Erneutes Ausrichten der Motivation
Wir müssen eine richtige Motivation zum Hören der Unterweisungen haben; ansonsten verpassen wir eine Gelegenheit, viel positive Kraft aufzubauen und diese Unterweisung in unser geistiges Kontinuum aufzunehmen. Wir versuchen nicht bloß danach zu streben, die Dinge in diesem Leben oder in zukünftigen Leben zu verbessern und auch nicht, Befreiung bloß für uns selbst zu erlangen. Vielmehr versuchen wir, die vollständige Motivation der Bodhichitta-Ausrichtung zu haben, indem wir uns wünschen, die Erleuchtung zum Wohl aller Wesen zu erlangen. Denken Sie: „Ich höre hier nicht nur für meinen eigenen Nutzen zu und auch nicht, damit ich befreit werde. Ich öffne mein Herz allen Wesen mit einem Wunsch, ihnen Gutes zu tun und für sie die Erleuchtung zu erlangen.“ Und: „Ich werde auf jeden Fall versuchen, all diese Lehren in meinem geistigen Kontinuum zu integrieren und alle ungezähmten Geisteszustände zu erkennen, die ich habe. Schrittweise werde ich sie so gut wie möglich korrigieren.“
Wenn wir denken, diese Lehren seien bloß theoretisch, dann werden sie uns nicht sehr nützlich sein. Wenn wir sie stattdessen in unsere Geisteszustände und Geisteshaltungen aufnehmen und denken: „Ich werde mich definitiv verbessern; ich werde wirklich versuchen, meine Schwachpunkte zu erkennen und mich anstrengen, um sie zu korrigieren“, dann wird dies viel nützlicher und eine viel tiefere Erfahrung sein.
Grundlegende Struktur des Textes
Die Schulung unserer Geisteshaltungen erfolgt in sieben Punkten; der erste davon betrifft die vorbereitenden Übungen. Auf Tibetisch haben wir die Begriffe „tragende Struktur“ und „Dinge, die davon getragen werden.“ Es ist wie ein Haus und die darin stehenden Möbel und Menschen. In ähnlicher Weise ist in einem Mandala der Mandala-Palast die tragende Struktur und die darin enthaltenen Figuren sind das, was getragen wird. Hier sind die vorbereitenden Übungen wie der Mandala-Palast und die Hauptlehren sind wie die davon getragenen Figuren der Gottheiten. Sie sollten also nicht denken, dass die vorbereitenden Übungen bloß etwas für Anfänger seien, die man dann später vergessen könne. Sie sind vielmehr das Fundament, welches alle anderen tatsächlichen Unterweisungen trägt und immer da bleibt. Hier ist die wichtigste tatsächliche Unterweisung die Entwicklung von Bodhichitta. Dies ist der zweite der sieben Punkte.
Es gibt konventionelles Bodhichitta (relatives Bodhichitta) und tiefstes Bodhichitta (letztendliches Bodhichitta). Konventionelles Bodhichitta ist ein Geist oder ein Herz, das auf die konventionelle (relative, oberflächliche, scheinbare) Wahrheit aller Wesen und der Erleuchtung zielt; tiefstes Bodhichitta dagegen ist ein Geist, der auf ihre tiefste Wahrheit zielt, auf ihre Leerheit oder auf die vollkommene Abwesenheit unmöglicher Existenzweisen. Dies sind die beiden Geisteszustände und Geisteshaltungen dem Leben gegenüber, die wir definitiv auf unserem geistigen Kontinuum entwickeln werden.
Während wir diese beiden Bodhichittas in unserem Leben üben, werden wir verschiedenen Umständen begegnen, von denen einige hilfreich sein werden und andere nicht. Wenn wir keinen Mut haben kann Folgendes passieren: wenn wir auf Umstände stoßen, die nicht hilfreich sind, dann werden wir womöglich entmutigt und denken daran, einfach aufzugeben. In solchen Augenblicken ist es nötig, einen sehr starken und stabilen Geist und ein sehr starkes und stabiles Herz zu haben, damit wir mit der Situation umgehen können. Wir sollten denken und fühlen: „Nun, solche schlechten Umstände gibt es im Leben. Was kann man von Samsara auch anderes erwarten? Doch ich kann damit umgehen. Es ist kein großes Problem, ich laufe keine große Gefahr.“ Wenn unser Geist so stabil ist, dann können wir mit jeder schwierigen Situation umgehen, die auftauchen mag. Wir werden nie entmutigt sein. Wenn wir all diese negativen, nicht hilfreichen Umstände hinnehmen können und sie in einen Pfad verwandeln, dann werden sie ein Teil unseres spirituellen Pfades werden. Dann stellen sie natürlich keine Gefahr dar. Sie können uns nicht schaden und wir werden sehr stabil in unserer Praxis. Das ist eine äußerst wohltuende und umfassende Methode.
Die anderen fünf der sieben Punkte sind:
- die Umwandlung widriger Umstände in einen Pfad zur Erleuchtung
- die verdichtete Praxis in einem Leben
- Ermessen, inwieweit wir uns geschult haben
- die Übungen für enge Bindung mit dem Geistestraining
- die Punkte für das Geistestraining, das es zu üben gilt.
Hiermit kommen wir nun zum Wurzeltext des Geistestrainings in sieben Punkten. Als grundlegende Struktur für diese Unterweisungen in dem Geistestraining und als Teil der vorbereitenden Übungen sprechen wir als erstes über die kostbare menschliche Widergeburt, dann Tod und Vergänglichkeit, dann die verhaltensbedingten Ursachen und Wirkungen und schließlich die Probleme und Leiden von Samsara. Das sind die vier Punkte der vorbereitenden Übungen, welche die tragende Basis für die Schulung unserer Geisteshaltungen bilden. Sie sind gemeinhin bekannt als die „vier Gedanken, die den Geist dem Dharma zuwenden.“
Ein Text zum Geistestraining von Panchen Yeshe Gyaltsen präsentiert die vorbereitenden Übungen im Kadam-Stil, indem er die Leiden der schlechteren Widergeburtszustände beschreibt. Nachdem man über diese nachgedacht hat, nimmt man eine sichere Ausrichtung im Leben. Auf diese Weise wird die sichere Ausrichtung eingeschlagen als Teil der Diskussion der verschiedenen Widergeburtszustände. Durch verschiedene Methoden wie diese können wir alle Lam-rim-Lehren über die gestuften Ebenen des Pfades in der Gliederung dieser vier vorbereitenden Übungen unterbringen.
Es gibt mehrere verschiedene Darstellungen und Anordnungen der Punkte des Lam-rims. Ich denke, es hängt alles von den verschiedenen Dispositionen der Schüler ab. So präsentiert beispielsweise Tsongkhapa in Die drei Hauptaspekte des Pfades (tib. Lam-gtso rnam-gsum) zwei Ebenen der Entsagung: sich endgültig abwenden von der völligen Beschäftigung mit diesem Leben und dann sich endgültig abwenden von der völligen Beschäftigung zur Verbesserung zukünftiger Leben. Doch in seinen größeren Lam-rim-Texten stellt Tsongkhapa drei Ebenen der Motivation dar, von denen eine die Entsagung ist; hier spricht er nicht von zwei Ebenen der Entsagung.
Obwohl uns also in einigen Lam-rim-Texten das Nachdenken über das Leiden der schlechteren Widergeburtszustände direkt dazu führt, eine sichere Ausrichtung einzuschlagen, bringt uns hier das Nachdenken über die verschiedenen Punkte direkt zum Bodhichitta. Wir denken an die kostbare menschliche Wiedergeburt und das führt uns direkt zum Bodhichitta. Dann denken wir an Tod und Vergänglichkeit und auch das führt uns direkt zur Entwickelung von Bodhichitta. Die Präsentation der verschiedenen Leiden im Allgemeinen und die spezifischen Leiden der verschiedenen Widergeburtsbereiche können uns auch zur Verwirklichung von Bodhichitta bringen. Das ist eine besondere Weise, die verschiedenen Punkte des Lam-rim in Texten zur Schulung der Geisteshaltungen zu präsentieren.
Diese Gliederung bezieht sich sowohl auf die Praxis während der Meditationssitzung als auch zwischen den Sitzungen. Das bedeutet: Wir praktizieren nicht nur Dharma, wenn wir mit gekreuzten Beinen sitzen und verschiedene Gebete rezitieren – und den Rest der Zeit vergessen wir ihn dann und lassen ihn fallen. Sondern wir üben anhaltend sowohl während des förmlichen Sitzens als auch dazwischen.
Es ist, wie wenn man eine Batterie aufladen will. Wenn in unsere Meditationssitzung sind, machen wir unseren Geist, unser Herz und unsere Geisteshaltungen klarer und stärker, so dass wir sie später benutzen können, genau, wie wenn wir eine Batterie aufladen, damit wir sie später benutzen können. Und genau wie es die Zeit gibt, wenn wir die Batterie aufladen und die Zeit danach, wenn wir ihre elektrische Energie benutzen, gibt es die Zeit, wenn wir unsere tatsächliche Meditationssitzung ausführen und unsere Energie aufladen, und dann die Zeit, in der wir diese Energie in unserem alltäglichen Leben benutzen. Es ist nicht so, dass wir während unserer Meditationssitzung religiös sind und uns dann dazwischen vollkommen unreligiös verhalten; wir sollten beständig sein. Wir sollten versuchen, unseren Geist dazu zu bringen, auf allen Ebenen, dass wir uns in Einklang mit den Lehren verhalten.
Jeder will natürlich glücklich sein und jeder versucht verschiedene Methoden, um dieses Glücklichsein zu verwirklichen. Und natürlich braucht jeder die verschiedenen Dinge, die für das Leben notwendig sind. Doch wenn wir versuchen, dieses Glücklichsein durch unziemende Methoden zu verwirklichen, die anderen wehtun, oder wenn wir versuchen, andere auszunutzen, dann sind dies genau die Dinge, die wir stoppen müssen, von denen wir uns befreien müssen. Wir müssen über die verschiedenen Dinge, die wir tun, nachdenken. Wenn wir sehr arrogant sind und Menschen ausnutzen oder Menschen reinlegen, um selbst einen Profit daraus zu schlagen, dann sollten wir denken: „Nun, was ist langfristig gesehen wirklich der Nutzen dieses Verhaltens? Wird es mir das Glücklichsein verschaffen, das ich wünsche? Wenn ich diesen Profit erziele, indem ich andere reinlege und belüge, wird es mir wirklich langfristig helfen?“ In dieser Weise sollte man zur Überzeugung kommen: „Wenn ich derartige unehrliche Methoden benutze, wird der Schuss nach hinten losgehen. Denn wenn jemand sich sehr arrogant verhält und versucht, die anderen auszunutzen, dann werden alle diese Person als jemand sehr vulgäres betrachten. Niemand will dann auf ihrer Seite sein oder mit dem übereinstimmen, was sie tut.“ Das ist recht klar, nicht wahr? Wir können also die Nachteile feststellen, die es mit sich bringt, ein Betrüger und ein Lügner zu sein.
Wenn wir mit unserer Meditationssitzung fertig sind und nach Draußen gehen und Menschen treffen, könnte es sein, dass wir den Drang verspüren, uns arrogant oder in täuschender Weise zu verhalten. Dann müssen wir uns vergegenwärtigen, was wir während unserer Meditationssitzung gedacht haben und denken „Oh nein! Ich täusche diese Person und versuche, sie hereinzulegen. Ich habe in meiner Meditationssitzung gesehen, dass das nicht gut ist. Es nützt niemandem etwas.“ und daher halten wir uns zurück. In diesem Moment halten wir uns von einer negativen oder destruktiven Handlung zurück: darin besteht die tatsächliche Praxis zwischen den Meditationssitzungen. In diesem Moment benutzen wir tatsächlich die guten Gewohnheiten, die wir in unserer Meditationssitzung aufgebaut haben. Wenn wir uns sehr vorsichtig verhalten und die Meditation und die Zeit zwischen den Sitzungen gut ineinander integrieren, dann werden wir feststellen, dass die Meditation uns dazu dienen wird, unser Verhalten zwischen den Sitzungen zu verbessern und unsere Handlungen zwischen den Sitzungen werden dazu beitragen, unsere Meditation zu verbessern. So werden wir uns täglich etwas verbessern. Tag für Tag werden wir kleine Fortschritte feststellen.
Wir müssen unser Verhalten untersuchen. Wenn wir Alkohol trinken oder Zigaretten rauchen, dann sollten wir versuchen, uns zu bessern und uns von diesen negativen Handlungen, die so selbstdestruktiv sind, zu befreien. Wenn wir jedes Mal, wenn wir eine Zigarette sehen an die Nachteile denken, dann werden wir sie beiseite legen. Wir werden uns entschließen, nur noch eine oder zwei Zigaretten pro Tag zu rauchen. Nachdem wir immer weniger geraucht haben werden wir schließlich einen Punkt erreichen, an dem uns sogar der Geruch des Rauches einer Zigarette ekelt. Wenn wir darüber nachdenken, dann ist Rauchen eine große Verschwendung an Zeit und Geld. Das ganze Geld, das wir dafür verschwenden und die Zeit, die wir damit verschwenden, dass wir darüber sprechen, oder wenn wir jemanden treffen, der raucht, der Person eine Zigarette anzünden und zusammen über alles und nichts sprechen – denkt daran, was für eine Verschwendung das ist. Auf allen Ebenen ist die Gewohnheit des Rauchens sinnlos.
Dasselbe gilt vom Alkoholtrinken und für alle Arten schlechter Charaktereigenschaften, die wir haben können, beispielsweise anmaßend zu sein, oder arrogant, oder täuschend. Versuchen Sie, diese Charaktereigenschaften so sehr wie möglich zu reduzieren und sich schließlich davon zu befreien, indem Sie sie als negative Gewohnheiten betrachten.
Die Handlungsweisen vor Beginn einer Meditationssitzung
Zu Anfang der tatsächlichen Meditationssitzung ist es sehr wichtig, unsere Motivation zu untersuchen: weshalb meditieren wir? Wir müssen die sichere Richtung neu bekräftigen, die wir in unserem Leben einschlagen, wie sie von den Buddhas, dem Dharma und der Sangha gezeigt wird und wir müssen unsere Bodhichitta-Ausrichtung neu bekräftigen. Wir tun dies, während wir die Objekte der sicheren Richtung und so weiter visualisieren, in Einklang mit der Linie von Lama Serlingpa. Als erstes untersuchen wir also unsere Motivation und bekräftigen sie erneut. Dann bereiten wir unseren Meditationssitz an einem Ort, der für die Meditation angebracht ist.
Den Meditationsort reinigen
Als erstes müssen wir den Ort reinigen, an dem wir meditieren werden. Dies macht einengroßen Unterschied für die Klarheit unseres Geistes und für den Grad von Respekt, die wir den Objekten unserer Meditation gegenüber spüren und ausdrücken. Es beeinflusst auch unsere Gesundheit. Es ist sehr wichtig, dass wir unser Haus und unser Zimmer sehr sauber halten und einige Opfergaben aufstellen. Wenn wir fegen und putzen können verschiedene Gedanken helfen, wie etwa „Während ich diesen Boden reinige, reinige ich meinen Geist.“ Wir sollten nicht denken, dass wir es nur für uns selbst schön machen; vielmehr tun wir es, um den Objekten der Zuflucht und der Praxis Respekt zu erweisen.
Einen Altar aufbauen und Opfergaben anordnen
Wenn wir unseren Altar und unsere Opfergaben aufbauen tun wir dies nicht, um die anderen zu beeindrucken, sondern um den Prozess zu unterstützen, durch den wir uns selbst verbessern, um allen fühlenden Wesen Gutes zu tun, was bedeutet, allen beschränkten Wesen Gutes zu tun. Wir sollten bescheidene Altäre haben, mit Darstellungen des Körpers, der Rede und des Geistes der Buddhas. Wenn wir goldene und silberne Opferschalen haben, dann wird die Hälfte unseres Geistes an den Wert dieser kostbaren Gegenstände denken und nur die andere Hälfte an die Praxis. Es gibt eine berühmte Geschichte von Geshe Benkungyal, der in einer Höhle lebte und meditierte. Einmal erwartete er seinen Lehrer, der ihn besuchen sollte. Daher arrangierte er sehr besondere Opfer auf seinem Altar. Dann untersuchte er seine Motivation und sah, dass er dies nur tat, damit alle sagen würden, er sei ein sehr großer Übender. Als er dies bemerkte, warf er Asche auf seine Opfergaben. Als sein Lehrer kam, sagte er, dass Geshe Benkungyal Asche in das Gesicht der acht vergänglichen Angelegenheiten des Lebens geworfen habe und dass seine Opfergabe sehr rein sei.
Bevor Geshe Benkungyal ein großer Dharma-Übender wurde, war er ein berüchtigter Dieb gewesen. Nachdem er ein Praktizierender geworden war, besuchte er eines Tages einen Förderer. Dieser hatte Opfergaben aufgestellt und war dann nach draußen gegangen. Geshe Benkungyal bemerkte, wie seine Hand aufgrund seines diebischen Instinkts nach diesen Dingen griff, um sie zu stehlen. Energisch packte er seine Hand mit der anderen und schrie „Kommt schnell, ich habe einen Dieb gefangen.“
Genauso sollten wir den Dharma üben. Wenn wir feststellen, dass wir einer negativen Tendenz nachgeben, sollten wir uns selber aufhalten und nicht mehr in dieser Weise handeln. Der wichtigste Punkt des Dharmas ist, Präventivmaßnahmen zu ergreifen; sobald wir bemerken, dass wir anfangen, etwas zu tun, von dem wir wissen, dass es falsch ist, sollten wir aufhören, es zu tun. Wenn Sie sich also (später) daran erinnern können: „Seine Heiligkeit hat während dieser Unterweisung gesagt, man solle so etwas nicht tun” und Sie sich dann dabei überraschen, wie Sie es tun, dann können Sie sich selber stoppen.
Es ist wie das Beispiel des (Alkohol-)Trinkens, das die Wurzel so vieler Probleme ist, obwohl es natürlich köstlich schmeckt. Wenn man denkt „Es ist mir wirklich egal“, dann verhärten wir uns und bauen eine Gewohnheit von negativem und unsensiblen Verhalten auf. Es liegt daran, dass, wenn wir betrunken sind. wir uns in einer Weise verhalten, dass wir selbst nicht mehr wissen, was wir tun. Wenn die Leute dann sagen „Oh, als du betrunken warst hast du so schlecht gesprochen, hast furchtbare Lügen gesagt und hast dich in einer so schockierenden Weise verhalten und nun erinnerst du dich noch nicht einmal daran“, dann ist das extrem peinlich. Wir machen uns komplett zum Narren, wenn wir betrunken sind.
Das Wichtigste beim Dharma ist es, Präventivmaßnahmen zu ergreifen; sobald wir feststellen, dass wir anfangen, etwas Falsches oder Unschickliches zu tun, sollten wir dies stoppen und uns davon abhalten, es zu tun. Wir müssen alles anwenden, was wir kennen, wie in diesem sehr relevanten Beispiel von Geshe Benkungyal. Es war sehr klar und offensichtlich, wie er den Dharma übte: er stoppte sich sofort und in recht dramatischer Weise wenn er irgendwie negativ handelte.
Der wichtigste Punkt im Dharma ist immer, dass wir daran arbeiten, unsere inneren Qualitäten zu verbessern und nicht an einer äußeren Verbesserung. Was die Opfergaben angeht, die wir machen: sie brauchen nicht äußerlich so beeindruckend zu sein, dass wir Stolz entwickeln. Milarepa machte die besten Opfergaben: er hatte nichts Äußerliches zu geben, doch er widmete sein Herz vollkommen der Dharmapraxis.
Wir brauchen keine Bemühung in das Errichten protziger Altäre zu stecken, indem wir sehr teure Bilder kaufen; das wäre vollkommen daneben. Der Dharma dient der Verbesserung unseres Geistes, nicht einer äußeren großen Show. Wenn wir verschiedene Bilder als Geschenke und so weiter natürlicherweise erhalten können wir sie natürlich aufhängen. Je schöner die Opfergabe ist, desto nützlicher ist sie. Doch wir sollten uns nicht bemühen, eine protzige Show zu machen, um die anderen zu beeindrucken – besonders nicht mit tibetischen Thangka-Malereien. Wir sollten sie nicht bloß als Andenken kaufen, um die Leute zu beeindrucken. Doch wenn man Thangkas kauft, sollte man versuchen, nur solche zu nehmen, welche die richtigen Proportionen und die standardmäßigen Eigenschaften haben. Wenn wir etwas kaufen, das nicht der Tradition entspricht und dann jemand kommt und sagt „Dieses Buddhabild ist sehr schlecht“ dann bauen wir negative Kraft und negatives Potential auf, da wir die Ursache für diese Worte sind. Wir sollten also sehr darauf achten, Thangkas und Bilder zu haben, die korrekt und traditionsgemäß sind. Doch wir erwerben sie nicht bloß, um die anderen zu beeindrucken. Wenn unsere Vorbereitungen und Anordnungen sehr einfach sind, können wir einfach ein Bild unseres spirituellen Mentors aufhängen. Das wird unseren Geist sehr glücklich machen und wir werden Respekt äußern.
In der richtigen Haltung sitzen
Dann sollten wir uns in der richtigen Haltung auf einen richtigen Sitz setzen. Am besten ist es, wenn man in der vollen Lotus- oder Vajra-Position sitzen kann. Wenn das aber unbequem ist kann man einfach in der gewöhnlichen Weise mit gekreuzten Beinen sitzen, wie es die meisten von uns tun. Wenn auch das unbequem ist, kann man sich auf einen Stuhl setzen. Das wichtigste ist, das wir an unserem Geist arbeiten und nicht unbedingt an unserem Körper. Doch wenn wir mit gekreuzten Beinen sitzen können, ist das viel besser.
Pendeln Sie nicht nach vorne und hinten oder nach links und rechts; sitzen Sie einfach aufrecht und stabil. Natürlich gibt es Ausnahmen, wenn man sich nicht wohl fühlt; aber grundsätzlich sollten wir aufrecht sitzen und uns nicht ständig bewegen. Besonders wenn wir unsere Praktiken üben sollten wir sehr aufrecht sitzen und uns nicht bewegen. Wenn wir uns bewegen, nach vorne und hinten pendeln, während wir versuchen uns zu konzentrieren, dann wird die Pendelbewegung eine Pendelbewegung in unserem Geist auslösen und wir werden stärker geistig wandern. Wenn wir Texte aus dem Gedächtnis rezitieren, bemerken wir oft, dass wir vorwärts und rückwärts schwingen. Die meisten von uns tun dies, aber es ist nicht eine ausschließlich tibetische Sitte. Man kann feststellen, dass viele Moslems es auch tun, wenn sie den Koran rezitieren. Wenn Fremde kommen und sehen, wie die Tibeter rezitieren, finden sie es sehr merkwürdig, da einige vorwärts und rückwärts schwingen, während andere seitlich pendeln.
Vor etwa fünfzehn Jahren gab es einen Geshe, der ein großer Yogi war und in den Bergen Tibets gelebt hatte. Als er nach Indien kam bat er mich, ihm einige Initiationen zu geben. Ich war äußerst beeindruckt: während der gesamten Ermächtigung bewegte er sich kein Bisschen. Wenn wir können sollten wir diese Art von Position haben. Sie kommt aus der Kraft tiefer Konzentration.
Wenn wir eine Brille tragen, können wir selbst untersuchen, ob es einen Unterschied macht, wenn wir sie während der Meditation tragen oder nicht. Wenn ich meine Brille trage, habe ich größere Klarheit; doch ohne meine Brille habe ich eine größere Stabilität und eine bessere Platzierung des Geistes. Untersuchen Sie dies selbst und sehen Sie, was für einen Unterschied es macht.
Eine sichere Richtung einschlagen und unsere Motivation bestätigen
Als nächstes untersuchen wir unseren Geisteszustand und mit einem besonders positiven Geisteszustand nehmen wir stabil eine sichere Ausrichtung und bestätigen unsere Bodhichitta-Ausrichtung. Denken Sie „Ich gebe meinen Leben mit der Zuflucht eine starke sichere Ausrichtung. Ich widme mein Herz der Bodhichitta-Ausrichtung, der Erleuchtung, allen Wesen zu helfen und ich werde diese Praxis üben, um eine starke positive Kraft aufzubauen und dieses Ziel zu erreichen.“
Da es hilfreich ist, eine visuelle Stütze zu haben visualisieren wir die Objekte der sicheren Ausrichtung. Es kann sich entweder um ein sehr elaboriertes reichhaltiges (Zufluchts-) Feld handeln oder einfach um ein Bild Buddhas. Wir stellen uns vor, dass wir davon Wellen der Inspiration erhalten. Wenn wir eine visuelle Stütze haben, um die Inspiration bildlich darzustellen, erzeugt das ein stärkeres Gefühl.
Die tatsächliche sichere Richtung wird gezeigt von den wahren Beendigungen und den wahren Formen von Pfadgeist (wahre Pfade) auf den geistigen Kontinua von Aryas, von hoch verwirklichten Wesen. Ob wir das reichhaltige Feld klar visualisieren können oder nicht: wir sollten uns daran erinnern, was die wichtigsten Dinge sind, die eine sichere Richtung im Leben darstellen – wahre Beendigungen und wahre Formen von Pfadgeist. Wir können verschiedene Arten von Feldern visualisieren, um positive Kraft aufzubauen (Verdienstfelder), doch am wichtigsten ist es, ein sehr starkes Gefühl der sicheren Richtung zu haben, in die wir uns bewegen. Nicht nur die Wörter zu sagen, sondern einen starken vertrauensvollen Glauben an das zu haben, was Tatsachen sind. Die Tatsachen sind, dass die drei kostbaren und seltenen Juwelen die sicherste Richtung, die man im Leben nehmen kann, zeigen sowie dass wir in vollem Umfang beabsichtigen, weiter in diese Richtung zu gehen.
In Tibet folgen wir einer Kombination aus Hinayana, Sutra-Mahayana und Tantrayana. Was Tantra angeht: wenn wir die sichere Richtung nehmen, müssen wir denken, dass wir von den Objekten der sicheren Richtung auch alle Ermächtigungen erhalten. Deshalb beginnen wir die Zufluchtsformel mit: „Ich nehme die sichere Richtung von den Lamas, von den Gurus.“ Wir tun dies, da wir uns vorstellen, dass wir von ihnen Ermächtigungen erhalten. Unsere spirituellen Lehrer sind diejenigen, die uns tatsächlich bei der Hand nehmen, die uns festhalten und uns auf dem Pfad in die sichere und fehlerfreie Richtung führen, die von Buddha, Dharma und Sangha gezeigt wird. Um unsere Praxis dann als Mahayana auszuweisen, bekräftigen wir unsere Bodhichitta-Ausrichtung.
Das siebengliedrige Gebet darbringen
Wir beginnen also mit der sicheren Richtung, bekräftigen dann unsere Bodhichitta-Ausrichtung und visualisieren dann das reichhaltige Feld und bringen das siebengliedrige Gebet dar: Niederwerfungen, Opfergaben und so weiter. Es gibt viele verschiedene Arten, dieses Gebet in Verbindung mit der Sutra-Praxis und in Verbindung mit der Tantra-Praxis zu üben. Wir können das siebengliedrige Gebet auch in Verbindung mit den verschiedenen Arten von Guru-Yoga und den verschiedenen Buddha-Figuren (Gottheiten, Yidams) ausführen. Die Gelug-Tradition zum Beispiel bringt sie im Kontext der Hundert Gottheiten von Tushita (tib. dGa’-ldan lha rgya-ma) dar. In diesem Gebet wird Tsongkhapa als die zentrale Figur visualisiert.
Alternativ hierzu können wir einfach unseren spirituellen Mentor oder den Buddha visualisieren. Oder wir können die Praxis im Kontext von einem der Yogas in sechs Sitzungen üben: man kann es in vielen Weisen tun. Einige der Verse, die im siebengliedrigen Gebet bei der Darbringung der Opfergaben benutzt werden, kommen aus Sutras, die sich mit Bodhisattva-Verhalten befassen, besonders aus dem Text „Das Blumengirlanden-Sutra“ (tib. mDo Phal-cher, Skt. Avatamsaka Sutra). Welches siebengliedrige Gebet auch immer wir benutzen, wir sollten unseren Geist sehr klar auf die verschiedenen Punkte und auf ihre Bedeutung ausrichten und dann mit einem Widmungsgebet abschließen. Dies ist die Vorgehensweise, die Lama Serlingpa, der Meister Atishas, lehrte.
Dann formulieren wir verschiedene Bitten, um dazu in der Lage zu sein, unseren Geist dem Dharma zuzuwenden, um alles in einem Pfad zum Dharma verwandeln zu können und damit wir tatsächlich dazu in der Lage sein werden, all dies in die Praxis umzusetzen.
Darbringen eines Mandalas
Die Darstellung der Welt die wir als Mandalas darbringen besteht traditionell aus dem Berg Meru, den vier Kontinenten und so weiter, wie in den hinduistischen Schriften. Ich erinnere mich, wie ich einmal während einer Pilgerfahrt in Indien auf einen hinduistischen Tempel gestoßen bin. Ich weiß nicht mehr genau, wo er sich befand, doch er hatte eine Wandmalerei mit dem Berg Meru und den vier Kontinenten, die unserer Darstellung recht ähnlich war. Wir bringen also die Gegenstände dar, die wir vor uns auf den Altar gelegt haben und wir stellen uns auch Dinge vor, wie den Berg Meru, die Kontinente und so weiter und bringen sie ebenfalls dar. Man braucht hierzu keinen besonders aufwändigen Mandala-Teller. Die Visualisierung braucht allerdings nicht komplett so zu sein, wie die Welt in den Abhidharma-Texten dargestellt wird. Wir können die Welt auch visualisieren, wie sie tatsächlich ist.
Wir können nicht abstreiten, dass die Welt rund ist. Das ist etwas, das man mit eigenen Augen feststellen kann: man kann die Krümmung der Welt tatsächlich sehen. Die moderne Beschreibung der Welt wird durch unsere Wahrnehmung bestätigt; man kann es mit den Augen sehen. Wenn wir das abstreiten wollten und darauf bestehen würden, dass die Welt genau so ist wie sie im Text „Ein Schatzhaus spezieller Themen des Wissens“ (tib. mDzod, Skt. Abhidharmakosha) beschrieben ist, dann wäre das wirklich absurd, oder? Worum es hier geht, ist nicht so sehr die Widerlegung der naturwissenschaftlichen Darstellung oder die Widerlegung der Darstellung der Welt in „Ein Schatzhaus besonderer Themen des Wissens“. Worum es geht ist, die Welt in ihren herrlichsten und schönsten Aspekten darzubringen, etwas sehr Angenehmes darzubringen um etwas positive Kraft und einen konstruktiven Geisteszustand aufzubauen. Wir sollten diese Geisteshaltung beibehalten, während wir ein Weltsystem als Mandala darbringen. Da unser spiritueller Mentor und die Tausende und Millionen von Buddhas als das größte oder besonders herausragende reichhaltige Feld zum Aufbau positive Kraft bekannt sind, bringen wir ihnen das Mandala dar.
Eine gesunde Beziehung zu einem spirituellen Mentor
Dies bringt uns zum Thema einer gesunden Beziehung zu unserem spirituellen Mentor und dazu uns ihm (oder ihr gegenüber) aus ganzem Herzen anzuvertrauen (Hingabe zum Guru) sowie zu den Vorteilen eines solchen Anvertrauens Engl.: commitment, oft auch als „Verpflichtung“ in Deutsche übersetzt und zu den Nachteilen, sich in einer zuwiderlaufenden Weise zu verhalten.
Wenn wir in diesem Leben nähen lernen wollen oder lernen wollen, Buddhafiguren zu malen, dann müssen wir es von jemandem lernen, den wir beim Ausüben dieser Aktivitäten beobachten können, damit wir seinem Beispiel folgen können und versuchen können, es selbst zu tun. Wir brauchen einen Lehrer. Dasselbe gilt auch für die spirituelle Schulung. Es ist extrem wichtig, sich auf einen Lehrer, einen spirituellen Mentor zu stützen, in einer gesunden Weise, und uns ihm oder ihr aus ganzem Herzen anzuvertrauen. Um dies zu tun müssen wir tief meditieren, um einen äußerst starken Glauben, ein äußerst starkes Vertrauen in unseren spirituellen Mentor zu entwickeln. Die Entwicklung dieses vertrauensvollen Glaubens kann entweder in Bezug auf die Seite der Methode oder der Weisheit unserer Praxis stehen. Wenn wir es in Bezug zur Weisheitsseite entwickeln, zur Seite des unterscheidenden Gewahrseins, dann müssen wir die verschiedenen Gründe untersuchen, aufgrund derer wir einen überzeugtes Vertrauen in unseren Mentor oder unsere Mentorin haben können.
Wenn wir unserem spirituellen Mentor gegenüber überzeugtes Vertrauen haben, dann werden wir von ihm oder ihr inspiriert. Wenn wir keinen solchen Glauben haben, dann werden wir, so sehr wir uns auch um unterscheidendes Gewahrsein bemühen mögen, doch nicht die Inspiration haben, um es zu entwickeln. Was auch immer die guten Eigenschaften und Qualifikationen eines spirituellen Mentors sein mögen: wenn wir nicht die feste und vertrauensvolle Überzeugung haben, dass er oder sie sie tatsächlich hat, dann werden wir von dieser Person nicht inspiriert. Egal wie viele Opfergaben wir ihm oder ihr darbringen oder wie viele Gebete wir an ihn oder sie richten – unser Herz wird davon nicht erhoben oder bewegt.
Als erstes müssen wir die Punkte kennen, die eine Rolle spielen, wenn man sich einem spirituellen Mentor in einer gesunden Weise von ganzem Herzen anvertrauen will. Was sind die Voraussetzungen? In seinen Lam-rim Texten listet Tsongkhapa folgende Dinge auf: die Eigenschaften und Qualifikationen eines spirituellen Mentors; die Eigenschaften und Qualifikationen des Schülers; der Maßstab und die Vorteile sich in einer gesunden Wiese auf einen solchen Meister zu stützen und die Nachteile, dies nicht zu tun.
Als erstes kommen die Qualifikationen eines spirituellen Mentors. Wir müssen diese sehr gut kennen, um sie überprüfen zu können. Was sind seine Qualitäten in Bezug auf Körper, Rede und Geist, seine Verwirklichungen? Ist er gebildet? Was praktiziert er? Spirituelle Mentoren entstehen nicht von alleine. Es ist falsch zu denken, dass spiritueller Mentoren sich selbst hervorbringen. Keiner von ihnen ist von Geburt an ausgebildet.
Eine Inkarnation (tib. tulku) ist nicht notwendigerweise ein Lama und ein Lama ist nicht notwendigerweise eine Inkarnation. Es gibt keine logische Durchdringung zwischen den beiden. „La (tib. bla),“ die erste Silbe von „lama,“ der tibetischen Übersetzung des Sanskrit-Wortes guru, ein spiritueller Mentor, bedeutet „hoch“, „überragend“ oder „groß“, wie im Ausdruck „lana-meypa (tib. bla-na med-pa),“ was bedeutet „nichts höher“ oder „nichts größer.“ Der Ausdruck bedeutet jemand, der sehr hohe oder große Verwirklichungen hat, einen überragenden Lehrer, jemanden mit großen Qualitäten, nicht bloß jemanden der fett ist und ein großes Gewicht hat! Ein Lama ist jemand mit großen Fähigkeiten und Qualitäten, nicht bloß jemand mit einem großen Namen oder Titel.
Die Qualifikationen des spirituellen Mentors müssen vollständig sein, sowohl was seine oder ihre Kenntnis der Schriften angeht als auch was seine oder ihre tatsächlichen Verwirklichungen angeht. Ein qualifizierter Meister muss beide haben und darf nicht jemand sein, der leicht wütend wird, auch wenn er die Texte sehr gut kennt. Wir brauchen jemanden, der alle guten Eigenschaften und das Wissen hat, der entsprechend der Lehren lebt und der sie in klarer Weise den anderen erklären kann.
Im Lam-rim steht: „Ein spiritueller Mentor ist jemand, der diszipliniert ist, mit einem ruhigen, stabilen Geist und tiefer Einsicht, der überragende Eigenschaften hat, enthusiastisch ist, viele Unterweisungen kennt, die Leerheit voll versteht, sie gut erklären kann, liebevoll ist und ausdauernd.“ Der Schüler seinerseits muss den ehrlichen Wunsch zu lernen haben und einen ehrlichen Wunsch, sich selbst zu verbessern. In den Texten steht, dass man den Dharma jenen, die kein ehrliches Interesse haben oder die bloß eine intellektuelle Neugierde haben nicht lehren sollte.
Wir versuchen Guru-Yoga zu verwirklichen. „Yoga“ bedeutet hier, sich mit dem „echten Ding“ zu integrieren. Mit anderen Worten: wir wollen unseren Körper, unsere Rede und unseren Geist mit den guten Eigenschaften des Körpers, der Rede und des Geistes unseres spirituellen Mentors und seiner oder ihrer Übertragungslinie spiritueller Meister integrieren. Sie sind „das echte Ding“. Wir bitten darum, dass wir dazu in der Lage sein mögen, dieselben Verwirklichungen, Einsichten und Realisierungen wie unser spiritueller Mentor zu entwickeln. Das ist es, was Guru-Yoga ist: uns mit dem „echten Ding“ zu integrieren, das vom Guru repräsentiert wird.
Um diese Praxis wirklich zu üben müssen wir an die Vorteile denken, die es mit sich bringt, sich in einer gesunden Weise auf einen qualifizierten spirituellen Mentor zu stützen, mit Vertrauen und Verpflichtung, und was die Nachteile sind, keinen Lehrer zu haben oder ihn zu verlieren oder fallen zu lassen.
Dann müssen wir darüber nachdenken, wie man sich tatsächlich auf gesunde Weise einem spirituellen Mentor gegenüber verhält und sich auf ihn stützt, mit Anvertrauen von ganzem Herzen kommend. Dies ist einerseits in Bezug auf unseren Geist oder unsere Geisteshaltungen gegenüber unserem Mentor und andererseits in Bezug auf unsere Verhaltensweise, auf unsere Handlungen. Was den Geist und die Geisteshaltungen angeht brauchen wir einen überzeugten Glauben, dass der spirituelle Mentor ein Buddha ist und dabei wissen, was dies tatsächlich bedeutet; dann vergegenwärtigen wir uns seiner oder ihre Güte, mit tiefer Wertschätzung und Dankbarkeit. Was unsere Handlungen angeht: die grundlegendste ist, das, was unser spiritueller Mentor uns rät, genau in die Praxis umzusetzen; und dann ihm oder ihr Respekt entgegen zu bringen und ihm oder ihr zu helfen. Wie Milarepa sagte: „Ich habe keine materiellen Gegenstände, die ich meinem spirituellen Mentor darbringen könnte, aber ich kann ihm meine Wertschätzung seiner Freundlichkeit zeigen, indem ich mich voll einsetze um genau das zu praktizieren, was er sagt. „Ein Mahayana-Meister ist jemand, der sich nicht dafür interessiert, etwas Materielles zu bekommen, sondern dafür, dass der Schüler ihm sein ehrliches Praktizieren schenken.
Wenn wir sagen, man solle genau das praktizieren, was uns unser spiritueller Mentor rät, dann sprechen wir von einem Mentor, der absolute, vollkommene, vollständige Qualifikationen hat. Doch es wird schwierig sein, jemanden zu finden, der absolute, vollkommene, vollständige Qualifikationen hat; daher heißt es in den Lehren, man solle nicht auf die Person sehen, sondern auf das, was er oder sie sagt. Der spirituelle Mentor kann jemand sein, der nicht so viele Verwirklichungen hat oder nicht so hohe; doch wir sollten untersuchen, was er sagt und feststellen, ob es bedeutsam ist.
Wir müssen die Unterweisungen des Mentors untersuchen und seine oder ihre Qualifikationen prüfen. Es ist nicht gut, einen spirituellen Lehrer als unseren Mentor anzunehmen und dann festzustellen, dass er Makel hat und Fehler macht, sodass wir uns später aufgrund dieser Fehler von dieser Person abwenden. Das ist eine sehr schmerzhafte und unglückliche Situation. Wie es in den Schriften heißt, müssen wir am Anfang sehr sorgfältig untersuchen, bevor wir uns jemandem anvertrauen.
Anfangsloser Geist
Im Text steht, dass es nach diesen vorbereitenden Übungen nötig ist, während unserer Meditationssitzung darüber zu reflektieren, dass wir seit anfangsloser Zeit unter der Macht und dem Einfluss unseres Geistes gestanden haben und dass unser Geist unter der Macht und dem Einfluss von störenden Emotionen und Geisteshaltungen gestanden hat.
Wenn in verschiedene Belehrungen „von anfangsloser Zeit an“ gesprochen wird, was wird dann damit gemeint? Andere Systeme, die die Schöpfung der Welt lehren, sagen, es gäbe einen Anfang, die Schöpfung. Hier werden die Dinge nicht so dargestellt als hätten sie einen absoluten Anfang. „Von anfangsloser Zeit an“ bedeutet seid unendlichen vorangehenden Widergeburten.
In Punjab lebt ein drei Jahre altes Mädchen, dass sich präzise an viele Details ihres vorangehenden Leben erinnert: an ihre Familie, an was geschehen ist, und so weiter. Es gibt viele solche Fälle, in denen Kinder eine klare Erinnerung an die Dinge und Menschen ihres vergangenen Lebens haben oder diese wieder erkennen. Es gibt also Hinweise auf die Existenz vergangener Leben.
Wenn wir von anfangslosen Leben sprechen, sprechen wir vom anfangslosen Geist, vom geistigen Kontinuum. Geist wird als bloße Klarheit und Gewahrsein definiert. Nur die Definition zu kennen ist allerdings nicht ausreichend. Es ist wichtig, tatsächlich dazu in der Lage zu sein, diese Funktion klar zu erkennen und zu identifizieren: der Geist macht die Dinge klar, in dem Sinne, dass er Erscheinungen oder geistige Darstellungen der Dinge aufkommen lässt und der Geist ist sich der Dinge gewahr, in dem Sinne, dass er sich kognitiv mit ihnen befasst. Geist ist auch etwas, das keinen Anfang hat. Es ist wichtig, seine Existenz und sein Verhältnis zum physischen Körper festzustellen. Geist ist nicht etwas Physisches, aber er hat Bezug zum physischen Körper; er ist keine Substanz und ebenso wenig ein physisches Produkt. Ferner gibt es verschiedene Ebenen des Geistes, von groben zu sehr subtilen. Es ist das Kontinuum auf seiner subtilsten Ebene, das auf zahllose Leben zurückreicht, ohne einen Anfang.
Buddha sagte, dass man den Geist sehr schwer zähmen und kontrollieren könnte, wenn er etwas wäre, das neu geschaffen würde, oder ein flüchtiges Phänomen wäre, das bloß kommt und geht oder von einem Gott geschaffen wäre. Wenn wir uns den Geist dagegen als etwas vorstellen, dass seit anfangsloser Zeit existiert und dass Erfahrungen aufgrund karmischer Impulse entstehen, die auf vorangehenden Handlungen basieren, dann können wir die verschiedenen Methoden anwenden, um den Geist zu zähmen.
Wir müssen die tatsächlichen Prozesse analysieren durch die wir Informationen aufnehmen, wie wir dazu kommen, die Dinge zu kennen. Es scheint so, als käme die Information von außen, von etwas, das unsere Augen sehen, unsere Ohren hören, oder so etwas. Jetzt zum Beispiel sitze ich hier und schaue diesen weißhaarigen alten Mönch vor mir an. Es scheint so, als gäbe es eine Art von Bewusstsein, das schaut, das die Verbindung zur visuellen Information herstellt und feststellt, welches spezifische Objekt gesehen wird. Das liegt daran, dass ich, während ich dieses Objekt anschaue, ich Dinge über das Objekt sehen kann, die sich in meinem vollen, klaren Gesichtsfeld befinden. Doch wenn mein Geist an etwas denkt, das mir heute Morgen passiert ist, wird er das Objekt nicht mit Gewissheit wahrnehmen. Obwohl alles um mich herum erscheint, wird sich mein Geist nicht darauf richten. Informationen fließen also durch die verschiedenen Sinne in uns ein und es scheint auch einen gewissen Faktor des Aufmerksamseins zu geben, bei dem offensichtlich ein geistiger Vorgang mitspielt.
Wir sollten es allerdings nicht dabei belassen, wie es die Texte beschreiben. Wir müssen die Dinge von unserer eigenen Erfahrung aus untersuchen und auch die moderne naturwissenschaftliche Erklärung der Dinge in Betracht ziehen: die Darstellung des Gehirns, wie es mittels der Sinne funktioniert, wie verschiedene Teile des Gehirns bei verschiedenen geistigen Funktionen mitspielen, und so weiter. Wir müssen versuchen, mit den Begriffen unserer eigenen Erfahrung und in den Begriffen der naturwissenschaftlichen Erklärung zu verstehen, wie der Geist funktioniert. Dafür wird mit Sicherheit eine Menge Untersuchungen nötig sein.
Es ist mit Sicherheit möglich festzustellen, wie dieser ganze Prozess funktioniert und eine Erklärung finden, die sowohl mit Buddhas Darstellung als auch mit der naturwissenschaftlichen Präsentation des Gehirns und der anderen Dinge übereinstimmt. Dasselbe gilt für das Funktionieren des Gedächtnisses und des Verhältnisses zwischen Geist und Materie. Wenn wir Tibeter zum Beispiel die beiden Wörter China und Indien hören, dann ist die erste Silbe in beiden Fällen zwar die gleiche (“Gyanag” und “Gyagar”), doch die zweite Silbe ist unterschiedlich. Es gibt nicht wirklich irgendetwas Materielles in diesen Wörtern, das unsere Reaktion beeinflussen könnte; doch sobald wir das Wort China hören, verspannen wir uns. Wenn wir das Wort Indien hören, fühlt sich unser Geist dagegen etwas entspannter. Ähnlich gilt: wenn ihr die Wörter Tenzin Gyatso hört, ist euer Geist sofort glücklich und ihr denkt „toll“. Wenn ihr dagegen die Wörter Mao Zedong hört, dann denkt ihr vielleicht „dieser Bastard“. In beiden Fällen ist da nichts Materielles außer dem Klang der Konsonanten und Vokale, aber es gibt eine gewisse Beziehung zwischen der Art, in der einerseits unsere Gefühle funktionieren und andererseits den vorangehenden Unterscheidungen, die wir getroffen haben sowie den Konzepten, die wir haben.
Es ist sehr wichtig, solche Dinge zu untersuchen, einschließlich visueller Bilder und wie sie uns erscheinen. Es ist ähnlich wie wenn wir „Tenzin Gyatso“ hören und dies von bestimmten Gefühlen begleitet wird. Untersuchen Sie diese Dinge auf wissenschaftliche Weise, um festzustellen, wie alles geschieht. Auch wenn es in den buddhistischen Lehren nicht so dargestellt wird: untersuchen Sie, was für ein Prozess im Gehirn vor sich geht, da das Gehirn anscheinend mit all diesen Dingen zu tun hat. Verschiedene Teile sind bei der Wahrnehmung des Sehens und des Hörens beteiligt. Untersuchen Sie, was beim Träumen vor sich geht. Diese Aspekte, bei denen Hirnfunktionen mitspielen, können nicht abgestritten werden, da sie wissenschaftlich festgestellt wurden. Wenn jemand schläft und man ein kleines Geräusch macht, wird es nicht gehört; doch wenn man ein lautes Geräusch macht kommt es zu irgendeiner physischen Reaktion, auch wenn die Person schläft. Auch dies können wir nicht abstreiten. Wir müssen die Dinge untersuchen und auf der Grundlage der Naturwissenschaft klar erkennen, wie alles funktioniert und dann sehen, wie das in die Lehren passt.
Das Gehirn ist mit Sicherheit auch beim Gedächtnis beteiligt. Und dasselbe muss auch für außersinnliche Wahrnehmung gelten, wie wenn man wahrnimmt, was in Zukunft geschehen wird. Diese Fähigkeit stellt sich ein, wenn man eine vertiefte Konzentration (samadhi) erreicht. Solche Dinge werden in den Schriften erklärt und es gibt tatsächlich Menschen, die es entwickeln. Ein geistiges Kontinuum, das etwas erlebt hat, dass zuvor geschehen ist, ist dazu in der Lage, Warnsignale wahrzunehmen, die ihm Auskunft geben, was später geschehen wird – doch nur, wenn das Kontinuum ein voneinander abhängendes Verhältnis zu den beiden Ereignissen hat. Man kann Hellsichtigkeit entwickeln und bestimmte Vorhersagen über die Zukunft machen; doch wenn das zukünftige Ereignis mit der Kontinuität des Bewusstseins keine Beziehung hat, dann kann man noch nicht einmal einen kleinen Teil der Zukunft erraten. Hellsichtigkeit entsteht nicht aus dem Nichts; sie basiert auf den verschiedenen Ursachen und Umständen im geistigen Kontinuum des Individuums, das hellsichtig ist.
Evolution
Wenn wir die verschiedenen Ebenen des Bewusstseins untersuchen, ist es gut, es nicht nur bei der Sutra-Ebene zu belassen; man sollte auch die Tantra-Ebene untersuchen. Die Tantras beschreiben die subtilste Ebene des Geistes; es ist diese Ebene, die von vorhergehenden Leben kommt und zu anderen Leben weitergeht. Damit verbunden ist die subtilste Ebene des Körpers, der subtilste Energiewind, der diese Ebene des Geistes immer begleitet. Das „Ich“ ist etwas, das diesen beiden zugeschrieben werden kann. Der subtilste Geist und der subtilste Körper sind die Basis der Zuschreibung und es ist diese Kombination, die von vergangenen Leben ins jetzige Leben kommt und dann in zukünftige Leben weitergehen wird.
In jedem Leben werden der subtilste Geist und der subtilste Körper in einem Prozess der Evolution schrittweise gröber während sie beginnen, sich mit den Elementen der groben Materie zu verbinden. Was die allgemeine Evolution in diesem Weltzeitalter angeht, beschreiben die Schriften, wie die ursprünglichen Wesen anfänglich nur von vertiefter Konzentration lebten und nicht zu essen brauchten. Schließlich aßen sie aber immer gröbere Nahrung und erhielten immer gröbere Körper. Jetzt sollten wir untersuchen, ob sich dies auf absolut alle bezieht, wenn das Leben in einem Weltzeitalter zu entstehen beginnt, oder ob zu diesem Zeitpunkt nur für bestimmte Wesen gilt.
Nehmen Sie Tibet: wir denken, wir seien die Nachkommen verschiedener Gottheiten, die sich mit Affen paarten und dass sich die Menschen daraus entwickelten. Die Naturwissenschaft spricht von einfacheren Lebensformen, die sich zu komplizierteren entwickelten und dass die Menschen so entstanden. Ich selbst glaube an beide dieser Evolutionstheorien. Was die Datierung der ersten Menschen in Tibet angeht, gibt es naturwissenschaftliche Belege dafür, dass es hier vor der Zeit von Buddha Shakyamuni Menschen gab. Archäologische Ausgrabungen haben menschliche Knochen und andere Überbleibsel in Chamdo und Kongpo gefunden; sie sind dreitausend Jahre alt. Buddha dagegen sagte voraus, dass zweihundert Jahre nach seinem Tod eine neue Generation von Wesen im Land des Schnees leben würde. Wie bringen wir diese beiden Dinge zusammen?
Es ist auch eindeutig, dass es in der Lhasa-Region einst einen See gab, denn 1956 fand ein geologisches Forschungsteam hier Fossile von Pflanzen. Auf diesen sieht man die Blätter eines Baumes, die in den See gefallen sind und im Schlamm auf dem Seeboden erhalten wurden. Daher gab es hier offensichtlich einen See, an dessen Rand sich ein Wald befand. Der See schrumpfte zusammen und trocknete schließlich aus; der Tsuglagkhang Tempel wurde auf den letzten Resten des Sees gebaut. Buddhas Prophezeiung sagte nicht, dass jenseits des Seeufers keine Menschen lebten. Sie wies bloß darauf hin, dass eine neue Generation von Menschen in die Region kommen und auf dem trockenen Land leben würde, das aus dem Zentrum des Sees aufsteigen würde. Dies widerspricht nicht den naturwissenschaftlichen Hinweisen darauf, dass in vorgeschichtlicher Zeit Menschen in Chamdo und in verschiedenen anderen Teilen Tibets lebten. Auf diese Weise müssen wir die Bedeutung dieser Dinge in den Schriften und in der Wissenschaft untersuchen.
Was die Evolutionstheorie angeht, die eine fortschreitende Entwicklung von komplexen Lebensformen aus einfacheren lehrt: Shakyamuni Buddha kam, um zu lehren, wie man einen anhaltenden glückseligen Geisteszustand erreichen kann. Er kam nicht, um zu lehren, dass die Welt rund, viereckig oder dreieckig war. Im Schriftkorpus der Lehren Buddhas gibt es einige Kommentare über den Ursprung spezifischer Menschen und Orte, doch das ist nicht das Hauptthema. Die wichtigsten Punkte befassen sich mit Karma, dem menschlichen Bewusstsein und damit, wie man bleibendes Glück in diesem Geistesstrom entwickeln kann. Ein Buddha lehrt immer in Bezug auf die Disposition der Menschen und ihrer Art, zu denken. Wenn es ihrer Denkweise entspricht, kann er lehren, dass die Dinge eine feste Existenz haben; anderen dagegen wird er lehren, dass sie keine haben.
Früher töteten die Menschen im Westen einander, weil sie verschiedene Weltanschauungen hatten. Niemand wollte daran glauben, dass die Erde rund war. Sie glaubten, sie sei flach und wegen solchen Fragen töteten sie einander. In den Lehren Buddhas geht es nicht darum, einen Geist zu entwickeln, der daran glaubt, die Welt sei flach oder rund. Damit verfehlt man das Eigentliche. Wenn er lehrt, dass die Zeit ohne Anfang ist, geht es darum, dass der Geist ohne Anfang ist. Wenn er nicht über die Anfangslosigkeit des Geistes sprechen würde, dann würde es sich kaum lohnen, über die Anfangslosigkeit im Allgemeinen zu sprechen. Auf der Grundlage von anfangslosem Geist kommen wir zur Diskussion des Geist-Körper-Verhältnisses in Bezug auf Karma. Innerhalb der umfassenden Kontinuität des anfangslosen Geistes kommen und gehen verschiedene Arten von Körper, sowohl auf einer individuellen als auf einer weltweiten Ebene. Die Diskussion anfangsloser Leben und des anfangslosen Geist muss auf Logik und Überlegung basieren: auf dieser Grundlage können sie definitiv begründet werden. Es ist also wichtig, dass wie erhebliche Bemühungen in das logische Untersuchen dieser Punkte stecken.
Den Geist in positive Zuständen vertiefen
Da jeder von uns ein individuelles, anfangsloses geistiges Kontinuum hat, stellt sich die Frage, in welche Richtung dieses geht. Was sind die Faktoren, welche die Inhalte seiner Erfahrung beeinflussen? Wir stellen fest, dass wir seit anfangsloser Zeit unter dem Einfluss von Anhaftung, Feindseligkeit und Naivität gestanden haben. Dies ist, was der Ausdruck „fremdbestimmt“ oder die Wendung „unter dem Einfluss anderer Faktoren stehen“ bedeutet. Mit anderen Worten steht der Geist nicht unter unserer Kontrolle, er steht unter der Kontrolle dieser anderen Faktoren: verschiedene störende Emotionen, Verblendungen, Mangel an Gewahrsein (Ignoranz) und so weiter. Da unser Geist nicht gezähmt ist, führen wir alle möglichen destruktiven Handlungen aus, die ihrerseits die verschiedenen Arten karmischer Hinterlassenschaften aufbauen, welche diese Arten von Verhalten aufrechterhalten und uns mehr Probleme verschaffen. Wir erleben Unglücklichsein und Leiden, welches aus der negativen karmischen Kraft reift, die als Hinterlassenschaft unserer destruktiven Handlungen entstanden ist. Wir haben in dieser Weise gehandelt aufgrund der destruktiven karmischen Impulse, die in unserem Geist entstanden waren. Und woher kamen diese? Sie sind deshalb entstanden, weil unser Geist nicht unter unserer Kontrolle stand. Es ist also notwendig, unseren Geist unter Kontrolle zu bringen und ihn nicht unter den Einfluss störender Emotionen und Geisteshaltungen geraten zu lassen. Wir müssen unseren Geist unter der Kontrolle konstruktiver, positiver Emotionen und Geisteshaltungen haben.
Um dazu in der Lage zu sein, unseren Geist konstruktiven Zielen zu widmen, müssen wir ihn flexibel und tauglich machen, so dass wir ihn einsetzten können wie wir wollen. Um ihn tauglich zu machen, müssen wir die verschiedenen Methoden anwenden, mit denen man Geist mittels der Meditation schulen kann. Durch Wiederholung und Gewöhnung baut Meditation bestimmte positive Geisteszustände als Gewohnheit auf. Diese Geisteszustände machen unseren Geist flexibel, so dass wir sie benutzen können, um konstruktive Zustände zu fördern. Wenn wir dies tun wollen muss unser Geist allerdings stabil sein. Egal, welches Objekt oder geistigen Zustand wir als Objekt unseres Fokussierens nehmen – wenn unser Geist nicht in stabiler Weise darauf fokussiert bleiben kann, werden wir unfähig dazu sein, uns mit diesen Zustand vertraut zu machen und ihn als Teil unseres Geistes zu integrieren.
Wenn wir zum Beispiel versuchen, eine Gewohnheit des Mitgefühls zu entwickeln, muss unser Geist mit Stabilität auf diesen Zustand konzentriert bleiben. Wenn der Geist vollkommen in eine Emotion, Geisteshaltung oder einen Geisteszustand im Allgemeinen eingetaucht ist, dann baut er eine starke Kraft auf, in dieser Richtung zu verweilen. Wenn wir durch die Meditation versuchen, Mitgefühl zu einer starken Gewohnheit zu machen und (dann) Gedanken an Vergänglichkeit, Leiden oder Probleme aufsteigen – die theoretisch hilfreich sein können – dann sind diese zu dieser spezifischen Zeit, wenn wir (gerade) Konzentration auf Mitgefühl entwickeln wollen, ein Hindernis. Wir müssen unseren Geist „hineintauchen“ und unsere Konzentration vollkommen, einsgerichtet in das Objekt der Meditation vertiefen.
Bevor wir dazu in der Lage sein werden, unseren Geist in den Zustand, den wir als eine positive Gewohnheit aufbauen wollen, einzutauchen und zu vertiefen müssen wir zuerst die tatsächliche Natur dieses Geisteszustandes feststellen. Wir müssen wissen, worum es sich handelt – korrekt und mit Gewissheit. Nur auf dieser starken Erkenntnis und der Feststellung dieses Zustandes basierend können wir das Vertrauen haben, unseren Geist in ihn einzutauchen. In ähnlicher Weise müssen wir ein starkes Vertrauen in die Notwendigkeit haben, diesen Geisteszustand aufzubauen. Wenn wir beispielsweise das Mitgefühl betrachten: Mit unterscheidender (analytischer) Meditation müssen wir zuvor denken „Mitgefühl ist etwas, das ich aus diesem und jenem Grund unbedingt entwickeln sollte.“ Wenn wir alle Gründe durchgehen, um es zu entwickeln, entsteht in uns ein sehr starker, vertrauensvoller Glaube an das Mitgefühl. Nur dann können wir unseren Geist während der konzentrierten Meditation vollkommen in Mitgefühl vertiefen und wissen, dass das sehr hilfreich ist.
Der Text diskutiert die Vorteile, drei Meditationssitzungen am Tag und drei in der Nacht durchzuführen. Es ist auch notwendig, sich während der Meditationssitzungen und in der Zeit dazwischen an einem isolierten und ruhigen Ort zu befinden. Wenn wir laute und störende Geräusche hören und störende Gedanken haben, wird unser Geist aufgeregt sein und wir werden uns nicht richtig konzentrieren können. Ferner müssen wir, wie ich es den Mönchen und Nonnen sage, auf unseren Geisteszustand im Allgemeinen achten. In Bezug hierauf sagt der Text auch, dass abends nichts zu essen ein anderer umstand ist, der für die Meditation hilfreich ist. Wenn man allerdings findet, der eigene Körper bekomme nicht genügend Nahrung und man sich sehr schwach fühlt, wenn man nach dem Mittagessen nichts mehr zu sich nimmt, dann ist das natürlich eine andere Situation. Wir müssen die physischen Realitäten unseres Körpers berücksichtigen. Wenn wir allerdings dazu in der Lage sind, ist es für die Meditation, hilfreicher abends nicht zu essen. Ausführlichere Erklärungen hierzu finden sich in den zwei Lam-rim-Texten Tsongkhapas.
Die vorbereitenden Übungen: die kostbare menschliche Widergeburt
Der erste der sieben Punkte zur Schulung des Geistes sind die vorbereitenden Übungen, welche die tragende Basis bilden. Sie bestehen darin, dass man an folgende Dinge denkt:
- die kostbare menschliche Wiedergeburt,
- Tod und Vergänglichkeit,
- verhaltensbedingte Ursachen und Wirkungen bzw. Karma,
- die Leiden oder Probleme der unkontrollierbar wiederkehrenden Existenz, Samsara.
Der Text spricht nun über die erste Vorbereitende Übung, die Reflexion über die kostbare menschliche Wiedergeburt. Als erstes müssen wir die acht Ruhepausen und die zehn Bereicherungen erkennen. Ruhepausen oder Freizeit sind zeitweilige Zustände der Freiheit von den acht Situationen ohne Freizeit.
Von den acht Situationen ohne Freizeit, welche die Dharmapraxis verhindern, sind die vier nichtmenschlichen Situationen Wiedergeburten als:
- ein gefangenes Wesen in einem freudelosen Reich (Höllenwesen),
- ein verzweifelt klammernder Geist (Hungergeist),
- ein kriechendes Wesen (Tier),
- ein langlebendes göttliches Wesen (Gott).
Die vier menschlichen Situation ohne Freizeit sind Wiedergeburten als
- ein Barbar in einem wilden Grenzgebiet,
- in einem Land, in dem der Dharma nicht verfügbar ist,
- mit schweren Lernbehinderungen,
- jemand, der instinktiv eine verzerrte Sicht auf das Leben hat und abstreitet, was wahr ist.
Von den zehn bereichernden Situationen (zehn Ausstattungen), welche die Dharmapraxis erlauben, sind die fünf persönlichen Situationen Wiedergeburten als
- ein menschliches Wesen,
- in einem zentralen buddhistischen Gebiet,
- mit vollkommenen Fähigkeiten,
- jemand, der nicht mehr die Nachwirkungen erfährt, die dadurch entstehen, dassn man extremsten destruktiven Handlungen ausgeübt hat,
- jemand, der instinktiv an das glaubt, was wahr ist.
Die fünf sozialen Situationen, die zur Dharma-Praxis befähigen, sind Wiedergeburten dort und dann
- wo und wann ein Buddha gekommen ist,
- wo er den Dharma gelehrt hat,
- wo der Dharma weiterhin aufrechterhalten ist,
- wo eine monastische Gemeinschaft Buddhas Beispiel folgt,
- wo andere di e monastische Gemeinschaft mit Mitgefühl unterstützen.
Die erste dieser Situationen ohne Freizeit ist es, ein verzerrtes, feindseliges Denken zu haben. Diejenigen, die mit feinseliger Haltung sagt, dass Hellsichtigkeit unmöglich ist – oder noch nicht einmal die Möglichkeit sehen, in einer Situation wiedergeboren zu werden, in der die Lehren Buddhas weiterhin verfügbar sind – sind ziemlich unfähig dazu, die Dharma-Praxis fortzuführen; manchmal werden sie so verzweifelt, dass sie Selbstmord begehen.
Zum Glück sind wir nicht so. Wir sind gesund, haben einen gesunden Körper und eine gute Intelligenz, um zu verstehen. Zum Beispiel sind hier einige westliche Menschen bei uns; auf Tibetisch nennen wir sie „gelbhaarige Menschen“ doch einige von ihnen sind schwarzhaarig, andere rothaarig und einige sind sogar kahlköpfig! Und die Menschen in China haben möglicherweise keine Gelegenheit, den Dharma zu praktizieren, während die Ausländer hier in einem Land geboren wurden, in dem der Dharma noch nicht vorhanden ist; doch sie haben davon gehört und von den Vorteilen, die er bringt, und sie sind hierher gekommen, um zu lernen.
Über diesen Punkt hier wird debattiert: ob die Menschen aus Amerika aus dem nördlichen Kontinent entsprechend der traditionellen indo-tibetischen Kosmologie kommen oder nicht. Wenn das der Fall wäre, dann wären die karmischen Hindernisse sehr schwerwiegend, doch dies wird infrage gestellt. Entsprechend der Sutras haben die Menschen des nördlichen Kontinents keinen Besitz und kein Eigentum – und in Amerika, sind die Menschen sehr besitzergreifend, was ihren Reichtum und ihren materiellen Status angeht! Anscheinend gibt es in den USA auch ein großes Interesse am Buddhismus, weil dort zahlreiche Immigranten aus Ländern wie China, Japan und Vietnam kommen, deren Eltern Buddhisten waren. Es gibt auch einige Amerikaner, die in Kontakt mit dem tibetischen Buddhismus gekommen sind und die sich für ihn interessieren.
Dies ist alles ein Teil der Diskussion über eine der Situationen ohne Freizeit, von denen die kostbare menschliche Wiedergeburt frei ist. Die Wiedergeburt mit einem solchen Körper ist schwer zu verwirklichen und auch wenn man als Mensch wiedergeboren wird, gibt es nur wenige Möglichkeiten, dem Dharma zu begegnen. Auch wenn wir dem Dharma begegnet sind und ernsthaft behindert sind und nicht lernen können, dann ist die Gelegenheit verloren. Und selbst wenn wir nicht ernsthaft behindert sind, ist es weiterhin möglich, dass wir mit einer extrem verzerrten, antagonistischen Geisteshaltung geboren werden und das würde unsere Entwicklungsfähigkeit ernsthaft behindern.
Es ist hilfreich, diese verschiedenen Situationen ohne Freizeit zu betrachten und zu denken: „Wie leicht hätte ich in einem solchen Zustand wiedergeboren werden können und wie viel Glück habe ich, davon frei zu sein.“ Wenn wir sehr stark an diese Situation denken, die wir haben, die Freiheit von einer Situation ohne Freizeit – dann entwickeln wir ein großes Gefühl von Glück und Erleichterung, dass ein Teil der Meditation ist.
Unter den zehn Bereicherungen sind die Geburt als ein menschliches Wesen, in einem zentralen Gebiet und so weiter die Bereicherungen von unserer persönlichen Seite her. Es gibt auch Bereicherungen von der Seite der Gesellschaft her, wie zu einer Zeit geboren zu sein, als ein Buddha gekommen ist, wenn die Lehren blühen und wenn es Förderer gibt, die sie unterstützen und Menschen, die sie praktizieren.
Jetzt haben wir alle diese acht Situationen von Freizeit. Während es schwer sein kann, alle Qualifikationen der zehn Bereicherungen zu haben, sind am wichtigsten die acht Situationen von Freizeit, oder Ruhepausen, die wir haben. Deshalb wird in verschiedenen Texten oft von diesem Körper großer Freizeit, von diesem Körper mit Ruhepausen gesprochen, da wir alle solche Körper haben. Der Kernpunkt von alledem ist folgender: da wir jetzt diese große Gelegenheit haben, diese kostbare menschliche Widergeburt, sollten wir sie nicht verschwenden; wir sollten sie gut nutzen.
Wie nutzen wir tatsächlich diesen kostbaren menschlichen Körper? Die Menschen des nördlichen Kontinents haben diese Freizeit und diese Freiheit nicht – nur die von den anderen drei Kontinenten. Wenn daran denken, wie wichtig diese kostbaren Arbeitsbasis ist, die wir haben: wir können mit ihr alle gereinigten Zustände von bodhi erreichen, nämlich die gereinigten Zustände eines Arhats, d.h. eines befreiten Wesens der Shravaka- oder Pratyekabuddha-Klasse, oder den gereinigten Zustand eines Buddha. Dieser kostbare menschliche Körper ist die Grundlage auf der wir jedes dieser großen spirituellen Ziele tatsächlich erlangen können. Außerhalb des menschlichen Körpers gibt es keine Grundlage, auf deren Basis wir eine starke Bodhichitta-Ausrichtung entwickeln können. Dieser kostbare menschliche Körper ist etwas absolut Essentielles, um die tantrischen Pfade zu praktizieren, wie es der große Meister Nagabodhi, ein Schüler Nagarjunas, in seiner Darstellung der Stadien erklärt hat.
Das kostbare menschliche Leben, das wir auf diesem Kontinent haben, ist ein Körper der Handlungen. Wir leben in einem Land der Handlungen – dies bedeutet, dass wir aufgrund verschiedener Handlungen ein längeres oder kürzeres Leben haben werden und dass wir in diesem Leben verschiedene Dinge erreichen können. Da wir im Land der Handlungen – diesem südlichen Kontinent – geboren wurden, können wir durch unsere Handlungen etwas im Leben erreichen. Diese menschliche Wiedergeburt ist also etwas extrem Machtvolles. Wenn unser kostbares menschliches Leben zusätzlich dazu die acht gereiften guten Eigenschaften hat und wir dann über die individuellen Ursachen für diese acht nachdenken werden wir unsere Fähigkeit, all unsere Ziele zu verwirklichen verstärken. Ein solches Potential zu haben und es einfach wegzuwerfen wäre wirklich schade, oder? Es ist wie wenn wir einen kostbares Erbstück aus Gold hätten, als finanzielle Basis, um unser Leben zu sichern, und wir es stattdessen einfach verschwenden würden. Das wäre eine traurige Situation.
Die acht gereiften guten Eigenschaften (tib. rnam-smin-gyi yon-tan brgyad) für eine kostbare menschliche Wiedergeburt sind:
- ein langes Leben haben,
- eine angenehme körperliche Erscheinung haben,
- eine a usgezeichnete Familie oder einer ausgezeichneten Kaste angehören,
- Reichtum,
- glaubhafte Rede,
- Macht und Einfluss,
- e inen starken Körper, große Ausdauer und einen starken Geist bzw. starke Willenskraft,
- ein Mann zu sein, was in einer traditionellen Gesellschaft bedeutet, mehr Gelegenheiten zu haben.
Wenn wir feststellen, dass es ein großer Verlust wäre, auch nur einen Augenblick dieses kostbaren menschlichen Lebens zu verschwenden, dann haben wir unsere kostbare menschliche Wiedergeburt erkannt. Die Schriften verweisen auf die großen Vorteile der kostbaren menschlichen Wiedergeburt als Samen, um alle möglichen guten Eigenschaften zum Wachsen zu bringen. Sie beschreiben sie auch als großes Juwel, das uns alle Verwirklichungen bringt. In dem Werk „Eintritt in das Verhalten der Bodhisattvas “ schreibt Shantideva: „Wenn ich also eine solche Ruhepause gefunden haben und konstruktives Verhalten nicht zu meiner Gewohnheit mache, dann gibt es keine größere Selbsttäuschung; dann gibt es nichts dümmeres als das ... Wenn ich irgendwie eine günstige Wiedergeburt gefunden habe, die so schwer zu finden ist und ich mich (nun), wo wir dazu in der Lage sind, zu unterscheiden, noch einmal in ein freudloses Reich ziehe, dann ist das, wie wenn ich keinen Geist gehabt hätte während ich hier war, wie wenn ich von einer Mantra-Verzauberung geblendet worden wäre. Wenn ich nicht weiß, was mich so dumm sein lässt, was ist dann in meinem (Kopf)?“
Dieses Zitat von Shantideva ähnelt dem, was Aryashura sagte: „Wenn wir diese kostbare Gelegenheit einmal haben, sollten wir sie nicht wegschmeißen; denn wenn wir in einen unerträglichen Zustand fallen, wie in den eines gefangenen Wesens in einem freudlosen Höllenreich, dann hätten wir nicht die Gelegenheit, unsere Bedingungen zu verbessern.“ Wir sollten daher daran denken, wie viel Glück wir haben, dass wir uns in einer Situation befinden, in der wir tatsächlich etwas an unserer Lage verändern können.
Wenn dieser kostbare menschliche Körper mit seinen acht Ruhepausen und zehn Bereicherungen etwas wäre, das man leicht wieder und wieder erlangen kann, dann wäre es nicht so traurig. Wie ein Kind könnten wir denken „Wenn ich es heute oder morgen nicht bekomme, werde ich es doch bald bekommen können.“ Wenn dem so wäre, wäre es eine andere Geschichte. Doch die Realität ist, dass ein kostbares menschliches Leben extrem selten und schwer zu erlangen ist. Um dies zu verstehen müssen wir zuerst die Ursachen und Wirkungen betrachten – wenn die Ursachen nicht selten wären, wären es auch die Resultate nicht. Doch selbst die Ursachen sind extrem selten.
Die grundlegende buddhistische Philosophie und Weltanschauung ist, dass alles in Abhängigkeit von etwas anderem entsteht: alle Dinge entstehen aus Ursachen. Eine menschliche Wiedergeburt ist nicht etwas, das vom Himmel fällt, sondern das das Ergebnis von Ursachen ist. Lebendige menschliche Wesen entstehen aus den Spermien und Eiern ihrer Eltern, die ebenfalls aus den Spermien und Eiern ihrer Eltern entstanden und so geht es zurück durch den gesamten Prozess der Evolution. Die Wesen entwickelten sich in einer anfänglichen Umgebung in einem sich entwickelnden Universum, das, wiederum aus einer vorangehenden Periode entstand, als es solch ein Universum nicht gab. Wenn man so durch die Zyklen geht, die aus früheren Zyklen hervorgingen, dann entstanden all diese Ergebnisse aus verschiedensten Ursachen, in Einklang mit dem unterschiedlichen Karma dieser verschiedenen Lebewesen. Genau wie die verschiedenen Lebensformen im Universum aus Ursachen entstanden, sind auch unser individuelles geistiges Kontinuum und die Lebensformen, die dieses annimmt, aus Ursachen entstanden. Handlungen, die wir in der Vergangenheit ausgeführt haben, haben als Wirkung dieser Handlungen die Wiedergeburten produziert, die wir erlebt haben. Und was wir in diesem Leben tun, wird unsere zukünftigen Wiedergeburten bestimmen.
Unser geistiges Kontinuum bleibt nicht immer das gleiche. Es ist unterschiedlich als ein Laie oder als ein Mönch oder eine Nonne, die Gelübde haben. Mönche und Nonnen haben ein besonderes Interesse daran, ihr gesamtes Leben dem Dharma zu widmen. Und was macht einen Mönch oder eine Nonne aus? Es ist die Wirkung der Gelübde auf ihr geistiges Kontinuum, die verschiedenen Schulungen, Zurückhaltungen und so weiter, die von den Buddhas kommen. Dies entsteht durch einen Prozess der Ursachen. Ein Mönch könnte zum Beispiel denken „Obwohl ich als Mönch eine gewisse Disziplin übe, werde ich doch die Gelegenheit verscherzen, die ich jetzt habe, wenn mein Geist von störenden Geisteshaltungen verblendet wird.“ Wir müssen also die Zeit und die Gelegenheiten, die wir haben, richtig ausnutzen. Sobald wir morgens aufwachen, sollten wir unsere verschiedenen Gebete und Rezitationen ausführen. Wenn unser Geist zu wandern beginnt, bringen wir ihn zurück. Wir dürfen die Gelegenheit nicht verschwenden – sogar wenn wir uns selbst ohrfeigen müssen, um zu unserer Meditation zurückkehren zu können!
Etwas wovon wir uns besonders schützen müssen ist die wütend zu werden. Wie Shantideva in „Eintritt in das Verhalten der Bodhisattvas“ sagt: Wenn wir auf andere wütend werden, zerstört dies all die positive Kraft, die wir in unserem geistigen Kontinuum aufgebaut haben. Shantideva sagt uns auch, dass es zahlreiche Ursachen dafür gibt wütend zu werden, da wir nicht nur auf Menschen wütend werden, die uns reizen – wir verlieren sogar die Geduld, wenn Vögel laut singen! Wir regen uns so leicht unnötig auf, dass wir auf diese Tendenz zum Wütend-Werden achtgeben müssen. Wir sehen etwas Ungübstiges und regen uns auf! Die Hunde halten uns nachts wach und wir werden wütend auf sie, da sie uns nicht schlafen lassen! Aber im Vergleich zu den chinesischen Kommunisten, die versuchen, ihr Töten, Foltern und dass sie den Menschen Leid antun, zu rechtfertigen, sind wir nicht so schlecht. Zumindest versuchen wir, religiös zu sein, gute Dinge zu tun und auf dem rechten Weg zu sein.
Veilleicht haben wir studiert und fühlen uns dann sehr stolz, indem wir denken “Ich kenne die Texte sehr gut, ich bin ein großer Lehrer und ich kann alle Last auf meinen Schultern tragen – ich werde allen Unterweisungen geben.” Wenn wir diese Art von stolzem Geist haben und besonders, wenn unsere Motivation ist, zu unterrichten, um viel Geld zu verdienen und sehr berühmt zu werden, dann ist all unser Lernen vollkommene verschwendet. Unser ganzes Lernen wird dann sinnlos gewesen sein. Menschen, die dem spirituellen Pfad nicht korrekt folgen, sind wie ein müder Esel, der auf dem Pfad anhält und sich nicht mehr bewegen kann, der keinen Fortschritt mehr macht.
Die Chinesen, die keine Religion haben und einander ständig kritisieren, sind weniger schlimm als einige von uns hier, die Roben tragen, die (eigentlich) verschiedene religiöse Praktiken machen sollten, und stattdessen ihre Zeit damit verbringen, diesen Mönch auf der linken Seite zu kritisieren, der dieses oder jenes getan hat, und jenen Mönch auf der rechten Seite zu kritisieren, der etwas anderes getan hat. Sich in dieser Weise zu verhalten, schafft weit mehr negative Potentiale als das Verhalten der Chinesen, die dasselbe tun, ohne eine Religion zu haben.
Wenn wir in diesem Leben nicht die Ursachen aufbauen, um in Zukunft eine kostbare menschliche Wiedergeburt zu erlangen, dann wird es sehr schwer sein, eine solche Widergeburt zu erlangen. Wir können ihre Seltenheit in Bezug auf ihre Natur und in Bezug auf ihre Anzahl betrachten: so gibt es beispielsweise viel mehr Insekten als Menschen. Auch wenn wir die gefangenen Wesen in den freudlosen Reichen (Höllenwesen) und die Klammergeister (hungrige Geister) nicht mit in Betracht ziehen, da wir sie nicht sehen können, könnten wir doch die Anzahl der Tiere und Insekten auf dieser Welt nicht richtig zählen. Betrachtet man es in Bezug auf die Zahl der Individuen in jeder Lebensform, dann können wir feststellen, dass die Anzahl deren, die eine kostbare menschliche Lebensform haben, sehr gering ist.
Die gesamte menschliche Weltbevölkerung wird auf 4.8 Milliarden geschätzt. Wie viele davon haben eine voll qualifizierte, kostbare menschliche Wiedergeburt, sowohl in den Begriffen der Statistik als auch in denen der Ursachen? Wir müssen uns fragen, ob wir tatsächlich die vollständigen Bedingungen und Ursachen in uns haben, um eine kostbare menschliche Wiedergeburt zu erlangen. Wenn wir so denken können wir verstehen, wie wenige kostbare menschliche Geburten es gibt und was für eine schwere Herausforderung es ist, die Ursachen zu schaffen, um eine solche Wiedergeburt zu erlangen.
Was das Errichten des Dharmas angeht: der Dharma wurde nicht zum Wohle der Buddhas selbst geschaffen, sondern zum Wohle derer, die Glück wollen und nicht leiden wollen – solche Wesen wie wir. Und er wurde gelehrt, damit wir unseren Geist kontrollieren und zähmen können. Welche Umstände sind hierzu dienlich? Wenn wir den äußeren Umstand haben, einen spirituellen Mentor zu haben, der voll qualifiziert ist und den inneren Umstand einer kostbaren menschlichen Wiedergeburt, dann haben wir die Fähigkeit, Fortschritte zu erzielen und diese Ziele zu verwirklichen. Wenn wir weiter nachdenken, auf einer tieferen Ebene, in Bezug auf Buddha-Natur, dann haben wir alle die notwendigen Faktoren, die uns erlauben werden, uns zu vollen Buddhas zu entwickeln. Wenn man mit all diesen Grundlagen, Ursachen und Umständen ausgestattet ist, gibt es keinen Grund, weshalb wir unsere Ziele nicht erreichen könnten. Auf die Warnung, diese Zeit nicht zu verschwenden, sollten wir jetzt sofort hören und nicht „nächstes Jahr“ oder in irgendeiner vagen Zukunft. Wir dürfen diesen Augenblick nicht verschwenden! Das liegt daran, dass das Leben recht kurz sein kann und die beste Weise, unsere kostbare menschliche Wiedergeburt auszunutzen ist, eine Bodhichitta-Ausrichtung zu entwickeln.
Lassen Sie uns also tief darüber nachdenken, wie selten und kurz ein kostbares menschliches Leben sein kann. Lassen Sie uns in entschiedener Weise den Entschluss fassen, dieses Leben in der bestmöglichsten Weise zu nutzen. Wir wollen hierzu Gebete und Bitten machen, damit wir eine Bodhichitta-Ausrichtung entwickeln können. Dies schließt die erste der vorbereitenden Übungen ab.