Abhängiges Entstehen hinsichtlich des geistigen Bezeichnens

Rückblick auf das konventionelle „Ich“, das eine Zuschreibung der fünf Aggregate ist 

Wir haben über die Leerheit oder Leere gesprochen und haben gesehen, dass Leerheit ein Negierungs-Phänomen ist, etwas, das wir durch Negieren oder Widerlegen von etwas anderem kennen. Was wir widerlegen, wenn wir Leerheit kennen, ist eine „unmögliche Existenzweise“ von allem: uns selbst, anderen und allen Objekten im Allgemeinen. Wir haben damit begonnen, es in Bezug auf die Person oder das „Ich“ und die Leerheit der Person zu betrachten, der Beziehung zwischen einer Person oder dem „Ich“ und den Aggregat-Faktoren, die jeden Augenblick unserer Erfahrung ausmachen. Denn wenn wir beginnen, die Leerheit verstehen zu wollen, versuchen wir zunächst die Leerheit des Selbst, der Person, zu verstehen, weil es etwas einfacher zu verstehen ist, als die Leerheit aller Phänomene, obwohl die Leerheit bei beiden gleich ist.

Außerdem haben wir erkannt, dass das Selbst einer Person eine Zuschreibung auf der Grundlage all der Aggregat-Faktoren ist, die jeden Augenblick unserer Erfahrung ausmachen und haben uns etwas genauer angesehen, was das eigentlich bedeutet. Betrachten wir unsere Erfahrung, stellt sich die Frage, was gerade passiert, was in jedem Augenblick geschieht. Alles, was in jedem Augenblick stattfindet, ist, dass wir uns in einem „Kanal des Bewusstseins“ befinden, wenn wir sehen, hören, denken oder was auch immer. Es gibt verschiedene Objekte, deren wir uns bewusst sind, was sich hier insbesondere auf die Sinnesobjekte, wie Formen, Geräusche usw. bezieht. Innerhalb des Sinnesbereiches gibt es das Auseinanderhalten bestimmter farbiger Formen, wenn wir uns zum Beispiel auf das Sehen beziehen, denn wir nehmen immer einen ganzen Sinnesbereich wahr. Und wie erfahren wir diese verschiedenen Formen und Objekte, die wir auseinanderhalten? Wir erfahren sie mit einer Ebene, die irgendwo auf der Skala zwischen „vollkommen glücklich“ oder „vollkommen unglücklich“ liegt.

Eine Ebene des Glücklichseins zu empfinden wird als das definiert, was aus unserem Karma heranreift. Anders ausgedrückt: Abhängig von der positiven Kraft aus dem konstruktiven Verhalten unserer Vergangenheit oder der negativen Kraft aus dem destruktiven Verhalten unserer Vergangenheit erfahren wir Dinge mit einem Gefühl des Glücklichseins oder Unglücklichseins. Zwei Personen kann man die gleiche Mahlzeit geben und eine erlebt sie mit einem Glücksgefühl, Freude und Wohlgenuss, während die andere sie hasst, vollkommen unglücklich ist und sie nicht mag. Das ist das Reifen von Karma. Interessant ist es, wenn man es in Bezug auf einen Computer betrachtet, der Informationen verarbeitet. Was ist da der Unterschied zu einem Geist, der ebenfalls Informationen verarbeitet? Ein Computer erfährt im Gegensatz zu einem Geist kein Glück oder Leid durch diese Information, auch wenn wir denken mögen, dass der Computer sauer auf uns ist, wenn Daten verlorengehen.

Und dann ist auch dieses letzte Aggregat, das Aggregat von allem anderen, von allen anderen beeinflussenden Variablen, Teil unserer Erfahrung: all die Emotionen, Konzentration, Schläfrigkeit, Interesse und all diese anderen Dinge. Und was ist das „Ich“? Das „Ich“ kann man übrigens in diesem letzten Aggregat, dem Aggregat anderer beeinflussender Variablen finden. Es ist nicht so, dass es sich außerhalb des Systems befindet. Es ist nicht etwas Besonderes, wie die Sahne auf dem Kuchen der Aggregate. Das „Ich“, das Selbst, ist eine Zuschreibung eines jeden Augenblicks all dieser Aggregat-Faktoren, die sich ständig ändern. Gewissermaßen ist es wie die Zuschreibung der Teile eines Ganzen. Ein Film besteht beispielsweise aus einer Aneinanderreihung von Momenten, einer nach dem anderen, und der Inhalt ändert sich fortwährend. Und was ist „ein Film“? Ein Film ist eine Zuschreibung des Ganzen.

Das ist es, was wir letztes Mal erörtert haben und wir haben gesehen, dass dieses „Ich“ das so genannte „konventionelle Ich“ ist, eine spezifische Zuschreibung eines bestimmten Stroms von Kontinuität der Aggregat-Faktoren – etwas, das konventionell existiert. Was wir widerlegen, ist eine unmögliche Weise, eine falsche Existenzweise dieses „Ichs“. 

Geistiges Bezeichnen mit Konzepten und Benennen mit Worten 

Bei der Leerheit geht es um die Frage: Wie begründen wir, dass es so etwas, wie eine Person oder ein „Ich“ gibt? Gemäß der Prasangika-Erklärung können wir, wie es in der Gelug-Tradition vertreten wird, nur begründen, dass es so etwas wie eine Person oder ein „Ich“ im Sinne von geistigem Bezeichnen mit Konzepten oder Kategorien und im Sinne von Benennen mit Worten gibt. 

Eine Person oder ein „Ich“ ist nicht nur ein Konzept – ein Konzept ist nur eine geistige Bezeichnung; es ist nicht nur ein Name oder ein Wort – ein Name oder ein Wort ist nur ein Benennen. Eine Person oder ein „Ich“ ist lediglich das, worauf sich das Konzept einer Person oder eines „Ichs“ auf der Grundlage für die Bezeichnung bezieht. 

Wenn wir über geistiges Bezeichnen oder Benennen sprechen, gibt es drei Dinge, damit verbunden sind. Um es einfacher zu machen, werden wir es uns nur anhand des Benennens mit Worten ansehen. Die drei sind: ein Wort, eine Grundlage der Benennung und das, worauf sich die Benennung oder das Wort beziehen. In dem Beispiel einer Apfelsine: 

  • eine orange-farbene Kugel, ein bestimmter Geruch, ein bestimmter Geschmack – sie gehören zur Grundlage der Benennung einer Apfelsine. Nichts davon ist eine Apfelsine.
  • Das Wort „Apfelsine“ ist einfach ein Wort und nicht die Apfelsine. 
  • Worauf sich das Wort „Apfelsine“ auf der Grundlage einer bestimmten farbigen Formen, eines Geruchs und Geschmacks bezieht, ist die eigentliche konventionelle Apfelsine. Eine Apfelsine ist das Bezugsobjekt des Wortes „Apfelsine“.

Die einzige Weise, auf die man begründen kann, dass es so etwas wie eine Apfelsine gibt, ist, dass sie das Bezugsobjekt des Wortes „Apfelsine“ auf der Grundlage einer bestimmten farbigen Form, eines Geruchs und eines Geschmacks ist. Man kann nicht nur mit dem Wort „Apfelsine“ begründen, dass es so etwas wie eine Apfelsine gibt, denn es könnte ein Wort ohne Sinn sein, und man kann sie nicht nur mit einer orange-farbigen Kugel begründen, denn es könnte auch ein oranger Tennisball sein. 

Könnt ihr dem folgen? Es gibt eine tatsächliche Apfelsine. Die Apfelsine ist keine orange-farbige Kugel, sie ist kein Geruch und gewiss nicht nur das Wort „Apfelsine“. Das Wort ist nur eine Kombination von Lauten, doch wenn diese orange-farbige Kugel, dieser Geruch und dieser Geschmack mit diesen Lauten benannt werden, beziehen sie sich auf das konventionelle Objekt „Apfelsine“. Die Apfelsine ist nicht die Grundlage; die Apfelsine ist nicht das Wort. Sie ist wie eine Illusion und ist etwas dazwischen. Doch es gibt Apfelsinen.

Genauso gibt es all diese Momente der Erfahrung: Sehen, Sprechen, Denken und all diese Dinge, und es gibt den Namen „Ich“, dem in diesem bestimmten Leben auch der Name „Alex“ zugewiesen wurde, und er bezieht sich auf eine Person. Ich bin kein Name. Eine Person ist nicht nur ein Name. Eine Person ist das, worauf sich das Wort „Ich“ auf der Grundlage eines Stromes der Kontinuität von Erfahrungen bezieht. Wie in einem Kino sitzt man da und sieht immer nur einen Moment auf der Leinwand. Das ist die Grundlage der Benennung. Die Benennung ist „ein Film“, „Krieg der Sterne“ oder welchen Film man auch immer nimmt. „Krieg der Sterne“ ist nicht nur der Name „Krieg der Sterne“. Ich habe wirklich den Film „Krieg der Sterne“ gesehen. Es war nicht dieser oder jener Moment und auch nicht der Name. Worauf sich der Name, der Titel des Filmes, bezieht, ist der Film „Krieg der Sterne“ auf der Grundlage der Abfolge einzelner Momente. Wer bin ich? Ich bin das, worauf sich das Wort „Ich“ auf der Grundlage meiner gesamten Lebenserfahrungen bezieht. Es ist wirklich wichtig, das zu verstehen. Verstehen wir das nicht, wird es äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich, sein zu verstehen, wovon bei der Leerheit die Rede ist.

Das ist es, worum es bei der ganzen Thematik der Leerheit geht. Es ist die Beziehung zwischen dem, worauf sich ein Wort bezieht, und der Grundlage seiner Benennung. Wäre die Apfelsine nur eine organge-farbige Kugel, könnte der Geschmack oder Geruch keine Apfelsine sein, sondern nur diese orange-farbige Kugel. Wäre die Apfelsine nicht nur die organge-farbige Kugel, sondern auch der Geruch und Geschmack, würde es drei verschiedene Apfelsinen geben. Die Apfelsine wäre drei verschiedene Dinge. Wir reden hier von dem konventionellen Objekt, einer Apfelsine, einem allgemein verständlichen Objekt. Fragt uns jemand: „Möchtest du eine Apfelsine essen?“, beziehen wir uns gedanklich nicht darauf, eine orange-farbige Kugel zu essen, sondern darauf, eine Frucht zu essen. Die visuelle Form, eine orange-farbige Kugel, ist die Grundlage der Benennung. Das eigentliche, konventionelle, allgemein verständliche Objekt, eine Apfelsine, ist das, worauf sich das Wort „Apfelsine“ bezieht. Natürlich könnte man sich mit vielen Namen in unterschiedlichen Sprachen darauf beziehen. Dabei handelt es sich nur um eine Konvention, die von einer Gesellschaft erschaffen wurde. Könnt ihr dem folgen?

Wer bin ich? Bin ich mein Körper? Nun, dieser Körper als älterer Mann gleicht keineswegs dem Körper, als ich ein Baby war. Es gibt keine einzige Zelle im Körper, die der des Babykörpers gleicht.

[Siehe: Zuschreiben, geistiges Bezeichnen und Benennen]

Gültige Konventionen 

Wo liegen die Grenzen der Konventionalitäten von konventionell wahren Phänomenen? Schließlich könnten wir alle auch versuchen, uns eine blaue Apfelsine vorzustellen. Wir könnten eine blaue Apfelsine haben oder eine Apfelsine mit einem salzigen Geschmack, auch das könnten wir versuchen uns vorzustellen. Wir können also die Grundlage der Benennung ersetzen, die der Apfelsine zugrunde liegt. Ist nun diese Vorstellung einer Apfelsine, die sich hinter dem Begriff verbirgt, eine Art platonische Vorstellung, die für sich eigenständig und unabhängig ist?

Keineswegs. Das bringt uns zur Diskussion der Leerheit. Wir müssen also vorgreifen, um die Frage zu beantworten. Reden wir über Leerheit, geht es darum, was es ist, das die Existenz von etwas begründet. „Begründen“ ist das gleiche wie „beweisen“. Die Rede ist nicht davon, was das Objekt erschafft. Die Leerheit besagt, dass es nichts auf Seiten des Bezugsobjektes gibt, das die Existenz dieses Objektes als das Objekt, als eine gültig erkennbare Sache, begründet.

Es geht nicht darum, diesen Tisch als eine Apfelsine zu bezeichnen. Reden wir von Objekten, meinen wir etwas, das gültig erkennbar ist, was korrekt erkannt werden kann, und andere Menschen, die es korrekt kennen, würden dem zustimmen. Niemand würde dem zustimmen, dass dieses Ding, was hier vor mir steht, eine Apfelsine ist. Es ist ein Tisch.

Sehen wir uns das an einem Beispiel an, um zu veranschaulichen, wovon ich hier rede. Denkt an eine Emotion. Eine Emotion, die ich normalerweise benutze, ist die Eifersucht, aber man könnte jede Emotion nehmen. Was ist Eifersucht? Oder lasst es uns erst an einem einfacheren Beispiel betrachten, der Farbe Rot. Denkt man an das Lichtspektrum, so gibt es nichts seitens des Lichtspektrums, das Begrenzungen oder Markierungen hat und das Licht in Gelb, Orange und Rot aufteilt: auf dieser Seite der Linie ist es orange und auf jener ist es rot. Da gibt es absolut nichts auf Seiten des Lichts. Was es also als rot, gelb oder orange festlegt, sind lediglich Konzepte und Worte – nichts auf Seiten des Objektes.

Eine Gruppe von Menschen sind vor Tausenden von Jahren zusammengekommen und haben entschieden, sich auf eine bestimmte Bandbreite der Farbe mit einer Reihe vollkommen willkürlicher Laute zu beziehen, die selbst absolut keine Bedeutung haben. Doch sie fanden ihre Idee brillant und benutzten diese Laute, um in ihrem Geist etwas festzulegen, was das Lichtspektrum unterteilt.

Verschiedene Gruppen von Menschen hatten vielleicht ähnliche Ideen, aber sie haben das Lichtspektrum nicht unbedingt auf dieselbe Weise unterteilt, vielleicht ein paar mehr Angströms in diese und ein paar weniger in jene Richtung. Sie entschieden, dass dies das Konzept für „Rot“ war und benutzten eine weitere Reihe willkürlicher Laute, um sich darauf zu beziehen. Und sogar die Definition von „Rot“ wurde von einer Gruppe von Menschen mit dem Konzept erschaffen, das sie aus der Definition herleiteten. Die definierenden Eigenschaften kann man nicht auf Seiten des Objektes finden, „von dieser Wellenlänge bis zu jener Wellenlänge“. Die Farbe „Rot“ wird also keineswegs von Seiten des Objektes festgelegt, sondern von der geistigen Bezeichnung, dem Konzept „Rot“.

Dennoch ist es so: Wenn wir fragen: „Welche Farbe hat dieser Tisch?“ sagen wir: „Er ist rot“. „Ist er rot?“ „Ja“, wir würden alle zustimmen, wenn wir sogenannte „gültige Wahrnehmende“ wären. Jemand, der farbenblind ist, mag denken, dass er nicht rot ist, doch das würde von jemandem widerlegt werden, der eine gute Sicht hat. Dasselbe gilt für unser Beispiel mit den Apfelsinen. Es gibt viele verschiedene Arten von Apfelsinen, die man überall in der Welt finden kann. Mit einer Konvention wird entschieden, dass diese Gruppe von verschiedenen Arten alle mit der Kategorie, dem Konzept „Apfelsine“ bezeichnet und „Apfelsinen“ genannt werden. Mit Hybriden und was es sonst noch so gibt, ist es sogar noch verrückter, denn was macht all diese orange-farbigen Kugeln, die wir im Laden nebeneinander liegen sehen, zu Apfelsinen? Warum haben wir nicht für jede einzelne ein anderes Wort? Wir haben Gruppen, was uns zu dem ganzen Thema von Kategorien führt. Worte sind das, was wir benutzen, um uns auf Kategorien zu beziehen, und innerhalb dieser Kategorien auf Dinge oder Instanzen.

Wenn das bezüglich der Farben wahr ist und in Bezug auf verschiedene Arten von Früchten, trifft es auch auf Emotionen und diese Dinge zu. Was ist Eifersucht? Es ist einfach so, dass eine Gruppe von Menschen dieses Konzept der „Eifersucht“ erschaffen hat. Erfahren wir denn alle genau dasselbe, wenn wir die Empfindung haben, die wir als „Eifersucht“ bezeichnen? Nicht wirklich, oder?

Natürlich ist es unglaublich hilfreich, wenn wir sie verstehen. Wir befanden uns in dieser Situation und empfinden etwas, aber wie bezeichnen wir es? „Oh, ich bin so eifersüchtig. Ich empfinde solche Eifersucht.“ Was empfinde ich also? Es ist nur ein Moment nach dem anderen, in dem sich all die Faktoren ständig ändern. Ich nutze einfach nur eine Art Konzept, das Wort „Eifersucht“, das man mir als Kind beigebracht hat, und hier kann man es im Wörterbuch finden. Gut, das ist es, was ich empfinde, und ich nutze das Wort, um meine Gefühle einzuordnen, um sie zu verstehen. Konventionell ist das korrekt, denn unsere Gesellschaft hat sich auf diese Definition des Wortes geeinigt. Es bezieht sich auf etwas.

Es gibt die Eifersucht, auch wenn sie nur durch ein Wort eines Konzeptes begründet wird. Indem ich mich mit ihm durch dieses Konzept auseinandersetze, kann ich verschiedene Methoden anwenden, die genutzt werden, um Eifersucht zu überwinden. Doch weil es nichts auf Seiten dieser „Eifersucht“ gibt, das es zur „Eifersucht“ macht, mache ich keine große Sache daraus. Es gibt kein solides Ding wie einen großen Stein in mir, der „Eifersucht“ genannt wird, vor dem ich Angst habe und der ein riesiges Problem darstellt.

Was ist mit Kindern, die noch keine Konzepte haben? Heißt das, sie sind frei von Emotionen, bevor sie lernen, was zum Beispiel Eifersucht ist?

Nein, so ist das nicht. Es ist wichtig zu verstehen, dass Konzepte, Bezeichnungen und diese Dinge nicht unbedingt mit Worten verbunden sein müssen. Die Existenz von Dingen wird lediglich in Bezug auf geistiges Bezeichnen begründet, ungeachtet dessen, ob jemand sie aktiv bezeichnet oder nicht. Aktiv „Eifersucht“ zu denken oder zu sagen, ist hier nicht von Bedeutung. Ich empfinde etwas. Es ist egal, ob ich das Gefühl identifizieren oder ihm den Namen „Eifersucht“ geben kann oder nicht. Ich empfinde trotzdem etwas. Aber wenn wir fragen, was es ist, müssen wir geistiges Bezeichnen und Benennen mit ins Spiel bringen. Doch ich muss das Gefühl nicht benennen und bezeichnen, um es zu empfinden. Ein Säugling empfindet Hunger. Auch wenn er das Wort „Hunger“ nicht kennt, so empfindet er zweifellos Hunger.

Ist es korrekt, solche Dinge wie Farben, beispielsweise das Rot dieses Tisches, mit Emotionen zu vergleichen? Emotionen sind vollkommen individuelle Erfahrungen. Wir können sie nicht entblößen, bewerten oder vergleichen. Doch was diesen Tisch betrifft, so können wir alle zu einer Schlussfolgerung kommen, was sein Gewicht, die Länge und bestimmte Zahlen, wie fünfzehn, betrifft. Niemand kann dem widersprechen. Es kann wiederholt wissenschaftlich durch ein Experiment bewiesen werden, was auf Emotionen nicht zutrifft. Können wir es also rechtfertigen, solche Dinge zu vergleichen? Sie scheinen ja anders zu sein.

Wenn wir versuchen, einen grundlegenden Mechanismus, wie geistiges Bezeichnen, zu verstehen, werden die definierenden Eigenschaften, die ebenfalls aus Konzepten bestehen und für verschiedene Objekte genutzt werden, anders sein. Bei einer Farbe können wir bestimmte Wellenlängen als Trennlinie bestimmen, aber bei Emotionen ist das viel schwieriger. Bei Apfelsinen gibt es vielleicht eine genetische Sache, die etwas spezifischer ist. Aber ob es etwas so Spezifisches oder eher etwas Abstraktes wie „Eifersucht“ ist, worüber wir hier reden sind definierende Eigenschaften. Es gibt also viele Arten von definierenden Eigenschaften. Es könnte eine Wellenlänge sein oder es könnte etwas sein, das jemand in ein Wörterbuch schreibt und sagt: „das ist die definierende Eigenschaft der Eifersucht“. Das Prinzip ist dasselbe.

Doch es gibt bestimmte Kulturkreise, in denen die Farbgebung anders unterteilt wird. In manchen gibt es beispielsweise gar kein „Orange“, sondern nur Gelb und Rot. Die Trennlinie ist dann ganz anders. In manchen Kreisen gibt es nicht nur Grün und Blau, sondern drei Farben. In meiner Universität wurden solche Experimente gemacht, in denen man Menschen aus unterschiedlichen Kulturen verschiedene Farben zeigte und sie fragte: „Welche Farbe ist das?“ Und sie fanden heraus, dass die Farben in den verschiedenen Kulturen und auch von verschiedenen Menschen unterschiedlich unterteilt werden.

Für Australier wäre dieser Tisch vielleicht rot und für Chinesen dunkelgelb. Und dann kommt der Funke des „dennoch“ mit ins Spiel. Für eine Gruppe von Menschen funktioniert er als ein roter Tisch und für die andere Gruppe von Menschen funktioniert er dennoch als ein dunkelgelber Tisch. Es gibt also zwei korrekte, vollkommen funktionale Tische verschiedener Farben. Wie ist das möglich?

Warum nicht? Sagen wir einmal, ich nehme dieses Ding in meine Hand. Ich betrachte es und gebe ihm den Namen „Uhr“. Andere Leute hier stimmen vielleicht zu, dass dies eine Uhr ist und sie als eine Uhr funktioniert. Dann betrachtet das Kind dieses Ding und bezeichnet es als „Spielzeug“, während andere Kinder dem zustimmen, denn sie könnten mit ihm spielen und es würde als ein Spielzeug funktionieren. Was ist es also? Ist es eine Uhr oder ist es ein Spielzeug? Und es wird lediglich durch geistig bezeichnete Konzepte allein als Uhr oder Spielzeug begründet. Es gibt nichts auf Seiten des Objektes, das es als eine Uhr oder ein Spielzeug begründet, denn wenn es etwas auf Seiten des Objektes gäbe, müssten es zwei verschiedene Objekte sein oder ein Spielzeug müsste eine Uhr sein, es müsste eins von beiden sein.

Könnt ihr dem folgen? Denn es wird nur durch geistiges Bezeichnen begründet, kann aber problemlos als beides funktionieren. Doch wenn ich denke, dass es von sich aus als „eine Uhr“ begründet wird, werde ich furchtbar wütend auf das Kind werden und sagen: „Du dummes Kind, das ist kein Spielzeug!“ Für das Kind ist es vollkommen gültig, es als ein Spielzeug zu betrachten. Möchte ich nicht, dass es kaputt geht, nehme ich sie dem Kind weg, aber ich werde nicht wütend. Für mich ist es eine Uhr, für das Kind ist es ein Spielzeug. Es wird lediglich durch Konzepte und Bezeichnungen begründet.

Können wir also im Grunde sagen, dass alles relativ ist?

Ja, alles ist relativ. Das ist eine andere Weise, es auszudrücken.

Abhängiges Entstehen 

Ist es so, dass die Apfelsine durch abhängiges Entstehen entstanden ist und es daher keine wahrhaft existierende „Apfelsine“ gibt, die von sich aus begründet ist? Bezeichnen wir sie dann als eine „Apfelsine“, weil sie als eine Apfelsine erscheint? Verstehe ich das richtig?

Reden wir über abhängiges Entstehen, haben wir mehrere Bedeutungen. Dinge können im Sinne von Ursachen und Bedingungen entstehen und die Apfelsine ist zweifellos abhängig von Ursachen und Bedingungen entstanden. Die Ursachen und Bedingungen musste es natürlich erst einmal geben: den Samen, die Erde, das Wasser, das Sonnenlicht, bevor die Apfelsine entstanden ist.

Eine andere Bedeutung des abhängigen Entstehens ist, dass Dinge abhängig von Teilen entstehen. Im Fall eines Autos gibt es vielleicht erst einmal die Teile und dann das Ganze, weil man sie zusammengefügt hat. Doch mit der Apfelsine verhält es sich natürlich anders. Wir fügen nicht das Fruchtfleisch und die Schale zusammen, um eine Apfelsine zu bekommen. In diesem Fall treten die Teile und das Ganze gleichzeitig auf.

Doch wenn wir auf der tiefgründigsten Ebene von abhängigem Entstehen sprechen, beziehen wir uns gedanklich auf Dinge, die gültig erkennbar sind und abhängig von geistigem Bezeichnen entstehen, was nicht heißt, dass sie durch die geistige Bezeichnung erschaffen werden. Ein häufiger Fehler, der in den buddhistischen Lehren widerlegt wird, ist der Standpunkt einer der indischen philosophischen nicht-buddhistischen Schulen, der Samkhya-Schule, der im Wesentlichen darin besteht, dass alles diese Ursprungssuppe, eine Art Einheitsbrei ist. Und unsere Konzepte sind wie eine Ausstechform, die Objekte ausstechen und Objekte hervorbringen. Doch ohne das, wäre es nur dieser große Einheitsbrei. Im Buddhismus wird gesagt, dass dem nicht so ist.

Konventionell gesehen gibt es Apfelsinen und Äpfel, rote und grüne, doch sie werden nicht seitens der Objekte begründet, denn man kann kein Bezugsobjekt von Worten und Bezeichnungen finden. Es gibt nichts auf Seiten des Bezugsobjektes, das es zum Bezugsobjekt macht. Ich habe schon vorher darauf hingewiesen, als ich Shantideva zitiert und das Beispiel des Vaibhashika-Standpunktes angeführt habe, in dem es darum ging zu verstehen, dass dieser Stuhl und unser Körper aus Teilchen besteht und es rein gar nichts Solides daran gibt. Aber dennoch falle ich nicht hindurch, er funktioniert. Es ist wichtig, das zu verstehen und zu akzeptieren: Obwohl es nichts auf Seiten des Stuhls gibt, was ihn zu einem Stuhl macht, und nichts auf Seiten meines Körpers, was es zu einem Körper macht, alles in Bezug darauf, worauf sich Worte und Konzepte beziehen, sitze ich dennoch auf einem Stuhl und jeder würde dem zustimmen. Daher ist dieser „Dennoch-Faktor“ so wichtig und gar nicht einfach zu verstehen.

Die Qualitäten des Objektes, wie die Härte oder die Teile des Stuhls, werden nicht von Natur aus von Seiten des Objektes projiziert. Verstehen wir also irgendwie die Leerheit der Eigenschaften des Objektes, können wir dann mit unserer Hand durch den Stuhl fassen? Ist das möglich? Oder handelt es sich um wahre und nicht veränderliche Eigenschaften der Materie oder des Stuhls?

Deine Frage hat mehrere Teile. Es ist wahr, dass die Eigenschaften eines Objektes nicht von Seiten des Objektes begründet werden. Aber sie werden durch das Konzept hart/weich begründet und es kann alle möglichen wissenschaftlichen Maße geben, welche Menschen vor fünfhundert Jahren nicht einmal kannten. Sie werden also durch Konzepte begründet, denn Dinge haben dennoch Eigenschaften. Hier ist es wieder, unser „dennoch“, welcher der schwierigste Aspekt ist. Kommen wir aber zurück zu unserem abhängigen Entstehen. Verschiedene Eigenschaften, besonders physische Eigenschaften, werden durch Gravität, die Geschwindigkeit des Objektes, die Geschwindigkeit des Beobachters und all diese Dinge beeinflusst, womit wir wieder zur Relativität kommen. Aber das heißt nicht, dass es nichts auf Seiten des Objektes gibt. Es bedeutet nicht, dass es ein auffindbares „Nichts“ gibt. Wir gehen nicht in das Extrem des Nihilismus.

Es ist allerdings eine ganz andere Sache, ob man durch eine unglaubliche Entwicklung des Geistes Kontrolle über die Elemente erlangen kann. Ob man mit der Hand durch etwas hindurch fassen kann, ist etwas völlig anderes. Es ist auch wirklich schwer zu verstehen, wie Milarepa sich selbst so verkleinern konnte, dass er in ein Yak-Horn hineinpasste, und es ist gewiss, dass wir dazu nicht in der Lage sein werden.

Sich in Leerheit auflösen 

In vielen Sadhanas nutzen wir die Worte und die Visualisierungen, uns selbst in Leerheit aufzulösen. Welchen praktischen Rat könnten Sie uns geben, den wir in unserer täglichen Praxis anwenden können, um erfolgreicher in diesem Visualisieren des Auflösens zu sein?

In dieser Frage gibt es wieder mehrere Punkte. Wie ich bereits angedeutet habe, bestehen die Schritte für die Meditation über Leerheit darin, zunächst an die Grundlage für die Widerlegung zu denken, die im Grunde die Basis für die Zuschreibung ist. Die Analyse für die Zuschreibung ist dieselbe wie für das geistige Bezeichnen. Wir denken beispielsweise: „Mein Körper ist der Körper einer Buddha-Gestalt, einer Gottheit.“ Zunächst beginnen wir damit, an unseren gewöhnlichen Körper zu denken. Eigentlich sollten wir das nicht machen, da wir uns selbst den ganzen Tag als eine Gottheit visualisieren, aber wenn wir das vergessen haben und uns selbst in unserem gewöhnlich Körper wahrnehmen, beginnen wir damit. Unser gewöhnlicher Körper ist natürlich Teilen zugeschrieben und das „Ich“ ist dem Körper zugeschrieben.

Das zweite Objekt, das widerlegt wird, ist die Erscheinung des Körpers und das „Ich“, als gäbe es da etwas auf Seiten des Körpers, etwas auf Seiten des „Ichs“, das es zu dem „Ich“, zu „meinem Körper“ gemacht hat. Ich beschreibe es beispielsweise so, „als würden diese Dinge wie Tischtennisbälle mit einem kleinen Schild existieren, auf dem Ich steht, wie eine solide Sache, in Plastik eingehüllt: Da ist es, das Ich, mein Körper.“ Das ist das zu widerlegende Objekt.

Wenn wir nun tatsächlich die tantrische Praxis ausführen, machen wir keine analytische Meditation; wir sollten sie vorher gemacht haben, damit wir durch logisches Denken zu der Überzeugung gelangen: „Es ist absurd, dass es da etwas gibt, was solide existiert, von sich aus, ich und mein Körper“ und mit unserem Verständnis durchtrennen wir dies dann äußerst kraftvoll. So beschreibt es Seine Heiligkeit: sehr kraftvoll, einfach „RAH! So etwas gibt es nicht! Dieses Konzept, das ich habe, dass etwas wie eine Art Tischtennisball ist, bezieht sich auf nichts Reales; es ist absurd!“ Und wir fokussieren uns auf „so etwas gibt es nicht.“ Dann löst sich diese Erscheinung der Solidität stufenweise in einem Auflösungsprozess auf. Es wird immer subtiler, bis es keine Erscheinung der Solidität mehr gibt. 

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