jeweils aus ihren eigenen individuellen Ursprungsquellen stammen, die zusammenarbeiten, nämlich die beiden erleuchtungsbildenden Netzwerke. Im Prasangika wird behauptet, dass diese beiden Netzwerke die sich entwickelnden Familieneigenschaften der Buddha-Natur sind. In Übereinstimmung mit seiner Sicht der Leerheit ist jedoch die natürlich andauernde Eigenschaft die Leerheit des Geistes. Die Chittamatra-Sichtweise der Leerheit – die Tatsache, dass das Objekt und das Bewusstsein mit seinen begleitenden Geistesfaktoren aus verschiedenen Ursprungsquellen stammt – würde hier nicht funktionieren. 

Das Gelug-Prasangika-System mit seiner eigenen Sichtweise über Leerheit und Buddha-Natur vermeidet den Fehlschluss der Ansicht, dass Erleuchtung bereits vollständig existiert, vorborgen im natürlich andauernden Samen, und nur darauf wartet, hervorzutreten und sich zu manifestieren, wenn die verdeckenden Befleckungen entfernt und die erleuchtungsbildenden Netzwerke vollständig sind. 

Die herbeiführende Ursache des Formkörpers eines Buddhas

In allen Leben vor dem Erlangen der Erleuchtung wird die Tendenz, sprich, ein positives oder negatives karmisches Potenzial aus den Netzwerken positiver oder negativer Kraft, aktiviert und fungiert als reifende Ursache (tib. rnam-smin-gyi rgyu) für das Erlangen des Körpers der nächsten samsarischen Wiedergeburt. Reifende Ursachen können nur zu nicht spezifizierten Phänomenen heranreifen, und die Körper, die man in den Wiedergeburten annimmt, gehören zu dieser Kategorie. Die Formkörper eines Buddhas sind jedoch ein konstruktives Phänomen und können daher nicht aus einer positiven Kraft als deren reifende Ursache entstehen. Sie entstehen stattdessen aus einer herbeiführenden Ursache (tib. nyer-len-gyi rgyu). 

Eine herbeiführende Ursache ist das, was sich in das Resultat umwandelt und dabei entweder vergeht oder nicht. Man nennt sie „herbeiführende Ursache”, da sie das Resultat herbeiführt. So ist zum Beispiel ein Same die herbeiführende Ursache eines Sprosses und Ton die herbeiführende Ursache eines Tonkrugs. Gemäß der generellen Auffassung aller Mahayana-Lehrsysteme ist die herbeiführende Ursache für die Formkörper eines Buddhas ein erleuchtungsbildendes Netzwerk positiver Kraft. 

Es gibt zwei Definitionen von herbeiführenden Ursachen: „der Haupterzeuger seines herbeigeführten Resultates innerhalb des Kontinuums seiner Substanz“ und „das, was von der wesentlichen Natur und den Eigenschaften (seines herbeigeführten Resultates) primär ersteres hervorbringt“. Das Chittamatra-System folgt der ersten Definition und das Prasangika der zweiten, während der Unterschied signifikant ist.

„Substanz” ist rdzas im Tibetischen; das Wort, das auch in dem Begriff „substanziell erwiesene Existenz“ vorkommt. In der Darstellung der Wiedergeburt sind die Hauptelemente (Erde, Wasser, Feuer und Wind) der Samen- bzw. Eizelle der Eltern die herbeiführende Ursache des Körpers, den man annimmt, während der Geist der Person, die wiedergeboren wird, die herbeiführende Ursache des Geistes in der neuen Wiedergeburt darstellt. Das bedeutet, die Hauptelemente der Samen- und Eizelle der Eltern und des Körpers, der in der Wiedergeburt daraus entsteht, bilden ein Kontinuum, während der Geist einer Person in der vorangegangenen und der nächsten Wiedergeburt ein separates Kontinuum sind. 

Mit anderen Worten, Samen- und Eizelle der Eltern sind der Ursprung des Körpers im nächsten Leben. Nur ein Körper kann als Ursprung für einen Körper dienen, und nur der Geist – eine Weise, sich etwas gewahr zu sein – kann im nächsten Leben den Geist entstehen lassen. Er kann nicht aus physischer Materie hervorgerufen werden. Physische Materie kann kein vorangegangener Moment eines Stroms von Kontinuität eines geistigen Phänomens sein; und ein geistiges Phänomen kann kein vorangegangener Moment eines Stromes von Kontinuität eines physischen Phänomens sein. 

Sowohl im Chittamatra als auch im Prasangika wird diese Sichtweise vertreten. Im Chittamatra ist es jedoch so, dass diese beiden Kontinua zwei verschiedene Arten substanziell erwiesener Substanzen sind. Im Prasangika hingegen lehnt man es ab, dass es so etwas wie substanziell erwiesene Existenz überhaupt gibt, und aus diesem Grund behauptet man in diesem System auch, dass diese beiden Kontinua zwei verschiedener Elemente sind. Alle Elemente in beiden Kontinua haben die gleiche wesentliche Natur – auf der einen Seite eine Form von Materie und auf der anderen Geist. Es ist jedoch in beiden Systemen so, dass nur Materie Materie hervorbringen kann und nur Geist kann Geist hervorbringen. 

Wenn wir nun diese verschiedenen Interpretationen bezüglich herbeiführender Ursachen auf die herbeiführende Ursache der Formkörper eines Buddhas übertragen, können wir einen möglichen Grund für die Prasangika-Behauptung erkennen, dass das Karma von Handlungen des Körpers und der Rede Formen physischer Phänomene sind. Meine Hypothese ist, dass eine positive karmische Kraft als ein physisches Phänomen wesentlich geeigneter als herbeiführende Ursache für die Formkörper eines Buddhas ist, anstatt sie als nichtkongruente beeinflussende Variable zu sehen – ein nichtstatisches Phänomen, das weder ein physisches Phänomen noch ein Art Gewahrsein ist, wie es im Chittamatra behauptet wird. Der Grund dafür ist, dass die beiden die gleiche wesentliche Natur besitzen. 

Der tibetische Begriff rdzas findet sich nicht nur in dem Ausdruck „substanziell erwiesener Existenz“, sondern ist auch das Wort, das ich mit „Ursprungsquelle“ übersetze. Gemäß dem System des Chittamatra ist die Ursprungsquelle sowohl der Formkörper als auch des allwissenden Geistes eines Buddhas die natürlich andauernde Familieneigenschaft der Buddha-Natur, die das Erlangen der Buddhaschaft ermöglicht, wenn sie durch vollendete Netzwerke erleuchtungsbildender positiver Kraft und tiefen Gewahrseins aktiviert wird. Ich würde vermuten, dass im Chittamatra-System von Asanga der Same bzw. die Tendenz – jene Familieneigenschaft – die herbeiführende Ursache für beide Buddha-Körper ist und mit ihnen ein Substanzkontinuum bildet. Sowohl der Same als auch die Buddha-Körper sind substanziell erwiesen – sie üben eine Funktion aus. 

Im Prasangika wird die Existenz einer natürlich andauernden Familieneigenschaft – der Same –, aus der sowohl die Formkörper als auch der allwissende Geist eines Buddhas hervorgehen nicht akzeptiert. Prasangika widerlegt auch, dass so etwas wie substanziell erwiesene Substanzen überhaupt existieren kann. Stattdessen wird behauptet, dass die herbeiführende Ursache für die Formkörper das erleuchtungsbildende Netzwerk positiver Kraft ist und dass diese positive Kraft und die Formkörper ein Kontinuum von Elementen darstellen, die dieselbe wesentliche Natur haben. Das Gleiche gilt für das erleuchtungsbildende Netzwerk tiefen Gewahrseins und den allwissenden Geist eines Buddhas. Durch die Annahme, dass das Karma für Handlungen des Körpers und der Sprache nicht nur die wesentliche Natur von physischen Phänomenen hat, sondern auch eine positive Kraft ist, kann man im Prasangika-System bequem vertreten, dass diese und die Formkörper eines Buddhas ein Kontinuum der wesentlichen Natur bilden. 

Allerdings muss ich auch hier den Vorbehalt hinzufügen, dass diese Analyse rein spekulativ ist und ich dafür keine autoritative Bestätigung gefunden oder davon gehört habe. 

Der Nutzen des Karma-Systems von Tsongkhapa 

Ich möchte nun auch Tsongkhapas Standpunkt in Bezug auf Karma vorstellen und tiefer gehende Gründe untersuchen, warum er sich für diese deutlich komplexere Sichtweise, abgesehen von Nagarjunas „Wurzelversen des mittleren Weges“ als Quelle dieser Interpretation, entschieden hat. Wenn wir den Grund dafür und den Nutzen verstehen können, werden wir viel offener demgegenüber sein und versuchen, diese komplexere Darstellung zu verstehen. Ansonsten würden wir vielleicht meinen, es wäre zu kompliziert und wir würden uns fragen: „Wer braucht das? Nehmen wir doch das Einfachere.“ Ich folge also der Strategie, die wir in den meisten Dharma-Abhandlungen finden, nämlich zuerst den Nutzen von etwas zu beschreiben, um jemanden zu motivieren, etwas zu entwickeln, und dann mit der eigentlichen Beschreibung der Sache fortzufahren.

Im ersten Kapitel von Shantidevas „Eintritt in das Verhalten eines Bodhisattvas“ werden zunächst die Vorzüge von Bodhichitta beschrieben und danach all die Methoden, mit denen wir dann daran arbeiten können, Bodhichitta und die weitreichenden Geisteshaltungen zu entwickeln. Zuerst geht es um den Nutzen und daher will auch ich als Erstes den Nutzen und die Vorteile von Tsongkhapas System darlegen. Dann wächst vielleicht euer Interesse daran, den Zusammenhang und die Erklärung zu verstehen. 

Hier gehe ich wieder zurück zu einem meiner wesentlichen Punkte, den auch Seine Heiligkeit der Dalai Lama immer wieder macht, wenn er einen Vortrag hält. Es geht um die Wichtigkeit, den Dharma zu studieren, ihn zu lernen und sich ihn auf sehr umfassende Weise einzuprägen. Vergegenwärtigung ist das, womit wir etwas aktiv in Erinnerung behalten. Wir speichern nicht nur Informationen in einer Datenbank ab, sondern halten sie mit der Vergegenwärtigung fest und lassen sie nicht los. Haben wir viele verschiedene Aspekte der Dharma-Lehren gelernt, beginnen wir mit der so genannten analytischen Meditation. Im Grunde handelt es sich hier um den Denkprozess, mit dem wir versuchen, uns über etwas klar zu werden. Wir halten all diese Teile mit Vergegenwärtigung geistig zusammen und versuchen dann, sie zusammenzufügen.

Betrachten wir einmal, was hier zusammengefügt wurde. Da gibt es die Chittamatra-Darstellung des Karmas, Tsongkhapas Betrachtungsweise des Karmas, die Chittamatra-Sichtweise über die Existenzweise der Phänomene, die Prasangika-Sichtweise der Leerheit, sowie die verschiedenen Ebenen des anhängigen Entstehens und die Chittamatra- und Prasangika-Ansichten über die Buddha-Natur. Dann gibt es noch die Abhandlung von Vasubandhu über die sechs Arten von Ursachen und vier Arten von Resultaten, die Darstellung der Funktionsweise der Wiedergeburt und wir haben die Logik. All das fügen wir zusammen und versuchen herausfinden, wie es einen Sinn ergeben kann und welche Fragen es aufwirft. Wir müssen uns die Dinge auf eine ganzheitliche Weise ansehen, um irgendetwas in den buddhistischen Lehren richtig verstehen zu können. Die Dinge existieren nicht wie diese einzelnen kleinen Schachfiguren. Unser Verständnis wird in Abhängigkeit von dem begrifflichen Bezugssystem all dieser verschiedenen Aspekte der Lehren entstehen. Das ist ein perfektes Beispiel.

Es wird in der Tat Probleme geben, diese verschiedenen Aspekte der Lehre zu integrieren, wenn wir die einzelnen Lehren für sich angehen und sie wie einzelne Schachfiguren betrachten. Meinen wir, die Schachfiguren einfach nur klug bewegen zu brauchen, um das Spiel zu gewinnen, wird das nicht funktionieren. Wir mögen auf diese Weise eine bestimmte Ebene des Verstehens erlangen, aber unser Geist ist nicht offen genug, wenn wir beginnen, all die Aspekte des Dharmas wie einzelne substanziell in sich selbst begründete Schachfiguren zu betrachten. Die Dinge, die uns hier wie Schachfiguren erscheinen, sind die Lehren. Die Lehren über Karma, Buddha-Natur, abhängiges Entstehen und Leerheit sind jedoch keine für sich stehende Schachfiguren. 

Ihr erinnert euch vielleicht an die Untersuchung des Zusammenhangs der Lehren von Shantideva, Chandrakirti und der Madhyamaka-Schule. Wie könnten sie aufeinander einwirken und wo könnte es eine Verbindung zwischen diesen Lehren geben, um sie zusammenzufügen, wenn sie in sich begründete Existenz hätten? Wie wir sehen, ist das Prasangika-Verständnis der Leerheit und des abhängigen Entstehens notwendig, um eine tiefere Einsicht in die Lehren zu erlangen. Wir können das Ganze auch als ein Schachspiel betrachten und die Lehren als einzelne miteinander interagierende Figuren auf dem Spielfeld, aber auf diese Weise können sie sich nicht richtig integrieren. Das Ganze ist sehr viel offener. 

Ein weiterer Punkt ist, dass ich im nächsten Teil damit beginnen werde, Vasubandhus und Nagarjunas Sichtweise des Karmas zu erklären und wie ich euch bereits gewarnt habe, ist sie komplexer als Asangas Darstellung. Ich werde keine Tabellen, Powerpoint-Grafiken oder Ähnliches präsentieren, um es einfacher zu gestalten. Es gibt zwar einige „befleckte“ Gründe dafür, vor allem Faulheit, aber auch ein paar weniger befleckte und einen, der von Mitgefühl geprägt ist, denn wir werden diese Sachen nicht lernen, wenn wir es schon in Tabellenform präsentiert bekommen. In diesem Fall würden wir sie uns einfach ansehen und denken: „Oh ja, sehr schön!“ und dann einfach weitermachen. Wenn wir die Dinge hingegen ausarbeiten und die Grafik selbst erstellen müssen, ist es notwendig, zuerst einmal darüber nachzudenken und dann mit dem Lehrstoff zu arbeiten. Auf diese Weise entwickeln wir Ausdauer und ohne Ausdauer, Geduld usw. kommen wir nicht weit. Dharma sollte uns nicht als fertige Mahlzeit auf einem Teller präsentiert werden. Wir sollten sie selbst zubereiten. 

Haben wir durch das Hören die korrekten Informationen bekommen, erfordert es Zeit und Mühe, diese Sachen selbst auszuarbeiten. Wovon hängen Zeitaufwand und Bemühung ab? Sie hängen von der Motivation ab. Wenn wir nicht die Motivation dazu haben, es selbst zu ergründen, wird uns das nirgendwohin führen. Wir schulen nicht nur unsere Wissensgrundlage und sammeln Informationen an, sondern auch unseren Charakter, um Geduld, Ausdauer, Motivation usw. zu entwickeln. Das geschieht parallel. Habt ihr je von den zwei Ansammlungen gehört, die man gleichzeitig entwickelt? Da gibt es das Netzwerk positiver Kraft und das des tiefen Gewahrseins, die zusammengefügt werden. 

Das zu verstehen ist harte Arbeit, und anstatt darüber zu klagen, sollten wir Verständnis und Wertschätzung dafür haben, warum es so eine harte Arbeit ist. Ansonsten werden wir unseren Charakter nicht entwickeln. Schauen wir uns nur die Biografien der großen Meister an. Marpa hat es Milarepa richtig schwer gemacht und nur dadurch hat er die Motivation und Charakterstärke entwickelt, sich nicht darum zu kümmern, wie schwer es war und es trotzdem zu tun. Die Arbeitsweise der Dharma-Lehrer besteht nicht darin, es uns leicht zu machen. Viele von ihnen machen es uns aus einem von Mitgefühl motivierten Grund mit Absicht schwer.

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